„Die Gefahren werden völlig unterschätzt“

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Mein Verein
SONNTAG
2. AUGUST 2015
R I S K A N T E R E I S E N : WA S V E R E I N E B E I AU S F LÜ G E N U N B E D I N G T B E AC H T E N S O L LT E N
„Die Gefahren werden völlig unterschätzt“
René Hissler vom Bundesverband Deutscher Vereine und Verbände warnt Klubs davor, Ausflüge und Reisen auf eigene Faust anzubieten
mit seinen Reiseangeboten unlauteren
Wettbewerb betreibt. Allein da kommt
dann schon unnötige Mehrarbeit für die
Vereine heraus. Hinzu kommen könnten
gegebenenfalls die Bußgeldandrohung
und eine Unterlassungsklage von der gewerblichen Konkurrenz.
Vereinsreisen sind stark im Kommen. Laut
dem Bundesverband deutscher Vereine
und Verbände (BDVV) werden jährlich
mehr als eine Million Reisen von Vereinen angeboten und durchgeführt. In den
meisten Fällen aber verstoßen Vereine dabei gegen die geltende Gewerbeordnung.
Und: Planen Vereine ihre Reisen auf
eigene Faust, übernehmen sie die Haftung
und setzen sich so ungewollt vielen Risiken aus. Timo Sczuplinski sprach mit
BDDV-Vorstandsmitglied René Hissler
über die Probleme bei Vereinsreisen und
Ideen, wie diese vermieden werden können.
Könnten sich Vereine den Aufwand leisten,
eine Reise korrekt anzubieten?
Das ist allemal leistbar. Da sehe ich überhaupt keinen Hinderungsgrund. Die örtlichen Handelskammern sind ein guter Ansprechpartner, wenn Vereine die Genehmigung als Reiseveranstalter beantragen wollen. Der Verein muss dann allerdings auch
wissen, dass er alle Pflichten – insbesondere die Insolvenzabsicherung der vorab
kassierten Reisekosten – erfüllen muss. Er
allein ist in diesem Fall haftbar. Deshalb
sehe ich – wie schon gesagt – viel mehr Vorteile darin, dass Vereine sich eben einen
Reiseveranstalter suchen, über den die
Reise dann angeboten und durchgeführt
wird.
Herr Hissler, etwa 80 Prozent der Vereinsreisen werden laut dem BDVV „schwarz“
durchgeführt. Was läuft da falsch?
René Hissler: Es ist in den allerwenigsten
Fällen so, dass böse Absicht dahinter
steckt.
Sondern?
Es ist in vielen Vereinen einfach die Macht
der Gewohnheit. Nach dem Motto: So haben wir es immer gemacht, so machen wir
es weiter. Aber die Gefahren werden völlig
unterschätzt.
Kommt das dann automatisch teurer für
Vereine?
Das kostet jeden Teilnehmer vielleicht
zehn Euro mehr, aber der Verein steht
nicht mehr in der Pflicht eines Veranstalters. Und: Er haftet nicht mehr für alles, was
auf so einer Reise passieren kann.
Was machen die Vereine denn falsch bei
diesem Thema?
Es ist häufig noch so: Ein Vereinsmitglied
überlegt sich, wo man denn so hinfahren
könnte. Dann organisiert er selbst alles. Er
kümmert sich um den Transport, das Hotel,
die Unterbringung, die Führung im Museum. Er rechnet den nötigen Preis aus und
motiviert die Mitglieder und Nichtmitglieder dann zur Teilnahme an der Vereinsreise. Damit erfüllt er aber schon die klassischen Aufgaben eines Reiseveranstalters,
die aber klar der Gewerbeordnung unterliegen.
Haben Reiseveranstalter ihre Angebotspalette mittlerweile überhaupt auf Vereinsbedürfnisse umgestellt?
Und wie. Man muss ja auch wissen: Die Reisebranche boomt. Das Maß an Freizeit ist
gestiegen. Entsprechend mehr Nachfrage
und natürlich auch Angebote gibt es. Das
merkt man gerade auch auf Vereinsebene,
wo mittlerweile viel mehr Reisen auf die
Beine gestellt werden als früher. Zahlenmäßig kann man hier bei über 600 000 Vereinen sicherlich von mehr als einer Million
Reisen pro Jahr ausgehen. Für die Reiseveranstalter ist das Vereinsreisegeschäft eine
ganz wichtige Säule. Und deshalb haben
sie natürlich auch längst eine ganze Reihe
von Angeboten konzipiert, mit denen sie
auch auf die Vereine zugehen. Und sie reagieren natürlich zurecht allergisch darauf,
wenn Vereine es entgegen der Gewerbeordnung auf eigene Faust probieren.
Und dann kommen die Probleme?
Ja. Als Reiseveranstalter ist, abgesehen
vom Verstoß gegen die Gewerbeordnung,
allein schon mal das Thema Haftung. Es
können Unfälle passieren, das Hotel kann
überbucht sein, ein Zug fällt aus, eine Person geht verloren. Diese Koordinationspflicht ist für Laien kaum zu leisten, wenn
sie mit 50 Personen unterwegs sind.
Was sollten Vereine stattdessen tun?
Vereinsmitglieder sollen sich natürlich weiterhin Gedanken darüber machen, welche
Vereinsreise interessant sein könnte. Aber
im nächsten Schritt sollten sie die ganze Organisation, Buchung, die Kosten und Absicherung einem Reiseveranstalter überlassen. Der Verein ist dann nur noch der Geschäftsvermittler und trägt keine Haftung
mehr. Der Verein kann es sich wirklich einfacher machen und die Risiken minimieren, indem er sagt: Wir reisen jetzt mit
einem Busunternehmen zum Beispiel von
Bremen nach Walsrode, erleben den Weltvogelpark, erkunden das Heidemuseum
und nach einem gemütlichen Abendessen
treten wir die Heimreise. Jeder kann dabei
sein, jeder bezahlt den Betrag an den Anbieter und jeder hat einen schönen Tag.
Müssen Vereine bei dieser Vielzahl von Angeboten aufpassen, dass sie nicht auf unseriöse Anbieter hineinfallen?
Das Risiko sehe ich eher als gering an. Die
meisten Mitglieder können sehr gut unterscheiden, ob es eine dubiose Kaffeefahrt
oder Verkaufsfahrt ist, die sie da mitmachen oder nicht. Gerade weil sich die Vereinsmitglieder ja meist vorher Gedanken
machen, was sie überhaupt für eine Reise
machen wollen. Ausnahmen mag es da geben.
Will ein Verein eine Reise trotzdem selbst
anbieten, gibt es noch die Probleme mit der
bereits angesprochenen Gewerbeordnung.
Müssen sich da alle Vereine angesprochen
fühlen?
Da sprechen wir in der Regel nicht über
Vereine, die ein oder zwei Mal im Jahr
einen Ausflug machen. Die sind da eher
untergeordnet.
werbetechnisch wirklich in die Bredouille
kommen. Da haben wir zum Beispiel viele
Seniorenvereine, die wöchentlich ein oder
zwei Aktivitäten machen.
Haben Sie ein Beispiel?
Sportvereine zum Beispiel, die mal an
einem Turnier teilnehmen oder einmal im
Jahr ins Trainingslager fahren, sind da
außen vor. Aber Vereine, die wirklich regelmäßig in kürzeren Abständen Ausflüge
unternehmen, können als Veranstalter ge-
An welche Regeln muss man sich halten,
wenn man Probleme mit der Gewerbeordnung vermeiden will?
Bei mehr als zwei Reiseveranstaltungen im
Jahr muss man sich Gedanken machen.
Und zwar, wenn bei den Fahrten mehr als
zwei Leistungen angeboten werden.
Von der Stadtbesichtigung bis zum Museumsbesuch: Vereinsreisen sind im Kommen, bergen aber auch Risiken.
Das müssen Sie etwas genauer erklären.
Eine normale Busfahrt mit Besichtigung ist
nach der Gewerbeordnung zum Beispiel
noch kein Problem. Wenn aber dann eine
dritte Leistung wie ein gemeinsames Essen
oder eine Übernachtung hinzukommt, die
vorher an den Verein bezahlt wurde, dann
fällt der Verein als Reiseveranstalter unter
das Reisevertragsrecht. Daher der Tipp:
Man sollte einfach unter zwei Reiseleistungen bleiben, dann hat man auch kein Problem mit der Gewerbeordnung.
FOTO: DPA
Was kann den Vereinen passieren, die anders handeln?
Es gibt sehr viele professionelle Betriebe,
die akribisch darauf achten, was und wie
viele Reisen Vereine anbieten. Die wehren
sich dagegen, weil ihnen dadurch natürlich
Kunden entgehen können. Vereine sind da
eine absolute Konkurrenz. Es kommt dann
häufig vor, dass der betroffene Verein vom
Gewerbeaufsichtsamt eine Aufforderung
bekommt, sich zu äußern, warum er gegen
die Gewerbeordnung verstößt. Warum er
Warum gehen dann nicht schon viel mehr
Vereine den einfachen und risikoärmeren
Weg?
Die Risiken werden schlichtweg noch zu
sehr unterschätzt. Und von daher haben
wir an die Vereine die dringende Empfehlung: Bitte Abgeben! Wir als BDVV arbeiten daran, die Vereine mehr und mehr darüber aufzuklären. Wir sind da auf dem richtigen Weg, das Thema Vereinsreise in sichere Bahnen zu lenken.
Zur Person
René Hissler ist Finanzvorstand des Bundesverbandes deutscher Vereine und
Verbände und Fachmann
für Versicherungsfragen.
Infos zu Beratungen bekommen Sie unter der Adresse
www.bdvv.de oder unter
Telefon 030/34 78 7877.
Geplanter Bringdienst oder tägliche Sowieso-Fahrt?
Auch wenn Vereine kostenlose Fahrten anbieten, können sie schnell mit dem sogenannten Personenbeförderungsgesetz in Konflikt geraten / Hissler: „Es geht um Sicherheit“
Bremen (tip). Nicht nur bei Reisen sollten
Vereine genau auf die Regeln achten.
Auch bei unentgeltlichen Fahrten können
Klubs schnell gegen das Gesetz verstoßen.
Bietet ein Verein zum Beispiel Hilfsdienste
an, bei denen Mitglieder oder Angestellte
regelmäßig Personen von A nach B fahren,
fallen diese Leistungen unter das sogenannte
Personenbeförderungsgesetz.
Denn: Ein Verein wird durch feste Fahrdienste zur Konkurrenz für die Taxiunternehmen. Der jeweilige Fahrer benötigt
dann unbedingt einen Personenbeförderungsschein.
„Da spielt es keine Rolle ob Geld eingenommen wird oder nicht. Vereine übernehmen in diesem Fall taxiähnliche Dienste“,
sagt René Hissler, Vorstandsmitglied im
Bundesverband deutscher Vereine und
Verbände (BDVV). Vereine würden als Gewerbe geführt und nicht als Privatpersonen. Daher die strengere Auslegung.
Auch die Zahl der zu befördernden Personen sei bei solchen regelmäßigen Fahrten –
etwa zum Einkaufen – unerheblich. Egal,
ob es sich um eine Gruppen von Menschen
oder um Einzelpersonen handele: Ein Beförderungsschein sei immer Pflicht. An dieser Auflage sei etwa auch der Fahrdienst
Uber in Deutschland gescheitert, dessen
Geschäftsgrundlage es ist, dass jede Privat-
person ohne besondere Qualifikation Fahrten anbieten können.
„Es geht dabei vor allem um die Sicherheit der Personen“, sagt Hissler. Es müsse
geklärt sein, ob der Fahrer die Regeln
kenne und auch gesundheitlich für solch
einen Fahrdienst geeignet sei. Einen Personenbeförderungsschein könne man bei der
Bürgerbehörde beantragen. Gefordert
werde dann ein ärztliches Attest über den
Bietet ein Verein regelmäßige Fahrdienste an, braucht
der Fahrer unbedingt
einen Personenbeförderungsschein.
FOTO: DPA
Gesundheitszustand des Fahrers. Immer öfter müsse der Antragsteller auch eine Schulung zum Berufskraftfahrer Modul 1 mitmachen. Die Gesamtkosten für den Schein liegen laut Hissler etwa bei 150 bis 200 Euro.
Es gibt aber auch Sonderfälle beim
Thema Personenbeförderung. Eltern, die
ihre Kinder und Teamkollegen zum Beispiel zum Auswärtsspiel einer JuniorenSportmannschaft mitnehmen, bräuchten
keinen Schein, sagt der BDVV-Experte.
Diese Fahrten könnten weiter spontan angeboten werden, ohne dass der Fahrer Konsequenzen fürchten muss. „Diese Fahrten
sind nicht auf Dauer angelegt und deshalb
völlig in Ordnung“, sagt Hissler.
Auch Berufspendler müssten sich keine
Sorgen machen. Wer zum Beispiel jeden
Tag von Oyten, Lilienthal, Ritterhude oder
Syke aus nach Bremen zur Arbeit fährt und
regelmäßig einen Kollegen mitnimmt,
unterliegt nicht dem Personenbeförderungsgesetz. „Das sind Sowieso-Fahrten,
die ohnehin stattfinden“, sagt Hissler. Bei
Trampern oder Mitfahrzentralen sei es
ebenfalls kein Problem.