Von brennender Aktualität

Von brennender Aktualität
„Anatevka“-Aufführung greift Flüchtligsproblematik auf
Hamm (hok). „Anatevka? Das
klingt so altmodisch und altbacken.“ Die ersten Reaktionen aus Anke Lux’ Musicalklassen in der Musikschule
waren wenig angetan, als die
Choreografin das neue Stück
vorstellte. Doch die anfängliche Skepsis sei längst in große Begeisterung umgeschlagen, sagt Lux: „Viele Akteure
kriegen immer noch Gänsehaut, wenn sie die Songs singen. Der Witz und und der
Geist des Textbuchs haben
alle gepackt.“
Am kommenden Wochenende wird der Musicalklassiker aus Anlass des 75-jährigen Bestehens der Musikschule Hamm gleich zweimal
im Kurhaus aufgeführt: am
Samstag um 19.30 Uhr und
am Sonntag um 15 Uhr.
Bernd Smalla als Musikschulleiter und Lux haben
„Anatevka“ ausgesucht, „um
zum Jubiläum ein gehaltvolles Musical auf die Bühne zu
bringen, bei der die ganze
Bandbreite der Musikschule
präsentiert werden kann“.
Lux: „Da schieden aktuellere
Disney-Stücke schnell aus.“
Tatsächlich sind es bei „Anatevka“ viele Akteure, die am
Wochenende mitwirken. Alleine 70 Menschen stehen auf
der Bühne: Die Musical- und
KidsCompanie sowie die
TanzCompanie Hamm, dazu
kommen drei der sieben Musicalklassen von Anke Lux,
Musiklehrer, Schüler der Gesangsklassen und zehn Chor-
Vom jungen Orchestermusiker bis zu Tänzerinnen aus den Musicalklassen – hundert Akteure aus
der Musikschule wirken bei den Aufführungen von „Anatevka“ mit.
Fotos: Wiemer
sänger. Im Orchestergraben
sitzen weitere 20 Sänger und
ein 30-köpfiges Sinfonieorchester, geleitet von Musikschulleiter Bernd Smalla.
Welche Aktualität das Musical aus dem Jahr 1964 gerade
heute hat, wurde auch den
jüngeren Mitwirkenden, die
das Stück vorher nicht kannten, im Laufe der letzten Wochen immer deutlicher. Anatevka handelt eben nicht nur
von dem jüdischen Milchmann Tevje, der seine fünf
Töchter traditionsgemäß verheiraten will, sondern auch
von der Verfolgung der Juden
in der Zarenzeit in Russland.
„Wenn wir die Schlussszene
spielen, in der die Juden ihr
Dorf Anatevka verlassen müssen, kommen die Emotionen
hoch“, schildert Lux. Jeder
Akteur habe die aktuellen
Fernsehbilder von Menschen,
die auf der Flucht vor Krieg
und Vertreibung in Europa
ankommen, vor Augen. „Was
mit den Juden im Zweiten
Weltkrieg passiert ist, wissen
wir alle, und fast jeder von
uns hat Großeltern, die vertrieben worden sind – so wie
meine aus Oberschlesien“,
sagt die Choreografin und er-
gänzt: „Was aber jetzt vor unseren Augen passiert, lässt
niemanden kalt, da haben
viele bei den Proben Wasser
in den Augen.“ Angesichts
dessen haben sich Lux und
Bernd Smalla kurzfristig entschlossen, auch in dem Musical auf die Flüchtlingsproblematik hinzuweisen: in einer
Soundcollage zu Beginn und
in der Schlussszene bei der
Flucht der Juden. Und so ist
Anatevka tatsächlich alles andere als altbacken, sondern
hochaktuell.
Eintrittskarten zum Preis von 10
Euro gibt es bei der Musikschule.