PDF - Globetrotter

Luis Ramos, Touristenführer in Ecuador
«ICH GEHE NIE OHNE
MACHETE IN DEN WALD»
Seit rund 40 Jahren führt Luis Ramos schon Touristen durch den Urwald von Ecuador. Er erzählt von den Gefahren
im Dschungel, den Veränderungen in seinem Dorf und den Perspektiven seiner Kinder.
Das Gespräch führte Andrea Freiermuth
(Übersetzung Stefanie Torres)
Fotos: Marius Stahlberger
Auf unserer Reise durch das Amazonasbecken
liessen wir uns in Nuevo Rocafuerte zwei Tage
Zeit, um einen Führer für eine Dschungeltour
im Nationalpark Yasuni zu suchen. Wir sprachen mit fünf verschiedenen Guides. Die meisten schwadronierten mit blumigen Worten,
was wir im Urwald alles zu sehen bekämen.
Und wie gut sie für unsere Sicherheit sorgen
würden. Ging es dann um die Dollars, wurde
zuerst einmal ein Fantasiepreis genannt, der
dann mit der Zeit tiefer wurde, aber in Anbetracht der allgemeinen Lebenskosten überrissen blieb. Luis Ramos hingegen legte gleich zu
Beginn das Budget offen, rechnete uns vor, wie
viel er für Benzin und Nahrungsmittel benötigen und wie viel er selber am Job verdienen
würde. Das überzeugte uns. Wir verbrachten
mit ihm drei fantastische Tage im Dschungel.
Unsere Familie in der Schweiz macht sich
Sorgen, dass uns im Urwald etwas zustossen
könnte. Ist das Leben hier gefährlich?
Aber nicht doch. Ihr habt doch gesehen, wie
ruhig es im Dorf ist. 700 Seelen, da kennt jeder jeden. Wenn Ecuador gefährlich ist, dann
vielleicht in der Hauptstadt. In grossen Städten gibt es viel Kriminalität. Aber im Vergleich zu Lima oder Bogota ist Quito immer
noch sehr sicher.
Aber es gibt gefährliche Tiere im Dschungel,
zum Beispiel Piranhas und Krokodile.
Die sind kein Problem, wenn man weiss, wie
die Tiere ticken. Piranhas zum Beispiel
schwimmen in den Wald, wenn das Wasser
steigt. Dort finden sie in den frisch überfluteten Gebieten viel zum Fressen. Schaffen sie
es aber nicht rechtzeitig in die Lagune zurück,
wenn das Wasser wieder sinkt, bleiben sie in
einem Tümpel eingeschlossen und werden
sehr hungrig. Nur in dieser verzweifelten Situation greifen sie grössere Wirbeltiere und
Menschen an. Darum gilt bei kleinen Wassertümpeln Vorsicht. Kaimane, unsere Kro40
GLOBETROTTER-MAGAZIN HERBST 2014
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kodile, leben am Rand von stillen Gewässern.
Also sollte man in der Lagune nicht baden
und immer ein wenig die Augen offen halten.
Im Fluss sind sie keine Gefahr, weil sie die
Strömung nicht mögen und darum fliessende
Gewässer meiden.
Wir haben einige Horrorgeschichten gehört.
Etwa über Insekten, die Eier unter die Haut
legen, aus denen dann Maden schlüpfen.
Oder über einen winzigen Fisch, der durch
die Harnröhre in den Körper eindringt und
sich durch die Eingeweide frisst.
Ja, diese Tierchen gibts. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Einmal haben mich die Dasselfliegen von Kopf bis Fuss gestochen. Das
fühlt sich nicht gut an und sieht schrecklich
aus. Man wird die Maden los, indem man dicke Schichten von Vaseline aufträgt. So ersticken sie und ein paar Tage später kann man
sie wie Pickel rausdrücken.
Der kleine Carnero-Fisch kam mir bisher
nicht zu nahe. Zum Glück. Er ist tödlich. Was
man wissen muss: Er nähert sich nur, wenn
man ins Wasser pinkelt. Urin ist sein Signal
und zeigt ihm den Weg ins Körperinnere.
Schützen kann man sich mit eng anliegenden
ì
è
Naturspielplatz. Mit Schwung an der Liane
über die Wasseroberfläche des Rio Napo.
40 Jahre Erfahrung. Führer Luis Ramos.
Lehrreich. Den Geheimnissen des Dschungels auf der Spur.
Badehosen, die verhindern, dass er die Harnröhre erreicht. Wir sind mit diesen Tieren
aufgewachsen und wissen, wie wir uns verhalten müssen. Darum sind sie für uns nicht
wirklich gefährlich.
Für einen naiven Europäer kann ein Ausflug
in den Urwald indes übel enden.
Darum ist es Touristen auch verboten, ohne
einen Führer in den Park zu gehen. Und die
Guides müssen sich im Urwald gut auskennen, um die Gäste vor Gefahren schützen zu
können. In den 70er-Jahren gab es viele Hippies, die sich auf selbst gebauten Booten den
Rio Napo hinuntertreiben liessen. Viele dieser Abenteuertouristen gingen auf eigene
Faust in den Wald. Immer wieder verschwanden einige spurlos.
Was ist das gewichtigste Gebot im Dschun­
gel?
Gehe nie ohne Machete in den Wald! Im
Dschungel findest du theoretisch alles, was
INTERVIEW
du zum Leben brauchst. Nur sind die
Nahrungsmittel manchmal schwer erreichbar. Mit einer Machete kannst du
kleine Bäume fällen, dir einen Weg
bahnen, einen Speer spitzen oder eine
Hütte für die Nacht bauen, damit dich
die Mücken nicht auffressen. Ohne
Machete bist du verloren. Und klar:
Du musst möglichst viel über das Leben im Dschungel wissen.
Du bist kein eingeborener Indianer,
sondern stammst aus einer Kolo­
nistenfamilie, die vor rund 60 Jahren
in diese Gegend gekommen ist. Von
wem lernten deine Eltern bei ihrer
Ankunft?
Von jenen Kolonisten, die sich schon
vor ihnen hier niederliessen und natürlich
von den Indianern. Wir haben einiges von
ihnen abgeschaut. Wenn die Mücken stechfreudig sind, zerdrücken wir beispielsweise
Termiten auf der Haut. Das hält die lästigen
Viecher fern. Offene Wunden behandeln wir
mit dem Saft des Drachenblutbaumes. Es
wirkt antibakteriell und entzündungshemmend. Der Urwald ist eine Apotheke. Es gibt
Blätter gegen Fieber, gegen Übelkeit, eigentlich gegen alles. Früher war das natürlich
noch wichtiger. Die Leute mussten sich selber kurieren. Heute braucht das Motorboot
bloss acht Stunden, um von Coca nach Nuevo
Rocafuerte zu kommen. Es gibt fast täglich
eine Verbindung. Wir haben jetzt eher Zugang zu moderner Medizin.
Haben die Kolonisten auch Angewohnhei­
ten der Indianer übernommen?
Klar. Zum Beispiel trinken viele Maniokbier,
Chicha de Yuca. Man zerschneidet die Süsskartoffel, mischt Zuckerrohr dazu und lässt
das Gemisch etwas ruhen.
Ist es wahr, dass die Yuca im Mund zerklei­
nert wird und es den Speichel braucht, um
den Gärprozess in Gang zu bringen? Also,
dass man eigentlich Spucke trinkt?
Früher wurde Chicha auf diese Weise hergestellt, doch heutzutage nicht mehr. Gären tut
das Ganze auch so. Und selbst wenn Chicha
auf traditionelle Art und Weise verarbeitet
wird: Der Alkohol tötet die Bakterien ab.
Wenn man zur Begrüssung Chicha gereicht
bekommt, sollte man zumindest am Krug
nippen. Sonst ist der Gastgeber beleidigt.
Und es ist natürlich klar, dass alle aus dem
gleichen Topf trinken.
Im Yasuni gibt es immer noch einige In­
dianer, die keinen Kontakt zur Aussen­
welt haben.
Ja, das stimmt. Es gibt Gruppen, einzelne
Dörfer der Huaorani, die nicht mit der Zivilisation in Kontakt kommen wollen. Betritt man ihr Gebiet, bringt man sich in Lebensgefahr. Sie legen gut sichtbare Stöcke
über ihre Pfade, damit alle wissen, wo sie
nicht weitergehen sollten. Die Waorani
hingegen haben viele ihrer Traditionen
aufgegeben. Manche leben sogar recht luxuriös. Sie verdienen an den Touristen, indem sie von ihnen Eintrittsgebühren in
ihre Dörfer verlangen. Für die Gäste zeigen
sie sich dann auch nackt und in einfachen
Hütten, obwohl sie sich im Alltag längst westlich kleiden und in normalen Häusern leben.
Vor zwei Jahren forderte ein Krieg zwischen
den Stämmen 60 Tote.
Nicht zwischen unterschiedlichen Stämmen,
sondern unter den Huaorani. Das war ein
Zwist zwischen jenen, die mit der Zivilisation
in Kontakt stehen, und jenen, die in freiwilliger Isolation leben. Die «Contactados» respektierten die Gebietsgrenzen nicht. Sie sagen, sie seien gezwungen gewesen, bei den
«Non Contactados» zu jagen, weil sie selber
durch das Vordringen der Weissen bedrängt
würden und auf ihrem Gebiet zu wenig Nahrungsmittel finden. Es gibt immer wieder mal
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Streit mit tödlichen Folgen. Auch Angestellte des Staates oder von Ölfirmen
wurden schon getötet. Aber Touristen
müssen sich nicht fürchten. Wir dringen
nicht so tief in den Dschungel ein.
Wie bist du eigentlich Touristenführer
geworden?
Eines Tages kamen Leute ins Dorf, die
im Bereich des Tourismus tätig waren.
Ich zeigte ihnen den Fluss und einige Lagunen, da sie sich nicht auskannten. Da
war ich ungefähr 17. Damals gab es in
der Gegend schon ein paar andere, die
bereits mit Touristen zu tun hatten. Sie
haben ihr Wissen mit mir geteilt. So
lernte ich jeden Tag etwas Neues.
Du hast fünf Söhne und zwei Töchter:
Welche Berufswünsche haben deine
Kinder?
Meine Kinder wollen studieren. Sie
möchten Akademiker werden. Zwei haben bereits den Bachelor gemacht. Und
zwei studieren Tourismus. Sie müssen jedoch
arbeiten und gleichzeitig studieren, da ich
nicht alles bezahlen kann. Das schmerzt. Ich
würde ihnen gerne mehr bieten können.
Seit sechs Jahren benötigt man eine Lizenz,
damit man als Führer tätig sein kann. Was
musstest du tun, um dieses Papier zu er­
halten?
Wir wurden von Ingenieuren, die auf Tourismus spezialisiert sind, geschult. Wir wurden gut vorbereitet und mussten am Ende
eine Prüfung schreiben.
Welches sind die drei wichtigsten Dinge,
die du in diesem Kurs gelernt hast?
Damit du ein guter Führer bist, musst du
dich immer gut benehmen, die Touristen
gut behandeln und über den Regenwald Bescheid wissen.
Verdienst du mehr Geld, wenn du mit
Agenturen zusammenarbeitest oder wenn
du selbstständig tätig bist?
Das kommt immer auf die Situation an.
Wenn mir die Agentur viele Aufträge zuhält,
arbeite ich viel und verdiene dadurch gut.
Als Selbstständiger verdiene ich pro Auftrag
mehr, da ich als Einmannbetrieb funktioniere. Aber ich muss mir meine Kunden selber suchen. Allerdings ist es nicht so, dass
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alle Agenturen ständig Aufträge zu vergeben
haben. Es gibt inzwischen viel Konkurrenz.
Einmal habe ich in einer Lodge gearbeitet, mit
einem richtigen Vertrag. Da habe ich pro Tag
70 Dollar verdient. Davon kann man richtig
gut leben. Was mir als Selbstständiger gefällt:
Ich bin mein eigener Chef, und niemand kann
meine Arbeit bemängeln – ausser natürlich
die Gäste.
Wir waren für 30 Dollar pro Tag und Person
mit dir im Dschungel, inklusive Essen und
Zelte. In Coca wurde uns ein vergleichbarer
Service für mehr als drei Mal so viel Geld
angeboten.
Coca ist teurer, weil da viele Pauschaltouristen ankommen. Ausserdem habe ich euch ein
speziell gutes Angebot gemacht. Ihr habt gut
verhandelt.
Aber abgezockt haben wir dich nicht, oder?
Schliesslich haben wir noch andere Backpa­
cker zum Mitkommen motiviert, und so
sind für dich rund 200 Dollar pro Tag zu­
sammengekommen.
Das war super. So haben wir beide ein gutes
Geschäft gemacht. Darum arbeite ich lieber
mit Backpackern zusammen als mit den Managern der Lodges.
Wie findet man einen guten Führer?
Du musst vor allem darauf achten, dass du einen Führer findest, der dich nicht anlügt. Um
zu wissen, wem du vertrauen kannst, musst
du viele Fragen stellen. Wenn dir zum Beispiel jemand erzählt, die Tour sei so teuer,
weil der Weg so weit und das Benzin so teuer
ist, dann erkundige dich bei jemand anderem,
wie viel das Benzin kostet und wie viel ein
normaler Aussenbootmotor verbraucht. Ich
lege das Budget immer ohne Zögern offen,
damit meine Kunden sehen, dass ich nichts
zu verbergen habe.
Wenn du Ferien machen könntest, wohin
würdest du reisen?
Ich habe eine Reportage über die Karibikinsel San Andres, die zu Kolumbien gehört, gesehen. Seither träume ich davon, dorthin zu
reisen. Aber das kann ich mir natürlich nicht
leisten. Gerne würde ich nochmals nach Brasilien gehen. Die Brasilianer sind die liebenswürdigsten Menschen auf der Welt. Als ich
dort lebte und meinen Job verlor, hab ich einem Mann von meinen sieben Kindern erzählt und ihm meine Sorgen geschildert. Er
hat mich zu sich nach Hause eingeladen und
mir Arbeit gegeben.
Hast du die letzten 30 Jahre ununterbro­
chen im Tourismus gearbeitet?
Nein, ich habe schon alles Mögliche gemacht.
Unter anderem war ich acht Jahre für die Marine tätig. Ich lernte Schiffe zu steuern und
DER YASUNI-NATIONALPARK UND DAS ERDÖL
Das Gebiet wurde 1979 von der ecuadorianischen Regierung zum Nationalpark erklärt.
Seit 1989 ist der Park ein UNESCO-Biosphärenreservat. Er umfasst rund ein Viertel
der Fläche der Schweiz und gilt als einer der
Orte mit der grössten Biodiversität weltweit.
Der Park ist zudem Lebensraum zweier
indigener Gruppen, die in freiwilliger Isolation
von der restlichen Welt leben: die Tagaeri und
Taromenane, die beide zur Ethnie der
Huaorani gehören.
Wenige Wochen nach dem Gespräch mit
Touristenführer Luis Ramos verkündete
Ecuadors Präsident Rafael Correa in einer
Fernsehansprache, dass er die Ölfelder im
Yasuni für die Nutzung freigeben werde. Er
begründete seinen Entscheid mit dem
Scheitern der internationalen Gemeinschaft,
die erwarteten finanziellen Mittel bereitzustellen. Zuvor hatte Ecuador während sechs
Jahren um Spendengelder gebeten, um das
Öl im Boden belassen zu können. Innerhalb
dieses Zeitraumes sind aber bloss 335 Millionen Dollar zugesagt und lediglich 13 Millionen tatsächlich einbezahlt worden. Unter
anderem, weil viele Staaten Ecuador und
seinem labilen politischen System wenig
Vertrauen entgegenbringen. Der Wert des
Erdöls im Yasuni wird auf 18 Milliarden Dollar
geschätzt.
Mittlerweile hat das Parlament den Entscheid
Correas mit 108 gegen 25 Stimmen abgesegnet, und das Umweltministerium in Quito
erteilte der staatlichen Gesellschaft Petroamazonas eine Lizenz für die Bohrungen im
Naturschutzgebiet. Der Protest zahlreicher
Umweltschutzorganisationen war bis anhin
erfolglos. Die Ölförderung soll 2016 beginnen.
Die Regierung versucht derzeit, zu beruhigen:
Man werde alles dafür tun, die Umwelt trotz
der Bohrungen zu schützen.
www.saveyasuni.eu
INTERVIEW
frastruktur in Nuevo Rocafuerte ist sehr bescheiden. Bei uns gibt es bloss zwei Hostels,
zwei Läden und eine Krankenstation. Es fehlt
ein Bankomat und öffentliches Internet. Zudem wäre es gut, wir hätten ein Informationszentrum, wo sich Touristen informieren
könnten.
Gibt es auch negative Auswirkungen des
Tourismus?
Ich sehe nur positive Aspekte.
Was wäre, wenn Nuevo Rocafuerte sich so
verändern würde wie Montañita an der Pa­
zifikküste, das vom Fischerdorf zum Party­
ort wurde?
Das würde mir natürlich nicht gefallen. In
Montañita gibt es viel Lärm, Gewalt und Drogen. Wir möchten sanften Tourismus und

gute Gäste. Wir möchten nicht, dass unser
Im Gespräch. Luis Ramos erzählt Autorin
Andrea Freiermuth aus seinem Leben.
Dorf unkontrolliert wächst. Wir wünschen
ç Bedroht. Baumriese im Yasuni-Nationalpark.
uns einfach mehr Fachwissen und eine besí
Dschungeltrip. Unterwegs wird gekocht.
sere Infrastruktur. Wir sind keine Partymeile,
sondern ein Tor zum Yasuni-Nationalpark,
in dem man unberührte Natur geniessen und faszinieRIO N APO/ YASUNI -N ATI O NA LPA R K
rende Tiere beobachten
kann.
KOLUMBIEN
Welche Vorsichtsmassnah­
Francisco
Quito
men werden getroffen, um
de Orellana Rio Napo
den Park zu schützen, um
(Coca)
Nuevo Rocafuerte
ECUADOR
ihn
nachhaltig zu pflegen?
Pantoja
Yasuni-N.P.
Das Ministerium für Umwelt schreibt vor, dass wir
Rio Napo
Guayaquil
maximal fünf Monate die
gleichen Pfade benutzen
Santa Clotilde
dürfen. Wenn wir einen
Mazan
neuen Weg anlegen, schneiPERU
den wir nichts ab. Der Weg
Iquitos Amazonas
formt sich von selbst, wenn
er regelmässig benutzt wird.
war eine Zeit lang Kapitän auf einem FrachGefährdete Tiere, wie etwa die Flussdelfine
ter auf dem Amazonas in Brasilien. Später
oder die Brüllaffen, dürfen nicht gejagt werhabe ich begonnen, für die Erdölunternehden. Die Leute, die im Tourismus arbeiten,
men zu arbeiten, bis ich die Nase voll davon
achten diese Verbote, weil sie wissen, dass
die Gäste kommen, um diese Tiere zu behatte. Dann habe ich mich wieder dem Tourismus zugewendet und als Führer in verobachten. Wenn sie nicht mehr da sind,
schiedenen Regionen gearbeitet. Sogar bei
werden auch die Touristen nicht mehr komTouren nach Galapagos war ich dabei.
men.
Gibt es Dinge, die Touristen in deinem Land
Allerdings ist der Park durch Erdölbohrun­
nicht verstehen?
gen bedroht.
Dass man zu Verabredungen eine Stunde späIch selbst habe nach Quellen gesucht, als ich
ter auftaucht, als abgemacht. Man nennt das
für die staatliche Ölfirma Petroecuador gearbeitet habe. Das grösste Erdölvorkommen
auch die «Hora Ecuadoriana», die ecuadoravon Ecuador liegt hier im Yasuni-Nationalnische Zeit. Wer 7 Uhr sagt, meint eigentlich
park. Das Öl wird jedoch nicht gefördert. Wir
8 Uhr. Jene Leute, die im Tourismus arbeiten,
wehren uns dagegen, dass der Staat diese
wissen aber, dass die Gäste dann bereits um
Quellen nutzt – und er hört auch auf uns.
7 Uhr bereitstehen und folglich eine Stunde
warten. Das Bewusstsein steigt, dass es so
Denkst du, dass der Park in 20 Jahren noch
nicht geht.
existieren wird?
Was bedeutet der Tourismus für dich?
Ja, denn die ganze Welt ist an diesem Park
Für mich bedeutet der Tourismus Fortschritt,
interessiert. Die Leute wissen: Flora und
denn die Touristen lassen ihr Geld hier. Wenn
Fauna im Yasuni sind einmalig. Dank dem
es keine Touristen gibt, habe ich keine Arbeit.
Tourismus nimmt der Staat viel Geld ein. In
Und ohne Touristen können sich die Dörfer
Zukunft werden noch viel mehr Touristen
hier auch nicht entwickeln. Allerdings bleinach Ecuador kommen. Dieses Dorf wird
ben die meisten Touristen in Coca und stargrösser werden, und es wird mehr Arbeitsten ihre Dschungeltouren von dort. Die Inplätze geben.
Die ecuadorianische Provinzhauptstadt
Coca (offizieller Name Puerto de Francisco
de Orellana) ist das Tor zum Yasuni. Hier
kommen neben Backpackern auch viele
Pauschaltouristen an. Über die Agenturen
vor Ort lassen sich mehrtägige Dschungeltrips buchen, mit Übernachtungen in
Lodges, die zum Teil sehr luxuriös sind. Bei
der günstigen Variante schläft man im Zelt.
Die Dschungeltouren selber beinhalten in
etwa alle die gleichen Programmpunkte: Im
Morgengrauen beobachtet man Vögel, am
Nachmittag gibts einen Spaziergang mit
Pflanzen- und Arzneikunde, zum Sonnenuntergang versucht man, Piranhas zu fischen,
und in der Nacht geht man auf Pirsch, um
Kaimane zu spotten. Wir haben während
unserer dreitägigen Tour auch rosarote
Flussdelfine und diverse Affenarten
beobachten können.
Nuevo Rocafuerte, das Heimatdorf von
Luis Ramos, liegt eine Tagesreise im
öffentlichen Boot von Coca entfernt. Wer
nicht acht Stunden im Boot sitzen will,
kann auf halbem Weg einen Zwischenhalt
in Pañacocha einlegen. Zum Zeitpunkt
unseres Besuches wurde dort gerade ein
neues Dorf, finanziert mit Erdölgeldern, aus
dem Boden gestampft.
Wer nach Peru weiter will, sollte in Coca
genügend Dollar abheben und mit Vorteil
bereits peruanische Soles in der Tasche
haben. Den Pass kann man sich in Nuevo
Rocafuerte abstempeln lassen. Ein
reguläres Kursschiff über die Grenze nach
Peru gibt es nicht, aber privat findet man
immer eine Möglichkeit, überzusetzen. In
Pantoja fährt die sogenannte Lancha, die
Personen- und Cargoboot in einem ist, nur
jede zweite Woche Richtung Iquitos.
Bereits in Ecuador herauszufinden, wann
es das nächste Mal so weit sein wird, ist
ein Ding der Unmöglichkeit.
Wer Pech hat und nicht zwei Wochen
warten will, kann sich in Pantoja einen
Einbaum zum stabilen Dreibaum umbauen
lassen, um sich fünf bis sechs Tage den
Napo bis nach Santa Clotilde hinuntertreiben zu lassen, von wo aus täglich ein
Schnellboot mit Anschluss nach Iquitos
fährt. Alex, mit Dorfnamen el Grillo, hilft
beim Bootbauen und gibt Abenteuerlustigen wichtige Tipps mit. Wichtig: Wer auf
eigene Faust auf dem Napo unterwegs ist,
sollte zumindest die Strömung lesen
können und nicht zum ersten Mal in einem
Kajak oder Kanu sitzen. Die grösste Gefahr
sind Hindernisse im oder am Wasser –
das sind im Amazonasbecken meistens
Bäume.
HERBST 2014 GLOBETROTTER-MAGAZIN
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AUF DEM RIO NAPO
VON COCA NACH IQUITOS
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