Landtag Mecklenburg-Vorpommern 6. Wahlperiode Sozialausschuss Protokoll Nr. 75 KURZPROTOKOLL der 75. Sitzung des Sozialausschusses am Mittwoch, dem 7. Oktober 2015, 9:00 Uhr in Schwerin, Schloss, Plenarsaal Vorsitz: Abg. Martina Tegtmeier TAGESORDNUNG 1. Öffentliche Anhörung zum Thema Die Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit in Mecklenburg-Vorpommern unter dem Blickwinkel des Haushaltsentwurfes der Landesregierung für die Jahre 2016 und 2017 2. Öffentliche Anhörung zum Thema Bedeutung und Notwendigkeit öffentliche geförderter Beschäftigung bzw. Beschäftigung schaffender Maßnahmen für die Integration langzeitarbeitsloser Frauen und Männer in Mecklenburg-Vorpommern (ca. 11:30 Uhr) 3. Öffentliche Anhörung zum Thema Erfahrungen mit und Zukunft der Krankenhausfinanzierung in Mecklenburg-Vorpommern unter Berücksichtigung der Haushaltsplanungen der Landesregierung 2016/2017, einschließlich der Mittelfristigen Finanzplanung 2015 bis 2020 (ca. 14:00 Uhr) - 75/12 PUNKT 1 DER TAGESORDNUNG Öffentliche Anhörung zum Thema Die Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit in Mecklenburg-Vorpommern unter dem Blickwinkel des Haushaltsentwurfes der Landesregierung für die Jahre 2016 und 2017 Vors. Martina Tegtmeier: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne hiermit die 75. Sitzung des Sozialausschusses. Zunächst möchte ich ankündigen, dass wir von der heutigen Anhörung zum Doppelhaushalt 2016/2017 aus arbeitsorganisatorischen Gründen ein Wortprotokoll fertigen werden. Gibt es dagegen Einwände? Das ist nicht der Fall. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 1: „Die Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit in Mecklenburg-Vorpommern unter dem Blickwinkel des Haushaltsentwurfes der Landesregierung für die Jahre 2016 und 2017“. Viele von Ihnen haben zwar schon an einer öffentlichen Anhörung hier teilgenommen, trotz alledem muss ich es noch mal sagen: Ich begrüße natürlich insbesondere auch unsere Gäste, die heute hier anwesend sind, sowie die Vertreter der Medien. Da es sich um eine öffentliche Anhörung handelt, muss ich darauf hinweisen, dass nur die Abgeordneten des Landtages und die Sachverständigen das Wort ergreifen dürfen. Und ich möchte Sie bitten, soweit Sie Ihre Stellungnahmen vorher schriftlich eingereicht - Ihre Wortbeiträge, sofern sie von den schriftlich eingereichten Stellungnahmen abweichen, uns auch in schriftlicher Form hierzulassen, falls es noch nicht passiert ist. Ihre schriftlich eingereichten Stellungnahmen, die vorab uns erreicht haben, die haben wir selbstverständlich zur Kenntnis genommen, sodass wir Sie ja auch im Vorfeld schon gebeten haben, Ihre mündlichen Ausführungen hier in 5 Minuten ungefähr so knapp zu umreißen, um noch mal das Wichtigste hervorzuheben bzw. auch noch mal durchaus Ergänzungen beizufügen. An der heutigen Sitzung nicht teilnehmen können der Landkreistag und der Städte- und Gemeindetag, die sind beide entschuldigt, haben jedoch eine schriftliche Stellungnahme eingereicht. Ich rufe zunächst auf die Landesarbeitsgemeinschaft „Kinder- und Jugendarbeit in Mecklenburg-Vorpommern“ und hier ist uns Herr Olaf Hagen angekündigt. Herr Hagen, Sie haben das Wort. Olaf Hagen (LAG „Kinder- und Jugendarbeit in M-V“): Ja, ich habe mich nicht getraut, alleine herzukommen. Deshalb habe ich noch Herrn Fabian Vogel mitgebracht, ebenfalls Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 Die - 75/13 Landesarbeitsgemeinschaft, ein Verbund von Mitarbeitern in den unterschiedlichen Bereichen und über das Land verteilt – das ganz kurz vorweg. Frage1: Wie gut sind die lokalen Jugendhilfeplanungen Ihrer Einschätzung nach auf die nach der Kreisgebietsreform geänderten lokalen Anforderungen in der Kinder- und Jugendarbeit eingestellt? Die Landesarbeitsgemeinschaft sagt dazu: Insgesamt ist die Jugendhilfeplanung in Mecklenburg-Vorpommern nicht gut aufgestellt. Es gibt zwar vereinzelt gute Ansätze die dann aber oft an haushalterischen und anderen strukturellen Rahmenbedingungen scheitern. Wir haben dazu eine Befragung durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Befragung können wir auf Anfrage gerne zur Verfügung stellen. Fabian Vogel (LAG „Kinder- und Jugendarbeit in M-V“): Wie muss vor dem Hintergrund des demografischen Wandels Kinder- und Jugendarbeit im Land aufgestellt werden, um zukunftssicher zu sein? – Frage 2. Wir haben uns dabei gedacht: Investitionen in Kinder und Jugendliche sind Investitionen in die Zukunft. Entsprechend braucht es weniger Sparzwänge und mehr finanzielle sowie personelle Ressourcen, weniger Kontrolle und mehr Vertrauen in die sozialarbeiterischen Kompetenzen, weniger Regularien sowie mehr Freiräume, um Dinge nach regionalem Bedarf und unter Einbeziehung von Kinder und Jugendlichen gestalten zu können. Olaf Hagen: Frage Nummer 3: Wird die Kinder- und Jugendarbeit auf kommunaler Ebene Ihrer Ansicht nach bedarfsgerecht finanziert? Nein, aus Sicht der LAG natürlich nicht, da die Bedarfe aus Sicht der LAG bisher nicht entsprechend festgestellt wurden durch die Jugendhilfeplanung, bzw. da Ergebnisse der Jugendhilfeplanung aus Sicht der LAG immer wieder an den finanziellen Rahmenbedingungen vor Ort scheitern. Fabian Vogel: Frage 4: Welche Herausforderungen ergeben sich aus den aktuellen Migrationsbewegungen im Hinblick auf die kurz- und mittelfristige Ausrichtung von Kinder- und Jugendarbeit in Mecklenburg-Vorpommern? Zahlreiche. Und wir sind sicher, uns sind noch nicht einmal wirklich alle bekannt. Aber in erster Linie sehen wir als LAG hier Chancen und Gelegenheiten für neue gesellschaftliche Entwicklungen in einem bunten und weltoffenen Mecklenburg-Vorpommern. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/14 Olaf Hagen: Frage 5: Worin sehen Sie die Ursachen für steigende Ausgaben in der Kinder- und Jugendhilfe? Ich bitte jetzt einmal diesen ersten Abschnitt, sozusagen, ich überspringe ihn. Mecklenburg-Vorpommern hat trotz zahlreicher Erfolge noch immer erheblich mit den Folgen des Wandels der gesellschaftlichen Strukturen und der demografischen Entwicklung zu kämpfen. Dass in diesem Flächenland mit der geringsten Bevölkerungsdichte, dem niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen sowie den höchsten Schulabbrecher- und Arbeitslosenquoten aller Bundesländer Menschen und Familien quasi auf der Strecke bleiben, verwundert uns nicht. Und da sich diese mehrdimensionalen und nicht kurzfristig lösbaren Problemlagen gegenseitig verstärken, ist aus Sicht der LAG eher mit steigendem Hilfebedarf und steigenden Kosten in diesem Handlungsfeld zu rechnen. Fabian Vogel: Zu Frage 6: Existiert Ihrer Meinung nach ein sach- und aufgabengerechtes Monitoring von Angeboten und Ausgaben im Bereich der Kinderund Jugendarbeit? Wenn nein, wie müsste ein solches Monitoring Ihrer Meinung nach aussehen? Wir haben nachgeschaut und haben uns den Begriff „Monitoring“ noch mal angeschaut. „Monitoring“ ist ein Überbegriff für alle Arten der unmittelbaren systematischen Erfassung eines Vorgangs oder Prozesses, um anhand von Ergebnisvergleichen Schlussfolgerungen ziehen zu können. Eine Funktion des Monitorings besteht darin, bei einem beobachteten Ablauf bzw. Prozess steuernd einzugreifen, sofern dieser nicht den gewünschten Verlauf nimmt. Entsprechend stellen wir die Gegenfrage – wer soll hier wen und was mit welchem Ziel auf dem Monitor haben und wer bezahlt es? Frage 2, die wir stellen: Gäbe es ggf. Alternativen zu einem sach- und aufgabengerechten Monitoring – z. B. eine angemessene Jugendhilfeplanung, siehe Frage 2 - in den Landkreisen und Kommunen inklusive fachlicher Begleitung durch die zuständigen Jugendämter und Akteure der Kinder- und Jugendarbeit? Olaf Hagen: Frage Nummer 7. Vors. Martina Tegtmeier: Einen ganz kleinen Moment bitte. Olaf Hagen: Ja. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/15 Vors. Martina Tegtmeier: Aufgrund der zeitlichen Abläufe – ich sagte ja vorhin ungefähr 5 Minuten – möchte ich Sie wenigstens bitten, die Fragen nicht noch mal vorzulesen. Der Katalog liegt uns ja vor. Sonst geht Ihnen das an Zeit verloren. Olaf Hagen: Gut. Adäquat zu Frage 2 gilt auch hier – es kann nie genug Geld für die Kinder- und Jugendarbeit geben und Investitionen des Landes in Kinder und Jugendliche sind Investitionen in die Zukunft des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Auf welchem Weg und woher die notwendigen Gelder für die Kinder- und Jugendarbeit kommen, ist dabei weder für die Zielgruppen noch für die Mitarbeitenden der Kinder- und Jugendarbeit wirklich wichtig. Fabian Vogel: Frage 8: Aus Sicht der LAG braucht es ein direktes Mitspracherecht für Kinder und Jugendliche, dass in den Gesetzen/Ordnungen des Landes, der Landkreise und Kommunen festgesetzt ist. Die LAG empfiehlt eine Regelung, wie sie im Paragraph 47 f der Gemeindeordnung für das Land Schleswig-Holsteins verfasst ist. Diese gesteht Kindern und Jugendlichen ein Recht auf Beteiligung in der Planung von sie betreffenden Vorhaben und Mitentscheidungen zu. Entsprechende Formen der Beteiligung und Mitwirkung von Kinder und Jugendlichen sind zu entwickeln. Ergänzend dazu empfiehlt die LAG, das Wahlalter auch für Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern auf 16 Jahre abzusenken. Olaf Hagen: Frage 9: Ja, die Vielfalt der verschiedenen Träger mit ihren Angeboten und Leistungen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit ist aus Sicht der LAG sinnvoll und entspricht dem im Paragraph 3 SGB VIII verfassten Subsidiaritätsprinzip. Fabian Vogel: Frage 10: Der Bedarf beim Klientel steigt, siehe Frage 5. Die Aufgabenfelder erweitern sich, siehe Frage 4, und der Aufwand z. B. für Dokumentation und Verwaltung steigt stetig. Aber die Rahmenbedingungen für die soziale Arbeit entwickeln sich nicht im gleichen Maße bzw. sind nicht wie erforderlich vorhanden. Problemfelder für die Jugend- und Sozialarbeit sind aus Sicht der LAG steigende Arbeitsbelastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, fehlende Perspektive für Träger und Mitarbeitende im Arbeitsfeld aufgrund von Befristungen, bei den Förderstrecken noch immer unklare und die Praxisvielfalt der Jugend- und _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/16 Schulsozialarbeit nicht umfänglich reflektierende Förder- und Prüfkriterien des Landes und der EU. Breite und Umfang von Angeboten der Jugend- und Schulsozialarbeit § 13 SGB VIII drängen die ebenfalls erforderlichen Angebote der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Jugendverbandsarbeit auch finanziell an den Rand bzw. verhindern diese. Frage 11: In Ergänzung zum bereits getroffenen Ausführungen Punkt 4, 5, 7 und 10 besteht aus Sicht der LAG in der Jugend- und Schulsozialarbeit bei Mitarbeitenden und Trägern der Bedarf, dass es verlässliche und sich in den konkreteren und entwickelten Erfordernissen anpassbare Rahmenbedingungen gibt, z. B. in der Finanzierung und personellen Ausstattung und auch mit Sicht auf die Klientel der Jugend- und Schulsozialarbeit braucht es genau das: verlässliche Angebote, welche angemessen auf die konkreten Bedarfe reagieren können und die nicht permanent von der Verwaltung und Politik hinterfragt werden. Denn in welchen Zusammenhängen Kinder und Jugendlichen die für sie richtigen und wichtigen Lernfelder vorfinden und auf welchem Weg sie ihre je eigenen Lebenserfahrungen sammeln können, wissen in der Regel die Fachkräfte und Träger vor Ort am besten und können dieses entsprechend aufgreifen und umsetzen. Frage 12: Die schwierige finanzielle Lage der Landkreise und kreisfreien Städte führt zu nicht immer einfachen Kofinanzierungsstrukturen, was einer kontinuierlichen und nachhaltig gesicherten Finanzierung der Stellen widerspricht. Es gibt z. B. Modelle, wo 50/50-Finanzierung ist von Landes- und Landkreismittel. Es gibt 33/33/33-Prozent-Finanzierung. Es gibt 50/25/25-Prozent-Finanzierung und es gibt Landkreis-Kommunen und Trägermittel, die eine Stelle im Bereich der Jugendoder Schulsozialarbeit finanzieren. Dies nur als Beispiel. Frage Nummer 13: Eine angemessene, dauerhafte, sich nicht an wechselnden Förderschwerpunkten bzw. unklaren Bemessungskriterien orientierende finanzielle Absicherung der Jugend- und Schulsozialarbeit ist grundsätzlich wünschenswert. In dem Sinne wären bzw. sind grundsätzlich auch ESF-Mittel zur Finanzierung dieses Arbeitsfeldes geeignet. Frage 14: Eine Vorbemerkung: Netzwerkarbeit ist auch im Sinne des ESF- Förderprogramms förderfähig, jedoch darf sie einen bestimmten Prozentsatz der Arbeitszeit nicht überschreiten und ist in ihrer Notwendigkeit für die Erreichung der Aufgabenstellung Jugend- und Schulsozialarbeit zu begründen. Und genau hier wird aus Sicht der LAG bereits ein wesentlichen Dilemma sichtbar. Es ist richtig und wichtig, dass die verschiedensten Tätigkeiten in der Jugend- und Schulsozialarbeit reflektiert und zielorientiert geplant und wahrgenommen werden. Aber die Praxis der _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/17 Jugend- und Schulsozialarbeit muss sich an den Bedarfen der Zielgruppen orientieren und nicht allein Begrifflichkeiten von Förderrichtlinien und Prüfkriterien reflektieren. Frage 15: Hierzu kann die LAG bisher keine Auskunft geben, da abgesehen von der aus unserer Sicht notwendigen Anhebung der Landesförderung bisher keine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex stattgefunden hat. Frage 16: Mehr Geld insgesamt, mit dem die Kreise und Kommunen auf die regionalen spezifischen Bedarfe auch unabhängig von Förderstrecken oder Programmen reagieren können. Frage 17: Auch hier kann die LAG bisher keine Auskunft geben. Frage 18: Kaum bis gar nicht, wenn z. B. für den Betrieb einer Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit nur eine Personalstelle verfügbar ist bzw. finanziert wird, stellt schon die Abdeckung des Regelbetriebs aus Sicht der LAG eine klare Überlastung dar. Und mit Hinblick auf die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit körperlichem Handicap, z. B. Rollstuhlfahrern, sind die erforderlichen räumlichen und baulichen Gegebenheiten in der Regel nicht vorhanden, auch weil investive Mittel in diesem Bereich nicht Bestandteil von Förderstrecken sind. Frage 19: Die LAG ist der Ansicht, diese Frage bereits umfänglich zu anderen Fragen beantwortet zu haben. Danke. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Als nächstes ist der Landesjugendring dran. Hier liegt eine gemeinsame Stellungnahme mit dem Landesjugendhilfeausschuss vor und das Wort hat jetzt Herr Heibrock. Bitte. Friedhelm Heibrock (Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern): Ja, vielen Dank. Es wurde schon gesagt, dass ich diese Stellungnahme, die schriftlich vorliegt, eben für beide Gremien abgebe, für den Landesjugendring und den Landesjugendhilfeausschuss. Ich will mal versuchen, einfach mal so ein paar Brücken und paar Bögen zu spannen, wobei gleich in der Überschrift Ihres Fragenkatalogs bzw. dieser Anhörung „unter dem Blickwinkel des Haushaltes 2016/2017“, das ist für mich ein relativ kurzer Blickwinkel. Ich gucke vielfach schon in die nächste Legislaturperiode hinein und werde an vielen Stellen auch feststellen, das konnten Sie auch nachlesen, dass da noch einiges bewegt werden muss. Zur Jugendhilfeplanung ist schon einiges gesagt worden. Sie wissen, dass es da von 1994 eine Mitteilung über die Prüfung des Landesrechnungshofes zur Kommunalen Jugendhilfeplanung gegeben hat. Und wenn man sich die mal genauer anschaut, _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/18 dann sieht man, dass da festgestellt wird, dass es zwar in jedem Landkreis, jeder kreisfreien Stadt Jugendhilfeplanung gibt bzw. Personalstellen dafür, aber dass es noch, so wird da gesagt, auf alle Fälle Potenzial an Verbesserungen gibt, vor allen Dingen auch hinsichtlich qualitativer Aspekte. Und was noch festgestellt wird und was mir auch wichtig ist, ist, dass auf der Landesebene – so stellt der Landesrechnungshof fest – ein fachlicher Diskurs fehlt. Der ist auch mit der Aufgabe des staatlichen Landesjugendamtes eingeschlafen. Das hatte es früher mal ansatzweise gegeben. Und ich halte es einfach für wichtig, dass dieser fachlicher Diskurs wieder in Gang gesetzt wird, eben um auch Rahmenbedingungen für Jugendhilfeplanung in den Kommunen zu schaffen. Ich schlage mal eine Kurve ganz nach hinten. Was ich mir perspektivisch vorstelle darüber hinaus, dass es das wiedergibt, was mal mit einer Änderung des Jugendhilfeorganisationsgesetzes eingestellt worden ist, nämlich ein Kinder- und Jugendprogramm für MecklenburgVorpommern. Vielleicht kann man das einfach auch noch unter dem Blickwinkel sehen, dass wir versuchen, auch in der nächsten Legislaturperiode Kinder- und Jugendpolitik wieder als Querschnittsaufgabe zu sehen und z. B. mit Auftrag - oder durch Erarbeitung von Themen durch die Landesregierung, meinetwegen auch den Landesjugendhilfeausschuss - dann eine unabhängige Kommission arbeiten lässt, um Kinder- und Jugendpolitik in diesem Land, oder der auch neuen Perspektive zu geben. Was uns alle beschäftigt, ist die zunehmende Anzahl von jungen, geflüchteten Ausländern in unserem Land. Wir haben da im Blickpunkt nicht nur die vielfach erwähnten unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, sondern auch all die, die mit ihren Familien hier sind. Ich kann nur sagen, dass sich die Jugendverbandsarbeit und die Jugendarbeit da dieser Aufgabe mehr und mehr stellen. Es gibt da erste Projekte und Angebote, wobei das Ganze noch ausbaufähig ist. Ich selbst erarbeite gerade eine Handreichung für diesen Bereich, auch für Jugendorganisationen. Wichtig erscheint mir, wenn solche Projekte auch durch den Landesjugendplan gefördert werden, dass das Projekte sind der Integration, d.h. dass immer deutsche und ausländische junge Menschen berücksichtigt werden. Über den Mehrbedarf, den es da geben kann, auch an Landesmitteln, kann ich zurzeit noch nichts sagen. Das wird aber auf alle Fälle auch auf uns zukommen. Damit komme ich zum Landesjugendplan, also den Mittel, die das Land zur Verfügung stellt. Im Haushalt 2016/2017 auf den ersten Blick ist das auskömmlich, was da eingestellt wird. Allerdings habe ich eben schon gesagt, dass da _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/19 Herausforderungen auf uns zukommen, z. B. durch die Arbeit auch mit jungen geflüchteten Ausländern. Vielleicht könnte man das entlasten oder den Landesjugendplan dadurch entlasten - ich weiß, dass es solche Überlegungen schon gegeben hat - langjährige Projekte, die aus dem Landesjugendplan gefördert werden wie z. B. Schule und Verein, aber auch die Beteiligungskampagne des Landesjugendringes da rauszunehmen, anders im Haushalt zu verankern, um einfach wieder in diesen Richtlinien zum Landesjugendplan Luft zu schaffen für Projekte, die in Zukunft anstehen. Sie haben dann gefragt, nach – ich nehmen jetzt einzelne Punkte heraus – nach einer Novellierung des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern, dieses Gesetz, was wir seit 1997 haben. Ich kann hier gleich vorwegsagen: Meines Erachtens ist das keine Aufgabe mehr, die in dieser ja noch relativ kurzen Legislaturperiode bewältigt werden kann, aber anstehen muss für die nächste Legislaturperiode. Das hat mehrere Hintergründe. Sie wissen alle, dass die Finanzierung der Jugendsozialarbeit und der Schulsozialarbeit im Laufe der nächsten Legislaturperiode auslaufen wird. Das ist alles zum größten Teil ESF finanziert und von daher müssen die Jugendsozialarbeit oder muss der auch eine Grundlage in KJFG gegeben werden und auch die Schulsozialarbeit sollte meines Erachtens eine gesetzliche Grundlage im KJFG erhalten, eben als eine Aufgabe der Jugendhilfe. Wenn das vorweg nicht schon der Bundesgesetzgeber vorwegnimmt, der ja auch an einer Novellierung des SGB VIII arbeitet und da durchaus auch diskutiert wird auf Bundesebene, ob man die Schulsozialarbeit mit ins SGB VIII aufnimmt. Die kommt da ja zurzeit nicht vor. Des Weiteren geht es um die Förderung der Jugendarbeit nach dem Landesjugendplan. Auch hier haben wir die berühmt berüchtigten 10,22 €. Über die Bedarfe muss ich nichts sagen. Dieser Betrag könnte angehoben werden, dann auch im Laufe der nächsten Legislaturperiode, ebenso wie das, was über die Kommunalverträge den Kommunen zur Verfügung gestellt wird. Allerdings nur dann, wenn die Kommunen gleichzeitig verpflichtet werden, ebenso diesen Betrag, der vom Land zur Verfügung gestellt wird, in gleicher Höhe zu komplementieren. Es gibt da noch weitere Punkte, die finden Sie da noch, wenn man die Novellierung des KJFG angeht, berücksichtigt werden könnten. Die werde ich jetzt im Einzelnen nicht aufzählen. Ich will nur noch einen Punkt benennen, den Sie auch gefragt haben, nämlich den Wegfall des Titels 633.62 „Jugendarbeit öffentlicher Träger außerhalb der Förderung nach dem KJFG“. Das ist anderer Stelle nochmal wieder aufgenommen worden. Ich halte das für einen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/20 Rückschritt gegenüber dem Haushalt 2014/15. Ich weiß, dass Sie diesen Titel hier im Landtag eingeführt haben. Ich finde, dass die Mittel für die Kommunalverträge, oder: Die Mittel für die Kommunalverträge sinken eben anhand der sinkenden Zahl der 10bis 26-jährigen. Und dieses Sinken muss meines Erachtens auch unbedingt aufgefangen werden. Zumal die Landkreise mehr und mehr eben nur noch diese 5,11 € pro 10- bis 26-jährigen in ihren Haushalten komplementieren. Das ist hier in Schwerin inzwischen so beschlossen worden. Ich weiß aus dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, da hat der Landrat in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass dort beschlossen worden ist, von 9 € auf 7 € Komplementärfinanzierung herunterzugehen. D.h., die Kommunen selbst senken ihre Komplementärmittel für die Kinder- und Jugendarbeit und gleichzeitig sinken auch die Mittel, die das Land zur Verfügung stellt bei dem gegenwärtigen Rückgang der 10- bis 26-jährigen. Vielleicht soweit erstmal. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank Herr, Heibrock. Als nächstes hat Dr. Rainer Boldt das Wort vom Landkreis Rostock. Auch hier liegt eine schriftliche Stellungnahme bereits vor. Bitte sehr. Dr. Rainer Boldt (Landkreis Rostock): Ja, meine Damen und Herren, die schriftliche Stellungnahme haben wir eingereicht. Vielleicht zu einigen Punkten, oder zu den Schwerpunkten. Die Landkreise und kreisfreien Städte in Mecklenburg-Vorpommern stellen erhebliche finanzielle Mittel für die Kinder- und Jugendarbeit und für die Jugendsozialarbeit bereit. Hinzu kommen die Mittel der kreisangehörigen Städte und Gemeinden, die diese für sie ja freiwilligen Leistungen auch bei einer teilweise prekären Haushaltssituation erbringen. Ich kenne also im Moment keine Gemeinde, die sich dieser Aufgabe verwehrt. Aber, wie gesagt, in teilweise prekärer Haushaltssituation. Ich möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass Kinder- und Jugendarbeit nach § 11 und Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII in der Praxis nicht getrennt werden können. Jugendsozialarbeit darf dabei keinesfalls auf Schulsozialarbeit reduziert werden, sondern sie ist integraler Bestandteil der Arbeit in den Jugendclubs und Jugendeinrichtungen. Die verschiedenen Angebote nach den §§ 11 und 13 müssen durch gut organisierte Schnittstellen und Querschnittsarbeit eng miteinander verbunden werden. Der Landkreis Rostock hat dazu einheitliche Qualitätsstandards für die Förderung der Jugendarbeit/ Jugendsozialarbeit erarbeitet, _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/21 die sich seit etwa zwei Jahren in der Praxis gut bewährt haben. Meine Damen und Herren, wir beobachten, dass in die Jugendclubs und Jugendeinrichtungen heute vorrangig Kinder und Jugendliche kommen, die in besonderer Weise auf Hilfe der Jugendsozialarbeit angewiesen sind. Veränderte Familienstrukturen und oftmals instabile Familienbindung spielen dabei eine wichtige Rolle. Die hohen gesellschaftlichen Anforderungen an Familien können von diesen oft nicht mehr vollständig erfüllt werden. Das wirkt sich negativ auf das Selbstbewusstsein der Eltern und der Kinder aus und fordert immer häufiger das Eingreifen des Jugendamtes mit finanziell sehr aufwändigen Maßnahmen der Hilfe zur Erziehung. Wir beobachten auch, dass Kinder und Jugendliche aus relativ unbelasteten Familien eher Angebote in den Bereichen Sport und Kultur annehmen und offene Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit weniger nutzen. Die Kinder- und Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII hat sich damit in den vergangenen Jahren aufgrund der geänderten Zielgruppen in den Jugendeinrichtungen als ein wichtiger niederschwelliger Zugang und als eine geeignete Methode erwiesen, um diejenigen zu erreichen, die letztlich auch von Angeboten der Jugendsozialarbeit profitieren. Das kann soziale Spannungen mindern und nicht zuletzt die Kosten der Jugendhilfe senken. Jugendeinrichtungen sind dabei offen für alle. Insbesondere für Kinder und Jugendliche aus sozial prekären Verhältnissen und für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind die verschiedenen Integrationsangebote der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit transparent abzustimmen und zu verknüpfen. Kommunikation und Kooperation spielt hierbei eine zentrale Rolle. Es bleibt deshalb weiterhin dringend erforderlich, die Kinder- und Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit im Land bedarfsgerecht zu fördern. Der Landkreis Rostock hat im Rahmen seiner Haushaltskonsolidierung für den Zeitraum bis 2017 ein festes Budget für die Förderung der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit festgeschrieben. Wir liegen da deutlich über dem vertraglich geforderten Mindestbetrag von 5,11 €. Der tatsächliche Betrag, den wir dazu einsetzen, liegt bei ca. 17 € pro Kind und Jugendlichen. Die kreisangehörigen Gemeinden, ich hatte das schon gesagt, leisten im Rahmen ihrer Möglichkeiten ebenfalls erhebliche finanzielle Beiträge. In unserem Landkreis konnte dadurch über Jahre ein fester Personalstamm an Jugend- und Schulsozialarbeiterinnen gebildet werden, in jedem unserer 23 Sozialräume gibt es Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und an jeder weiterführenden Schule und an mehreren Grundschulen auch Schulsozialarbeit. Leider sind die Mittel, _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/22 die das Land über das KJFG zur Verfügung stellt, nicht auskömmlich. Die seit Jahren angewandte Pro-Kopf-Pauschale von 5,11 € deckt nur einen Bruchteil der anfallenden Kosten und ignoriert sowohl die Entwicklung der Personalkosten als auch die zunehmende Bedeutung der Kinder- und Jugendarbeit. Der Landkreis Rostock konnte dieses Defizit im Verbund mit den kreisangehörigen Städten und Gemeinden noch einigermaßen ausgleichen. Andere Regionen dieses Landes sind dazu jedoch kaum in der Lage. Hier muss das Land deutlich stärker als bisher eine Ausgleichsfunktion übernehmen. Ich sage das auch vor dem Hintergrund bestehender Förderungen aus dem ESF, die sich ja in den nächsten Jahren – das hat mein Vorredner schon betont – ändern werden. Der ESF orientiert als Arbeitsmarktpoltisches Programm hauptsächlich auf die berufliche Integration, auf die berufliche Eingliederung junger Menschen. Jugend- und Schulsozialarbeit soll jedoch laut KJFG durch sozialpädagogische Begleitung die jungen Menschen zu einer selbstständigen Lebensgestaltung befähigen. Das ist mehr als nur eine berufliche Eingliederung. Die Pro-Kopf-Förderung des Landes nach dem KJFG sollte also deutlich erhöht werden. Das ermöglicht den Landkreisen und den kreisfreien Städten eine bessere finanzielle Absicherung der Aufgaben. Nun noch zu einem speziellen Problem. Im Kapitel 10.25 ist der Wegfall des Titels Jugendberufshilfe für uns besorgniserregend. Das Land hat im Landeskonzept Übergang Schule und Beruf, die Bildung von Arbeitsbündnissen Jugend und Beruf und die Initiierung von Jugendberufsagenturen politisch festgeschrieben. Der Landkreis Rostock hat mit finanzieller Beteiligung des Landes als Modellprojekt seit Juli 2014 eine besondere Form der Jugendberufsagentur umgesetzt und erwartet auch 2016 eine weitere Förderung. Insofern ist es dringend erforderlich, diesen Titel nicht wegfallen zu lassen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die Kinder- und Jugendarbeit in Mecklenburg-Vorpommern stetig weiterentwickelt, bisherige Aufgaben sich verändern, andere Aufgaben hinzukommen, insbesondere die Aufgabe der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund. Die Entwicklung sollte nicht ausschließlich an demogafischen Zahlen festgemacht und danach finanzielle Mittel ausgereicht werden. Vielmehr geht es um flächendeckende, qualitativ hochwertige Angebote, die den tatsächlichen Bedarfen der Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern entsprechen. Dazu bedarf es eines hohen Engagements der Landkreise, der Städte und freien Träger und _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 einer verlässlichen - 75/23 Landesförderung. Diesem Anspruch wird der Haushaltsansatz 2016/2017 nicht vollständig gerecht. Soweit meine Stellungnahme. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank, Dr. Boldt. Für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte spricht jetzt Herr Michael Löffler. Bitte. Michael Löffler (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte): Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Tegtmeier. Ich komme gleich zu dem Fragenkomplex und fange zu eins an. Die Kreisgebietsreform stellt die Jugendämter vor die schwierige Aufgabe, zunächst einmal eine Angebotserfassung vorzunehmen, sodann eine Harmonisierung der sehr verschiedenen Finanzierungsmodelle einzuleiten. Dies führte teilweise zu schmerzhaften Einschnitten für einige Städte und Gemeinden. Nur durch enge Zusammenarbeit mit den Ämtern und Trägern der Kinder- und Jugendarbeit war es möglich, eine Jugendhilfe mit Rahmen für Handlungsempfehlungen für die Zukunft zu erarbeiten, die die sozialräumlichen Gegebenheiten berücksichtigen und dennoch die gewachsenen Strukturen achten. Die Jugendhilfeplanung ist darüber hinaus ein wesentliches Steuerinstrument. Die Jugendhilfe ist somit bedeutsam und unverzichtbar. Es galt aus drei Landkreisen und einer kreisfreien Stadt eine Einheit unter Berücksichtigung der jeweiligen, jeweils regionalen aber auch fachpolitisch gewachsenen Bedingungen zu schaffen. Aus vier mach eins, dies gelang durch die erste Jugendhilfeplanung, Jugendförderung Teil 1, die im September 2012 durch den Jugendhilfeausschuss beschlossen wurde. Bereits am 24.04.2014 wurde diese Planung qualifiziert fortgeschrieben, sodass eine gesicherte Bestandsaufnahme für die Leistungsbereiche des §§ 11 - 14 SGB VIII vorliegt. Alle nominierten Handlungsempfehlungen wurden durch die beteiligten Träger der Jugendhilfe gemeinsam und partnerschaftlich mit dem Jugendamt umgesetzt. Nun stehen wir davor für 2016, dem Jugendhilfeausschuss die ersten Bedarfsplanungen der Jugendförderung vorzulegen. Dies ist orientiert an den jeweiligen Sozialräumen, aber auch an den ausgewählten Sozialindikatoren. Die Jugendhilfeplanung ist im Landkreis Mecklenburgische-Seenplatte sehr gut aufgestellt, möchte ich hier festhalten. Zu 2.: Jugendförderung gehört für den öffentlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu den Pflichtaufgaben, mit einem sogenannten Gestaltungsspielraum nach § 74 Absatz 3 SGB VIII. Über die Art und Höhe der Förderung entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/24 der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Zahl der 10 bis 26 jährigen ist im Landkreis Mecklenburgische-Seenplatte rückläufig. Das hat zur Folge, dass wir im Jahr 2013 über 38.661 Jugendliche hatten. 2014 waren es nur noch 36.566 und 2015 34.050. Ein Rückgang der Zielgruppe hat jedoch nicht zur Folge, dass weniger Angebote benötigt werden. Die Strukturen der Jugendförderung im ländlichen Raum müssen aufrechterhalten werden, um auf die Entwicklung junger Menschen durch eine qualifizierte Jugendarbeit Einfluss zu nehmen. Dafür werden aber auch sichere, verlässliche und auskömmliche Finanzierungen benötigt, die unabhängig von einer pro Kopf Finanzierung sind. Zu 3.: Eine Angabe der Jugendhilfeplanung ist die Bedarfsbestimmung nach § 18 SGB VIII. Da hat der Gesetzgeber den Auftrag formuliert, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen ihrer Planungsverantwortung den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche und Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personen mit Sorgeberechtigung für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln haben sollen. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass Bedarf nicht mit individuellem Bedürfnis gleichzusetzen ist. Weil aber beides in Beziehung zueinander steht, Dienste oder Leistungen, die sowohl zu der Befriedigung von Bedürfnissen als auch zur Beseitigung des Mangels für erforderlich gehalten werden oder aufgrund gesellschaftstheoretischer und politischer Vorstellung zur Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens für notwendig erachtet werden, bedarf es demnach der politische Verarbeitung von Bedürfnissen. Es ist die Eingrenzung von Bedürfnissen, die aufgrund politischer Entscheidung für erforderlich und gleichzeitig für machbar gehalten werden. Eine bedarfsgerechte Finanzierung der Kinder und Jugendarbeit findet im Land MV nur bedingt statt, nämlich immer im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Zu 4.: Kinder- und Jugendarbeit versteht sich immer mehr als ein niederschwelliges Angebot der Jugendhilfe. Umso wichtiger ist es natürlich, dass sich der Leistungsbereich der §§ 11 – 14 im SGB VIII bedarfsgerecht an den derzeitigen Erfordernissen ausrichtet. Es gibt bereits viele gute Beispiele dafür, wie es gelingt, minderjährige Ausländer in die Kinder- und Jugendarbeit zu integrieren. Aber dazu Erfahrungsaustausche, benötigen aber auch die Träger finanzielle qualifizierte Unterstützung. Fortbildungen, Der Landkreis Mecklenburgische-Seenplatte ist Träger des Bundesprogramms „Partnerschaft für Demokratie“. Durch dieses Programm können Projekte z.B. der Willkommenskultur und Integration fachlich beraten, aber auch finanziell untersetzt werden. Zu 5.: Es _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/25 muss besser gelingen die Leistungsbereiche der §§ 11 – 14 SGB VIII bewusster und verbindlicher flankierend in den Bereich der pflichtigen Hilfen zur Erziehung einzubeziehen. Für die Jugendförderung besteht ein klares Fachkräftegebot. Weshalb nutzen wir nicht genau diese Fachkräfte, ihre Ressourcen, bevor es zu pflichtigen Aufwendungen der Jugendhilfe kommt? Es ist immer eine Einzelfrage. Aber in den sozialpädagogischen Abwägungen und den Hilfeplanungsprozessen muss die Jugendförderung verbindlich einbezogen werden. Dadurch können wir teilweise den steigenden Ausgaben in der Jugendhilfe entgegenwirken. Zu 6.: Mit der Fortschreibung der Jugendhilfeplanung für den Bereich Jugendarbeit im Landkreis Mecklenburgische-Seenplatte wurde ein sach- und aufgabengerechtes Monitoring erarbeitet und gemeinsam mit dem Träger der Jugendförderung entwickelt. Hier können konkret die Aufwendungen für die verschiedenen Angebotspaletten in der Jugendarbeit geliefert, Bedarfe klar genannt und abgeleitet, aber auch Sozialräume miteinander verglichen werden. Zu der Frage 7.: Bereits in einem Schreiben des Landrates des Landkreises Mecklenburgische-Seenplatte vom 19.06.2015 an Frau Birgit Hesse und an den Landkreistag Mecklenburg-Vorpommern wurde zur Absicherung einer zukunftsgesicherten Kinder- und Jugendarbeit eine Änderung der gesetzlichen Regelung des Landes MV für den Bereich der Jugendförderung angeregt. Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen soll auch hier auf diesen Inhalt nochmals verwiesen werden. Gemäß § 6 Absatz 2 KJFG wird zwischen dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und dem Land MecklenburgVorpommern, vertreten durch das Ministerium als oberster Landesjugendbehörde, eine Vereinbarung zum Umfang der Jugendförderung hinsichtlich Zusammensetzung und Höhe der Anteile für eine Laufzeit von 3 Jahren beschlossen, unser Kommunalvertrag. Gemäß § 6 Absatz 3 ergibt sich die Höhe und Zusammensetzung der Landesförderung als Mindestbetrag pro Kopf der in den Gebieten der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe lebenden 10 bis 26 jährigen Einwohner, wie durch Landesverordnung bestimmt wird. Die Zahl der 10 bis 26 jährigen Einwohner wird jährlich auf Grundlage der Erhebung des statistischen Amtes durch die oberste Landesjugendbehörde festgelegt. Die Höhe der Landesförderung ist in Kraft getreten am 27.01.1998 und gemäß § 1 Abs. 2 JuföVO auf 10 DM, sprich die 5,11 €, festgesetzt. Seit Inkrafttreten dieser Vereinbarung wurde die Höhe dieser pro Kopf Finanzierung von Landesseite nicht verändert und damit in keinen Bezug zu Inflation und Tarifänderungen gesetzt. Im Ergebnis wurde nicht angemessen auf Erhöhung _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/26 der Gesamtausgaben für Einrichtung und Projekte in der Jugendförderung reagiert. Die Förderung des Landes muss durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe angemessen, mindestens in gleicher Höhe ergänzt werden. Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte hat in der aktuellen Vereinbarung 2013 bis 2015 anstelle von 5,11 € kreisliche Ergänzungsmittel von 9 € aufgebracht, um die Struktur weitestgehend zu sichern. Für diesen Zeitraum haben sich, die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel aufgrund der sinkenden Anzahl der 10 bis 26 jährigen wie folgt entwickelt. Wir haben in der Gesamtsumme in 2013 545.600 € zur Verfügung gehabt. Im Jahr 2014 waren es nur noch 516.000 €. Im Jahr 2015 sind nur noch 480.445 €. Die jährliche Reduzierung der Haushaltsmittel aufgrund demografischen Entwicklung lag bei 29.600 € bis 35.555 €. Der Zurückgang der Zielgruppe hat jedoch nicht zur Folge, dass weniger Angebote benötigt werden. Die Strukturen der Jugendförderung im ländlichen Raum müssen aufrechterhalten werden, um auf die Entwicklung junger Menschen durch qualifizierte Jugendarbeit Einfluss zu nehmen. Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte wurde am 27.02.2015 aufgefordert, eine neue Vereinbarung für den Zeitraum 2016 bis 2018 abzuschließen. Am 8.12.2014 hat der Kreistag des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte beschlossen. mehrheitlich In diesem ein Haushaltssicherungskonzept Zusammenhang wurde die des Höhe der Landkreises kreislichen Ergänzungsmittel für den neuen abzuschließenden Kommunalvertrag ab dem Jahr 2016 auf 7 € festgesetzt. Sie sehen, auch wir sind aufgrund der Lage des Haushalts gezwungen, unsere Mittel abzusenken. Dazu sind in den Haushaltsjahren 2014 bis 2015 des Landes Ergänzungsmittel geschaffen worden. Eine Weiterleitung der Mittel an die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen einer Neuverhandlung der bestehenden Vereinbarung erfolgte nicht. Die auf dem Stand 2012 festgesetzten Mittel des Landes können somit nicht für vorhandene Strukturen und Angebote eingesetzt werden. Die Träger von Jugendeinrichtungen und Projekten aber auch Ferienfreizeiten und Jugendbegegnungen arbeiten bereits jetzt am finanziellen Minimum bzw. kompensieren erhöhte Gesamtausgaben Jahr für Jahr mit höheren Eigen- und Drittmitteln. Strukturen und Prozessqualität sind Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit von Angeboten der Jugendförderung. Mit sinkenden Zuwendungen werden sowohl Einsparungen in der Ausstattung von Einrichtung und Projekten sowie hinsichtlich Quantität und Fachlichkeit des Personals in Kauf genommen. Um angemessen auf den Bedarf an Leistungen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/27 gemäß Paragraph 11 bis 14 SGB VIII zu reagieren und eine Kostensteigerung der Träger zu berücksichtigen, wird folgende Novellierung empfohlen: Paragraph 6 Absatz 3 KJfG, für die Höhe und Zusammensetzung der Landesförderung nach Absatz 1 gelten als Mindestbetrag pro Kopf in den Gebieten der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe lebenden 10- bis 26-jährigen Einwohner durch Landesverordnung bestimmt. Die Zahl der 10- bis 26-jährigen Einwohner wird auf Grundlage der Erhebung des Statistischen Landesamtes zum 31.09.2009 festgesetzt. Zu Paragraph 1 Absatz 2 JuFöVO MV: Die Höhe der Landesförderung ist auf 10 € festgesetzt. Die vorhandenen Ausführungen machen deutlich, dass die Kinder- und Jugendarbeit mit den sich jedes Jahr minimierenden Mitteln nicht in der bisherigen Qualität und Quantität fortzuführen ist. Verschiedendlich wurde bereits in dieser und auch in der vergangenen Legislatur auf politischem Wege versucht, die Förderbeträge in der Jugendförderung zum KJfG aufzuheben bzw. Gesetze zu novellieren. Leider haben diese politischen Bemühungen jedoch keine Anpassung des KJfG und der dazugehörigen Verordnung bewirkt. Gleichwohl ist für die Förderung der Jugendarbeit die zugrunde liegende demografische Entwicklung der 10- bis 26-jährigen in unserem Land nicht mehr geeignet, weiterhin die Jugendförderung für kommende Jahre verlässlich abzusichern und die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei ihrer Aufgabe wirkungsvoll zu unterstützen. Es ist eine jugendpolitische Aufgabe für die kommende Legislatur, eine Mehrheit zu finden, die eine Veränderung bzw. Anpassung des KJfG bewirkt, um die Kommunalverträge künftig neu zu gestalten. Zur Frage 8: Vergleiche Antwort zur Frage 7, die war ja sehr ausführlich. Frage 9: Entschuldigung – Trägervielfalt im Kontext mit dem Wunsch- und Wohlrecht ist feste normativ nach dem SGB VIII. In der Jugendförderung zeigt sich eine sehr große Vielfalt innerhalb der Trägerstruktur. Es zeigt sich aber immer wieder, dass langjährige und erfahrene Träger der Jugendförderung ihre Tätigkeiten und ihre Angebote niederlegen und beenden. Als Gründe werden die unsichere Finanzausstattung, aber auch der zunehmend und unverhältnismäßige Aufwand hinsichtlich des Zuwendungsrechts der Verwendungsnachweisführung et cetera angeführt. Es muss einfach im Land Mecklenburg-Vorpommern attraktiv für Träger der Jugendhilfe sein, Leistungserbringer im Bereich der Jugendförderung zu sein. Zu der Frage 10: Die neue ESF-Förderperiode 2014 bis 2020 bringt und brachte viele Neuerungen sowohl für die Jugendämter im Land Mecklenburg-Vorpommern als auch für die Träger der _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/28 Schul- und Jugendarbeit. Jugendhilfeplanerisch setzt der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte auf Sicherung und Verstetigung von bestehenden und etablierten Personalstellen in diesem Bereich. Wir setzen hierbei die ESFZuwendungen, aber auch die BuT-Mittel somit zielgerichtet und bedarfsgerecht ein. Wir setzen hierbei auf Qualitätssicherung, aber nicht auf Masse. Dazu hat sich auch der Jugendhilfeausschuss ganz klar positioniert. Der steigende Verwaltungsaufwand, die vielfältigen Verwendungsnachweisprüfungen durch die EU-Finanzbehörde, externe Prüfer, das Sozialministerium, das LAGuS und die örtlich zuständigen Rechnungsprüfungsämter belasten die Jugendämter, aber auch die Träger, enorm. Es stellt sich hier die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Die sozialpädagogische Arbeit, die Arbeit direkt am Kind, am Jugendlichen wird minimiert. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Vereinzelt treten Träger der Schul- und Jugendarbeit von ihrer Trägerschaft aus genau diesen Gründen zurück. Die ESFFörderung und Jugend- und Schulsozialarbeit passen einfach nicht zusammen. Zu der Frage 11: Trotz sinkender Anzahl der Kinder und Jugendlichen ist festzustellen, dass der Bedarf an qualifizierter Begleitung und einem flächendeckenden Angebot nicht abnimmt und somit der Bedarf an Schul- und Jugendsozialarbeitern mindestens auf dem aktuellen Stand gehalten, wenn nicht sogar ausgebaut werden muss. Auch die Schulsozialarbeit hat sich zu einer unverzichtbaren Ressource an den Schulen entwickelt. Die Ressource muss auch in Zukunft erhalten werden und im Sinne qualifizierter Bildungsübergänge auf alle Sekundarstufen erweitert werden. Schulund Jugendsozialarbeit ergibt sich aus Paragraph 13 SGB VIII. Mit Blick auf die folgenden Jahre zeichnet sich ab, dass Bedarfe nicht mehr vollumfänglich abgedeckt werden können, Förderungen abgelehnt werden müssen, die Gemeinden und Träger mehr zur Finanzierung herangezogen werden müssen. Die Frage 12, da würde ich gleich auf die Frage 13 oder auf die Antwort zur Frage 13 verweisen wollen. Zur Frage 13: Für einen so hochsensiblen Leistungsbereich wie den der Schul- und Jugendsozialarbeit, wo es um verbindliche und stetige Kontakte bzw. zwischen dem Fachpersonal und den zu betreuenden Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen geht, für jugendhilfeplanerische Bedarfe und erforderliche Maßnahmen Projekte entwickelt werden müssen, ist die Finanzierung aus ESF-Mitteln nicht die geeignete Zuwendungsquelle. Das enge Korsett des ESF lässt nach aktuellen Aussagen die Abrechenbarkeit offener Jugendarbeit in der Jugendsozialarbeit nicht zu. Offene Jugendarbeit ist aber ein Teil professioneller Leistung der Jugendhilfe _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/29 gemäß des zweiten Kapitels ersten Abschnittes des SGB VIII. Offene Jugendarbeit ermöglicht gerade denjenigen jungen Menschen einen niederschwelligen Zugang zur Jugendsozialarbeit, die zur besonderen Zielgruppe der Paragraph 13 SGB VIII gehören und auf besonderer Weise und im erhöhten Maße auf sozialpädagogische Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Offene Jugendarbeit ist in ihrer Form, Methode und Ausgestaltung so angelegt, dass stets junge Menschen hinzukommen und mitmachen können. Offene Jugendarbeit wendet sich nicht an registrierte Mitglieder und baut nicht auf vorhandenes Wissen, Vorerfahrung, Mitgliederstrukturen oder Kosten oder Gruppenidentität auf. Methoden, Angebote und Arbeitsformen der offenen Jugendarbeit sind so angelegt, dass hinzukommende Teilnehmer stets mitmachen können und integriert werden. Der niederschwellige Zugang zu solchen Angeboten und ihre spezifischen Arbeitsprinzipien begünstigen zugleich den Erwerb von Bildungsinhalten, die für alltägliche Handlung und Sozialkompetenz wichtig sind. Offene Jugendarbeit geschieht zumeist im außerschulischen Freizeitbereich und kann verstärkt von Elementen sportbezogener Jugendarbeit sowie von Jugendarbeit in Spiel- und Geselligkeitsform geprägt sein. Offene Jugendarbeit knüpft an die Interessen junger Menschen an und ermuntert sie zu selbstbestimmten Handeln und gesellschaftlicher Mitverantwortung sowie zu sozialem Engagement. Offene Jugendarbeit kann Jugendarbeit in Gruppenarbeit einschließen. Offene Jugendarbeit kann ein sozialpädagogisches Statement schaffen in der Beratung und weitere Hilfen mögliche machen. Folge ist: Daher ist die Anerkennung der Abrechenbarkeit der offenen Jugendarbeit in der ESF-geförderten Jugend- und Sozialarbeit dringend notwendig. Ein wichtiger Aspekt in der Jugendsozialarbeit ist die Inklusion junger Menschen. Laut Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit betrifft die Inklusion hierbei alle Formen von Benachteiligung und Beeinträchtigung. Hier spielen Aspekte der Gesundheit, der sozialen Benachteiligung und des Migrationshintergrundes ebenso eine Rolle wie körperliche oder psychische Beeinträchtigung. Um Exklusion junger Menschen zu verhindern, sind Angebote der offenen Jugendarbeit notwendig. So können junge Menschen auch niederschwellig im Sozialraum erreicht und ganzheitlich gefördert werden. Dadurch können sie auch an einen Schulabschluss und spätere Ausbildung herangeführt werden. Das Land sollte sich nicht aus der Verantwortung zurückziehen und somit die Landesinitiative Jugendsozialarbeit neu auflegen. Zur Frage 14: Netzwerkarbeit gehört laut der rechtlichen Regelung zu den förderfähigen Kosten. Entscheidend ist zur Zeit für die _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/30 Landkreise und kreisfreien Städte der Tatbestand der Verwendungsnachweisführung der Jahre 2011 bis 2013 bzw. 2014. Diese Prüfungen der verschiedenen Prüfbehörden sind noch immer nicht abgeschlossen. Oft muss festgestellt werden, dass die jeweiligen Prüfinstanzen unterschiedliche Beurteilungsspielräume für einen und denselben Tatbestand anwenden. Es gibt hierbei großen Klärungsbedarf hinsichtlich der Vergangenheit und hinsichtlich der zukünftigen Förderjahre 2015 und fortfolgende. Diesen Klärungsbedarf sollten die EU-Fondsverwaltungen, das Sozialministerium, das LAGuS gemeinsam mit den Jugendämtern einvernehmlich und lösungsorientiert führen. Zur Frage 15 verweise ich auf Frage 7. Zur Frage 16, verweise ich auf Frage 7. Die Frage 17: Die Schaffung des Ergänzungstitels „Modellprojekte örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe“ erfolgt aufgrund der Festsetzung der Landesmittel durch die Festlegung der Anzahl der 10- bis 16jährigen Einwohner für das Jahr 2012 im Landeshaushalt 2014/2015. Eine Verwendung der Landesmittel über die Vereinbarung zum Umfang der Jugendförderung und somit zur Förderung vorhandener Strukturen und Angebote wurde nicht verfolgt. Das Vorhandensein des Ergänzungstitels und Möglichkeiten zur Beantragung von Zuwendungen waren nicht transparent. Die Möglichkeit der Förderung innovativer Projekte wird grundsätzlich begrüßt, sollte jedoch nachrangig gegenüber dem Erhalt von langfristigen Angeboten oder Festigung von Strukturen vorgehalten werden. Zu Frage 18. Inklusion in der Kinder- und Jugendarbeit meint Prävention, Aufklärung, Förderung der Teilhabe junger Menschen mit Behinderungen und junger Menschen mit Migrationshintergrund. Für eine erfolgreiche Inklusion in der Kinder- und Jugendarbeit sind folgende Rahmenbedingungen von Bedeutung: Qualifizierungsangebote für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Verringerung der Mobilitätsbarrieren im öffentlichen Raum, Barrierefreier Umbau der bestehenden Jugendeinrichtungen, finanzielle Förderung für Modelle und Praxisprojekte. Durch ein Zusammenspiel von Projekten, Beratungen und baulichen Maßnahmen, technische Gebrauchsgegenstände wie Rampen, Treppenlifte, Leitsysteme oder barrierefreie Sanitärräume aber auch Systeme der Informationsverarbeitung oder akustische und visuelle Informationsquellen kann Inklusion in der Jugendarbeit erfolgreich gelingen. Diese Erfordernisse sind jedoch nur durch eine adäquate Grundfinanzierung von Personalund Sachkosten in das Regelangebot von Einrichtungen und Projekten der Kinderund Jugendarbeit umzusetzen. Im Rahmen der derzeitigen zur Verfügung stehenden _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/31 Mittel wird Inklusion nicht im Sinne eines Qualitätsmerkmals der Kinder- und Jugendarbeit geleistet. Zur Frage 19 verweise ich auf die Fragen 1 bis 18. Dankeschön. Vors. Martina Tegtmeier: Danke, Herr Löffler. Für den Landkreis VorpommernRügen hören wir nun Frau Heinrich und der Landkreis Vorpommern-Rügen hat ebenfalls eine Stellungnahme schriftlich eingereicht. Bitte sehr. Dörte Heinrich (Landkreis Vorpommern-Rügen): Dankeschön. Ich möchte mich erstmal bedanken, dass wir heute hier im Rahmen der Anhörung zum Haushalt für den Bereich Kinder- und Jugendarbeit gehört werden. Wir haben unsere Stellungnahme bereits schriftlich abgegeben und ich versuche wirklich ganz kurz auf die wesentlichen Punkte, die uns als Landkreis sehr beschäftigen, zurückzukommen und möchte das in drei Schwerpunkte unterteilen. Zum einen die offene Kinder- und Jugendarbeit (§ 11), zum anderen in den Bereich der Jugend- und Schulsozialarbeit (§ 13) und zum dritten auf die Jugendberufshilfe ganz kurz eingehen. Die Jugendarbeit nimmt aufgrund ihres Selbstverständnisses und ihres Handlungsansatzes eine besondere Stellung in der Jugendhilfe ein. Die Kinder und Jugendlichen sollen in ihr selbst tätig werden können und Aktionen und Projekte selbst planen und umsetzen, Arbeitsinhalte und -formen mitgestalten und sich selbst organisieren können. Die Jugendarbeit ist demnach gekennzeichnet durch Selbstorganisation, durch Ganzheitlichkeit und durch Partizipation. Die Jugendarbeit bietet Raum für Kontakt mit Gleichaltrigen und setzt auf selbstorganisierte Lernprozesse. Jugendarbeit hilft nicht allein bei der Bewältigung des Alltages, sondern will Zukunftsperspektiven aufweisen. Der örtliche Träger, der Landkreis Vorpommern-Rügen, ist in gemeinsamer Verantwortung mit den Gemeinden ständig bestrebt, trotz des demographischen Wandels die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit im Rahmen des § 11 finanziell abzusichern, qualitativ hochwertig anzubieten und entsprechend dem Auftrag des SGB VIII so auch der Kinder- und Jugendarbeit gerecht zu werden. Das Land unterstützt im Rahmen des KJFG die offene Kinder- und Jugendarbeit mit 5,11 €. Diese Mittel sind nicht auskömmlich, um die Bedarfe gleichbleibend bzw. sind die Bedarfe trotz des demographischen Wandels ansteigend. Der aktuelle Novellierungsbedarf besteht aus unserer Sicht hinsichtlich der Bemessungsgrenze nach § 6 Absatz 3 KJFG in der Höhe von 5,11 € _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/32 und den zugrundeliegenden Zahlen der Pro-Kopf-Förderung der 10- bis 26-jährigen, d. h. wir bitten darum, die Bemessungsgrenze zu überdenken. Sie ist aus unserer Sicht nicht mehr zeitgemäß. Seit Jahren stellen wir diese Bemessungsgrenze immer wieder in Frage. Weniger Kinder und Jugendliche heißt nicht gleich, dass es weniger jugendspezifische Angebote gibt oder vorgehalten werden sollen, sondern die Gruppe der Gleichaltrigen gewinnt bei den Jugendlichen mehr und mehr an Bedeutung für ihre eigene Orientierung und für ihre Sozialisation. Die Bereitstellung der finanziellen Mittel gleichbleibend ist notwendig und um den eigenständigen Bildungs- und Erziehungsauftrag in der Kinder- und Jugendarbeit gerecht zu werden. Wir plädieren für eine langfristige Planbarkeit im Rahmen der KJFG-Mittel und für einen Festbetrag. Der Stellenwert der offenen Kinder- und Jugendarbeit wurde vor dem Hintergrund der Schwerpunktsetzung des Landes auf die Schul- und Jugendsozialarbeit zurückgedrängt. Sie ist nicht in ihrem Auftrag gleichzusetzen mit Schulsozialarbeit und Jugendsozialarbeit. Kinder- und Jugendarbeit im Rahmen des § 11 hat einen eigenständigen Bildungsauftrag und einen eigenständigen Erziehungsauftrag. § 13, also Schul- und Jugendsozialarbeit greifen auf die Methoden und auf die Settings im Rahmen der offenen Kinder- und Jugendarbeit zurück. Aufgrund des Rückganges der bereit gestellten finanziellen Mittel werden innovative und modellhafte Projekte der Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendarbeit nicht mehr in dem dafür notwendigen Umfang gefördert. Dies sollte jedoch im Interesse des Landes liegen. Sich neu ergebende Bedarfe und neue Strukturen können nicht weiter bzw. neu entwickelt werden, d. h. wir bitten auch um das Überdenken des Landesjugendplanes. Das Land legt ein großes Augenmerk auf die Schul- und Jugendsozialarbeit, was wir grundsätzlich sehr begrüßen. Es kann jedoch nicht sein, dass für EU-Förderprogramme Maßnahmen der Kinder- und Jugendarbeit passend gemacht werden. Ich beziehe mich hier auf den Zuwendungszweck der Jugend- und der Schulsozialarbeit. Die ESF-Förderung im Rahmen der Schul- und Jugendsozialarbeit läuft fachlich konträr zum SGB VIII. Die Jugend- und Schulsozialarbeit sowie offene Kinder- und Jugendarbeit im Rahmen von § 11 brauchen verlässliche und von Förderprogrammen unabhängige Finanzierungsmöglichkeiten, die nachhaltig wirken können. Laufen solche Förderprogramme wie diese EU-Programme oder ESF-Programme aus, und ist deren Folgefinanzierung nur unter bestimmten Bedingungen möglich, greifen diese Modelle ins Leere. ESF ist also aus unserer Sicht nicht die passende Finanzierung _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/33 für die Schul- und für die Jugendsozialarbeit und deren Verstetigung. Hier sollte darüber nachgedacht werden, wie eine entsprechende eigenständige Landesförderung vorgehalten werden kann unabhängig vom Topf der EU. Die mit der Weiterführung der Finanzierung über ESF versprochene Verwaltungsvereinfachung ist nicht eingetreten. Es ist ein stetig steigender Verwaltungsaufwand für die kommunale Ebene, für die Jugendämter sowie für die freien Träger und für die Beschäftigten mit der Umsetzung der ESF-Förderung zu verzeichnen. Vor allem im Bereich der Jugend- und Schulsozialarbeit. Es entsteht ein zusätzlicher Personal-, Sach- und Verwaltungsaufwand, der keine Kofinanzierung durch das Land erfährt. Des Weiteren werden die Mittel der Jugendberufshilfe nicht mehr zur Verfügung gestellt. Wir haben bereits im letzten Haushaltsplan des Landes darauf verwiesen, dass diese Mittel unbedingt erforderlich sind, um zum damaligen Zeitpunkt die Fortführung der Kompetenzagenturen, die einen sehr hohen fachlichen und qualitativen Stellenwert erreicht hatten, fortzuführen. Dass diese Mittel der Jugendberufshilfe nicht mehr in den Haushalt eingestellt werden sollen, obwohl das Landeskonzept Übergang Schule/Beruf dies vorsieht, ist für uns nicht nachvollziehbar. Jugendberufsagenturen - oder der Übergang Schule/Beruf - müssen finanziert werden, um den Jugendlichen die Möglichkeit in einen Berufseinstieg zu gewährleisten. Der Wegfall der Mittel spiegelt also nicht die aktuellen Bestrebungen der Landesebene in Sachen Übergang Schule/Beruf wieder. Im Fazit ist zusammenzufassen, dass die kommunale Ebene auf die Stabilität in der Finanzierungsbeteiligung des Landes angewiesen ist. Eine Kürzung der finanziellen Mittel zieht unweigerlich ein Abbrechen von Angeboten in der Kinder- und Jugendarbeit bei uns vor Ort nach sich. Wir befürchten sogar, dass trotz aller Anstrengungen auf kommunaler Ebene die derzeitigen Angebote nicht aufrechterhalten werden können. Auf den zu beschließenden Haushalt des Landes und auf die Verteilung der Mittel bezogen möchte ich folgende wesentlichen Aspekte benennen: Mittel der Jugendberufshilfe bitten wir einzustellen. Wir bitten darum, die Beteiligung des Landes zu überdenken an den Verwaltungs- und Personalkosten für die Schul- und für die Jugendsozialarbeit, die Bemessung und die Verteilung der Landesmittel im Rahmen des KJFG-Vertrages nicht abhängig von der demographischen Entwicklung vorzunehmen, sondern über Festbeträge, die langfristige Sicherheit bieten, zu gestalten. Sinkende Kinderzahlen oder Jugendlichenzahlen sind nicht gleichzusetzen mit einem sinkenden Bedarf an _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/34 Angeboten. Längerfristige Finanzierungszusagen benötigen die Landkreise, um Planungssicherheit vor Ort schaffen zu können. Und wir bitten um mehr Entscheidungsmöglichkeiten zu den uns zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln vor Ort. Des Weiteren und zum Schluss bitten wir um die verstärkte Steuerungswahrnehmung des Landes und um die Unterstützung der Kommunen bei der Aufgabenbewältigung. Herzlichen Dank. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank Frau Heinrich. Abschließend wird jetzt Frau Dorfmann zum Sprechen kommen, vom Schweriner Stadtjugendring e. V., und auch hier eine schriftliche Stellungnahme vortragen. Bitte sehr. Regina Dorfmann (Stadtjugendring Schwerin): Sehr verehrte Frau Tegtmeier, verehrte Anwesende, ich bedanke mich dafür, dass ich hier sprechen darf. Bedanke mich bei meiner Vorrednerin, die mir sowas von aus der Seele gesprochen hat und ich stehe hier für einen kommunalen Jugendring, aber seien Sie versichert, die kommunalen Jugendringe sind untereinander vernetzt. Ich denke, dass ich auch für andere Kommunen und kommunalen Jugendringe hier mitsprechen kann. Mit ihrem Fragenkatalog haben Sie, für meine Begriffe, Ihren Finger direkt in die Wunden gelegt. Ich will mich jetzt auf zwei Bereiche beschränken. Der erste: Förderung der Kinder- und Jugendarbeit. Pro Kopf mag auf den ersten Blick logisch erscheinen, aber der Rückgang der Zahlen der Kinder und Jugendlichen bedeutet nicht automatisch einen Rückgang des Bedarfes. Die Problemlagen werden komplexer und wenn es bspw. in einem Dorf oder einem Stadtteil nur noch 20 Kinder und Jugendliche gibt, statt vorher 40, dann brauchen auch diese Kinder und Jugendlichen einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin. Sie wünschen sich einen Aufenthaltsort und im KJFG steht auch nichts von einer Mindestzahl. Da steht einfach nur. „Es sind Angebote zur Verfügung zu stellen.“ Und im Übrigen ist es nach unserem Empfinden so, dass die Pro-Kopf-Förderung mittlerweile völlig an der Realität vorbei geht. Zum einen, weil die Altersquote mit 10 Jahren beginnt und die Kollegen sowohl in der Jugendarbeit als auch bei Jugendverbandsarbeiten berichten, dass sie sich zunehmend auch mit jüngeren Kindern beschäftigen. Kinder aus prekären Verhältnissen, die nicht in den Hort gehen, die gehen nachmittags in den Jugendclub. Jugendverbände, die ihre ehrenamtlichen Strukturen nachhaltig stärken wollen, bemühen sich auch schon um jüngere Kinder, als Beispiel wird die _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/35 Jugendfeuerwehr in Schwerin genannt. Da gibt es mittlerweile 2 Bambini Gruppen. Da wird mit Kindern ab 6 gearbeitet. Ich denke, niemand in diesem Saal wird bestreiten, dass der Nachwuchs für die freiwilligen Feuerwehren unverzichtbar ist. Und wenn die es für nötig halten, schon mit Kindern ab 6 zu arbeiten, dann werden sie einen Grund dafür haben und dann denke ich, das ist auch ein Zeichen dafür, dass die Altersquoten vielleicht abgesenkt werden könnten. Die Pro-Kopf-Förderung ist weiterhin, das ist mein zweites Problem, seit Jahren gleich geblieben. Ein Frischlingskollege fragte, warum es denn diese Summe 5,11 € sei. Daraufhin erkläre ich ihm, das hat etwas mit der Umstellung von der DM auf den € zu tun. Das war 2002. Wenn wir also seit 2002 mit der gleichen Summe arbeiten und wir uns alle mal irgendwie vor Augen halten, wie die Kosten von 2002 bis 2015 gestiegen sind, dann denke ich mir, dass es nachvollziehbar ist, dass sich alle in diesem Raum zumindest auf dieser Seite - wünschen, dass die Summe, auch wenn es eine ProKopf-Förderung gibt, erhöht wird. Der zweite Punkt, auf den ich hier eingehen möchte: Ich habe es vorher in meiner schriftlichen Antwort als „Finger in die Wunde gelegt“ geschrieben. Das ist nun Wunde Nummer 2. Den Einsatz der ESF-Mittel zur Finanzierung der Jugend- und Schulsozialarbeit halten wir für nicht geeignet. Ich bin nicht so bewandert im Lesen von Haushaltsplänen. Ich habe mich mit diesem natürlich beschäftigt vor dieser Anhörung und habe erstmal suchen müssen, um die Summe für die Jugend- und Schulsozialarbeit zu finden, weil es unter Arbeitsmarkt steht. Ich habe unter Jugend gesucht. Und genau da liegt für mich sozusagen ein bisschen die Krux. Kinder und Jugendliche fit für den Arbeitsmarkt zu machen, das kann nicht der einzige Zweck von Jugend- und Schulsozialarbeit sein. Wir begleiten als Pädagogen die Kinder und Jugendlichen beim Erwachsen werden. Wir wollen sie zu demokratischen Bürgern und Bürgerinnen befähigen. Das war jetzt kein guter Satz, aber das stand hier so drin. Wir möchten, dass sie sich im Gemeinwesen engagieren. Da gibt es so viele Betätigungsfelder für die Jugend- und auch für die Schulsozialarbeit. Ich sag mal, diese Programme wie Streitschlichtung, die an Schulen durchgeführt werden durch die Schulsozialarbeit. Das ist sehr viel mehr, als es die Förderung durch den ESF zulässt. Diese Förderung muss von den Kollegen und Kolleginnen penibel dokumentiert werden und die kommen damit und stoßen dann ständig an ihre Grenzen. Weil sie z.B. dann plötzlich Zeit mit Netzwerkarbeit verbracht haben, die ich für unverzichtbar halte. Und die sie im Wesentlichen dann in diese Dokumentation einsortieren wollen. Ich kann mir weder vorstellen, dass sie _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/36 diese wichtigen Arbeitsbestandteile weglassen. Ich möchte auch nicht von ihnen erwarten, dass sie das alles in ihrer Freizeit machen und es kann auch niemand von ihnen erwarten, dass sie anfangen – ich weiß gar nicht, wie ich es nennen soll – ihre Dokumentation sehr frei zu interpretieren. Wenn wir uns dann noch vor Augen halten, dass es Kommunen gibt, die einfach aufgrund ihrer prekären Haushaltssituation fast ihre gesamte Landschaft im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit eben über dieses Programm Kinder-, Schul- und Jugendsozialarbeit versuchen zu finanzieren. Wenn also ein Jugendclub, der eigentlich offene Kinderund Jugendarbeit machen sollte und machen möchte, die Mitarbeiter aber nach dem ESF finanziert, dann kann da eigentlich diese Offenheit, die in so einem Jugendclub eigentlich sein müsste, nicht mehr vorhanden sein. Das finde ich sehr, sehr schade und deshalb denke ich, wir werden nicht drum rum kommen, wenn wir uns ernstnehmen, dass wir sagen, wir wollen für Kinder und Jugendliche in diesem Land etwas tun, nach anderen Finanzierungen für die Jugend- und Schulsozialarbeit zu suchen. Zwei Dinge noch. Das eine steht in ihrem Fragenkatalog nicht drin, ich möchte es aber an dieser Stelle trotzdem auch nochmal ansprechen. Das ist eine Tendenz, die ich mit Sorge betrachte. Mein Wunsch ist einfach der, vergessen sie nicht, dass außerschulisches Lernen für die Kinder extrem wichtig ist. Denn die Kinder sind nicht den ganzen Tag in der Schule. Die ist und bleibt Schule. Jugendarbeit an Schule ist ein tolles Angebot, ist aber ehrlich für meine Begriffe nur die zweite Wahl und auch nur dann, wenn sich verschiedene pädagogische Professionen auch auf Augenhöhe begegnen. Wenn der Bildungsminister in einer Anhörung sagt „in der Schule gilt das Kinder- und Jugendhilfegesetz nicht“, wenn wir ihn auf solche Dinge wie Freiwilligkeit in der Jugendarbeit aufmerksam machen, dann hat das mit Augenhöhe noch ein bisschen Ressourcen, finde ich. Das zweite, in dem Fragenkatalog geht es auch um die kommende Herausforderung mit den Flüchtlingen, mit den Asylsuchenden, die hier in Mecklenburg-Vorpommern ankommen. Ich glaube Jugendarbeiter, Jugendsozialarbeiter und Schulsozialarbeiter sind auch aufgrund dessen, was sie gelernt haben, durchaus in der Lage, flexible Konzepte zu schreiben und auf Bedarfe einzugehen. Dazu müssen sie aber a) auch vor Ort sein, also vorhanden sein und b) sie müssen diese Flexibilität auch einsetzen dürfen. Ich mache es nochmal ganz kurz, was wir uns wünschen. Erstens weg von der reinen Pro-Kopf-Förderung. Wir können uns z.B. vorstellen, dass es sozusagen eine Sockelfinanzierung gibt mit einer Aufstockung nach Köpfen. Diese Aufstockung _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/37 nach Köpfen dann aber ab 6 Jahren zählt und sie muss erstens deutlich angehoben werden und zweitens dynamisiert. Zweitens, Jugendarbeit, das sollten wir uns alle immer wieder Augen führen, ist gesetzlich verankert. Es ist keine freiwillige Leistung. Das wünsche ich mir dann auch, wenn die Kommunalaufsicht auf die Haushaltspläne der Kommunen guckt, dass sie das im Hinterkopf behält. Drittens bitte keine Finanzierung der Jugend- und Schulsozialarbeit durch den ESF und viertens Anerkennung der Tatsache, dass außerschulische Lernorte unverzichtbar sind. Ich weiß, das kostet Geld, aber es ist eine gute Investition in die Zukunft. Vielen Dank. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank, Frau Dorfmann. Damit haben wir die Anzuhörenden praktisch jetzt alle gehört und steigen in die erste Fragerunde ein. Wer möchte das Wort? Frau Bernhardt. Abg. Jacqueline Bernhardt: Ich möchte mich erstmal bei allen Anzuhörenden bedanken, dass sie heute so klare Worte gefunden haben, was die Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit betrifft und ich denke, es war richtig wichtig, dass wir diese Anhörung heute durchgeführt haben. Aus meiner Sicht ergibt sich eine Vielzahl von Fragen an sie. Ich hoffe Sie können mir doch einige beantworten. Das erste, was mich sozusagen beschäftigt, ist das in den Antworten heute, aber auch in den Stellungnamen, wieder herauskommt, dass es bei der Landesjugendhilfeplanung in den Landkreisen und Kreisfreien Städten eher mau aussieht. Wir konnten jetzt an einigen Stellen hören aus MSE, dass sie daran arbeiten. Aber insgesamt würde mich nochmal interessieren. Die Landesjugendhilfeplanung, wer ist da konkret zuständig? Herr Heibrock, sie hatten es angesprochen, dass es stagniert zurzeit mit der Landesjugendhilfeplanung. Wer ist auf Landesebene zurzeit dafür zuständig, wo stockt es zurzeit? Sie hatten ja gesagt, früher war das mal im Gange, aber hängt das mit der Aufgabenübertragung zusammen oder wo konkret hakt es, dass eine Landesjugendhilfeplanung nicht erfolgt? Dass sich das dann auch in den Kreisen wiederspiegelt, dass die Jugendhilfeplanung vielleicht dort nicht so ist, wie sie sein sollten. Das zweite, was mich interessiert, ist: Ich habe hier zu den ESF-Mitteln deutlich gehört, seitens der Landkreise und des Stadtjugendringes, dass sie abgelehnt werden, die ESF-Mittel für die Finanzierung der Jugend- und Schulsozialarbeit. Aber von der LAG Kinder- und Jugendarbeit habe ich eher so eine Befürwortung gehört. Vielleicht können Sie dazu noch mal was ausführen, wie Sie so _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/38 die ESF-Finanzierung jetzt unter dem Eindruck der Anhörung sehen. Das dritte ist: Die ESF-Förderung wurde verschiedenfach angeführt und es wurde gesagt, es gibt mehr Verwaltungsaufwand bei der Abrechnung, mehr Personalaufwand. Können Sie den beziffern? Es ist ja in letzter Zeit, wenn wir über die Kindertagesstätten reden, gibt es keine konkreten Zahlen. Wenn wir über den Verwaltungs- und Personalaufwand reden, ich sehe es, ich habe es mir angeguckt, wie das funktioniert. Aber kann man das beziffern, um wie viel Verwaltungsaufwand es sich mehr handelt und sollte dieser Verwaltungsaufwand dann - also, man muss das ja auch irgendwie umlegen auf das Land, deshalb braucht man ja auch eine Grundlage dafür. Deshalb die Frage: Können Sie den Verwaltungs- und Personalaufwand für sich beziffern? In den Stellungnahmen habe ich bei der ESF-Förderung gelesen, dass es in der Abstimmung LAGuS und Sozialministerium, ich glaube das war vom Landkreis Rostock, Herr Boldt, in Ihrer Stellungnahme der schriftlichen, so ein bisschen hapert. Dass ist auch das, was ich sozusagen draußen mitbekomme. Könnten Sie da vielleicht noch mal das konkreter Ausführen, was Sie in Ihrer schriftlichen Stellungnahme angedeutet haben, wo es da zu Abstimmungsschwierigkeiten in der ESF-Finanzierung kommt? Dann Herr Löffler, Sie hatten angesprochen, der Titel im Haushalt 2014/2015 ist nicht transparent gewesen. Ich konnte das so schnell nicht nachvollziehen, weil uns auch Ihre schriftliche Stellungnahme nicht vorlag. Können Sie das noch mal ausführen, was Sie damit meinen konkret? Also für mich war es jetzt im ersten Moment nicht nachvollziehbar. Frau Heinrich, Sie hatten gesagt, bei der KJfG-Förderung wollen Sie einen Festbetrag. Wie konkret soll der aussehen? Soll das ein Sockelbetrag sein oder was stellen Sie sich unter dem Festbetrag vor? Es kommen hier verschiedene Begriffe, Sockelbetrag, Festbetrag – vielleicht können Sie dazu noch mal etwas sagen. Und dann muss ich doch noch mal an Herrn Löffler rüberschwenken: In dem Brief, den Sie an das Sozialministerium und an den Landkreistag geschickt hatten, den Sie uns auch vorgelesen haben, sagen Sie, dass Sie den Sockelbetrag auf das Jahr 2009 festlegen wollen. „Unter Paragraph 6 Absatz 3 KJfG die Zahl der 10- bis 26-jährigen Einwohner soll auf Zahl der 10- bis 26-jährigen am 31.09.2009 festgesetzt werden“ – warum dieses Datum? Das würde mich einfach noch mal interessieren. Das ist jetzt eine Menge an Fragen, ich hoffe, Sie können sie mir beantworten. Vielen Dank. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/39 Vors. Martina Tegtmeier: Okay, dann werden wir auch der Reihe nach vorgehen. Zuerst Herr Heibrock. Friedhelm Heibrock: Die letzte Stellungnahme bzw. Empfehlung zur Jugendhilfeplanung des Landesjugendhilfeausschusses war kurz bevor das staatliche Landesjugendamt eingestampft worden ist – bringen wir das mal so einfach auf den Punkt. Da war ein langjähriger Prozess gelaufen, der war auch zusammen mit den Kommunen gelaufen hin zu diesen Empfehlungen und auch zu Eckdaten für eine Jugendhilfeplanung auch auf kommunaler Ebene. Und dieser Prozess ist dann mit dem Übergang des Landesjugendamtes auf den kommunalen Sozialverband einfach versickert, schlichtweg. Da ist überhaupt nichts mehr gelaufen und das ist auch ein Punkt, der auch in dem Bericht des Landesrechnungshofes angesprochen wird. Das können Sie da nachlesen, da wird das fast nur, oder ich zitiere fast nur darauf, wo gesagt wird, dass dieser fachliche Diskurs eingestellt worden ist, den es zwischen dem Land und den Kommunen gegeben hat und der unbedingt wieder erneuert werden muss, um dahin zu kommen, das hier zielgruppenorientiert geplant werden kann. Noch mal einen zurück: Ich sage nicht, dass es keine kommunale Jugendhilfeplanung gibt. Zweifelsohne gibt es die. Aber vielfach beschäftigt sie sich - das kann ich auch nachvollziehen - mit den kostenintensiven Bereichen der Jugendhilfe und weniger mit der Kinder- und Jugendarbeit. Vors. Martina Tegtmeier: Danke. Die nächste Frage richtete sich an Herrn Hagen von der LAG, bitte. Olaf Hagen: Frau Bernhardt, unter Frage 7 haben wir beantwortet, dass es den Zielgruppen erst einmal völlig egal ist, woher die Gelder kommen – Nummer 1. Und unter 13, ob die ESF-Mittel wünschenswert sind - und es gibt mehrere Menschen in diesem Raum die wissen, dass ich den ESF eigentlich am liebsten so schnell wie möglich raushaben möchte aus der Förderung der Kinder- Jugend- und Schulsozialarbeit, weil ich auch denke, dass eine Verwertbarkeit nur im beruflichen Sinne zu kurz greift bzw. die Bemessungskriterien, die angewendet werden, Lernorte und Lernfelder ausblendet. Ganz kurz: Ich habe früher - da gab es ESF-Förderung für Jugendsozialarbeit noch überhaupt gar nicht - in der Jugendeinrichtung _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/40 Veranstaltungen organisiert, Partys mit 200, 300 Leuten. Eine dieser Ehrenamtlichen studiert gerade Veranstaltungsmanagement, drei, vier Andere sind im Bereich Grafik und Design unterwegs. Also da passieren Sachen quasi nebenbei. Und wenn man dann andererseits in Sachberichten schon alleine vor Begrifflichkeiten zurückschrecken muss, die aber die Realität von Jugend- und Schulsozialarbeit auch reflektieren, dann ist das sozusagen dieser Part, der es schwierig macht. Noch mal: Es ist uns eigentlich egal, woher die Gelder kommen, sie müssen da sein. Und in dem Sinne ist ESF auch eine mögliche Finanzierungsformel. Wir müssen dann eher nachdenken, wie gestalten wir das aus, dass also es ein gedeihliches Miteinander zwischen Sozialministerium, dem LAGUS, den Landkreisen und kreisfreien Städten und den Trägern und Mitarbeitern gibt im Sinne der Zielgruppe der Kinder- und Jugendlichen. Danke. Vors. Martina Tegtmeier: Zu dem Verwaltungsaufwand, der Bezifferung wollten Sie sich jetzt nicht äußern? Olaf Hagen: Kann ich auch machen. Ich habe als Vertreter auch eines Trägers der Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit im Schnitt im Monat, ohne dass es refinanziert wird, ich würde sagen 2, 3 Tage nur mit der Kontrolle von ESFGeschichten zu tun. Bei meinen Mitarbeitern sehe ich es dann immer zum Monatsende, dass dann die Zahlen ansteigen, ich könnte es jetzt nicht genau beziffern. Aber ich weiß aus Gesprächen, dass davon ausgegangen wurde, dass so am Tag eine Viertel- bis halbe Stunde für solche Dokumentationssachen zusammen kommt. Nachdem, was ich in den Leistungsnachweisen meiner Kollegen sehe, ich weiß nicht, ob das jetzt an meinen Kollegen alleine liegt, dann sind wir da dann bei anderthalb bis einer Stunde auf jeden Fall und zum Monatsende erhöht sich das manchmal dann noch mehr. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, vielen Dank. Ich denke mal, da werden die Landkreise gleich auch noch etwas zu sagen. Als nächster hat Herr Boldt das Wort. Dr. Rainer Boldt: Zur Frage, ob wir die ESF-Mittel haben wollen oder nicht haben wollen, die Frage stellt sich nicht im Moment. Denn wir sind natürlich auf alle Mittel angewiesen und nehmen deshalb die Mittel auch aus dem ESF. Aber ich glaube, es _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/41 ist mehrfach gesagt worden, dass sie in diesem Bereich nicht optimal eingesetzt werden können, weil der Ansatz des ESF eben ein arbeitsmarktpolitischer ist und der Ansatz der Jugendhilfe darüber weit hinaus geht. Und das führt immer wieder auch zu Unstimmigkeiten bei den Nachweispflichten. Die Mitarbeiter sowohl in den Jugendämtern als auch bei den Trägern sind natürlich verunsichert, auch durch teilweise ein doch sehr energisches Auftreten mancher Prüfer und das führt eben tatsächlich zu Missstimmigkeiten – was soll ich und wie soll ich denn bestimmte Verwendungsnachweise schreiben, um A den Anforderungen der ESF- Fondverwaltung gerecht zu werden, auf der anderen Seite aber – ich spreche jetzt für den Landkreis Rostock – den Qualitätsstandards, die wir für Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit ausgegeben haben. Das ist ein Konflikt und der führt, wie gesagt, doch zu erheblichen Irritationen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Aber wie gesagt, im Moment nehmen wir die ESF-Mittel, weil wir keine anderen haben. Wir würden uns dort eine andere Finanzierungsmöglichkeit wünschen. Noch mal zum Thema Jugendhilfeplanung. Natürlich haben die Kommunen eine, glaube ich, sehr ausgereifte Jugendhilfeplanung. Ich stimme aber meinem Nachbarn zu, die Landesjugendhilfeplanung liegt zur Zeit am Boden. Wir haben hier keine übergreifende Klammer, sodass also jeder seine eigene Jugendhilfeplanung macht – ich glaube, nicht schlecht – kann ich meinem Kollegen hier nur beipflichten. Aber uns fehlt die Landespolitische Klammer der Jugendhilfeplanung. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Herr Löffler kann gleich anschließen, bitte. Michael Löffler: Ja, Danke schön. Die erste Frage war… oder die erste gezielte Frage an meine Adresse war dieser Zusatztitel. In meiner Zuarbeit steht, dass Ergänzungsmittel geschaffen wurden für diesen neuen Vertrag, den wir auch geschlossen haben. Ich lese nochmal den Satz vor: „Dazu sind in den Haushaltsjahren 2014 und 2015 des Landes Ergänzungstitel geschaffen worden.“ Die beziehen sich nach meinen Erkenntnissen auf den Kommunalvertrag und diese Ergänzungstitel, da kann ich keine Aussage zu tätigen. Ich weiß nicht, welche Titel meinem zuständigen Fach zugehörig sind. Ich würde Ihnen aber bis Freitag definitiv eine schriftliche Antwort auf die offenen Fragen zukommen lassen wollen, wenn das möglich wäre. Gut, die nächste Sache, das war ein Vorschlag einer Gesetzesänderung von unserer Seite. Darum ging es auch in dem Brief. Da haben _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/42 wir uns auf eine Größe zum 31.09.2009 festgelegt. Ich gehe davon aus, dass das Fachamt festgestellt hat, dass wäre eine auskömmliche Größe für eine weitere Berechnung mit 10 €. Diese Größe also als Grundlage mal 10 €. Wie hoch diese Zahl war, kann ich Ihnen auch nicht genau sagen. Die geht aus meinem Manuskript auch nicht hervor. Ich würde auch hier eine schriftliche Ergänzung nachreichen. Danke. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Die werden wir dann noch verteilen. Frau Heinrich bitte. Dörte Heinrich: Gerne. Ich fange mal mit dem Verwaltungsaufwand an. Ich kann den natürlich nicht jetzt auf VBE, auf Vollzeitäquivalente runterbrechen. Aber grundsätzlich kann ich es vielleicht sagen, wie es sich bei uns, bei unserem Jugendamt wiederspiegelt. In unserem Jugendamt haben wir zwei Verwaltungsfachkräfte, die sich ausschließlich mit der finanziellen Abrechnung und mit der Förderung der Schul- und Jugendsozialarbeit beschäftigen. Wir haben derzeit circa 60, also nageln sie mich bitte nicht auf die eine oder andere Stelle fest. Es sind circa 60 Stellen in unserem Landkreis, die diesen ESF Regularien unterliegen. Also ab 2 VBE, also die wirklich nur die reine finanzielle Ausgestaltung machen. Bisher sind wir damit mehr schlecht als recht hingekommen. Nunmehr ist es so, dass neben der Verwaltungsabrechnung im Monitoring auch die qualitativ fachliche Arbeit geleistet werden muss. Und unsere Sozialarbeiter, da haben wir Fachkräfte im Bereich für die Schul- und für die Jungendsozialarbeit eingestellt - zwei Kräfte sind das - kommen derzeit ausschließlich nur noch dazu, die Sachberichte, die eingereicht werden müssen zu evaluieren, zu prüfen und zu gucken. Sie sind in den Vorortkontrollen mit unterwegs, auch bei den Trägern, um also im Rahmen der Schul- und Jugendsozialarbeit tatsächlich die ESF-Kriterien zu prüfen. Das heißt also, dass die Fachleute, die dafür zuständig sind im Landkreis Vorpommern und Rügen für die Schul- und Jugendsozialarbeit, die auch noch andere Aufgaben haben neben ESF sage ich mal, dass die Leute bei uns in der Verwaltung zu ihren anderen Aufgaben nicht mehr kommen. So sieht es derzeit aus. Also ich kann es nicht beziffern, in welchem Umfang das ist. Das gleiche ist bei freien Trägern. Ich denke da gibt es auch das große Problem, dass der Verwaltungsaufwand in der Stundenanzahl auch nicht mit abgerechnet werden kann. Das machen die, ich sage _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/43 es mal so, wirklich lapidar, das machen die Schul- und die Jugendsozialarbeiter nebenbei: Die Aufgaben der Verwaltungstätigkeit, also das Monitoring, das auch sie bekommen müssen, die Einpflegung der Stundenanzahl, was sie täglich abgeleistet haben in der Arbeit, ihre Tätigkeitsberichte zu erstellen. Das sind alles Sachen, die den Verwaltungsaufwand für den Mitarbeiter der Schulsozialarbeit enorm nach oben getrieben haben, wodurch sie nicht mehr zu ihren eigentlichen Aufgaben kommen. Hinzu kommt bei den freien Trägern, genauso wie bei uns, dass schon im Vorfeld, die freien Träger uns die Zuwendungsbescheide, die Abrechnungen usw. zu senden müssen, um an ihre finanziellen Mittel zu gelangen. Das vielleicht dazu. Aber genau kann ich es jetzt nicht beziffern. Ich denke aber, das ist eine Aussage. Dann war die Frage nach dem Festbetrag. Was wir möchten, ist, dass der Festbetrag von dieser pro Kopf Förderung wegkommt. Das ist unsere Intention. Wie das auch immer aussehen wird und aussehen kann. Das ist sicherlich eine Basis, auf der man diskutieren kann. Ich denke mal, die 2009er Zahlen im MSE sind zugrunde gelegt worden, weil wir zum damaligen Zeitpunkt alle in den gesamten Landkreisen eine hohe Anzahl von Kindern und Jugendlichen hatten. Das war 2009 und seit 2009 sind die Zahlen drastisch rückgängig. Das macht sich bei uns in den Haushalten bemerkbar, das macht sich in der Finanzierung der Kinder- und Jugendarbeit vor Ort bemerkbar. Wir als Landkreis haben unsere finanziellen Mittel im Bereich § 11 bisher stabil halten können. Neben den 5,11 € also immer einen stabilen Haushaltsansatz für diesen Bereich, auch für das kommende Haushaltsjahr geplant, aber trotz allem ist es nicht auskömmlich und tatsächlich die Jugendarbeit, die offene Kinder- und Jugendarbeit in den Einrichtungen in den Jugendclubs in den Jugendräumen in den Sozialräumen für die Jugendlichen zu finanzieren. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Die nächsten Fragen hat Herr Foerster. Bitte. Abg. Jacqueline Bernhardt: Eine Frage war noch offen. Vors. Martina Tegtmeier: Welche Frage war noch offen? Abg. Jacqueline Bernhardt: An Herrn Boldt war noch die Frage offen. In der schriftlichen Stellungname war von Abstimmungsschwierigkeiten zwischen LAG und Sozialministerium die Sprache. Können sie das mehr ausführen. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/44 Dr. Rainer Boldt: Nein das kann ich jetzt nicht näher ausführen, weil das will ich jetzt noch, also das kann ich jetzt nicht hier konkret erläutern. Wenn das gewünscht ist, kann ich das schriftlich nacharbeiten. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, danke, Angebot angenommen. Herr Foerster. Abg. Henning Foerster: Von meiner Seite nochmal herzlichen Dank für ihre Darlegungen. Meine Frage bezieht sich auf den mehrfach angesprochenen Berufshilfetitel. Ich hatte auch aufgrund von Rückmeldungen aus dem Landkreis Rostock in einer der letzten Sitzungen des Sozialausschusses konkret danach gefragt. Es gab ja auch Schriftverkehr dazu, wo seitens des Landkreises nochmal die Notwendigkeit von - meines Erachtens 32.000 € - Finanzmitteln des Landes verwiesen worden ist. Auf meine Nachfrage hin wurde seitens des Sozialministeriums erklärt, dass man damals ausdrücklich ausgeführt habe, dass es sich nur um eine Förderung eines Modellprojektes in einem bestimmten zeitlichen Rahmen handelt und deshalb dort aus der Sicht des Ministeriums nicht vorgesehen ist, jetzt in 2016 bspw. weiteres Geld dafür zur Verfügung zu stellen. Da wäre meine Frage an Herrn Boldt, wie diese Absprachen aus Ihrer Sicht gelaufen sind. Denn ich habe es so verstanden, dass Sie davon ausgehen, dass weiteres Geld fließt und dass Sie es auch dringend benötigen. Vors. Martina Tegtmeier: Dr. Boldt. Dr. Rainer Boldt: Das ist richtig so. Wir haben diese Absprachen und auch die Stellungnahmen aus dem Ministerium so verstanden, dass diese Finanzierung nicht nur für anderthalb Jahre, sondern für einen längeren Zeitraum - natürlich für einen endlichen Zeitraum - stattfindet und wir waren schon überrascht, dass diese Mittel dann offensichtlich 2016 nicht mehr zur Verfügung stehen. Wenn das so bleiben sollte, dann werden wir prüfen müssen, ob wir das angelaufene Projekt, das aus meiner Sicht sehr gut angelaufen ist, in der Form weiterführen können. Das würde ja bedeuten, dass wir dann entsprechend kommunale Mittel einsetzen müssten. Das können wir im Moment nicht sagen. Ich hatte erst betont, wir haben ein Budget festgeschrieben. Das hat eine bestimmte Summe für Jahre 2016 auch 2017. Und wir _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/45 können da nur innerhalb dieses Budgets umschichten, müssten also dann andere Dinge wegfallen lassen. Das wäre die Konsequenz. Oder der Wegfall des Projektes. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Als nächstes Frau Gajek. Abg. Silke Gajek: Vielen Dank. Danke, dass sie es ausführlich dargestellt haben. Ich denke, viele Punkte hatten wir schon mehrfach im Landtag und irgendwie habe ich das Gefühl „täglich grüßt das Murmeltier“. Ich hätte ein paar Fragen. Und zwar ist die erste zum KJFG. Wenn die Mittel so eingestellt werden, wie sie jetzt im Haushalt sind, womit haben wir in den nächsten zwei Jahren zu rechnen? Also welche Bereiche könnten wegbrechen? Denn wenn ich das richtig verstanden habe, ist es in vielen Kommunen so, dass die Jugendarbeit ein immer mehr vernachlässigter Faktor ist. Das haben Sie hier auch bestätigt. Besteht dann die Gefahr, dass diese soweit wegbricht, dass es gar keine Angebote mehr gibt? Also ich habe das als eine klare Ansage von ihnen verstanden, dass, wenn es so weiter geht, die Jugendarbeit in vielen Bereichen überhaupt nicht mehr stattfindet. Ich glaube, ich möchte einfach die Kollegen und Kolleginnen der SPD, CDU davon überzeugen, dass wir das KJFG endlich angehen und die Jugendarbeit eben als diesen Punkt sehen und deshalb, Frau Dorfmann, wäre es vielleicht nochmal gut, auszuführen. Sie hatten ja für Ihren Bereich gesagt, die außerschulischen Lernorte doch mal Beteiligungsorte zu nennen. Da können sie vielleicht weiter ausführen und nochmal sagen, welche Chance dort besteht. Also, wird es perspektivisch noch mehr Wegbrüche geben, wird es weiter eine Trägervielfalt geben? Denn in mehreren Stellungnahmen stand ja drin, dass ja große Träger das möglicherweise noch auffangen können, aber kleinere Träger wegfallen. Und für mich nicht sind es nicht nur die kleineren Träger, sondern die Angebotsvielfalt – es ist ja nicht nur der Träger da, sondern die Angebotsvielfalt. Ein zweiter Bereich, Jugendhilfeplanung. Ich habe gesehen, als die Landkreise gesagt haben „ja, wir haben das ganz gut“, dass beispielsweise der Stadtjugendring Schwerin da doch ein wenig mit dem Kopf geschüttelt hat und ich weiß auch, Herr Hagen und Herr Vogel sind in der praktischen Arbeit tätig. Also ich würde es gerne noch mal von der praktischen Perspektive reflektiert wissen, weil es, denke ich, vielleicht auch unterschiedliche Ansätze gibt. Der Dritte Punkt wäre die Abrechnung: Sie haben das hier deutlich gesagt und wir haben ja auch im Landtag einen Antrag gehabt SGB II, III und VIII zu harmonisieren, weil sie wirklich unterschiedlichen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/46 Förderkriterien folgen. Jetzt habe ich gehört, dass im Landkreis Ludwigslust die AWO ja schon aufgehört hat und auch die Evangelische Jugend Rückforderungen hat bei der Schulsozialarbeit. A, die erste Frage: Ist es möglicherweise in den Landkreisen sehr unterschiedlich? Frau Heinrich hat ja jetzt gesagt, es sind zwei Mitarbeiterinnen die prüfen. Welche Ausbildung haben die Mitarbeiterinnen? Und vielleicht können die anderen Kollegen aus den Landkreisen sagen, wieviel Leute oder Mitarbeiter sie abgestellt haben. Und kann es nicht auch sein, dass die Richtlinie, die jetzt auf den Weg gebracht wurde, letztendlich dazu führt, dass man da etwas reinschreibt - ja, sich arrangiert. Also, was ich gehört habe, ist so ungefähr „wir sind immer mit einem Bein im Knast“. Und das kann nicht sein, dass Schulsozialarbeit die eben – wer hatte das vorhin gesagt? Sie waren das, Frau Heinrich - also der Paragraph 11 SGB VIII hat einen Auftrag: Selbstbestimmung, Partizipation. Wenn ich das lese, was dem ESF folgt, ist es, wie hieß es vorhin, die „Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt“. Hier ist ja ein Paradigmenwechsel und ich halte das für grundgefährlich. Und ich glaube, wir haben hier den Job, diese Weichenstellung nicht weiter zu verfolgen, sondern Ihren Hilferuf aufzunehmen. Von daher wäre noch mal für mich die Frage: Inwiefern könnte man die Dokumentation verändern, insbesondere mit den Vorgaben des LAGuS, ich glaube, das LAGuS gibt das ja vor. Und vielleicht dort auch noch mal einen Praxisbericht. Herr Hagen, ich weiß ja, dass es in Ihrem Bereich diese Probleme gab. Herr Vogel, Sie sind auch in diesem Bereich tätig. Also ich würde vielleicht doch noch mal gerne ein Praxisbeispiel wissen. Weil ich glaube, die Dramaturgie, die da drin steckt, im Alltag, ist Vielen wirklich noch nicht deutlich geworden. Und wie schätzen die Landkreise - Wie gesagt, es ist ja jetzt die Prüfung von 2011 bis 2014. Gibt es Vermutungen, wieviel Gelder noch zurück gezahlt werden müssen? Also ich habe das jetzt nur aus dem Landkreis Ludwigslust-Parchim gehört und weiß nicht, ob das auch für andere gilt. Der letzte Punkt wäre, Herr Heibrock hatte als Letztes noch mal das Kinder- und Jugendprogramm gefordert und das, was wir nun alle mitbekommen haben, dadurch, dass wir kein richtig funktionierendes Landesjugendamt haben, haben wir ja wenig Steuerung. Vielleicht könnte ich da eine Einschätzung der anderen Sachverständigen hören, wie sie zu diesem Punkt stehen. Und Herr Heibrock, vielleicht könnten Sie noch mal sagen, welchen finanziellen Rahmen das mit sich bringen würde. Das wären meine Fragen. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/47 Vors. Martina Tegtmeier: Also, Frau Gajek, Herrn Heibrock hatte ich vorhin so verstanden, dass er die zukünftige Politikgestaltung im Land auffordert, für die Koalitionsvereinbarungen, die ja immer nach der Wahl auf den Weg gebracht werden, sowas zu berücksichtigen. Aber ich werde Ihn natürlich die Frage gerne beantworten lassen, da sind ja in der Tat schon ganz konkrete Vorstellungen, in welchem Finanzrahmen das ist. So, Frau Gajek hat an mehreren Punkten eigentlich Sie alle angesprochen, deswegen würde ich ganz einfach mal der Reihe nach vorgehen. Ich fange bei Frau Dorfmann an, weil Sie ganz konkret darauf angesprochen wurden. Und dann werden wir mal der Reihe nach hier das abarbeiten. Bitte, Frau Dorfmann. Regina Dorfmann: Ich denke, dass in Schwerin - also ich muss da jetzt dann einfach auch noch mal ein Lob an meine Landeshauptstadt aussprechen - ich denke, dass wir in Schwerin sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten und uns alle gemeinsam nach Kräften bemühen, aus der Situation das Beste zu mache. Ich glaube, dass wir die Struktur, die wir zur Zeit haben, dass alle darum bemüht sind, auch mit den kleineren Trägern, dass diese Struktur erhalten bleibt. Das ist allerdings auch immer eine Frage: Schaffen wir das? Wenn es also eine Haushaltskonsolidierungsvereinbarung gibt, in der dann doch noch mal drin steht: Im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit sollen noch mal 75.000 € eingespart werden. 75.000 € sind zwei Personalstellen. Das ist bei einer qualitativ gut besetzten Jugendeinrichtung, ist es eine ganze Jugendeinrichtung. Mehr als zwei Personalstellen haben wir pro Jugendeinrichtung sowieso nicht. Wir bemühen uns alle nach Kräften in dieser Stadt, das aufzuhalten und das abzufangen. Wir haben vor vielen Jahren schon einmal zum Stand dessen, was in der Stadt war, gesagt: Das ist jetzt die Grundsicherung. Und sind dann noch mal darunter gegangen. Und ich sage da immer: Eigentlich sind wir inzwischen schon bei Untergrundsicherung. Was die Jugendhilfeplanung angeht - Ach so, ich wollte noch zu den ESF-Mitteln in der offenen Arbeit. Also, der Knackpunkt ist halt der, dass alleine aus dem, was quasi an Mitteln für Jugendarbeit nach Paragraph 11 zur Verfügung steht – und die Stadt Schwerin setzt eine Menge zu den 5,11 € dagegen – reicht es trotzdem nicht, das, was wir an Angeboten in dieser Stadt so haben, aus solchen Mitteln zu finanzieren. Also werden natürlich auch Mittel aus dem ESF im Bereich der Jugendsozialarbeit eingesetzt. Da kommt es dann _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 aber tatsächlich zu - 75/48 Verschiebungen. Ich hatte vor Kurzem ein Gespräch mit den Geschäftsführern der freien Träger, die mich auch darum gebeten haben, noch mal ganz klar zu machen: „Wenn wir Jugendarbeit nach Paragraph 11 wollen, dann müssen wir an der Stelle dieses Finanzierungsinstrument, also müssen wir ein Finanzierungsinstrument, ein anderes, dafür finden.“ Wenn wir sagen, wir sehen gerade in den Plattenbaugebieten, dass viele jüngere Kinder die offenen Einrichtungen besuchen und die Kollegen nicht wissen wie sie es dokumentieren sollen, weil sie bislang nach Jugendsozialarbeit, ich kann Ihnen sagen, die offenen Einrichtungen in den Plattenbaugebieten, die machen Jugendsozialarbeit, aber es passt halt nicht in diese Dokumentation rein, weil 6-jährige kriegt man so schlecht für den Arbeitsmarkt vorbereitet. An der Stelle haben wir ein Problem. Was die Jugendhilfeplanung angeht: Wir sind ja nicht nur in den Jugendeinrichtungen manchmal knapp besetzt, wir sind es auch im Jugendamt. Schwerin hat die Stelle eines Jugendhilfeplaners, der hat so viel auf dem Zettel, dass der Bereich für den ich hier stehe, im Moment in der Schlange relativ weit hinten steht. Also die Bemühungen sind da aber auch da ist eine klamme Kommune die jährlich gefragt wird „Könnt ihr nicht noch irgendwo Personal einsparen?“ auf einem schlechten Posten. Ich würde mal sagen, auch daran sind wir am Arbeiten. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Dann gebe ich gleich weiter an Frau Heinrich. Dörte Heinrich: Vielleicht zur Frage, Frau Gajek, „Zusammenbruch der Strukturen“, da würde ich vielleicht gerne was zu sagen. Vor der gesamten Förderung der Jugend- und Schulsozialarbeit als Schwerpunktlegung kann ich nur für die ehemaligen Landkreise bis Altlandkreise des Landkreises Vorpommern-Rügen jetzt sprechen. Es ist so gewesen, dass unterschiedliche Strukturen bereits auch im Jugendarbeitsbereich, so bezeichne ich das jetzt mal, im Paragraph 11 aufgebaut waren in den Gemeinden, die mit diesen unterschiedlichen fachlichen Handlungsansätzen - Paragraph 13, Paragraph 11 - gearbeitet haben. Jetzt mit der ESF-Ausrichtung und der Schwerpunktlegung arbeitsmarktpolitischer Gestaltung, Vorbereitung der Jugendlichen auf das Berufsleben, ist es so, dass der Schwerpunkt tatsächlich auf die Jugendsozialarbeit und auf deren Ausgestaltung auch gelegt wird. Und damit brechen natürlich Strukturen im ländlichen Bereich zusammen, weil die _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/49 finanziellen Mittel einfach nicht mehr zur Verfügung stehen, um Personalstellen für den reinen Paragraph 11-Bereich bereit zu stellen. Jugendliche brauchen Unterstützung, auch im Rahmen der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Ehrenamtliche Strukturen sind absolut wichtig. Und Jugendarbeit sagt ja auch „Selbstbestimmtheit, Partizipation, Ganzheitlichkeit“ in diesem Angebot. Aber Selbstbestimmtheit heißt nicht: „Ich überlasse euch das, macht mal jetzt selber.“ Sondern Jugendliche brauchen Ansprechpartner die wirklich außerhalb von Paragraph 13 – sage ich jetzt mal – für alle Jugendlichen erreichbar sind. Und das ist, glaube ich, die größte Problematik, dass wir keine Jugendarbeiterstellen finanziert bekommen mehr. Die Gemeinden machen da und versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten, auch mit uns gemeinsam, aber uns sind finanziell die Hände da ganz einfach gebunden. Und ich denke, da muss man auch tatsächlich den Schwerpunkt also auch wieder darauf legen und sagen: Nicht nur Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit sind wichtig für die Finanzierung – absolut ist das wichtig, weil man da, natürlich, die Kinder erreichen muss. Wo erreiche ich sie an erster Stelle oder in erster Linie? Erreiche ich sie an Schulen, in ihrer Lebenswelt, an ihrem Lernort? Aber ihre Lernwelt ist auch das Dorf, in das sie jeden Abend nach Hause kommen, nach der Schule, wo sie sich mit ihren Freunden treffen, wo sie gemeinsam etwas erleben wollen, wo sie Verantwortung übernehmen wollen. Wenn wir das nicht stärken und dann wieder verstärkt auch ein Augenmerk darauf legen, die Jugendlichen wirklich dahin gehend zu unterstützen, dass sie diese Verantwortung auch wahrnehmen können. Dann ist es eigentlich traurig für uns und hier in Mecklenburg-Vorpommern, das vielleicht dazu. Dann noch den Schlenker zur ESFDokumentation. Ich denke, es ist schwer, veränderte Dokumentationen vorzunehmen. Selbst wenn wir das machen würden, dann würden wir an diesem ESF-Förderprogramm mit eben diesem arbeitsmarktpolitischen Schwerpunkt nicht vorbei kommen. Ich glaube, es ist auch einfach eine Krux, die man sich jetzt vielleicht bauen könnte, aber es entspricht nicht der Realität. Und wir verschleiern das vor unseren Augen, das Problem an sich. So viel vielleicht dazu. … Ach so, die Mitarbeiter, die sind Verwaltungsfachkräfte, die für die Finanzierung zuständig sind und zwei Diplom-Sozialpädagogen, die für die fachliche Begleitung zuständig sind. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Wie stellt sich das in der Seenplatte dar? Herr Löffler. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/50 Michael Löffler: Aus ihrem Fragenkatalog habe ich mir drei Stichpunkte aufgeschrieben. Der erste: Wegfall von Jugendarbeit. Wir hatten ganz große Einschnitte durch die Kreisgebietsreform, ganz speziell in Neubrandenburg. Neubrandenburg hatte eine auskömmliche Finanzierung und hat auch wirklich Einrichtungen schließen müssen, weil der Landkreis diesen Aufgaben natürlich nicht nachkommen konnte. Neubrandenburg konnte es sich aussuchen, wie alle großen Kreisstädte oder kreisfreien Städten, die ihren Status verloren haben. Somit war der Landkreis auf einmal in dieser Verantwortung und wir konnten als Landkreis damals nicht diese Summe übernehmen. Deswegen aus vier mach eins. Da hatten wir damals einen wahnsinnigen Anpassungsprozess. Altkreis Müritz hat wirklich auch nur die Kofinanzierung von 5,11 € erhalten. Da ist nicht viel zusammen gebrochen, aber es gab in Demmin einen wesentlich höheren Ansatz gab, der lag glaube ich bei 16 € und Neubrandenburg hat noch einen ganzen Batzen mehr draufgelegt. Und das hat dazu geführt, dass wir Einrichtungen wirklich schließen mussten. Dieser Prozess, ich habe es ja gesagt, wir haben jetzt in den letzten Jahren minus 25.000 € ungefähr für diese Aufgabe zur Verfügung. Das führt mittelfristig dazu, dass wir uns ganz genau diese Jugendarbeit vor Ort anschauen müssen. Und ich gehe davon aus, dass wir auch weiterhin Jugendarbeit zurückfahren müssen. Was auch unter Umständen wieder zum weiteren Rückzug führt und es geht dort wirklich Kompetenz verloren. Wir haben aber auch, ich war auch Stadtvertreter bis vor kurzem in der Stadt Waren. Wir hatten das Glück, dass wir zwei Millionen von einem Mäzen, Jost Reinholdt, bekommen haben und haben genau das Problem auch gesehen. Wenn wir eine Einrichtung baulicher Art errichten mit zwei Millionen, da beneiden uns viele drüber. Es ist wirklich schön geworden. 3. Oktober war Übergabe. Das ist wirklich ein sehr wunderbarer Bau, für Jugendarbeit ideal. Die Stadt hat 3 Stellen erstmal eingestellt, 3 Personalstellen. Das war die große Diskussion der Stadtvertretung. Weil, vernünftiger Jugendarbeit, da kann man nicht auf die Mittel des Kreises hoffen, sondern da muss die Gemeinde selbst Geld einstellen. Sie wissen, die Kommunen sind heutzutage nicht mehr gut ausgestattet. Solche drei Stellen allein zu finanzieren, das wird noch spannend. Das ist die Frage, dass es nun mal das Herbe: Die Finanzierung wurde nicht gesponsert, nur das Gebäude. Das wird sicherlich zu interessanten Debatten führen, die wir dort als Kreis auch flankierend betreiben werden. Abrechnung der ESF-Mittel der Mitarbeiter ähnlich wie im Landkreis Mecklenburg-Vorpommern Rügen schätze ich die Lage ein, aber ich bin noch zu jung _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/51 in meinem Amt, um diese Strukturen noch alle komplett zu durchschauen. Verzeihen sie mir das. Wenn Sie es schriftlich möchten, dann würde ich ihnen die Antwort als schriftliche Mitteilung auch zukommen lassen. Rückforderungen der ESF-Mittel - ist der dritte Anstrich - in den Förderperioden 2011 – 2014. Wir hatten auch schon zwei Fälle, wo Rückforderungsansprüche aufgetan wurden. Ich gehe davon aus, also derzeit ist weiter nichts bekannt. Aber es könnte durchaus, dadurch, dass die Prüfungen noch laufen, noch Rückforderungen kommen. ESF ist schwierig anzufassen und gerade am Anfang war es unwahrscheinlich schwierig in der Interpretation. Die Probleme kamen im Nachgang, die müssen wir aufarbeiten. Im Moment ist mir nichts Aktuelles bekannt, aber es könnte durchaus auch dazu führen. Das möchte ich nicht ausschließen. Reicht Ihnen das erstmal? Okay dann. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Dr. Boldt aus Rostock? Dr. Rainer Boldt: Ja auch nochmal zu der Frage, brechen Strukturen weg nach der Kreisgebietsreform? Wir haben festgestellt, dass Jugendarbeit in den beiden Altkreisen des jetzigen Landkreises - also im Kreis Güstrow und Bad Doberan - so unterschiedlich organisiert waren. Das ist ja auch normal, denn es ist Bereich der kommunalen Selbstverwaltung und da macht es jeder richtig und jeder wahrscheinlich ein bisschen anders als sein Nachbar. Wir haben da in etwa anderthalb Jahre gebraucht, um diese Situation zu analysieren und eine gemeinsame Jugendhilfeplanung für diesen Bereich der präventiven Jugendhilfe aufzustellen. Das ist 2013 geschehen und ein Ziel bei dieser Planung war, dass wir möglichst keine Strukturen, keine sinnvollen und keine bedarfsgerechten Strukturen dabei wegfallen lassen wollten. Das ist uns auch gelungen. Wir konnten also diese Strukturen übernehmen. Wir haben natürlich Dinge geändert, denn in der Jugendhilfe ändert sich die Situation laufend, dass eine wird besser angenommen und das andere weniger und das andere vielleicht gar nicht. Da muss man flexibel sein. Ich denke, das haben wir in der Jugendhilfeplanung ganz gut hingekriegt. Also, ich sehe im Moment nicht die Gefahr, dass in unserem Landkreis Strukturen in absehbarer Zeit wegbrechen. Ich sage es aber ganz bewusst, denn die Situation in MecklenburgVorpommern ist sehr unterschiedlich. Die Kollegin nebenan sagte ja gerade, dass man sicherlich die finanzielle Situation der Stadt Waren oder die finanzielle Situation der Gemeinden im Umfeld der Hansestadt - also im sogenannten Speckgürtel - nicht _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/52 mit der Situation vieler anderer Gemeinden vergleicht. Die Situation ist sehr unterschiedlich, auch bei uns im Landkreis. Deshalb, ich hatte das erst schon gesagt, ist das Land hier gefordert in seiner Ausgleichsfunktion. Wenn wir das alles der kommunalen Ebene, den kommunalen Möglichkeiten überlassen, dann werden wir diese Unterschiede in den nächsten Jahren deutlich verstärken in MecklenburgVorpommern. Das befürchte ich und das könnte natürlich auch in den relativ finanzstarken Regionen dann irgendwann so sein. Müssen Mittel zurückgezahlt werden? Davon gehe ich im Moment nicht aus. Wir sind in einigen Dingen im Gespräch. Da geht es um Kleinbeträge. Ich weiß nicht, ob man sich nun darüber unterhalten will, wo es um 200 € geht. Aber in höheren Größenordnungen sehe ich das im Moment nicht. Wir haben zurzeit in dem gesamten Bereich Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Sozialpädagogen, Schulsozialarbeit eine 3 Mitarbeiter Verwaltungsmitarbeiterin. Die eingesetzt. letztere kümmert Zwei sich ausschließlich um die finanzielle Abrechnung. Wir haben festgestellt, dass das personell wohl auf Dauer nicht ausreicht, weil die Entlastung, die uns gerade bei der ESF-Abrechnung versprochen worden ist, eben nicht eingetreten ist. Ich glaube, dass es schon deutlich gesagt worden. Das trifft uns genauso wie alle anderen hier. Wir haben also weiterhin einen hohen Aufwand, um diese Mittelabrechnung dann zu machen. Das vielleicht dazu. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, vielen Dank. Jetzt Herr Heibrock, Kinder- und Jugendprogramm des Landes und anderes, bitte. Friedhelm Heibrock (Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern e. V.): Also das können wir ganz kurz machen. Wahrlich ist das so gedacht, dass das formuliert werden muss für die zukünftige Koalition. Das wird sich, wie gesagt, mit dieser nicht mehr bewerkstelligen lassen. Ich habe da vorhin die Brücke geschlagen zwischen Landesjugendhilfeplanung und unserem Kinder- und Jugendprogramm oder Kinderund Jugendberichten oder wie man das auch immer nennt. Vielleicht ist ja auch die Jugendhilfeplanung auf Landesebene ein Auslaufmodell und man braucht etwas anderes, was neues. Was, wie gesagt, wichtig ist: Dass das Land einfach schaut, wie es aussieht mit dem gleichmäßigen Ausbau von Kinder- und Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern, besondere Aufgabe „gleichwertige Lebensbedingung von Kindern und Jugendlichen“. Das wissen wir, dass die unterschiedlich sind und wenn _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/53 ich das mal genauer analysieren will - die unterschiedlichen Bereiche wirklich vom Kind bis zum Jugendlichen, das muss ich jetzt nicht aufzählen - da brauche ich eine unabhängige Kommission und jemand, der dafür die Geschäftsführung macht. So, beim Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung macht das das deutsche Jugendinstitut. Wir haben Schabernack, das Zentrum für Praxis und Theorie der Jugendhilfe, das könnte man zum Beispiel da ansiedeln. Jetzt kann man schnell rechnen, denn dann braucht man eine Personalstelle dafür, man braucht Kosten für eine Kommission. Und vielleicht die eine oder andere Expertise. Sind sie mit 60.000 – 70.000 € im Jahr über 4 Jahre gerechnet dabei. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, das war ja recht präzise. Jetzt haben wir als letzte noch einmal die LAG auf dem Zettel. Fabian Vogel: Ich fange mal an. Zur Jugendhilfeplanung, wir haben in 2014 Kollegen befragt, was sie ihrer Jugendhilfeplanung wissen und das, was der Landkreis MSE und der Landkreis Rostock gesagt hat, haben die bestätigt. Es gibt aber Landkreise, da ist es nicht so gut. Bei uns im Landkreis Ludwigslust-Parchim zum Beispiel gibt es für den Bereich Kinder- und Jugendarbeit die Jugendhilfeplanungen aus den Jahren 2010 für Parchim 2009 aus Ludwigslust. Mit denen müssen wir versuchen zu arbeiten. Bei uns im Fachdienst Jugend arbeiten momentan zwei Verwaltungsfachkräfte für den Bereich Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit, die dafür zuständig sind. Es sind dann auch andere, die haben andere Aufgaben und helfen dann mal aus, um noch einmal vielleicht die Arbeitsbelastung in dem Bereich deutlich zu machen. Ich bin seit 2012 im Landkreis Ludwigslust tätig und in der Zeit habe ich vier Verwaltungsfachkräfte in dem Bereich durchlaufen sehen und einen externen Dienstleister, der da mal was retten sollte. Was Praktisches: Ich habe letzte Woche Donnerstag den ganzen Tag mit dem Fachdienst Jugend telefoniert. Es ging um die Möglichkeit einer Rückforderung. Ich beschreibe ganz kurz die Stelle. Wir haben eine Einrichtung, das ist eine Kinder- und Jugendwerkstatt. Da ist ein Mitarbeiter, der ist in einer offenen Werkstatt tätig. Ich habe im SGB VIII im Kommentar zum § 13 mal nachgeschaut und da steht: Auch in offenen Werkstätten kann Jugendsozialarbeit stattfinden. Deswegen haben wir diese Stelle dort beantragt. Das steht auch in den Bewilligungsbescheiden drin, dass sozialpädagogische Methoden eingesetzt werden. Ich sehe, dass offene Kinder- und _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/54 Jugendarbeit eine sozialpädagogische Methode ist, um Kinder zu erreichen. Deswegen arbeiten wir da mit einem offenen Konzept, dass Leute kommen können. Was kommen da für Jugendliche? Wir haben da Berufsschüler zum Beispiel, die vormittags in Ludwigslust in der Berufsschule sind, etwas lernen, etwas nicht verstehen. Und am Nachmittag in diese Einrichtung gehen mit einem Zettel, wo drauf steht: „Kannst du mir das nochmal erklären?“ Und dann ist da ein Motor drauf, und denn setzen sie sich an einen Rechner oder gehen hinten ins Lager, nehmen sich den Motor, schrauben den auseinander. Und dann sagt er: „Oh, jetzt habe ich es verstanden.“ Und am nächsten Tag geht er wieder zu seiner Schule. Das macht der Kollege dort. Wir haben in die Stellenbeschreibung reingeschrieben, er ist im offenen Bereich mit 45% tätig. Ich hab diese Prozentzahl da rein geschrieben, weil es wirklich so ist. Ich bin da relativ ehrlich. Und ich kann das auch fachlich vertreten. Ich habe ja im Gesetz nachgeschaut. Das wurde über den Fachdienst Jugend angedeutet, dass diese Stelle dann nicht förderfähig ist, weil der Prozentsatz im LAGuS ein anderer ist. Ich kann das nicht nachvollziehen, weil in keinem Bewilligungsbescheid steht drin, wie hoch der Anteil offen oder wie auch immer sein muss. Deswegen bin ich da ein wenig irritiert. Es wäre schön, wenn wir diese Regelung irgendwann mal kennenlernen, damit wir entsprechend Stellen beantragen können, die dann in diesen Bereich rein passen oder eben Stellen versuchen anderswo zu beantragen. Das Lustige ist, um nochmal auf die Verwaltungsfachkräfte zurückzukommen, die haben die Stellenbeschreibung auch gelesen und haben gesagt: Was macht der denn da? Da habe ich gesagt: Ja, das ist eine sozialpädagogische Stellenbeschreibung. Und dann habe ich ihr das erklärt mit dem Beispiel von dem Jungen aus der Berufsschule und was da passiert, und das da auch ein Beziehungsaufbau passiert und das die dann Sachen machen und sagen: „Jetzt habe ich es verstanden.“ Und ich tue mich manchmal schwer, dass wir Berichte schreiben. Also ich habe das Gefühl, dass ich jede Woche mindestens eine Begründung oder Stellungnahme dazu schreiben muss, was meine Kollegen dort machen. Und das dem Fachdienst Jugend gäbe, der das dann wieder ans LAGuS weiter gibt und ich habe irgendwann keine Lust mehr, als Träger Verwaltungsfachkräfte im SGB VIII zu schulen. Vielleicht müsste man da nochmal schauen im Landkreis und im LAGuS, ob wir da nochmal Fachkräfte dazu holen, die solche Sachen verstehen. Oder man muss dann eindeutig sagen, diese Finanzierung ist einfach für diesen Bereich nicht gemacht. … Ich habe noch was vergessen. Ja, _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/55 also ich frage mich persönlich, weil mit unserem Haushalt streiten wir uns immer im Landkreis. Der sagt immer, wir haben 70 € in der Ko-Finanzierung für die 5,11 €. Manchmal sagt er auch, es sind 50, wenn er die Produktionsschulen raushaut. Manche sagen hier 9, manche sagen hier 17. Und ich habe auch von Leuten gehört, die sagen: „Wir sagen nur 17, dann haben wir nämlich noch was in der Hinterhand.“ Vielleicht wäre es mal interessant zu wissen, welche Produkte sozusagen auf Landkreisseite dort in der Ko-Finanzierung mit drauf sind. Damit möglicherweise eine Vergleichbarkeit hergestellt werden kann. Und dann die Landkreise sich nicht gegenseitig wieder ausspielen. Weil wenn er sagt: „Guck mal, wir zahlen 70 €. Was wollt Ihr denn eigentlich von uns?“ Und wir sagen: „Die Kinder- und Jugendarbeit ist eigentlich gar nicht mehr möglich.“ Vielleicht gucken Sie da nochmal nach. Olaf Hagen: Frau Gajek, ich kann nicht wirklich was zu der Rückforderung in Neustadt-Glewe sagen, weil ich den Bericht jetzt nicht kenne. Ich weiß nur, dass es nicht um Schulsozialarbeit sich handelt, sondern um Jugendsozialarbeit in der Einrichtung in einem Stadtteil, wo Menschen leben, denen es nicht so gut geht. Nennen wir es mal so. Die Kollegin hat dort sehr engagiert und motiviert alleine eine Einrichtung aufgehalten. Das ist für mich zum Beispiel schon mal ein Unding. Weil ich glaube, eigentlich braucht es gerade in solchen Bereichen immer auch Teamkonstellationen wo Leute auch miteinander arbeiten können, sich vertreten können. Der Gender-Aspekt ist überhaupt noch nicht berücksichtigt an der Stelle. Gut, von daher kann ich da im Moment nichts zu sagen. Was das ESF angeht, ich will das an der Stelle nochmal zumindest einbinden. Also wenn ich mir die Ziele des ESF angucke, dann steht da „Teilhabe Bildungs- und Arbeitsmarkt“. Das ist also deutlich, zumindest formal deutlich mehr als das, was zumindest nach den Förderkriterien, wenn du das jetzt hier nochmal so ergänzt, angerechnet wird. Ich weiß gerade nicht mehr, was ich noch sagen soll. Kann ich die Frage sonst nochmal hören, die jetzt vielleicht noch offen ist? Abg. Silke Gajek: Mich hatte das interessiert, wie das mit der Rückzahlung ist. Und die Kollegin hatte in dem Kontext eben gesagt, dass die Dokumentation ist so, das Schulsozialarbeit oder Jugendsozialarbeit, ja, vielleicht eine eigene Sprache hat und jetzt sehr stark nach kurz gearbeitet wird. Und sie sagte, die Schwierigkeit ist, dass sie nicht selber mit dem LAGuS verhandeln kann oder arbeiten kann. Sondern das _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/56 es immer diesen Umweg gibt, das LAGuS arbeitet mit den Kreisen zusammen und die gehen dann wieder an die Mitarbeiter. Da ist dann natürlich a) so ein Informationsverlust und es ist halt so eine, ja wie so eine Maske, die vorgegeben ist und da muss sie halt das immer eintragen, ich glaube alle zwei Monate. Und das ist ja etwas, es geht ja auch um Wertschätzung dieser Arbeit. Also a) sind ja diese Arbeitsverhältnisse häufig prekär, also sehr häufig befristet, und jetzt ist das wie so ein Kontrollzwang. Und das hatte sie nochmal mir mitgeteilt und hat eben gesagt, dass was ja hier auch teilweise deutlich wurde, dass eben so eine Frustationsgrenze da ist. Und ich denke, wenn uns - Und ich glaube da sind wir uns alle einig, Kinderund Jugendarbeit ist wichtig. Es ist auch deutlich geworden, dass wir eine Steuerung brauchen. Für mich ist jetzt so, wir haben diesen Haushalt, darum geht es ja. So welche Möglichkeiten gibt es hier, ein Stück weit gegenzusteuern. So, wir haben einerseits das KJFG, das ist § 11, das, glaube ich, ist jetzt deutlich geworden. Aber die Frage des ESF ist da. Wir haben jetzt hier den Haushalt für die nächsten zwei Jahre, den wir wahrscheinlich beschließen werden. Es ist das Geld festgelegt. Und es ist vielleicht auch so eine Art Ohnmacht zu sagen: Wie können wir da jetzt weiter arbeiten über das Jahr 2020 hinaus, aber eben die Leute noch behalten? Weil das, finde ich, ist einfach wichtig: Den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vor Ort in ihren unterschiedlichen Kontexten, ihnen so viel wie möglich abzunehmen. Vielleicht ist diese Anhörung auch nochmal dafür da, so ein Stück weit zu sensibilisieren auf den unterschiedlichen Ebenen, um das vielleicht noch möglich zu machen, was in dem Rahmen möglich ist. Ich habe da auch keine Antworten. Beispielsweise mit der Richtlinie, beispielsweise mit der Dokumentation. Deswegen gingen meine Fragen eher dahin, gibt es noch Vorschläge von der Basis, die vielleicht heute hier in dem Rahmen der Anhörung genannt werden können? Ich glaube, wir wollen, ich denke die demokratischen Parteien - alles das gleiche und es geht insbesondere um die ländlichen Räume, dort Strukturen zu erhalten und eine Trägervielfalt. Und da sind Sie als Experten da und vielleicht können Sie uns noch was mit auf den Weg geben. Vors. Martina Tegtmeier: Herr Hagen, haben Sie da noch Ausführungen zu? Olaf Hagen: Nur ganz kurz. Weniger Kontrolle, mehr Zutrauen in das, was die Kollegen vor Ort tun. Weil sie tun es im Regelfall nicht, weil sie damit reich werden oder weil sie damit tolle berufliche Perspektiven haben, sondern weil sie einen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/57 Impetus haben, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten und sie auf ihren Weg ins Leben zu begleiten Und da gehört das Arbeitsleben dazu. Aber eben nicht nur dieses. So vielleicht. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, vielen Dank. Dann habe ich Frau Bernhardt. Abg. Jacqueline Bernhardt: Ja, angeregt von dem, was Herr Vogel gesagt hat zur Ko-Finanzierung der Mittel in den Landkreisen und kreisfreien Städten zu den 5,11 €, scheint es mir eben so, das einige, das unterschiedliche Mittel reingerechnet werden. Deshalb würde ich gerne anregen, über das Sozialausschusssekretariat, das uns vom Sozialministerium mitgeteilt wird, was alles in diesem Ko-Finanzierungsanteil reingerechnet werden kann und was nicht. Und vielleicht können uns dann die Landkreise, die heute hier sind, nochmal vielleicht bis Freitag, wenn es möglich wäre, zuarbeiten, was sie alles für Kofinanzierung über 5,11 € bereitstellen. Vors. Martina Tegtmeier: Wer möchte dazu das Wort? Ja, bitte sehr. Dörte Heinrich: Also ich kann für den Landkreis Vorpommern Rügen sofort antworten. Bei uns ist es wirklich so, dass wir nur alles, was über unsere eigene Jugendförderrichtlinie im Rahmen von Jugendarbeit § 11 finanziert wird, § 13, außerhalb von Schul- und Jugendsozialarbeit, Personalkosten, das ist bei uns in den 5,11 € drin. Ich kann jetzt nicht genau die Gegenfinanzierungssumme sagen, die habe ich jetzt nicht genau im Kopf. Aber wir kommen ungefähr auch auf die 7, 8, 9 €. Ich weiß es nicht. Aber alles was Schulsozialarbeit ist, Personalkosten, Produktionsschulungen, Berufsvertreter ist dort nicht mit einbezogen. Ganz klare Trennung der Haushalte, damit wir Haushaltsklarheit haben. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, danke. Herr Löffler. Michael Löffler: Gleiche Antwort, kann ich nur sagen. Vors. Martina Tegtmeier. Okay, danke. Herr Dr. Boldt nickt auch. Alles klar. Okay, vielen Dank. Gibt es weitere Fragen? Das sehe ich nicht, damit sind wir mit der ersten Anhörung des heutigen Tages am Ende. Ich bedanke mich nochmal ganz _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/58 herzlich, dass Sie die Geduld hatten uns hier Rede und Antwort zu stehen. Vielen Dank auch für das Interesse der Zuhörer dort hinten. Ich wünsche ihnen weiterhin an diesem Tag frohes Schaffen. Ich denke ja nicht, dass Sie jetzt Feierabend haben und wünsche Ihnen einen guten Heimweg in Ihre Dienststellen. … Ich schließe damit auch diese Anhörung und wir treffen uns hier planmäßig um 11:30 Uhr wieder und starten dann in die zweite Anhörung. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/59 PUNKT 2 DER TAGESORDNUNG Öffentliche Anhörung zum Thema Bedeutung und Notwendigkeit öffentliche geförderter Beschäftigung bzw. Beschäftigung schaffender Maßnahmen für die Integration langzeitarbeitsloser Frauen und Männer in Mecklenburg-Vorpommern Vors. Martina Tegtmeier: Gut, ich bitte Sie die Plätze einzunehmen, damit wir relativ pünktlich beginnen können. … So, wir kommen dann zur zweiten Anhörung des heutigen Tages und zwar zum Thema „Bedeutung und Notwendigkeit öffentliche geförderter Beschäftigung bzw. Beschäftigung schaffender Maßnahmen für die Integration langzeitarbeitsloser Frauen und Männer in Mecklenburg-Vorpommern“. Ich begrüße Sie ganz herzlich zu dieser Anhörung, insbesondere natürlich unsere Sachverständigen, die dort hinten Platz genommen haben und auch die Gäste. Dies ist zwar eine öffentliche Anhörung, aber trotzdem muss ich jedes Mal darauf hinweisen, dass hier natürlich nur die Anzuhörenden und die Abgeordneten das Wort ergreifen dürfen. Die Stellungnahmen, die schriftlich vorliegen, sind natürlich den Abgeordneten bekannt, somit haben wir auch schon im Anschreiben Ihnen ja mitgeteilt, dass wir Sie bitten, uns Ihre Ausführungen hier in 5 Minuten zusammen zu fassen bzw. zu ergänzen, bei denen die schriftliche Stellungnahme hier vorliegt. An der heutigen Sitzung nicht teilnehmen können der Landkreistag, der Städte- und Gemeindetag, der Landesfrauenrat und der Landesjugendhilfeausschuss. Landkreistag und Städte- und Gemeindetag haben - und auch der Landesfrauenrat haben uns allerdings eine schriftliche Stellungnahme zur Verfügung gestellt. Wir fahren folgendermaßen fort: Sie bekommen der Reihe nach der Wort zu Ihren Ausführungen und im Anschluss daran treten wir dann in die Fragerunde ein. Ich gebe zunächst Herrn Schlüter vom DGB das Wort und muss darauf hinweisen, dass uns in diesem Zusammenhang noch keine schriftliche Stellungnahme vorliegt, sodass ich ihm auch zugesagt habe, dass er sich nicht ganz an diesen Rahmen 5 Minuten halten braucht. Bitte sehr. Ingo Schlüter (DGB Nord): Ja, danke sehr, geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Abgeordnete – „der demokratischen Parteien“ muss ich jetzt im Moment nicht sagen - guten Tag alle zusammen. Ja, die Zeitschiene für die Anhörung war ja sehr sportlich, sehr ambitioniert und insofern war es uns jetzt nicht möglich, wirklich ins _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/60 Detail zu gehen und die Fragen schriftlich abzuarbeiten. Das ist der eine redaktionelle Hinweis. Der zweite – wenn das so erlaubt ist – eine kleine Kritik am Ausschuss: Ich hätte es wirklich für gelungener empfunden, wenn die demokratischen Parteien es geschafft hätten, auch das Erwerbslosenparlament, den Erwerbslosenbeirat zu dieser wichtigen Thematik hier anzuhören. Das liegt in der Natur der Sache, brauche ich, glaube ich, nicht zu begründen. Insofern will ich nur zwei, drei Bemerkungen vorweg schicken aus der Diskussion im Erwerbslosenbeirat in der vorherigen Woche. Also, zum einen sind wir der Meinung, die Langzeitarbeitslosigkeit ist eines der Themen, an denen jetzt sichtbar wird, dass die Ausstattung - schon ohne die Bewältigung der Herausforderung im Zusammenhang mit den Flüchtlingen - unzulänglich ist und wir politisch klipp und klar nicht nur für den DGB, sondern auch für den Erwerbslosenbeirat hier sagen können, dass wir nicht wollen, dass Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge zukünftig gegeneinander ausgespielt werden. Dazu ist die Ausstattung der Jobcenter einfach bedarfsgerecht zu verbessern. Die Ausstattung ist ja heute schon für die eigentlich heute zur Anhörung stehenden Fragen nicht ausreichend. Das ist so eine kleine Vorbemerkung zum einen. Zum anderen sind wir als DGB – das will ich auch vorweg sagen – ganz grundsätzlich deutliche Befürworter der öffentlich geförderten Beschäftigung. Wir haben ja nun immer wieder auf Landes- wie auf Bundesebene dazu entsprechende Initiativen vorgetragen. Zuletzt unsere Initiative, dass wir zum Beispiel nicht wollen, dass diese „vererbte Langzeitarbeitslosigkeit“ einfach so ohne entsprechende Antwort im politischen Raum bleibt. Ich finde - Wir sind also grundsätzlich der Meinung und so ist ja auch das aktuelle Programm zu verstehen: Wir wollen nicht, dass Kinder in einer Familie aufwachsen, wo beide Elternteile arbeitslos, langzeitarbeitslos ist. Und jetzt mal vielleicht zu ein paar einzelnen Punkten, ohne mich jetzt direkt an den Fragenkatalog zu halten. Das eine ist, also wir befürworten die Notwendigkeit einer öffentlichen Beschäftigung ausdrücklich. Der Landkreistag hat in seiner schriftlichen Stellungnahme ja von „unerlässlich“ gesprochen. Dem würden wir so zustimmen, weil nämlich erstens es natürlich auch um die Frage Fachkräftesicherung geht. Ich verweise an der Stelle auf das Fachkräftebündnis in Mecklenburg-Vorpommern. Aber zum anderen geht es auch ganz deutlich um soziale Teilhabe für diese Menschen und auf beiden Strecken ist deutlich mehr zu tun. Und wir als DGB sind der Auffassung, dass das ohne Korrekturen an der Schnittstelle zwischen SGB II und SGB III letztendlich zu keinen vernünftigen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/61 Projekten kommt. Da muss man gar nicht auf Feinheiten einer Passiv-Aktiv-Debatte eingehen, sondern ganz generell muss man einfach sagen: So, wie das HartzSystem sich darstellt, wie die Betreuung von Erwerbslosen - egal ob jetzt ALG I und ALG II - organisiert ist, wird es immer wieder zu Friktionen kommen, die die Integration von Langzeitarbeitslosen – egal mit welcher Zielstellung, ob es jetzt wirklich die Integration in den ersten Arbeitsmarkt sei oder überhaupt nur Verhinderung von De-Qualifizierung, soziale Teilhabe, egal – ohne Korrekturen im Hartz-System ist das nicht möglich. Dem Fragekatalog liegt ja offensichtlich ein Stück weit die Annahme zugrunde, dass es in erster Linie auch um die Integration in den ersten Arbeitsmarkt geht. Da kann man deutlich breitbandiger denken, da haben wir also erhebliche Vorbehalte gegen so eine Zuspitzung. Ich würde sagen, es wird ja in der öffentlichen Debatte letztendlich, ich erinnere da mal an die letzte FriedrichEbert-Stiftung-Langzeitstudie zu einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, wo es bei den Langzeitarbeitslosen, bei den Hartz-Empfängern einen extremen Ausreißer gibt Negativdebatten in der einfach Negativbewertung. nicht gerecht Man und wird dass es diesem möglich Thema ist, mit auch Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen, das können Sie an den Bundesländern sehen, wo die Arbeitslosigkeit deutlich geringer ist. Nehmen wir mal unsere Paradeländer Bayern und Baden-Württemberg. Wenn man sich die mal so anguckt, und da sind dann Arbeitslosigkeiten von 3 %, das heißt ja, dort gelingt es praktisch vor einem Hintergrund des Interesses der Arbeitgeberseite an Beschäftigten durchaus, auch Menschen in Arbeit zu bringen, wo das bei uns in einem schwierigeren Umfeld bisher nicht gelingt. Damit will ich nur sagen: Es geht letztendlich nicht nur um persönliche Indikation, sondern es geht ganz sicher auch darum, den äußeren Rahmen dazu zu betrachten. Ein Grund, warum wir nachwievor eine ausgesprochen kritische Position zum Hartz-System haben, besteht darin, dass die Langzeitarbeitslosigkeit, so wie sie sich darstellt, auch bei uns in MecklenburgVorpommern - auf die Zahlen gehe ich jetzt mal aus Zeitgründen gar nicht ein letztendlich in Größenordnung auch ein De-Qualifikationsprogramm ist und wir vor dem Hintergrund dieser vielschichtigen Bemühungen im Fachkräftebündnis das also als absolut kontraproduktiv ansehen. Wir müssen Menschen motivieren, wir müssen Leute dazu bringen, ihre Qualifikation aufzufrischen oder neu zu erwerben und nicht Leute unsinnig lange in Langzeitarbeitslosigkeit belassen. Wir haben verschiedene Kriterien für öffentlich geförderte Beschäftigung für uns politisch definiert. Es geht _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/62 darum, dass zum einen sozialintegrative Leistungen immer mit angeboten werden müssen, insbesondere bei Menschen, die Vermittlungshemmnisse haben. Da muss man also wirklich das ganze Umfeld sehen. Da will ich auch an der Stelle das schon mal positiv benennen: Der Familiencoach bei uns, der ist in MecklenburgVorpommern aus ESF finanziert, der ist ein solcher Ansatz, der dann ja auch da, wo wir ihn umsetzen können, durchaus funktioniert. Und da wo man jetzt öffentlich geförderte Beschäftigung organisiert, muss man aus vielerlei Gründen, also nicht nur ordnungspolitischen Gründen, Motivationsgründen für die Betroffenen darauf achten, dass es sich dann um gute Arbeit handelt, dass sie tariflich bezahlt wird, dass sie sozialversicherungspflichtig ist. Und wenn man diese Dinge aufgibt, dann muss man sich nicht wundern, dass öffentlich geförderte Beschäftigung vielleicht dann auch ins Leere geht, weil die Motivation für diejenigen, die sie nutzen sollen, dann auch nicht gegeben ist. Zu den Programmen der Bundesregierung will ich nur sagen: Wir begrüßen dieses Modul „soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt. Insgesamt muss man einfach sagen, dass das, was es hier jetzt auf der Bundesebene gibt, im Gesamtvolumen einfach eine Größenordnung hinter dem zurückbleibt, was es an tatsächlicher Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland gibt und letztendlich ist die entscheidende Frage einfach die, wie die Jobcenter auch ausgestattet werden und inwieweit die Jobcenter auch von bürokratischen Belastungen befreit werden. Passiv-Aktiv–Transfer hatte ich vorhin kurz angesprochen. Da gibt es Beispiele, da will ich im Einzelnen hier nicht darauf eingehen. Eine Bewertung insofern nur, dass man sagen muss, das schafft man natürlich nur - dieses Modell zu einem Erfolg zu bringen - wenn man insgesamt deutlich mehr Geld in diesen Topf hinein stellt und es ist zwar kein billiges, aus unserer Sicht aber notwendiges Instrumentarium, mit dem man etwas anfangen könnte auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Punkt, der Landkreistag und seine Stellungname, das habe ich mir heute morgen angeguckt und da fand ich noch einen Hinweis sehr bemerkenswert, den ich Ihrer Aufmerksamkeit besonders empfehlen möchte. Da geht es um die Frage, inwieweit dieses Kriterium der Zusätzlichkeit und die anderen Kriterien letztendlich auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung, der aktuellen, einfach zur Verhinderung von öffentlich geförderter Beschäftigung führen können. Und da haben wir als DGB eine klare Auffassung. In dem Augenblick, wo man die regionalen Sozialpartner, also Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und auch die Kammern in solchen, ich nenne das mal untechnisch, regionale Prüfungsausschüsse in die Verantwortung mit _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/63 einbinden würde für solche entstehende Arbeit, könnte man diese Frage von Zusätzlichkeit usw. ganz leicht überwinden, dann hätte man das Problem nicht mehr. Da gab es ja auch in den 90er Jahren zu anderen Modellen entsprechende Beteiligungsformen. Fazit jedenfalls jetzt für mich: Dass, was wir im ESF für die neue Förderperiode auf die Schienen gehoben haben, das ist sehr vernünftig und auch die Ausstattung der Regionalbeiräte, was da an Integrationsprojekten möglich ist, das war das, was im ESF vor dem Hintergrund der Gesamtheit zurückgehenden ESFMittel möglich war. Das sind vernünftige Modelle. Aber wir werden die Langzeitarbeitslosigkeit auch über den Weg von kleinen, feinen Modellen der öffentlich geförderten Beschäftigung mit viel regionalem Engagement überhaupt nicht bewältigen können. Dazu sind wirklich Korrekturen im Hartz-System nötig und insofern will ich zum Abschluss einfach nochmal sagen: Wir sind für den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Ganz allgemein, und ganz grundsätzlich glauben wir, dass wir da viel, viel größer denken müssen für die Zukunft, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Betreuung von Flüchtlingen. Vielen Dank. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank, Herr Schlüter. Wäre es möglich, Ihre Aufzeichnung für das Sekretariat zu erhalten? Das würde die Arbeit entlasten. Ingo Schlüter: Das ist möglich, aber das wird den Protokollanten nicht viel Freude machen, weil das alles so handschriftliche Sachen sind. Aber ich kann an der Stelle vielleicht auf etwas anderes verweisen, insbesondere wenn es jetzt um die Feinheiten eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors geht, kann ich nur auf diese sogenannte Adamy-Broschüre ein weiteres Mal verweisen. Und vor allen Dingen, ich habe einen wichtigen Punkt vergessen, Frau Vorsitzende, vielleicht darf ich das noch ergänzen. Wir haben ja das ganze Jahr 2014 sehr intensiv uns mit den landespolitischen Handlungsoptionen Langzeitarbeitslosigkeit befasst. Das für ging die los mit Bekämpfung einer Initiative von des Fraktionsvorsitzenden der Linken „Runder Tisch Langzeitarbeitslosigkeit“. Dann haben wir uns in verschiedenen Formaten, in verschiedenen Veranstaltungen insbesondere auch des Erwerbslosenparlaments, die Grünen mit einer eigenen Veranstaltung, die Ebertstiftung mit einer eigenen Veranstaltung, also wir haben intensiv uns mit diesem Thema befasst und hatten ursprünglich die Zielstellung, im Landesfachkräftebündnis da noch neue Modelle zu entwickeln. Wir sind letztendlich _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/64 an zwei Punkten gescheitert. Das eine ist die Frage, inwieweit der Landeshaushalt für echte Investments in diese Richtung überhaupt dienbar gemacht werden kann. Und das zweite sind einfach die Dinge, die auf der Bundesebene SGB II und SGB III geregelt werden müssen. Deshalb bleibt unsere Forderung nachwievor, da und an der Stelle der Bundesebene Druck zu machen. Und ansonsten kann ich Ihnen nur diese Broschüre sehr ans Herz legen, weil darin praktisch die gesamte kritische Schau auf die Beschäftigungspolitik in Deutschland abzulesen ist. Vielen Dank. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Als nächste hören wir Frau Elena Weber von der Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband e. V. Ihre Stellungname haben wir. Bitte führen sie aus. Elena Weber (Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband e. V.): Vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, hier heute als Sachverständige sprechen zu dürfen. Aus Sicht der Diakonie in Deutschland ist ein zentrales Element der aktiven Arbeitsmarktpolitik die gute Beratung in den Jobcentern. Um Leitungsberechtigte in ihrer Lebenssituation angemessen unterstützen zu können, braucht es die Kompetenzen und Erfahrung der Akteure vor Ort. Auch von der Kinderbetreuung über die Suchtberatung, über die Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen bis hin zu Reha-Trägern. Es ist wichtig, dass diese Netzwerkarbeit in den Jobcentern gestärkt wird. Aber um gute Beratung gewährleisten zu können, braucht es mehr entsprechendes Personal in den Jobcentern, und entsprechend mehr Mittel auch im Verwaltungsjhaushalt. Langzeitarbeitslose brauchen Unterstützung auf Augenhöhe. Vorhandene Potenziale sollen gefördert werden und Personen sollen befähigt werden, ihre Lebenssituation zu verbessern. Einzelne Förderbausteine müssen kombinierbar sein und bedarfsgerecht zur Verfügung stehen. Es ist auch wichtig, dass einzelne Teilschritte in einer Integrationsstrategie, in einem Prozess als Erfolge auch anerkannt werden. Wir wissen, dass das Risiko arbeitslos zu werden und lange in Arbeitslosigkeit zu verbleiben, größer ist je niedriger die berufliche Qualifikation ist. Doch kaum eine Region bietet genügend einfache Tätigkeiten und insofern kann die regionale Mobilität von Arbeitslosen immer nur einen geringen Beitrag leisten zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit. Insofern sind auch mehr abschlussbezogene Weiterbildungen und auch die Feststellung und Anerkennung von Teilqualifikationen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/65 ein wichtiges Element der Arbeitsmarktpolitik. Außerdem ist es aus unserer Sicht auch notwendig, die finanzielle Situation von Personen in Weiterbildung zu verbessern, denn wir wissen aus Erkenntnissen - ich glaube, das war eine Studie des IAB - dass auch finanzielle Aspekte während einer Weiterbildung die Bereitschaft von Arbeitslosen hemmen, an dieser Weiterbildung teilzunehmen. Um verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen und die dauerhafte Ausgrenzung von Menschen vom Arbeitsmarkt zu beenden, braucht es aber mehr als nur gute Beratung. Es braucht eine Investition in öffentlich geförderte Beschäftigung, die Menschen eine Perspektive eröffnet. Öffentlich geförderte Beschäftigung soll dabei sozialversicherungspflichtig sein und auch – so, wie der Kollege gesagt hat - an Kriterien guter Arbeit ausgestattet sein, d.h. tariflich bzw. nach Mindestlohn entlohnt werden. Aus unserer Sicht ist es auch wichtig, dass die öffentlich geförderte Beschäftigung allen Arbeitgebern offen steht. Also nicht belegt ist mit den Kriterien Zusätzlichkeit, öffentliches Interesse. Staat und Gesellschaft fördern in vielen Bereichen Beschäftigung durch Subventionen, z.B. aus kulturpolitischen Gründen oder auch, um die öffentliche Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Dabei sind die geförderten Arbeitsplätze, sollen sie bestimmte gesellschaftliche Funktionen erfüllen. Analog dazu, in dieser Logik könnten auch Mittel für öffentlich geförderte Beschäftigung bereitgestellt werden mit dem Ziel, gesellschaftliche Teilhabe durch Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt herzustellen für Gruppen, die bislang ausgegrenzt waren. Personen in öffentlich geförderter Beschäftigung sollen dabei auch mit begleitenden, also begleitet werden, mit begleitenden Maßnahmen unterstützt werden, um ihre Kompetenzen und beruflichen Kompetenzen weiter zu entwickeln. Und das ist auch wichtig, im Prinzip diese Begleitung zu gewährleisten im Übergang von geförderter in ungeförderte Beschäftigung. Wichtig dabei insgesamt für Leistungsberechtigte, Jobcentermitarbeiter und auch Arbeitgeber insgesamt sind ausreichende und verlässliche finanzielle und gesetzliche Rahmenbedingungen. Bislang scheitert eine Umsetzung des PAT und öffentlich geförderter Beschäftigung mit einem Passiv-Aktiv-Transfer am Widerstand des Bundesfinanzministeriums auf Bundesebene, wir setzen uns da ja schon seit Jahren für ein. Aber MecklenburgVorpommern kann durch eine modellhafte Umsetzung im Rahmen eines Landesarbeitsmarktprogrammes, aus unserer Sicht, Menschen, die seit langem vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, eine längerfristige Perspektive ermöglichen. Nicht nur die Leistungsberechtigten selbst, sondern auch ihre Familien und ihre Kinder _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/66 insbesondere würden davon profitieren. Kinder, die im Leistungsbezug aufwachsen, sind von materiellen Entbehrungen und sozialer Ausgrenzung betroffen. Der Kollege vom DGB hat das auch schon angesprochen. Dieses Aufwachsen im Langzeitleistungsbezug hat negative Auswirkung auf die Lebenszufriedenheit von Kindern, die Gesundheit und auch den Bildungserfolg von Kindern. Öffentlich geförderte Beschäftigung kann verhindern helfen, dass Kinder in diesen verfestigten Strukturen des Langzeitleistungsbezugs und der Langzeitarbeitslosigkeit hineinwachsen. Ein solches Landesarbeitsmarktprogramm würde auch ein deutliches Zeichen an die Bundesregierung senden aus unserer Sicht, dass geringe Eingliederungsmittel und ständig wechselnde zeitlich befristete ESF-finanzierte Programme nicht ausreichen. Zusätzliche verlässliche Angebote und Rahmenbedingungen sind notwendig sowie die bundesgesetzliche Einführung eines Passiv- Aktiv-Transfers, um eben verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit und Ausgrenzung von Menschen abzubauen. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Als nächstes möchte ich Frau Nößler bitten vom Evangelischen Fachverband für Arbeit und Soziales, Ihre Ausführungen zu machen. Bitte sehr. Ines Nößler (Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V.): Ja, vielen Dank auch von meiner Seite für die Einladung. Ich finde es jetzt so schön, dass wir so aufgereiht sind. Das sind jetzt die befürwortenden Stimmen, ich bin jetzt die Dritte befürwortende Stimme, sehr schön. Also, ich setze jetzt noch mal einen Fokus auf öffentlich geförderte Beschäftigung, meine Stellungnahme liegt ja schriftlich vor, wurde veröffentlicht. Die aktuelle robuste Arbeitsmarktlage, die wir seit Jahren haben, macht deutlich, dass der Markt alleine es nicht richten wird, dass also strukturell verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit nicht abgebaut werden konnte, weil die Arbeitgeber sind nicht ohne Weiteres bereit, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen und auch der Beschäftigungsaufbau, den wir in den letzten Jahren verzeichnen konnten, geht an den meisten Langzeitarbeitslosen vorbei. Mehr als zwei Drittel aller Arbeitslosen sind im Rechtskreis des SGB II, das macht die Problemverschiebung deutlich. Das Referenzsystem für Arbeitslosigkeit ist nicht mehr das SGB III, sondern es ist das SGB II geworden. Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind fast 75 % aller Arbeitslosen im Rechtskreis des SGB II. Und trotz der guten Arbeitsmarktlage die _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/67 Deutschland unstreitig zur Zeit hat, schneiden wir im internationalen Vergleich auch schlecht ab. Also wer sich die aktuelle OECD-Studie angeguckt hat, da wird Deutschland kritisiert von der OECD, dass Langzeitarbeitslosigkeit eines unserer größten Probleme am Arbeitsmarkt ist. Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich in den letzten Jahren marginal verändert. Ich will jetzt auch nicht auf die Definition „Langzeitarbeitslosigkeit-schädliche und unschädliche Unterbrechung“ eingehen – ich denke, dass ist Ihnen hinreichend bekannt. Und zwar sind wir von 2012 - das sind die stabilen Zahlen, die der OECD vorliegen - von 45,5 % ist sie gefallen auf 44,7 % im Jahr 2013. Aber wenn ich mir den OECD-Durchschnitt angucke, liegt Deutschland 10 % über dem OECD-Durchschnitt. Und das finde ich in so einem starken und im Moment wirtschaftlich robusten Land schon eine schwierige Situation. Dann gucke ich noch mal auf die Instrumentenreform. Meine Vorredner haben es beide gesagt: Wenn wir heute über Arbeitsmarktpolitik reden, müssen wir über die Auswirkungen der Instrumentenreform reden, die 2010 unterschrieben wurde und dann in der letzten Umsetzung 2012. Und dort habe ich zwei gravierende Einschnitte auf die Arbeitsmarktpolitik, negative Wirkung insbesondere im Blick auf die Langzeitarbeitslosen, ich habe eine dramatische Mittelreduktion um fast die Hälfte. Das heißt, ich habe natürlich weniger Langzeitarbeitslose, aber ich habe nicht halb so viel weniger Langzeitarbeitslose. Diese Mittelreduktion führt dazu, dass die Jobcenter per se – meine Vorredner haben es alle mit anklingen lassen – natürlich immer wieder aus den aktiven Mitteln in den Verwaltungshaushalt umschichten müssen. Wenn ich umschichte, fehlt es zur Förderung langzeitarbeitsloser Menschen. Aber die Instrumentenreform hat auch eine qualitative Änderung zur Folge gehabt und zwar wurden die arbeitsmarktpolitischen Instrumente insbesondere im Hartz IV-System im Sozialgesetzbuch II an die Systematik des SGB III angedockt und das ist die vorrangige und kurze und schnelle Vermittlung in den Arbeitsmarkt. Und das ist das, was gezählt wird, was sich niederschlägt in den Zielvereinbarungen, in den Ausrichtungen der Angebote der Jobcenter. Und es kommt dem marktnahen Kunden zugute, also denen, die relativ schnell vermittelbar sind. Dann kann ich Integrationserfolge vorweisen und damit bleiben Langzeitarbeitslose sozusagen auch schon auf der Förderstrecke unberücksichtigt. Es gibt Zahlen, Statistiken, das kann man alles sich bei der Regionaldirektion jeweils abrufen lassen. Jeder zehnte Langzeitarbeitslose in Deutschland kriegt nur noch ein Förderangebot. Das heißt, neun Langzeitarbeitslose Menschen bleiben ungefördert und unberaten im _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/68 Leistungsbezug. Dann noch mal einen anderen Schwenk: Wir haben auf der anderen Seite einen Fachkräftemangel – ja, der wird in den MINT-Berufen in besonderer Weise deutlich oder konstatiert - und dieser Fachkräftemangel, aus meiner Sicht, macht es auch noch mal offensiv, dass Langzeitarbeitslosigkeit per se ein Vermittlungshemmnis bei der Einstellung ist. Also wer sich aus der Langzeitarbeitslosigkeit bewirbt, schafft es kaum, in die zweite Bewerberrunde zu gehen. Der wird nicht eingeladen und je länger der Leistungsbezug dauert, umso höher ist das Hemmnis an sich. Also Langzeitarbeitslosigkeit hat bei Bewerbung aus der Arbeitslosigkeit heraus schon ein Stigma – da gibt es Untersuchungen vom IAB, da sind viele dran gewesen – das ist relativ deutlich zu belegen. Das heißt, ohne Förderung – und da meine ich den ganzen Strauß der arbeitsmarktpolitischen Instrumente von Beratung, Begleitung, Bildung, Beschäftigung, wenn ich es in diese vier Worte zusammenfasse – schaffen es die Langzeitarbeitslosen kaum, von sich aus selber in Beschäftigung zu kommen. Das heißt, sie brauchen einen Strauß der Möglichkeiten und da bin ich auch bei dem, dass ich natürlich mehr Geld brauche im SGB II. Das ist bundesgesetzgeberische Aufgabe, da bin ich jetzt erst einmal nicht soweit darauf eingegangen. Und wenn ich diesen Teufelskreis unterbrechen will, muss ich Langzeitarbeitslose fördern und zwar über diese relativ schwierige, niedrige Förderquote hinaus, dass nur jeder Zehnte ein Angebot bekommt. Aus Sicht, wir sind als Evangelischer Fachverband, der Bundesfachverband der Diakonie Deutschland, das wird Sie jetzt nicht verwundern, dass wir sagen: Neben Beratung, Begleitung, Bildung ist öffentlich geförderte Beschäftigung seit Jahren ein sinnvolles Instrument gerade für langzeitarbeitslose Menschen, um diesen mit mittelfristigen und längerfristigen Angeboten die Übergänge in ungeförderte Beschäftigung des regulären Arbeitsmarktes zu ermöglichen. Da bin ich auch bei dem, was im Fragekatalog war – diese zeitliche Begrenzung der öffentlich geförderten Beschäftigung, diese 24 aus 60-Regel, die ich derzeit habe, die halten wir für kontraproduktiv, weil sobald ich Fördererfolge nachweisen kann, muss die Förderung eingestellt werden auf der rechtlichen Grundlage des SGB II. Wenn wir von öffentlich geförderter Beschäftigung reden, dann sind wir der Meinung, dass öffentlich geförderte Beschäftigung mindestens an drei Kriterien zu binden ist. Und zwar: Sie soll offen für alle Arbeitgeber sein, weil wir halten es für ganz wichtig, dass öffentlich geförderte Beschäftigung aus diesen sinnentleerten Beschränkungsraum der Wettbewerbsneutralität, der Zusätzlichkeit und des öffentlichen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 Interesses - 75/69 rausgehen, weil nur so können die geförderte Langzeitarbeitslosen marktreale Bedingungen erleben und auf den regulären Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Das heiß, es müssen und sollten aus unserer Sicht, marktnahe Tätigkeiten sein und was uns als Diakonie ganz wichtig ist. Sie sollte auf freiwilliger Basis erfolgen. Weil die freiwillige Basis - die das SBG II im Moment zwar nicht kennt, das SGB II ist ein Sanktionssystem - die kann man organisieren, weil damit Motivation, Selbstwert und auch Eigeninteresse schlagartig steigt. Wir schlagen ja gemeinsam seit 2006 als Finanzierungsgrundlage für öffentlich geförderte Beschäftigungssektor den PassivAktiv-Transfer vor, unter dem Begriff „Arbeit finanzieren statt Arbeitslosigkeit alimentieren“. Das deckt nur 50 % eines Lohnes ab, wenn ich heute auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohnes denke, das ist so. Aber dass der PassivAktiv-Transfer rechtlich machbar ist, haben wir extra noch mal durch einen Gutachter prüfen lassen, der nachgewiesen hat, dass es keine rechtlichen Hürden gibt. Und da möchte ich wirklich alle Hürden noch mal beschreiben, weil uns immer wieder gesagt wurde: Das SGB II bewegt sich ja auf bundesgesetzgeberischer Ebene und auf kommunaler Ebene. Das ist die Verquickung im SGB II, die relativ einmalig ist in Deutschland, und zwar stehen weder verfassungsrechtliche noch haushaltsrechtliche Fragen dem Passiv- Aktiv-Transfer entgegen und auch dieses sogenannte Übertragungsgebot, das Konnexitätsprinzip, wäre kein Hinderungsgrund, den PassivAktiv-Transfer einzuführen. Dieses Rechtsgutachten liegt mittlerweile allen politischen Parteien vor, wird in der Grundaussage von allen politischen Parteien geteilt und die Hinderungsgründe für den Passiv-Aktiv-Transfer, die Elena Weber ist kurz drauf eingegangen, kommen ausschließlich aus dem Bundesfinanzministerium. Und diese Gründe sind zwei Sachen, ich möchte mal das sagen, was vielleicht noch am leichtesten nachvollziehbar ist: Im Bundesfinanzministerium befürchtet man ein explodierendes System, weil die passiven Leistungen sind Pflichtleistungen und die aktiven Leistungen sind Ermessensleistungen, also sprich haushaltsrelevant. Und um diese Hürde zu brechen, wäre, glaube ich, aus unserer Sicht auch eine modellhafte Erprobung des Passiv-Aktiv-Transfers im Land Mecklenburg- Vorpommern angezeigt und würde diese bundespolitischen Bedenken brechen. Die Rechtsgrundlage ist da, damit kann man sozusagen, hat man eine Grundlage, wo man tätig werden kann und man könnte sich auch, um jetzt nicht das Rad noch mal neu zu erfinden, an den simulierten Passiv-Aktiv-Transfer in Baden-Württemberg orientieren, die ja mit ihrem Programm „gute und sichere Arbeit“ mit diesen vier _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/70 Säulen, die dahinter versteckt sind, einen simulierten Patt erfolgreich umgesetzt haben und in den nächsten Wochen und Monaten, ich weiß es nicht so ganz genau, wir die Evaluation erwarten werden, wo dann wahrscheinlich die volkswirtschaftlichen Auswirkungen auch beschrieben sein werden. Aber da muss ich wahrscheinlich sagen, weil wir nicht im Bereich der Begleitgruppe sitzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vors. Martina Tegtmeier: Ja, Ihnen auch vielen Dank, Frau Nößler. Als nächstes hat dann Herr Böhm vom Arbeitslosenverband Mecklenburg-Vorpommern das Wort, bitte. Jörg Böhm (Arbeitslosenverband M-V): Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Mitglieder des Landtags, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Anzuhörende, verehrte Gäste, namens des Arbeitslosenverbandes MecklenburgVorpommern e.V. bedanke ich mich für die Einladung zur heutigen Anhörung, eine schriftliche Stellungnahme haben wir vorab eingereicht. Zum Verfahren habe ich mich schriftlich geäußert und möchte meine Kritik daran hier nicht wiederholen. Ich möchte aber in meinem kurzen Eingangsstatement ausdrücklich die Notwendigkeit unterstreichen, dass mehr Beschäftigungsförderung notwendig ist, wenn es denn tatsächlich das Ziel der Bundes- und Landespolitik ist, Langzeitarbeitslosigkeit und damit verbundene Armut und Ausgrenzung von Kindern, Erwachsenen und im Alter zu verhindern. Die Zahlen sind Ihnen bekannt. Aber ich muss sie an der Stelle nochmals wiederholen, weil deren Bedeutung möglicherweise nicht stark genug zu Ihnen durchdringt. Im August und September 2015 - also den beschäftigungsintensivsten Monaten eines jeden Jahres - hatten wir in MecklenburgVorpommern circa 10.000 sofort zu besetzende Stellen und 11.000 offene gemeldete Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit. Wir hatten circa 19.000 arbeitslose Frauen und Männer im Arbeitslosengeldbezug, also keine Langzeitarbeitslosen, ohne die Maßnahmeteilnehmer und ohne erkrankte Arbeitslose. Wir hatten circa 59.000 Frauen und Männer im Hartz IV-Leistungsbezug und zwar arbeitslos – arbeitslose Frauen und Männer im Hartz IV-Leistungsbezug und wiederum diese Zahl ohne die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen, Erkrankte und andere, die nicht gezählt werden. Also, meine Damen und Herren, selbst wenn wir alle gemeldeten Stellen im Land besetzen würden und noch einmal die gleiche Zahl von Stellen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/71 annehmen würden, die nicht gemeldet sind, dann wären immer noch alle Langzeitarbeitslosen in Mecklenburg-Vorpommern ohne Arbeit. Die Verwaltungskosten – das wurde hier schon erwähnt – bei Hartz IV liegen inzwischen über den Mitteln für die Integration. Und seit Jahren müssen Mittel aus dem Eingliederungstitel, also dem Titel für die Integration von Langzeitarbeitslosen, regelmäßig in den Verwaltungshaushalt umgeschichtet werden. In diesem Jahr waren das in einigen Jobcentern in Mecklenburg-Vorpommern, waren das bis zu 20 %, die schon am Jahresanfang umgeplant wurden. Das weder was mit guter schwäbischer noch mit guter ueckermärkischer Haushaltsführung zu tun, sondern ist einfach inakzeptabel. Es gibt den an sich sinnvollen Grundsatz, der da lautet: Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Warum tun wir das nicht? Warum setzen wir die Regelsätze, die ohnehin gezahlt werden müssen, nicht zur Finanzierung von Arbeit ein? Warum kümmern wir uns nicht um diejenigen, die arbeiten können und wollen, statt die Trickser und Faulen als 2-Prozent-Alibi für ein aufwendiges, teures Sanktionsregime zu hegen und zu pflegen? Das, meine Damen und Herren, werden Sie mir erwidern, sind doch aber alles Regelungen, die auf Bundesebene zu treffen sind: Ja, das stimmt. Aber warum wird dort sehenden Auges nichts im Sinne der Langzeitarbeitslosen geregelt? Und was können wir im Land tun? Wir hätten Mecklenburg-Vorpommern als Modellregion für den PAT anmelden können. Wir hätten das Thema „Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit“ im Bündnis für Arbeit platzieren können. Ich bedanke mich ausdrücklich - das wird Sie jetzt wundern ausdrücklich bei der VUMV, also Vereinigung der Unternehmensverbände in Mecklenburg-Vorpommern, die in ihrer Presseerklärung Nummer 3/ 2015 vom 29. Januar erklärt hat, dass die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit das dickste Brett ist, das es am Arbeitsmarkt zu bohren gilt und den Erwerbslosenbeirat für seine Vorschläge gelobt hat. Leider hat dann irgendjemand den Bohrer verlegt und den VUMV hat offensichtlich mit dem Bohrer auch der Mut verlassen. Denn die Kernforderung, das Thema ins Bündnis für Arbeit zu holen, die wurde nicht umgesetzt. Kollege Schlüter hat ja hier einige Aufhellungen darüber gegeben, woran es liegt. Aber ich plädiere nach wie vor für einen runden oder eckigen oder sonstigen Tisch, jedenfalls für einen Gesprächskreis, mit dem wir über Lösungen nachdenken und uns austauschen. Ein deutliches Zeichen der demokratischen Kräfte in Richtung der Langzeitarbeitslosen ist mehr als wünschenswert und, wie ich finde, erforderlich. Kann man etwas im Land machen? Ja, man kann. Also, wie gesagt, wir sollten uns _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/72 austauschen, was verändert werden muss. Wir sollten Wege und Lösungen diskutieren und wir sollten prüfen, wo und wie wir Landesmittel sinnvoll einsetzen können, zum Beispiel in einem Gemeindearbeiterprogramm. Die Kommunen - das ist Ihnen auch bekannt - klagen darüber, dass sie keine Gemeindearbeiter mehr haben und dass sie Arbeitsgelegenheiten – 1-€-Jobber – dafür nicht mehr einsetzen können. Wir haben das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit jahrelang vernachlässigt, viele Frauen und Männer ohne Perspektive gelassen. Das Schlimmste, was uns jetzt passieren kann, ist, dass die Langzeitarbeitslosen in ihrer Perspektivlosigkeit ausgenutzt werden und sich gegen die Mehrheit der Gesellschaft stellen. Ich möchte das nicht. Lassen Sie uns also gemeinsam darüber nachdenken und dann auch handeln - wie wir möglichst viele Arbeitslose Frauen und Männer in sinnvolle Beschäftigung bringen können. Das ist mein Appell an die Landespolitik, auch im Namen des Erwerbslosenbeirates, der zur Zeit das 18. Erwerbslosenparlament am 30. Oktober vorbereitet und voller Erwartung ist, ob er in diesem Jahr nicht nur gehört, sondern auch verstanden wird. Danke. Vors. Martina Tegtmeier: Ja, vielen Dank, Herr Böhm. Liebe Abgeordnete, wie Sie wissen, liegt Ihnen eine gemeinsame Stellungnahme der IHK Neubrandenburg, der Vereinigung der Unternehmensverbände und der Handwerkskammer Schwerin vor und zu uns gekommen sind hier heute von der IHK Neubrandenburg Herr Pfoth sowie Dr. Martin Sauer von der Vereinigung der Unternehmensverbände. Ich werde zunächst Herrn Pfoth das Wort geben, bitte. Ralf Pfoth (IHK Neubrandenburg): Vielen Dank, Frau Vorsitzende. Die Einladung, also das Zeitschema für die Vorbereitung auf die Anhörung ist ja schon angesprochen worden, insofern haben wir uns in der gemeinsamen Stellungnahme auf den ordnungspolitischen Rahmen konzentriert sozusagen und insofern wollen wir jetzt ergänzende Positionen anhand einiger Aspekte wie zum Beispiel Weiterbildung und abschlussorientierte Teilqualifikation und das Thema ausländische Fachkräfte noch mal kurz ansprechen. Lassen Sie mich vorab auszugsweise darauf eingehen wie wir als IHK Neubrandenburg aktiv eingebunden sind in die Arbeitsmarktpolitik: Wir arbeiten sehr intensiv mit in den vier regionalen Beiräten der Jobcenter in unserer Region und auch in den beiden Regionalbeiräten des Landes in Vorpommern und in der Mecklenburgischen Seenplatte. Wir achten bei den _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/73 Jobcentern darauf, dass das Kriterium der Zusätzlichkeit beachtet wird, indem wir eine gemeinsame Liste erarbeitet haben, welche Arbeitsgelegenheiten akzeptabel sind aus beider Sicht und wir geben auch Stellungnahmen zu einzelnen Arbeitsgelegenheiten ab, wenn wir dazu aufgefordert werden. Lassen Sie mich vorab bemerken, dass es den typischen Langzeitarbeitslosen nicht gibt. Richtig ist, wie man an der aktuellen Studie der Arbeitsagentur entnehmen kann, dass es unter den jüngeren Langzeitarbeitslosen einen hohen Anteil ohne Schulabschluss gibt. Heute haben viele Langzeitarbeitslose Berufsbildungsabschlüsse, die aufgrund der fehlenden Praxis und des ständig ansteigenden Wissenszuwachses mit der Zeit veralten. Zudem sind auch selbst viele Langzeitarbeitslose älter. Zukünftig sehen wir aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation das erhebliche Risiko, dass wir noch mit viel mehr Leuten arbeiten müssen, die arbeitslos geworden sind. Und - Herr Schlüter hatte es schon angesprochen – das darf auf keinen Fall dazu führen, dass es ein gegenseitiges Ausspielen geben darf. Der Arbeitsmarkt selber ist geprägt durch eine sinkende Arbeitslosigkeit auch in Mecklenburg-Vorpommern, eine steigende Anzahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter sowie einer steigenden Anzahl von freien Stellen. Das Konjunkturklima ist so gut wie lange nicht. Wir führen gerade die aktuelle Umfrage hier in unserer Region durch und die ersten Auswertungen, die wir da anhand der Antworten erhalten haben, zeigen eigentlich darauf hin, dass wir eigentlich auf ein sehr hohes Herbstkonjunkturklimaniveau klettern. Das steigert natürlich auch die Chancen von den aktuellen Langzeitarbeitslosen einen Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Und wir müssen auch feststellen oder können auch feststellen, dass bei den Unternehmen durchaus grundsätzlich eine wachsende Bereitschaft besteht zur Einstellung von für die speziellen Anforderungen von den Stellen weniger geeigneten Bewerbern, da aktuell schlicht zu wenig Bewerber vorhanden sind. Mittelfristig rechnen die Unternehmen mit weiteren Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt durch Themen wie Digitalisierung und Mindestlohn, Rente mit 63 und auch Flüchtlinge. Also insofern ein weites Spektrum, was weiterhin auf den Arbeitsmarkt wirkt. Zu den größten Hemmnissen zur Einstellung von Langzeitarbeitslosen zählen einmal aus den unterschiedlichsten individuellen Gründen zu geringe Produktivität und fehlende für den Job erforderliche Kompetenzen. Problematisch ist hier insbesondere der schnelle Verlust der Qualifiziertheit auch aufgrund steigender Anforderungen in den Betrieben. In Teilen gibt es somit eine unzureichende Passung zwischen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 Anforderung des - 75/74 Arbeitsmarktes und dem, was die Langzeitarbeitslosen anzubieten haben. Öffentlich geförderte Beschäftigung muss aber trotzdem, wie schon in unserer Stellungnahme beschrieben, eine Ausnahme bleiben. Diese Beschäftigungsform verzögert die Aufnahme in den ersten Arbeitsmarkt bzw. ermöglicht diese erst gar nicht. Es erfolgt eine arbeitsmarktferne Beschäftigung ohne Zusammenarbeiten mit potenziellen Arbeitgebern. Eine Stärkung der öffentlich geförderten Beschäftigung geht, wie in der Stellungnahme angesprochen, einher mit einer de facto Aufgabe des obersten Ziels der Arbeitsmarktpolitik, der Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Es kann nicht sein, dass wir versuchen, einen Reparaturapparat zu stärken und dass kann nicht das Ziel sein, sondern es muss darum gehen, die individuellen Stärken der Langzeitarbeitslosen zu entwickeln. Aus unserer Sicht sind abschlussorientierte Teilqualifikationen, können hierzu einen wertvollen Beitrag leisten, um - wo große Schritte nicht möglich sind - über kleine Teilerfolge Anerkennung zu erzielen, um dem Ziel der Integration in den ersten Arbeitsmarkt näher zu kommen. Der Zugang zu Qualifizierung und Weiterbildung nimmt eine Schlüsselrolle - aus unserer Sicht für die Integration der Langzeitarbeitslosen ein. Es ist weiterhin unbedingt erforderlich, die Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Beschäftigungssektors zeitlich zu begrenzen. Das ureigene Ziel der Maßnahmeträger, Hilfe zu Selbsthilfe leisten zu wollen, wird mit einer zeitlichen Begrenzung aus unserer Sicht besser erreicht. Langzeitarbeitslose würden nicht Gefahr laufen, durch ein Zuviel an Förderung bis zum vollständigen Verlust der Eigeninitiative vom Vormundstaat entmündigt zu werden. Bei Langzeitarbeitslosen, die aufgrund einer Vielzahl an Problemen über einen längeren Zeitraum keine Beschäftigung aufnehmen, kann ein begleitendes Coaching sinnvoll sein. Über die Regionalbeiräte – Herr Schlüter hat es schon angesprochen – haben wir über die ESF-Förderung das Projekt des FamilienCoaches jetzt aufgelegt sozusagen im Land und das Ziel auch dort ist die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, was wir ausdrücklich als Wirtschaftspartner eingefordert haben. Zur Information vielleicht: Die ESF-Förderung des Landes ist weiterhin in Bezug auf die Regionalbeiräte, die Erhöhung der Mittel, die die Regionalbeiräte erhalten haben, zu 87 % daher rühren, dass sie eingesetzt werden sollen für das Projekt der Familien-Coaches. Also insofern doch eine erhebliche Ausstattung. Dafür sind andere Mittel, die aus unserer Sicht direkter in die Wirtschaft gingen, wie strukturentwickelnde Maßnahmen, gekürzt worden und auch Integrations- und Kleinprojekte sind aufgestockt worden mittelseitig, so dass aus _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/75 unserer Sicht durchaus insgesamt Mittel für soziale Dienstleistungen mit Bezug auf Langzeitarbeitslosigkeit als Thema aufgegriffen worden sind im Rahmen des ESF und auch umgesetzt werden. Die Inanspruchnahme der Mittel der Familien-Coaches ist regional sehr unterschiedlich. Nach unseren Erfahrungen jetzt in den Regionalbeiräten abhängig von den Vorerfahrungen und dem Stand der Zertifizierung der Träger. Für die betroffenen Familien ist das Programm erfolgreich, wenn Vermittlungshemmnisse behoben und Hilfe zur Selbsthilfe geleistet wurde, mithin eine Inanspruchnahme der oben genannten Dienstleistung dann nicht mehr notwendig ist. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Finanzierungen von Maßnahmen für Reintegration von Langzeitarbeitslosen im Zeitablauf sehr kostspielig ist. Eine Förderung „koste was es wolle“ kann es nicht geben. Jede arbeitsmarktpolitische Förderung muss zum Ziel haben, zumindest einen mittelbaren Beitrag zur Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu leisten. Bildung übernimmt dabei eine Schlüsselfunktion, Bildung ist auch die beste Vorsorge vor Arbeitslosigkeit. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik sollte zu dem Bestandteile zum Abbau von Vorurteilen beinhalten. Aus unserer Sicht sollten deshalb auch Träger öffentlich geförderter Beschäftigung enger zusammen arbeiten mit Unternehmen. Eine die nächsten Jahre bestimmende Herausforderung stellt die Integration von Ausländern, die als Flüchtlinge aus Krisenregionen zu uns kommen, dar. Hiermit verbindet sich die Chance und die Verantwortung, Ausländer und Langzeitarbeitslose gemeinsam auf den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu orientieren und diese dafür zu aktivieren. Eine herausragende Bedeutung wird dabei die Schaffung der Voraussetzungen zur Aufnahme der Ausländer auf dem ersten Arbeitsmarkt innehaben. Dazu zählen die Durchführung von Sprach- und Integrationskursen, die Kompetenzfeststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse und Qualifikationen. Zudem ergeben sich für den Bereich der abschlussorientierten Teilqualifizierung große Chancen in kleinen Schritten zu einer beständigen Weiterqualifizierung zu gelangen. Wichtig bleibt dabei ein Zusammenspiel aller Arbeitsmarktakteure. Soviel zunächst. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Jetzt hat Herr Dr. Sauter die Möglichkeit weitere Ausführungen zu machen, das zu ergänzen oder wie auch immer. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/76 Dr. Martin Sauer (Vereinigung der Unternehmensverbände e.V.): Vielleicht zunächst vorweg: Mein Name spricht sich „Sauer“. Wie „süß“, also kein Problem. Vors. Martina Tegtmeier: Entschuldigung, das steht hier sogar, das habe ich nur falsch gelesen. Dr. Martin Sauer: Kein Problem. Mein geschätzter Vorredner hat es schon angesprochen: Sei dem Jahr 2005 in etwa, das begrüßen wir alle, hat es einen stetigen Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen gegeben, während die Arbeitslosigkeit sich zusehends verringert hat. Teil der sich daraus ergebenen arbeitsmarktpolitischen Diskussion ist zugleich ein kontroverses und zunehmendes Hinterfragen Beschäftigungsprogramme sind der öffentlichen teuer und Beschäftigung. wirken Öffentliche statuskonservierend. Die Erfahrungen der vergangenen 25 Jahre haben gezeigt, dass insbesondere auch in Mecklenburg-Vorpommern öffentliche Beschäftigung nur einen geringen Beitrag zu einer nachhaltigen Integration von Geringqualifizierten und Langzeitlosen in den ersten Arbeitsmarkt geleistet hat und mitunter sogar kontraproduktiv gewirkt hat. Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, wird durch öffentliche Beschäftigungsprogramme nicht verringert, sondern oft sogar verfestigt. Die langjährigen Erfahrungen mit den erst kürzlich eingestellten ABM-Maßnahmen haben das gezeigt. Vor diesem Hintergrund ist unstrittig, dass gerade für Geringqualifizierte öffentliche Beschäftigungsmaßnahmen häufig attraktiver sind als einfache Tätigkeiten am ersten Markt, die entsprechend ihrer niedrigen Produktivität entlohnt werden. Diese Fehlanreize werden oft sogar noch durch tarifliche oder ortsübliche Entlohnung öffentlicher Beschäftigung sowie einer Ausgestaltung als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis verschärft. Den Arbeitslosen wird auf diese Weise fälschlicherweise suggeriert, sie würden einer regulären Beschäftigung nachgehen. In der Folge geben es diese Menschen dann häufig auf, am ersten Arbeitsmarkt nach einer Regelbeschäftigung zu suchen. Um Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten eine Perspektive zu bieten, müssen stattdessen alle Kräfte auf eine umfassende Vermittlungs-, Qualifizierungs- und Betreuungsoffensive konzentriert werden. Die schnelle Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt muss jederzeit Vorrang vor öffentlicher Beschäftigung haben. Öffentlich geförderte Beschäftigung, egal welcher Form, muss unbedingt eine Ausnahme bleiben. Nur _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/77 sofern die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt noch nicht möglich ist, kann der Einsatz zeitlich befristeter öffentlicher Arbeitsgelegenheiten im Einzelfall sinnvoll sein. Hierüber muss zugleich zwingend nach Ausschöpfen aller anderen Möglichkeiten auf Basis eines konsequenten Profilings entschieden werden. Auch dabei gilt jedoch, dass wegen des Risikos teurer Mitnahme- und kontraproduktiver Verdrängungseffekte öffentliche Beschäftigung grundsätzlich so kurz wie möglich eingesetzt werden muss. Meine Damen und Herren, sollte öffentlich geförderte Beschäftigung im Einzelfall zur Anwendung kommen, so ist diese auf ein Minimum zu beschränken. Bereits die Erfahrungen in den 1990er-Jahren haben gezeigt, im Zuge öffentlicher Beschäftigung gibt es weniger statt mehr, nee, statt weniger gibt es mehr Arbeitslose, werden Milliardenbeträge von Steuer- und Beitragszahlern nicht effizient eingesetzt, werden Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt durch künstliche Beschäftigungsverhältnisse verdrängt und Anreize zur Arbeitsaufnahme abgebaut sowie Menschen vom ersten Arbeitsmarkt weggeführt werden. Vielen Dank. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank, Dr. Sauer. Nun können wir in die Fragerunde einsteigen. Bis jetzt habe ich mich auf dem Zettel hier, Herrn Förster als Nächsten. Ich habe eine Nachfrage und eine Frage. Die Nachfrage möchte ich aufgrund der Ausführungen von Herrn Pfoth jetzt an Herrn Sauer richten. Und zwar: Bei den Ausführungen von Herrn Pfoth kam für mich so ein bisschen dabei heraus, dass Zeiten der öffentlichen Beschäftigung sich im Lebenslauf eines Langzeitarbeitslosen mitunter sogar, also nicht positiv in dem Falle darstellen, das so für zukünftige Arbeitgeber teilweise vielleicht auch negativ ausgelegt wird. Das hat mich jetzt so ein bisschen erstaunt. Deswegen möchte ich noch mal nachfragen, ob ich das richtig verstanden habe. Meine zweite Frage richtet sich an Frau Nößler. Und zwar: Sie sagten, dass ein Modellprojekt in Mecklenburg-Vorpommern „Passiv-Aktiv-Transfer“ eventuell die Vorbehalte im Bundesfinanzministerium auflösen könnte. Daraus schließe ich, dass Sie nicht davon ausgehen, dass die Evaluation des Modelllaufs in Baden-Württemberg dazu geeignet ist. Und ich frage das deshalb so ein bisschen provokativ, weil uns der Landkreistag in seiner Stellungnahme geschrieben hat, dass man dieses, dass dieses Modellprojekt in Baden-Württemberg lediglich eine Simulation ist und noch nicht real, weil es real ohne halt bestimmte Fördermaßnahmen noch gar nicht, es das noch gar nicht gibt. Also warum versprechen Sie sich von einem Modellprojekt in Mecklenburg-Vorpommern mehr, _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/78 als das eventuell ein Modellprojekt in Baden-Württemberg leisten kann? Vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund, dass ich die langen Anlaufschwierigkeiten in Baden-Württemberg sehr wohl kenne, was das für eine Kraft gekostet hat, überhaupt Arbeitgeber zu finden, die da mitgemacht haben. Das stelle ich mir in MecklenburgVorpommern nicht einfacher vor, weil unsere Arbeitslosigkeit hier noch wesentlich höher ist als in Baden-Württemberg, wo man ja eigentlich praktisch von Arbeitslosigkeit kaum reden kann. Dazu noch? Eine ergänzende Frage von Herrn Renz. Abg. Torsten Renz: Ich würde gerne an diesen Komplex anschließen, ob es da nicht zumindest sinnvoller wäre, die Ergebnisse aus Baden-Württemberg erst einmal abzuwarten. Vors. Martina Tegtmeier: Dann würde ich erst Herrn Sauer um die Antwort bitten. Dr. Martin Sauer: Ja, vielen Dank. Also ich kann nicht bestätigen, dass im Nachgang öffentlich geförderter Beschäftigung im Lebenslauf dem irgendein Stigma anhaftet. Gleichwohl könnte ich mir vorstellen, dass das als Signal möglicherweise vereinzelt falsch aufgefasst werden könnte - sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf potenzieller Arbeitnehmerseite – insofern, als das möglicherweise suggerieren könnte, dass ein potenzieller Arbeitnehmer es gewohnt ist, über seiner Produktivität entlohnt zu werden, wohingegen das auf der anderen Seite, genau dem nicht so ist. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, gut, dann bitte ich jetzt Frau Nößler. Ines Nößler: Ich versuche es mal. Das erste ist natürlich, Baden-Württemberg setzt nicht den Passiv-Aktiv-Transfer um, sondern es ist ein simulierter PAT, parallel … Es ist natürlich kein Passiv-Aktiv-Transfer, es ist Förderung von Arbeitsverhältnissen, wo das Land Baden-Württemberg viel Geld in die Hand genommen hat. Und dieses viele Geld in Bezug auf den Passiv-Aktiv-Transfer – ich habe ja einen politischen Wandel auch bei den Bundesparteien, also alle haben, ich kann es im Koalitionsvertrag nachlesen: Wir wollen etwas zur Überwindung von Langzeitarbeitslosigkeit machen. Und auch von der CDU/CSU gibt es jetzt einen Vorschlag, der ein bisschen abgewandelt ist, und sich an Integrationsbetrieben, dort Langzeitarbeitslose zu _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/79 beschäftigen, gibt es einen neuen Erkenntnisprozess. Das ist das erste Problem, Baden-Württemberg ist kein Passiv-Aktiv-Transfer. Da komme ich zu Ihrer Frage: Lohnt es sich, auf die Endevaluation zu warten, um dann noch mal auf der Grundlage der Evaluation tätig zu werden? Ich bin mir nicht ganz sicher, wie die volkswirtschaftliche Betrachtung, weil der Passiv-Aktiv-Transfer ist ja keine individuelle Betrachtung, sondern eine gesamtvolkswirtschaftliche Betrachtung, wie wir rechnen mit den Rückflüssen in Sozialkassen, Steuer usw., ob das das ISG und das IAB dort betrachten werden können, weil bei der 16 e eben eine Förderkomponente in Höhe von 75 % vom Lohn ist. In der Zwischenevaluation war zu der volkswirtschaftlichen Betrachtung relativ wenig bis nichts zu finden. Warum bin ich sozusagen, oder werbe dafür, eine modellhafte Erprobung im Land Mecklenburg-Vorpommern zu machen, wohlwissend welcher Arbeitsmarkt hier ist. Sie haben es ja gesagt, Frau Tegtmeier, die Arbeitsgeber stehen nicht mit offenen Händen da, das ist mir schon klar. Aber ich denke, wir haben auf Bundesebene veränderte Gesamtgemengelagen über alle Pateigrenzen hinweg. Und im BMF ist nicht nur der Vorbehalt „ich habe eine Kostenexplosion, wenn ich den Passiv-AktivTransfer gesetzlich verankern würde“, sondern es gibt noch einen anderen Vorbehalt, der dann immer in den kleinen netten, feinen Runden gesagt wird, nicht so offensichtlich aus dem Finanzministerium kommt: Man traut den Kommunen nicht über den Weg – ich sage das jetzt mal so verkürzt – weil ich brauche diesen kommunalen Anteil, „Kosten der Unterkunft“, damit diese Modellrechnung, die wir zugrunde legen, dass der Passiv-Aktiv-Transfer wirkt und eben auch ausreicht, um sich am Mindestlohn zu orientieren. Und ich denke, das kann man im Land einfacher regeln: Ich habe die Kommunen vor Ort und kann mit den Kommunen sozusagen gehen. Und ich könnte mir vorstellen, wenn ich mich so an verschiedene Gespräche mit der Abteilung im Bundesarbeitsministerium und im Bundesfinanzministerium erinnere: Wenn ein gezielter Antrag käme, dass man dort, wo man nachweisen könnte, dass die „Kosten der Unterkunft“-Anteile, die den kommunalen Anteil ausmachen, das die mitgehen, dass es dort eine Offenheit gibt, modellhaft rein zu gehen. Das wird alles nicht der große Wurf sein, weil ich natürlich, auch Arbeitgeber sagen - und deshalb sagen wir auch „offen für alle Arbeitgeber“, aus dieser Beschränkungstrias heraus. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, vielen Dank. Herr Förster. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/80 Abg. Henning Foerster: Ja, meine Damen und Herren, zunächst von meiner Seite auch vielen Dank für Ihre Ausführungen und es gab ja verschiedentliche Kritik an der engen Terminkette. Das war uns bewusst, dass das sozusagen Sie vor gewisse Herausforderungen gestellt hat. Aber noch mal, für die Einbringung des Haushaltes ins Parlament oder wann das geschieht, dafür ist die Landesregierung zuständig und die hat entschieden, das im September zu machen und hat eben auch das Ziel ausgegeben, den Haushalt im Dezember abzuschließen. Deswegen ist der Zeitrahmen leider so wie er ist und deswegen nochmals herzlichen Dank, dass Sie sich zu dem wichtigen Thema hier äußern heute auch. Ich habe eine ganze Reihe von Fragen und möchte mal meinen Fragenkatalog beginnen, gerichtet an Herrn Dr. Sauer von der VUMV. Wenn ich Ihr schriftliches Statement und das was Sie hier mündlich ausgeführt haben, noch mal rekapituliere, dann kann man das ja zusammenfassen, dass Sie als Vertreter der Unternehmen im Land öffentlich geförderte Beschäftigung generell sehr kritisch sehen, um nicht zu sagen: weitestgehend ablehnen. Nun gibt es ja auf der Bundesebene zumindest auch aus dem September den vom Kollegen Schlüter angesprochenen Aktionsplan von BDA und DGB zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit bei Älteren, in SGB II Bezug insbesondere mit Blick auf diejenigen, die Kinder von 6 Jahren und älter haben und als ein Element in diesem Gesamtpaket wird ja öffentlich geförderte Beschäftigung auch ausdrücklich vonseiten der Arbeitgeber mitgetragen, nämlich dann, wenn es innerhalb eines Jahres nicht gelingen sollte, über den Abbau von Vermittlungshemmnissen mit dem ganzen Paket was dahinter steckt, zu einer Integration am ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Da wäre die Frage: Stehen Sie zu diesem Papier auch als VUMV hier im Land, weil das was Sie hier insgesamt zum Themenkreis öffentlich geförderte Beschäftigung ausgeführt haben, wie gesagt ja eher kritisch gewesen ist. Zweite Frage an Sie: Wenn Sie diese Integration am ersten Arbeitsmarkt präferieren und sozusagen diese Weichenstellung seit 2005 in diese Richtung auch ausdrücklich begrüßen, wie soll denn aus Ihrer Sicht angesichts des skizzierten Missverhältnisses von zuletzt 1:8, was das Verhältnis gemeldeter offener Stellen zur Arbeitslosen über beide Rechtskreise im Land angeht, eine Integration von Arbeitslosen und tatsächlich gelingen, wenn wir nicht auch ein Element öffentlich geförderter Beschäftigung haben? Dann zu der Frage der Zusätzlichkeit, der Wettbewerbsneutralität und öffentliches Interesse. Sie haben sich ja ausdrücklich dafür ausgesprochen in Ihrer schriftlichen Stellungnahme, dass es bei diesen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/81 Kriterien bleiben soll. Meiner Erfahrung aus Gesprächen mit Trägern der Arbeitsmarktpolitik im Land ist, dass es genau diese Kriterien sind, die einen sinnvollen Einsatz von Arbeitslosen deutlich erschweren, trotz Positivlisten, die ja richtigerweise von der IHK angesprochen worden sind. Und wenn Sie sagen, öffentliche geförderte Beschäftigung muss aus Ihrer Sich zeitlich begrenzt und möglichst kurz gestaltet werden, dann wäre meine Frage: Was heißt denn das übersetzt in Zahlen? Was ist für Sie eine möglichst kurze Gestaltung? An Sie als Letztes die Frage: Es gab in dem Papier der Diakonie, glaube ich, den Vorschlag, auch mal zu überlegen, ob man die Ausreichung von Fördermitteln nicht künftig auch an ein Kriterium „Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen“ knüpfen sollte, um damit sozusagen auch einen Langzeitarbeitslosen Anreiz in tatsächlich eine Richtung der Unternehmen Chance zu geben. Da zu setzen, würde mich interessieren, wie Ihre Sichtweise auf dieses Thema ist. Dann an die Kollegin Nößler vom EFAS: Sie haben ja gesagt, Sie haben im Grunde klar Pro öffentlich geförderte Beschäftigung Positionen bezogen und dabei eine längerfristige Förderung von Arbeitslosen angeregt, speziell von Langzeitarbeitslosen. Da jetzt die ähnliche Frage: Können Sie das nochmal konkretisieren mit Blick auf Zeiträume, was heißt in ihren Augen mittel- und längerfristig? Und interessant fand ich auch den mehrfach anklingenden Aspekt, dass öffentlich geförderte Beschäftigung grundsätzlich offen für alle Arbeitgeber sein sollte. Da würde mich interessieren, wie ich mir das praktisch vorstellen muss, denn bisher waren ja die Beschäftigungsprogramme, die wir kennen, doch eher auf bestimmte Träger, Vereine und Verbände ausgerichtet. Und was entgegnen Sie jetzt konkret den Unternehmern, die sagen, also die Kriterien Zusätzlichkeit, Wettbewerbsneutralität und öffentliches Interesse, die müssen unbedingt bestehen bleiben und wo offensichtlich durchklingt, dass die marktnahen Tätigkeiten so gar nicht gewünscht sind, wie das EFAS bspw. formuliert. An den DGB also an Kollegen Schlüter hätte ich nochmal die Frage - wir duzen uns und bleiben auch heute dabei - also was war aus Deiner Sicht nochmal das Haupthemmnis dafür, dass es eben keine Verankerung der Thematik wenigstens und damit eine weitergehende Diskussion zu Möglichkeiten der Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit auf Landesebene insbesondere gegeben hat. Also ist es hier auch Deiner Meinung nach zu wenig, Mahnappelle in Richtung der Bundesebene zu richten und nicht auch mal zu versuchen, hier als Land an der Stelle ein Stück weit mit gutem Beispiel voran zu gehen? Als letzte Frage von meiner Seite in Richtung _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/82 Diakonie: Wie beurteilen Sie denn die Aussage, dass in Baden-Württemberg nur diese Simulation des PAT stattfindet und ein weiteres Modellprojekt tatsächlich nur Sinn machen würde, wenn man dazu käme, im Echtbetrieb den Nachweis zu führen? Soweit von meiner Seite. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, das reicht jetzt, glaube ich, auch erstmal kurz. Bevor Frau Gajek gleich das Wort übernimmt, arbeiten wir das erstmal ab. Erst hat Dr. Sauer das Wort, bitte. Dr. Martin Sauer: Vielen Dank. Also sehr geehrter Herr Foerster, vielleicht vorne weg: Ich habe ja nicht gesagt, dass öffentlich geförderte Beschäftigung des Teufels ist, sondern nur, dass sie immer nur ein letztes Mittel sein kann, eine Ultima Ratio und in dem Sinne halt eine Second-Best-Lösung. In dem Zusammenhang stehen wir natürlich als VUMV zu dem, was DGB und BDA eben in ihrem Papier gemeinsam gesagt haben. Dazu muss man natürlich auch sagen, dass was in Berlin veröffentlicht wird, insbesondere von der BDA, ja immer Konsenspapiere sind, die nicht unbedingt die Realität und die uneingeschränkte Meinung in jedem Bundesland wiedergeben. Also das vorne weg. Aber dazu stehen wir und ich finde auch, meine Aussagen beißen sich nicht mit dem, was da drin steht. Weil auch da steht ja drin, dass öffentlich geförderte Beschäftigung nach Ausschöpfen anderer Maßnahmen zum Einsatz kommen kann und dem habe ich auch nicht widersprochen. Das ist auch im Sinne der Realität oder der Praktikabilität durchaus geboten. Was Ihre Frage zur Dauer von öffentlich geförderter Beschäftigung angeht, kann ich eigentlich nur sagen: So kurz wie möglich. Das sollte im Idealfall natürlich eine Einzelfallentscheidung sein, da man es aber natürlich schwerlich wird gewährleisten können, kann ich dazu keine konkrete Aussage treffen. Beantwortet das in etwa Ihre Fragen? Vors. Martina Tegtmeier: Nicht ganz. Hier war noch die Frage nach dem Verhältnis offene Stellen und Arbeitslose und Fördermittel als Anreiz für Arbeitgeber, Langzeitarbeitsloser einzustellen. Dr. Martin Sauer: Das haben wir auf jeden Fall. Das gibt es auch dieses ESFBundesprogramm, was jetzt seit einigen Monaten läuft und wir haben gemeinsame _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/83 Veranstaltungen mit der Regionaldirektion sowie der Arbeitsagentur hier in Schwerin dazu gemacht, wo wir Arbeitgeber darüber informiert haben und an sie appelliert haben, die Möglichkeiten dieses geförderten ESF Programm zu nutzen, haben auch nochmal eindringlich darauf hingewiesen, dass die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen ein sehr großes Anliegen ist, das wir unterstützen, auch nochmals und deutlich wiederholt darauf aufmerksam gemacht haben, dass bspw. es Ausnahmen im Zusammenhang mit dem Mindestlohn gibt im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen. Also das sehen wir durchaus positiv. Dann was das Verhältnis zwischen offenen Stellen und – Was war das, Langzeitarbeitslosen angeht? Generell Arbeitslosen. Nun gut, der Arbeitsmarkt ist ein Markt und da gibt es Fluktuation und Matchingprozesse und im Idealfall werden die durch die gewöhnlichen Mechanismen des Marktes beflügelt und am Laufen gehalten und wenn das nicht funktioniert, was ja häufig offensichtlich der Fall ist, das kann verschiedene Gründe haben, Mobilität, andere Vermittlungshemmnisse, dann sollte man natürlich unterstützend eingreifen. Aber momentan ist es halt nun mal so, dass es da zum Teil und regional vor allem halt auch in Mecklenburg-Vorpommern ein großes Missmatch gibt. Das ist so. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, Herr Foerster, waren das jetzt alle Fragen? Ja, okay, gut. Dann hat Frau Nüßler jetzt das Wort zu den Stichpunkten „Was verstehen wir unter mittel- und langfristig?“ und „öffentlicher Beschäftigungssektor für alle“. Ines Nößler (EFAS): Mittel- bis langfristig muss ich auch mal ein bisschen ausweichend beantworten: Wenn ich von Langzeitarbeitslosen rede, rede ich von ganz vielen unterschiedlichen Menschen. Ich habe keine homogene Gruppe. Aber es gibt Untersuchungen, die insoweit belegen, dass die Dauer der Langzeitarbeitslosigkeit soweit vom Arbeitsmarkt entfernt, dass ich eine Förderung brauche, die etwa der gleichen Dauer entspricht. Deshalb sind wir da in diesem Begriffspaar mittel- bis langfristig. Um das auch nochmal klarzustellen: Es geht uns bei öffentlich geförderter Beschäftigung nicht um den Closed-Dauerjob. Dann bin bei dem zweiten Stichwort, warum offen für alle Arbeitgeber. Da möchte ich nochmal zurückführen auf den Bericht vom Bundesrechnungshof. Es fing ja mit dem Vermittlungsskandal Jagoda 2000 an, dann hat der Bundesrechnungshof sich immer mal ÖGB angeguckt und kritisiert wurde immer dieser abgeschottete, in sich runde _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/84 gemeinnützig-kommunale Markt. Da sagen wir: Nein, das wollen wir nicht wieder haben. Es ist ein Markt – jetzt nehme ich mal das Wort vom Herrn Sauer - da bewegen sich die kommunalen Träger wie die Gewinnorientierten, wie die Gemeinnützigen dort und dann soll das offen für alle sein. Das kann man gestalten, dann bin ich bei dem regionalen Konsens, es ist ja mehrfach angesprochen und dann kann ich gucken, wie setze ich das in dem regionalen Markt um. Und dann wäre ich auch bei der Antwort an Arbeitgeber/ Arbeitgeberverbände: Warum marktnahe Tätigkeiten? Öffentlich geförderte Beschäftigung gerät in besonderer Weise nochmal erneut in Kritik, wenn sie in diese sinnentleerte Ecke gestellt wird, die ich heute bei Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwand habe. Ich kann keine marktnahen Tätigkeiten mehr umsetzen. Dann kann ich sagen, ich will marktnahe Tätigkeiten und dann kann ich eben Arbeitgebern sagen, die uns ja seit Jahren erklären „ÖGB ist eben nicht zielführend“: Dann nimm doch diese Förderung in Anspruch und stelle Langzeitarbeitslose ein. Also das wäre meine Antwort: Warum machst du es dann nicht? Und dann würde man sehen, wie sie es alle machen. Deshalb dieses Begriffspaar und ich hoffe damit Ihre Frage beantwortet zu haben. Ingo Schlüter: Ja, Henning, also Fachkräftebündnis vorweg … Vors. Martina Tegtmeier: Das Wort erteile immer noch ich, Herr Schlüter. Trotz aller Kritik, aber das müssen Sie sich jetzt gefallen lassen. Herr Schlüter, Sie sind dran. Ingo Schlüter: Ja, ich meine: Nach der Kritik muss ich mir das erst Recht gefallen lassen, klar. Also Fachkräftebündnis, erstmal grundsätzlich. Die Verordnung der Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit - wie die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit überhaupt - im Fachkräftebündnis halte ich nach wie vor für richtig. Das ist eine Forderung, die wir aufrechterhalten, die das Erwerbslosenparlament aufrechterhält. Vermutlich unter anderem auch deshalb, weil wir einfach sehen, dass wir uns überhaupt keine Schwachheiten bei der Erschließung von Reserven, von Fachkräften auf irgendeiner Strecke erlauben dürfen. Ich erinnere nur an diese Zahl: 265.000 weniger Erwerbspersonen bis 2030 für ganz Mecklenburg-Vorpommern. Das ist ja die Größenordnung eines Viertels der Erwerbspersonen, die wir heute an Bord haben. Also da bleibt kein Stein auf dem anderen. Das wird für die Tarifentwicklung herausragende Bedeutung bekommen usw. Also wir können uns da _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/85 keine Schwachheiten erlauben und das Fachkräftebündnis - das muss man einfach immer wieder betonen - ist ja das landespolitisches Format, wo die Landesregierung die Sozialpartner, die Arbeitsverwaltung, die Kammern, die kommunalen Spitzen ich hoffe ich habe niemanden vergessen - regelmäßig wichtige Fachkräftespezifische Fragestellungen nicht nur irgendwie diskutieren, sondern nach einem sehr geordneten Prozess autorisieren, die Finanzierung gemeinsam auf den Weg bringen, die Umsetzung dann auch in Teilen gemeinsam verantworten, die Evaluation vornehmem usw. Das muss man verstehen. Also von der Wiege bis zur Bahre, von der frühkindlichen Erziehung bis zur Gesunderhaltung älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, ist das ein kohärentes Gesamtkonstrukt und es wäre geradezu unsinnig, an der Stelle jetzt eine solche arbeitsmarktpolitisch schwerwiegende Frage wie Langzeitarbeitslosigkeit auszublenden. Das erstmal so zu meinem Verständnis, wie ich daran gehe. Zweite Vorbemerkung, bevor ich zu der eigentlichen Antwort komme. Es ist genauso, wie Sie gesagt haben. Die Langzeitarbeitslosen sind eben kein homogener Block, sondern ähnlich wie bei dem Thema Übergang Schule/Beruf“ hat man es mit einer großen Vielzahl von Lebenslagen der Betroffenen, aber auch einer großen Vielzahl von Erwartungen und Bedürfnissen auf der Arbeitgeberseite zu tun und deshalb ist auch hier das Fachkräftebündnis die richtige Veranstaltung, diese Dinge intensiv miteinander zu bereden. Das Beispiel Übergang Schule/ Beruf zeigt - es ist ein sehr gelungenes Landeskonzept -, dass man, wenn man sich gegenseitig einer qualifizierten Diskussion aussetzt, dann kommt man eben dann auch zu einem spezifischen und der Realität auch standhaltenden Ergebnis. Warum sind wir in diesem Jahr so weit gekommen, wie wir gekommen sind, in der Hauptrunde Bündnis für Arbeit? Da muss man einfach sagen, dass zwar die gemeinsame Position war, an der Stelle auf der Bundesebene, da Druck zu machen, jeder der Beteiligten auf seiner Schiene und wir dann eben gemeinsam. Aber die entscheidende Antwort lautet: Im Landeshaushalt jetzt zusätzliche Akzente - über die ESF finanzierten Projekte, die hier angesprochen worden sind - zu machen, dafür gab es bisher keine gemeinsame Auffassung. Ich werde aber an einer Stelle - bevor jetzt vielleicht die Stimmung bei der Opposition zu hoch geht - eins dann deutlich sagen: Ich glaube nicht, dass, wenn man jetzt noch weitere Akzente im Landeshaushalt unterbringt, was ich für richtig halte, und wenn man die ESF-Mittel dazu packt, dass das unterm Strich letztendlich eine Größenordnung sein wird, die wir aus Landesmitteln – Land/ESF - aufbringen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/86 können, die der eigentlichen Herausforderung für einen echten, gelingenden öffentlich geförderten Beschäftigungssektor für öffentlich geförderte Beschäftigung, das man dem dann gerecht wird. Ich sage es Ihnen, es bleibt bei der Auseinandersetzung auf der Bundesebene. Diese Friktion zwischen SGB II und SGB III, die aus meiner Sicht dequalifizierenden Elemente des Hartz-Systems usw., das werden wir hier auch mit einem verbesserten Einsatz von Landesmitteln nicht hinkriegen. Man muss beides tun: Auf der Landesebene einzelne Projekte anschieben und auf der Bundesebene den Druck machen. Und ich will es gern nochmal wiederholen, die Unterausstattung z.B. der Jobcenter, die von mehreren hier bereits benannt wurde, die bestand ja schon vor der Flüchtlingsherausforderung. Das wird in Zukunft noch deutlich zunehmen, insofern plädiere ich nochmal ausdrücklich, gemeinsam darüber nachzudenken, die geförderte Beschäftigung auch gerade vor diesem Hintergrund nochmal neu zu diskutieren. Vors. Martina Tegtmeier: Dazu eine Nachfrage von Herrn Foerster. Abg. Henning Foerster: Also in dem Zusammenhang ist ja nochmal angeklungen die Frage der ESF-Finanzierung. Ich will auch nochmal ausdrücklich sagen, auch bei uns hat niemand etwas gegen den Familiencoach oder bezweifelt die Sinnhaftigkeit dieses Instrumentes, weil das ja immer sozusagen ein Stück herausgehoben wird, auch mit Blick auf die Aufstockung der Mittel, die da im ESF stattgefunden hat. Meine Frage nochmal: Ich verstehe Arbeitsmarktpolitik immer so als ein Stück als Integrationsleiter, das ist jetzt auch verschiedentlich angeklungen. Und wenn ich mir angucke, wir nehmen viel Geld in die Hand als Land, um bspw. den Familiencoach zu finanzieren. Der soll dann beratend tätig werden im familiären Umfeld, soll dabei Vermittlungshemmnisse abzubauen usw. und irgendwann kommt der Punkt, wo entweder eine Arbeitsmarktintegration erfolgt - Ziel erster Arbeitsmarkt, so die ausdrückliche Aussage - oder eben nicht. Und wenn ich mir das angucke bei Trägern, die dieses Projekt verantworten, und dann zur Kenntnis nehme, dass sie in besonders erfolgreichem Fall ja vielleicht eine Integrationsquote von 40% haben, im Durchschnitt irgendwo zwischen 20 und 28% liegen, dann heißt das im Umkehrschluss, dass 60% bzw. auch mehr Prozent der Leute, die über den Familiencoach betreut worden sind, am Ende nicht am ersten Arbeitsmarkt einmünden. Das bedeutet, die fallen dann sozusagen hinten runter. Da besteht dann _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/87 die Gefahr, dass Vertrauensverlust, Demotivation zu verzeichnen sind und das die wichtige Arbeit, die auch die Träger da machen im Zusammenhang mit dem Familiencoach, ein Stück weit entwertet wird. Und deswegen möchte ich deutlich machen: Wir stellen nicht infrage, das Dinge, die im ESF auch jetzt über den Haushalt abgebildet sind, ihre Berechtigung haben. Aber im Sinne dieser Förderkette oder Integrationsleiter oder wie immer wir das nennen wollen, braucht es aus unserer Sicht dann ein Modul - das dann öffentlich geförderte Beschäftigung, ggf. unterstützt über einen Landeszuschuss, wie auch immer -heißen kann, um eben diesen Abbruch dann an der Stelle nicht zu haben und da wäre die Frage: Ist das auch Auffassung des DGB, als wichtigem Player an der Stelle? Vors. Martina Tegtmeier: Herr Schlüter. Ingo Schlüter: Ja, also bei der Ableitung am Ende sind wir nicht auseinander, ich finde nur die Hinleitung, finde ich ein bisschen schwierig, weil Du jetzt auch wieder so dieses Mantra der Integration in den ersten Arbeitsmarkt hier gerade ein Stück weit besingst. Und da kann ich nur sagen: Die Familiencoaches, die werden sicherlich an diesen Übergangsquoten in den ersten Arbeitsmarktes gemessen. Aber das, was an eigentlicher Betreuung, auch möglicherweise an Ermutigung und Unterstützung bei sozialer Teilhabe auch da mitspielt. Das sollten wir dabei nicht vergessen, das ist mir ganz wichtig. Ich bin wohl noch einen Punkt der Antwort schuldig geblieben, was jetzt so die Landesmittel betrifft. Ich finde, wir sollten nicht Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge gegeneinander ausspielen und die ganze Veranstaltung „Betreuung von Langzeitarbeitslosen, stiefmütterlich schlecht ausgestatte Jobcenter usw.“, alles nochmal wiederholt. Wenn wir jetzt über den Einsatz von Landesmitteln oder möglicherweise, was ich überhaupt nicht ausschließe, über das Neujustieren von ESF-Mitteln hier an dieser Stelle nachdenken mit Blick auf die Flüchtlinge, dann würde ich trotzdem sagen, dann sollten wir bei aller Wertschätzung und großem Interesse, das wir am Gelingen öffentlich geförderter Beschäftigung als DGB haben, eins nicht vergessen: Wir müssen die Integration beginnend mit Sprache, beginnend mit Schule, beginnend mit Berufsorientierung, beginnend mit Eingliederung in Erstausbildung und dann natürlich Eingliederung in Arbeit. All diese Dinge müssen wir als Gesamtkonzert betrachten und dann muss man auch Mini-Max Aufgaben gedanklich zulassen, wo man sich überlegt, wieviel investiere ich jetzt in Sprache, _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/88 wieviel investiere ich in Berufsorientierung, wieviel investiere ich möglicherweise in ein Berufsbildungslandesprogramm, sind wir austrainiert, haben wir noch einige Dinge im Tornister aus den 90er Jahren, könnte man sich einiges vorstellen. Da würde ich auch sagen, da ist die öffentlich geförderte Beschäftigung eine wichtige Fragestellung, aber im Gesamtkonzert der Bewältigung der Herausforderung im Zuge der Integration von Flüchtlingen ist das eine der Fragen und ich will noch eins dazu sagen, unser Problem bezogen auf die 265.000 fehlenden Erwerbspersonen bis 2030, ist ja unsere Erfahrung bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit 2011 - die Polen unter anderem - da gab es ja viel Wehklagen im Vorfeld „dann kommen die Polen und nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze weg“. Ich erinnere einfach an das, was wirklich hier stattgefunden hat: Die polnischen Arbeitnehmer haben sich auf die Autobahn gesetzt, A20 durch bis A1, dann vielleicht noch nach Fuhlsbüttel und ab nach England. Also die Frage jetzt bezogen auf die Flüchtlinge, ob es uns wirklich gelingt, eine echte Willkommenskultur auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt auf das Ausbildungssystem, auf das Schulsystem zu erzeugen, dass wir wenigstens ein paar von den Menschen, die jetzt bei uns aus ihrer Not heraus bei uns landen, dass wir die für Mecklenburg-Vorpommern als zukünftigen Lebensmittelpunkt begeistern können. Dass wir wenigstens ein paar davon auch hier behalten und zwar nicht nur wegen Fachkräfteerwägungen heraus, sondern aus auch ganz anderen Motiven - ich glaube, da bin ich unverdächtig – aber auch aus Fachkräftebedarf heraus. Wir sollten alle Anstrengungen unternehmen, dass wir auch Leute hierbehalten können. Damit wir auch an der Stelle für Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls ein bisschen mehr davon haben als von der Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank, Herr Schlüter. Die letzte Frage von Herrn Foerster richtete sich an Frau Weber von der Diakonie. Da ging es um das zweite Modellprojekt. Elena Weber: Also ich möchte mich im Prinzip auch Frau Nößler anschließen, die ja sehr befürwortet hat und auch die Sinnhaftigkeit eines Modellprojektes in Mecklenburg-Vorpommern hervorgehoben hat. Ich glaube, man muss auch inhaltlich zunächst einmal aufbauen auf dem, was bisher aus Baden-Württemberg gekommen ist. Es gibt ja einen vorläufigen Bericht, der schon deutlich zeigt, dass auf die Person bezogen im Abschlussbericht gezeigt wird, dass diese Menschen dort, die _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/89 geförderten Arbeitnehmer dort es als besonders wichtig beschreiben, nicht mehr auf Grundsicherungsleistungen angewiesen zu sein, sich tatsächlich zugehörig zu fühlen, gesellschaftliche Kontakte erhalten zu haben und tatsächlich sich der Gesundheitszustand verbessert hat. Also das jetzt tatsächlich bezogen auf die geförderten Personen. Auf diese Erkenntnisse kann man aufbauen, ich glaube da sind auch, es sind zentrale Punkte für so einen Fokus im eigenen Land. Ansonsten würde man tatsächlich ein wichtiges Signal senden, wenn es gelingen würde, diesen Vorbehalt auf Bundesebene abzubauen in Bezug auf die Kommunen. Es sind, wie Ines Nößler im Prinzip schon gesagt hat, der eine Vorbehalt ist tatsächlich zu sagen, die Kommunen würden sich nicht beteiligen wollen mit ihren eingesparten Kosten der Unterkunft. Wenn es tatsächlich gelingen würde, im Vorfeld Kommunen zu gewinnen, die sich mit ihren eingesparten KDU, die diese Mittel einfließen lassen in z.B. begleitende Maßnahmen, wäre das ein sehr, sehr wichtiger Aspekt. Natürlich müsste man auch den gesamtwirtschaftlichen Fokus nochmal hervorheben, also wirklich zu gucken, welche … gesamtwirtschaftlichen Vorteile dieses Programm hat und ich glaube, das ist tatsächlich absolut sinnvoll und hat auch Chancen, auf Bundesebene etwas zu bewirken. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Als Nächste habe ich jetzt Frau Gajek. Abg. Silke Gajek: Danke, passt wunderbar. Vielen Dank an Sie und wir befinden uns ja jetzt in der Anhörung zum Doppelhaushalt und deshalb habe ich die klare Frage zu den Finanzmitteln und zwar richtet sich die Frage an die, die den ÖBS und den Sozialen Arbeitsmarkt favorisieren. Über welche finanzielle Größenordnung reden wir dann konkret in Bezug auf ein substantielles Landesprogramm zum nachhaltigen Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit hier in Mecklenburg-Vorpommern? Vors. Martina Tegtmeier: Wer möchte antworten? Frau Nößler. Ines Nößler: Also, ich probiere es mal. Das sind ja die gefährlichsten Fragen. Ich gehe mal runter auf das Individuum, damit man dann wieder den Rückfluss machen kann. Wenn wir den Passiv-Aktiv-Transfer und die Menschen dort, uns an geltendem Recht, sprich an Mindestlohn, orientieren, dann habe ich im Moment Pflichtleistungen in Höhe von roundabout 900 €, also Kosten der Unterkunft, ich kann _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/90 das jetzt nicht bis auf jede einzelne Kommune runterrechnen, aber als Bundeswert und ich brauche bei einer 39 Stunden-Woche, so haben wir es berechnet - weil es gibt ja 35 und es gibt auch 42 Stundenwochen - und ich brauche bei 8,50€ und einer 39 Stundenwoche 1600 €. Das heißt, mir fehlen eben 800 €. Diese 800 €, und das wird jetzt die spannende Frage sein, nehme ich die aus Mitteln für Eingliederungen in Arbeit? Das wäre in 16 möglich. Das ist die erste Frage. Die zweite Frage ist, lasse ich marktnahe Tätigkeiten zu und darf ich Einnahmen erwirtschaften? Dann reduziert sich das auch schlagartig. So lange diese Fragen nicht beantwortet sind, kann ich Ihnen gar nicht sagen, weil Sie müssten theoretisch sagen: Ich nehme die Zielgruppe der so und so lange Arbeitslosen mit so und so viel Vermittlungshemmnissen, das weist Ihnen ja die BA aus, die Bundesagentur für Arbeit, die ja auch mittlerweile für den Passiv-Aktiv-Transfer wirbt, wirbt bundesweit für 200.000 Menschen. Und dann könnten Sie jetzt volkswirtschaftlich rechnen, wenn ich bei der Beschränkungs-Trias bleibe, wenn ich halt keine Mittel aus dem EGT nehme, dann nehmen Sie 800€ pro Person mal 200.000 und dann gehen Sie über Königsteiner Schlüssel - jetzt theoretisch - nach Mecklenburg-Vorpommern, und da bin nüchtern genug, also das lässt kein Landeshaushalt zu. Niemals. Ist auch nicht zu verkaufen, weil Sie es irgendwo anders klauen müssen. Das ist auch eins, warum wir sehr für marktnahe Tätigkeiten werben. Nicht nur im Bezug auf die Menschen und dieser ja immer wieder angedachten Integration, sondern auch um mit den 800 € ins Benehmen zu kommen, weil ich kann unter Umständen in viel mehr Bereichen als heute Einnahmen erwirtschaften. Vors. Martina Tegtmeier: Danke Frau Nößler. Herr Böhm. Jörg Böhm: Frau Nößler hat es schon gesagt, dass es natürlich sehr vom Konstrukt eines solchen Projektes abhängt und dann natürlich von der Anzahl derjenigen, die man dort aufnehmen will, von der Teilnehmerzahl. Und ich will nur daran erinnern, dass wir nicht so ganz im luftleere Raum hier in Mecklenburg-Vorpommern leben und - auch nicht hier im Landtag - sondern dass es ja dazu auch einen konkreten Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE hier im Landtag gegeben hat. Ich würde mir einfach wünschen, dass wir - um an mein Eingangsstatement anzuknüpfen - dass wir einfach mal darüber diskutieren und uns austauschen, wie etwas möglich sein könnte, möglicherweise unter _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 Zuhilfenahme der - 75/91 wissenschaftlichen Einrichtungen im Land, dass man das einfach mal thematisiert: Langzeitarbeitslosigkeit, ihre Wirkungen, ihre Folgen und wie man einen Weg daraus finden kann. Dass man das mal diskutiert und nicht pauschal nur vorneherein ablehnt. Ich wünsche mir einen offenen Diskurs … aller Beteiligten. Vors. Martina Tegtmeier: Ja danke, Herr Böhm. Dann ist jetzt Herr Renz dran. Abg. Torsten Renz: Ja ich will nochmal den Hinweis loswerden, dass wir etwas unter Zeitdruck sind, die Kollegen sind auch schon gegangen, weil wir jetzt ab 13 Uhr Bildungsausschuss haben. Also nicht, dass jetzt nachher irgendwie auf Desinteresse hier geschlossen wird, ich habe jetzt den Kollegen auch gebeten, mich da schon mal zu vertreten. Vielleicht zu der letzten Ausführung von Herrn Böhm. Also eigentlich stelle ich ja nur Fragen. Aber wenn sie jetzt hier sagen „es wird da pauschal abgelehnt im Landtag“ - das war hier die Botschaft – „ohne Austausch von Argumenten“, da kann ich nur sagen: Ich für meine Person möchte das klar und deutlich zurückweisen, weil ich mich immer mit den Argumenten entsprechend auseinandergesetzt habe. Ich denke, auch für Frau Tegtmeier sprechen zu dürfen. Ich habe eine Verständnisfrage jetzt nochmal zum Passiv-Aktiv-Transfer. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, man kann das gar nicht so richtig vergleichen, weil es eigentlich gar kein Modellversuch ist. Können Sie das vielleicht mit zwei, drei Sätzen nochmal erklären, ob sich das auf die Zuschüsse bezieht oder wie ist das gemeint? Weil wenn ich mich damit bisher befasst habe und wir in der politischen Diskussion waren, dann haben wir immer vom Modellprojekt gesprochen und jetzt haben Sie mich sozusagen etwas irritiert. Das wäre die erste Frage, die zweite Frage wäre an jemanden, der im Begleitausschuss sitzt, der mitgearbeitet hat, zum Beispiel bei dem Aufstellen der Programme der entsprechenden ESF Mittel jetzt. Da würde mich mal interessieren, wie ist die Abstimmung in dem Begleitausschuss ausgefallen. Ganz konkret gefragt: Ist es einstimmig gewesen? Und dann will ich den Begriff von Herrn Sauer aufgreifen. Wenn es dann möglicherweise so war und wir von Konsenspapier sprechen, vielleicht könnte man dann mal darstellen, welche Projekte, konkrete Projektvorschläge zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit im Raum standen, die dann sozusagen keine Mehrheit gefunden haben? Vielleicht kann man dazu mal ein Paar Ausführungen machen. Danke. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/92 Vors. Martina Tegtmeier: Ja, dann bitte ich zunächst Frau Nößler. Ines Nößler: Ja. Ich versuch´s wirklich in zwei, drei Sätzen. Passiv-Aktiv-Transfer heißt, Sie könnten theoretisch oder eigentlich in der Realität, wenn man da wäre, auf die passiven Mittel zugreifen. Und das macht Baden-Württemberg nicht. BadenWürttemberg nimmt Förderungen von Arbeitsverhältnissen, also 16 e, kriegt vom jeweiligen Jobcenter 75 % Lohnkostenzuschuss, das ist die Basisfinanzierungsgrundlage und das Land selber hat im Rahmen seines Landesarbeitsmarktprogramm round about pro Kopf und Nase, die gefördert wird, 400 € eingestellt, die sozusagen auf diese 75 % drauf gelegt werden, hat die Kommunen gebeten - das hat die Frau Tegtmeier kurz anklingen lassen, wie schwierig dieses Anlaufsgeschäft ja auch in Baden-Württemberg war -, die eingesparten Kosten der Unterkunft einzubringen. Und wenn die Kommune unter Haushaltsvorbehalt war oder noch keinen verabschiedeten Haushalt hatte oder und so weiter und so fort, ist das Land Baden Württemberg mit eigenen Landesmitteln da auch noch mal rein gegangen. Das heißt die Finanzierungsgrundlage, Passiv–AktivTransfer, Sie nehmen die Regelleistung und Kosten der Unterkunft, und wandeln sie in eine aktive Förderung um, die ist eben genau in Baden-Württemberg nicht passiert. Deshalb spricht ja auch die Sozialministerin von dem simulierten PAT. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, danke. Herr Schlüter. Ingo Schlüter: Ja, Herr Renz, bevor ich Ihre Frage beantworte, möchte ich nochmal die Frage von Frau Gajek nochmal beantworten: „Wieviel darf es denn sein?“ Und da würde ich mich auch meiner Vorrednerin anschließen. Man kann das so in der Weise natürlich nicht quantifizieren. Herr Sauer hat ja in seinem Beitrag vorhin ja einmal gesagt, man könnte ja nicht zulassen, dass es Gewöhnungseffekte gibt, wenn Leute dann oberhalb ihrer Produktivität auf Dauer bezahlt werden. Das wäre ja auch nicht schön für ihre weitere Integration. Also ich stelle mal fest, für Arbeitnehmer ist es wahrscheinlich unangenehmer, wenn sie unterhalb oder weit unterhalb ihrer Produktivität entlohnt werden. Warum sage ich das? Weil ich einfach sagen will: Natürlich könnte man sich vorstellen, auf Landesebene ein Lohnkostenzuschussprogramm mal anzudenken, um genau diese durchaus vorstellbaren Produktivitätsschwächen eines Langzeitarbeitslosen für eine Zeit _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/93 abzupuffern und dann sozusagen dessen Produktivität nach oben zu ziehen. Aber das ist auch wiederum ein Beispiel dafür, dass man jetzt, dass wir Ihnen einfach nicht aushelfen können mit einer Forderung für die finale Haushaltsdebatte. Also das ist dann schon Sache dann der Fraktion und nicht der Anzuhörenden hier. Jetzt zu der anderen Frage von Herrn Renz: Ja, die Beschlussfassung zum ESF-OP - wie auch zu den beiden anderen OP - war einstimmig. Dem ging ein wirklich intensiver, ich würde sagen mindestens zweijähriger Konsultationsprozess voraus. Und warum sind wir jetzt bei den Instrumenten im ESF geblieben, die heute schon benannt worden sind? Also nochmal: Familiencoach, Integrationsprojekte, Kleinprojekte – Warum sind wir da verblieben? A) Nochmal: Es gab einen Rückgang gegenüber der alten Förderperiode um 25 % im ESF. Der führte natürlich zu allen möglichen Zwängen, können Sie sich vorstellen. Das Zweite, das ist die inhaltliche Antwort. Wir haben auch deshalb jetzt keine weiteren Modelle dann mit aufgenommen, weil wir nicht der Meinung waren, schon lange nicht der Meinung waren und dabei im Wesentlichen auch bleiben, insbesondere die beiden Sozialpartner: Wir wollen nicht der Arbeitslosenversicherung oder dem SGB-II-System mit den wenigen zur Verfügung stehenden ESF Mitteln hinterher finanzieren. Wir haben da jetzt so ein paar kleine Ausnahmen drin in den Instrumenten, wir haben eine gewisse Interaktion, aber es bleibt dabei: Wir können mit den paar Mitteln, die hier zur Verfügung stehen, dem eigentlichen SGB-II und SGB-III-System nicht hinterher finanzieren. Das macht auch keinen Sinn, weil man in Einzelfällen dann auch in der Förderpraxis erlebt, dass Projekte, die zwar eigentlich aus dem SGB voll finanzierbar gewesen wären, dann aber dann trotzdem noch additiv mit ESF ausgestattet werden und das ist ja auch nicht sinnvoll, wenn man da dann so eine Substituierung von ohnehin zur Verfügung stehenden Mitteln über den ESF organisiert. Also an der Stelle haben wir uns wirklich auf die Projekte die jetzt drin stehen sehr bewusst und einstimmig dann verständigt. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Herr Sauer, Herr Dr. Sauer, Sie waren auch noch mal angesprochen, möchten Sie da jetzt auch noch zu ergänzen oder hat sich das damit erledigt? Dr. Martin Sauer: Ich wüsste nicht, das ich angesprochen war. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/94 Vors. Martina Tegtmeier: Ach so, Sie waren nur zitiert worden, okay. Also, Herr Foerster. Abg. Henning Foerster: Also, ich will da jetzt gar keine Frage mehr anschließen. Nur zu Ihnen, Kollege Renz, was die, und auch zu Frau Gajek: Über welche Größenordnung man am Ende redet, das hängt natürlich an der Platzzahl, die möglicherweise vorgeschlagen wird, und an dem Finanzierungskonstrukt. Es ist ja angeklungen, es gibt ganz unterschiedliche Beispiele. Es gab ein Programm „Arbeit für Brandenburg“, was sich unter Anderem aus dem 16 e als Basisfinanzierung im SGB II, aus einem Durchschnittswert an eingesparten KDU und aus einem Landeszuschuss gespeist hat. Und dann ist es am Ende die Frage, wie man so eine Finanzierung aufzieht und über welche Platzzahl wir reden. Und dann kann man auf der Basis dessen, was ich brauche, um Kriterien wie den Mindestlohn einhalten zu können, kann ich eine Berechnung anstellen. Und da verweise ich dann auch auf das, was Kollege Böhm hier sagte. Da hatten wir schon mal ein Beispiel für eine bestimme Platzzahl mit einem Landtagsantrag - ich glaube 2012, im Dezember - zu diesem Thema. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Frau Weber, hatte ich Sie, hatten Sie sich vorhin auch gemeldet? Also ich hatte, bin darauf aufmerksam gemacht worden, ich hatte Sie vorhin nicht gesehen. Also wenn Sie jetzt noch etwas sagen möchten, bitte. Elena Weber: Ja, gern. Es richtete sich auch an die Frage von Frau Gajek. Ich würde ganz gerne auf zwei Untersuchungen verweisen -einmal vom IAT und von der paritätischen Forschungsstelle -, die tatsächlich sich auch auseinandergesetzt haben mit Einnahmen und Einsparen durch einen Passiv–Aktiv–Transfer. Das sind natürlich Simulationen, aber im Prinzip ist die Aussage: Aus volkswirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Betrachtung ist es sinnvoll, weil Ausgaben bis zu 90% kompensiert werden durch Einnahmen und Einsparungen auf Seiten der Sozialversicherung, im Steuersystem und so weiter. Also das würde ich nochmal gerne ans Herz legen. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, herzlichen Dank. Weitere Fragen sehe ich hier nicht. Dann bedanke ich mich nochmal ganz herzlich bei den Sachverständigen und _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/95 schließe diese Anhörung. Wir haben nachher noch eine weitere Anhörung. Die wird dann wie geplant um halb stattfinden. … Um 14 Uhr, wir haben dann doch noch ein bisschen mehr Zeit. Dann kann ich Ihnen noch sagen: Die Kantine hat noch geöffnet. Also, nutzen Sie die Gelegenheit. Es kann nachher noch ein bisschen dauern. Vielen Dank Ihnen noch einmal und einen guten Heimweg. - Sitzungsunterbrechung von 13:08 bis 14:00 Uhr - _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/96 PUNKT 3 DER TAGESORDNUNG Öffentliche Anhörung zum Thema Erfahrungen mit und Zukunft der Krankenhausfinanzierung in Mecklenburg-Vorpommern unter Berücksichtigung der Haushaltsplanungen der Landesregierung 2016/2017, einschließlich der Mittelfristigen Finanzplanung 2015 bis 2020 Vors. Martina Tegtmeier: Ich rufe auf den Punkt 3 unserer heutigen Tagesordnung und damit unsere dritte öffentliche Anhörung am heutigen Tag, und die letzte des heutigen Tages. Wir führen hier die öffentliche Anhörung zum Thema „Erfahrungen mit und Zukunft der Krankenhausfinanzierung in Mecklenburg-Vorpommern unter Berücksichtigung der Haushaltsplanung der Landesregierung 2016/2017 einschließlich der Mittelfristigen Finanzplanung 2015 bis 2020“ durch. Ich begrüße Sie alle zur Anhörung und natürlich besonders herzlich unsere Gäste, die uns hier heute Rede und Antwort stehen werden, aber auch die Gäste und die Vertreter der Presse, sofern sie anwesend sind. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir im Rahmen dieser öffentlichen Anhörung jedoch auch nur das Wort an die Anzuhörenden und an die Abgeordneten erteilen können. Also die Zuschauer und Zuhörer werden hier nicht weiter beteiligt. Soweit die Stellungnahmen schriftlich eingereicht wurden, liegen diese den Abgeordneten alle vor. Und ich glaube, alle die da sitzen, haben ihre Stellungnahmen schriftlich eingereicht, sodass ich Ihnen folgerichtig mitgeteilt habe, oder es wurde darum gebeten, dass Sie ungefähr in fünf Minuten nochmal die Schwerpunkte zusammen fassen und Ihre Stellungnahmen vorstellen. Und wenn Sie die Redebeiträge heute verschriftet haben, die von den Stellungnahmen abweichen, denn würden Sie uns einen großen Gefallen tun, wenn Sie uns diese auch zur Verfügung stellen könnten. Nicht an der heutigen Sitzung teilnehmen werden der Landkreistag Mecklenburg-Vorpommern, der Städte- und Gemeindetag sowie das Klinikum Karlsburg. Alle drei haben allerdings eine schriftliche Stellungnahme eingereicht. Der Landesjugendhilfeausschuss und das Klinikum Südstadt Rostock haben sich abgemeldet und auf die Abgabe einer Stellungnahme in Gänze verzichtet. Ich werde den Anzuhörenden der Reihe nach die Gelegenheit geben, ihre Positionen vorzutragen und im Anschluss daran werden wir dann in die Fragestunde eintreten. Fragerunde vielmehr, kann auch zwei Stunden dauern. Zunächst gebe ich Frau Dr. Anke-Britt Möhr von der AOK Nordost das Wort. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/97 Dr. Anke Britt-Möhr (AOK Nordost): Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Abgeordnete, ich bedanke mich erstmal im Namen der AOK Nordost, das wir hier die Möglichkeit haben, zu einem so wichtigen und einem so hoch aktuellem Thema Stellung zu beziehen. Sie alle müssten als Abgeordnete von uns auch ein Papier zum Krankenhausstrukturgesetz erhalten haben. Das hatten wir seinerzeit bereits verknüpft mit Aussagen zu einer zukunftsfesten stationären Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem es wurde bereits erwähnt, haben wir eine sehr umfassende Stellungnahme eingereicht, sodass ich hier durchaus die Möglichkeit sehe, mich ganz knapp auf drei wesentliche Punkte zu beschränken. Zum einen möchte ich mich äußern zu der Versorgungsstruktur, dann möchte ich zum Thema der Finanzierung kommen, insbesondere der Investitionsfinanzierung, und als drittes möchte ich ein paar Worte sagen zur Qualität von Versorgung. Lassen Sie mich zunächst zum Thema Struktur kommen. Ich möchte nicht einsteigen mit einer Aussage zu Strukturen, sondern mit einer Aussage zu den Menschen in diesen Strukturen. Wir haben in erster Linie ein Fachkräfteproblem, dass wir im Moment nur schwierig lösen können und daran wird sich auch zukünftig aus unserer Sicht nichts ändern, ganz im Gegenteil. Herr Gagzow sucht in seiner „Med-Ahoi“-Tour 180 neue Medizinerinnen und Mediziner. Das entspricht ungefähr der Ärztezahl von 4 Krankenhäusern, wenn man jetzt mal von Krankenhäusern mit 150 bis 180 Betten ausgeht. Rein rechnerisch, also wirklich rein rechnerisch haben wir schon jetzt im Land vier Krankenhäuser ohne einen einzigen Arzt. So zu tun, als wäre das alles noch irgendwie in Ordnung, verkennt einfach den Ernst der Lage, in der wir uns bereits heute befinden. Falsch wäre es zu glauben, viel Geld hilft viel. Das wird weder das Fachkräfte-Problem lösen und darüber hinaus werden unwirtschaftliche Strukturen zementiert. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern wirklich in Krankenhäusern lassen wollen, bei denen bereits jetzt klar ist, dass keine ausreichende Fachärztliche Versorgung gewährleistet ist. Das Krankenhausstrukturgesetz setzt da ziemlich deutlich Maßstäbe. Es ist mit Sicherheit nicht das Qualitätsgesetz, aber nichts desto trotz: Es stellt die Qualität der zukünftigen Versorgung in den Mittelpunkt. Und Strukturen nur um der Arbeitsplätze willen zu erhalten, wenn sie nachteilig für die Versorgung sind und bestimmte Kriterien nicht erfüllen, sehen wir als äußerst kritisch. Gute Versorgung werden wir mittel- und langfristig nur sicherstellen können durch Konzentration von Leistungen. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/98 Das ist eigentlich schon heute bei vielen Krankheitsbildern elementar. Nehmen wir das Beispiel der Onkologie oder nehmen wir das Beispiel der Kardiologie. Onkologische Operationen werden, lässt man mal die Fachkliniken außen vor, bis auf zwei Häuser in sämtlichen Krankenhäusern in Mecklenburg-Vorpommern derzeit durchgeführt. Hier gibt es mit Sicherheit Möglichkeiten zu mehr Effizienz durch Konzentration. Ähnliches Problem haben wir zum Beispiel in der Kardiologie. Die Kardiologie ist im Krankenhausplan nicht als Subdisziplin ausgewiesen. Folglich kann jede Innere auch kardiologische Leistungen erbringen. Und das hat in den letzten Jahren unter anderen Linksherzkathetermessplätze dazu verdoppelt geführt, hat. Wir dass sich haben die in Zahl der Mecklenburg- Vorpommern deutlich mehr Messplätze als zum Beispiel in Brandenburg, in Sachsen-Anhalt oder auch in Schleswig-Holstein. Zum Thema Finanzierung. Das wäre mein zweites Thema. Krankenhäuser haben aus unserer Sicht kein Finanzierungsproblem, welches aus einer zu geringen Finanzierung durch die Krankenkassen entsteht, auch wenn Herr Gagzow nachher vielleicht da anderer Meinung sein wird. Viele Krankenhäuser haben demografiebedingt Fallzeitprobleme. Die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern werden älter, aber sie werden auch weniger. Und bereits jetzt haben wir Kannibalisierungstendenzen unter den Krankenhäusern um Fallzahlen. Wo wir definitiv ein finanzielles Problem haben, ist die Situation bei den Investitionsmitteln. Mecklenburg-Vorpommern hatte im Jahr 1995 einmal 149 Mio. € zur Verfügung gestellt, 2013 waren es noch 60 Millionen, 2017 stehen 51 Millionen im Plan. Geht man von einer von Experten belegten Reinvestitionsquote zwischen 8,6 oder 10 Prozent aus, dann bräuchten wir Investitionsmittel in Höhe von 155 Millionen Jetzt wird sich manch einer die Frage stellen: „Na, wir bekommen doch mit dem Krankenhausstrukturgesetz einen Strukturfonds, löst der nicht die Probleme?“ Die Strukturfondsmittel werden erst dann ausgeschüttet, wenn das Land in den letzten drei Jahren, oder: die Mittel zur Verfügung stellt als Investitionsmittel, die es in den letzten drei Jahren durchschnittlich zur Verfügung gestellt hat. Die liegen deutlich höher als die 51 geplanten Mio. Wenn es so ist, dass uns bereits jetzt jährlich 100 Millionen fehlen, um eine normale Investitionsquote zu erreichen, dann kann die Konsequenz nicht die Einführung von Pauschalen sein. Es wäre eine Verteilung aus der Gießkanne und eine weitere Besonderheit, ich würde also einen Mangel gerecht verteilen. Wenn ich einen Mangel habe, wenn mir 100 Millionen jährlich fehlen, ist der Verteilungsmodus _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/99 ziemlich gleich. Vor dem Hintergrund der so wichtigen Konzentrationsprozesse, die ja eine sehr gezielte spezifische Förderung erfordern, wäre eine Pauschale also ein völlig falscher Weg. Deshalb meinerseits klares „Nein“ zu einer Pauschale. Das Krankenhausstrukturgesetz - Punkt 3, Qualität - wird Qualität verbindlich machen. Die Kriterien, die Ergebnisse sind transparent im Internet zu veröffentlichen. Strukturqualität kann aber bereits heute im Landesrecht verankert werden. In Mecklenburg-Vorpommern wird das im Moment so gut wie gar nicht umgesetzt. Wenn wir mal im Norden bleiben, können - glaube ich - Hamburg oder auch Bremen gute Beispiele sein. Auch Berlin wird jetzt Qualität im Krankenhausplan festschreiben. Lassen Sie mich noch einen Blick in die Geriatrie werfen. Jedes Krankenhaus in Mecklenburg-Vorpommern mit einer Inneren darf geriatrische Leistung erbringen, auch mit zum Beispiel nur einem Facharzt, was nicht den Richtlinien der Fachgesellschaften in jedem konkreten Fall entsprechen wird. Wenn wir weiterhin ein hohes Qualitätsniveau erhalten wollen, muss Krankenhausplanung viel stärker als heute ordnend tätig werden und zwar mit Blick auf die Bedarfe einerseits und das heute und zukünftig vorhandene Personal andererseits. Was gegenwärtig passiert, wird der Situation nicht gerecht. Am Beispiel VorpommernGreifswald, das als Pilotregion für eine zukunftsfeste Versorgung ausgewählt wurde, wird das sehr gut deutlich. Wir haben diverse Gutachten vorliegen. Wir hatten eine Regionalkonferenz, wir haben diverse Initiativen, die auf den Innovationsfonds abzielen. Aber all diese Aktivitäten werden aus unserer Sicht unkoordiniert laufen gelassen. Was fehlt, ist ein Plan, ist ein übergreifendes Multiprojektmanagement, um wirklich hier zu einem Durchbruch zu kommen. Und gerade in dieser Region haben wir sehr gute Voraussetzungen, weil das Ministerium sowohl im Aufsichtsrat der Uni Greifswald als auch von Wolgast ist. Lassen Sie mich mein kurzes Statement in drei Sätzen zusammenfassen. Wir müssen endlich Entscheidungen zur Strukturveränderungen treffen und die müssen mutig sein. Es gibt dazu keine Alternative. Die Investitionsmittel sind zu erhöhen und für den Umbau von Strukturen zu nutzen. Pauschalen sollten nicht eingeführt werden. Qualität können wir nur durch Konzentration insbesondere spezialisierter Leistungen erreichen. Und ohne diese Konzentrationen werden wir keine qualitativ hochwertige Versorgung zukunftsfest sicherstellen können. Schönen Dank. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/100 Vors. Martina Tegtmeier: Ja, vielen Dank, Frau Dr. Möhr. Als nächstes erhält der schon mehrfach angesprochene Herr Gagzow von der Krankenhausgesellschaft M-V das Wort. Werte Abgeordnete, Sie finden auf Ihren Tischen schon eine Ausarbeitung, eine Auswertung der AOLG-Zahlen für das Jahr 2010 die Herr Gagzow mitgebracht hat (Anlage), und auf die er sich gleich auch noch beziehen wird. Bitte sehr, Herr Gagzow. Wolfgang Gagzow (Krankenhausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern): Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren Abgeordneten, sehr geehrte Damen und Herren, ich bedanke mich zunächst sehr herzlich für die Gelegenheit und Möglichkeit, zu dem Fragenkomplex der kurz- und mittelfristigen investiven Krankenhausfinanzierung Stellung nehmen zu dürfen. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass die Krankenhäuser in die Landesplanung über diese Kapitel einbezogen sind. Angesichts des Umfangs des Landeshaushalts ist das für uns heute auch eine besondere Situation. Wir freuen uns sehr, dass wir das können und dürfen. Und ich habe Ihnen die 19 Fragen beantwortet und auch noch einen Kurzabriss kurzfristig zugesandt und als Tischvorlage, ein nicht von mir erhobenes Papier, sondern eine Zusammenstellung der AOLG aus dem Jahr 2010 vorgelegt, eigentlich könnte ich es damit bewenden lassen. Die Aussagen, die die Ministerialbehörden Deutschlands erstellt haben, mit einer auch für Mecklenburg-Vorpommern erkennbaren dramatischen, absinkenden Tendenz der Investitionsfinanzierung spricht für sich. Und relativiert meine Aussagen, die ich in der Vergangenheit immer getroffen habe, das Mecklenburg-Vorpommern nämlich sich bundesweit herausragend darstellt. Wenn Sie ganz zum Ende dieser Anlage ansehen, sehen Sie, dass wir im Saldo der letzten 20 Jahre immer noch den Bundesspitzenplatz inne haben. Da können Sie mal sehen, wir toll Sie in der Vergangenheit gearbeitet haben. Das sollte eigentlich ein Ansporn sein, an das Niveau wieder für die Zukunft anzuknüpfen. Das war salopp vorneweg gesagt, denn es ist sehr erheblich abgesenkt worden. Damit bin ich schon beim Punkt 1, wo ich mit Frau Dr. Möhr korrespondiere. Wenn wir eine allgemeine Investitionsquote für die Kliniken von 8 bis 9 % ansetzen, dann benötigten wir bei einem Budget für das, bei einem Budget für den stationären Bereich von 1,5 nochwas Milliarden. Ich habe die Zahl genau, 1.572.423.438,32 €. Kämen wir bei nur 8 % Investitionsquote auf 125.793.875,06 €. Das ist um doch Welten von den 52,48 Millionen, die ich bei mir auf dem Zettel gefunden habe, entfernt. Ich glaube, in der _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/101 allgemeinen Wirtschaft würde man von dem Thema Konkursverschleppung reden, oder so etwas in der Art. Das ist eine dramatische Entwicklung. Und was Frau Dr. Möhr charmanter Weise nicht gesagt hat, ist die Tatsache, das Kliniken ja, wenn sie Fördermittel haben müssen für Bauvorhaben, immer häufiger gefragt werden: „Bitteschön, was könnt ihr, was kann euer Träger als Eigenleistung stellen?“ Und wenn der nicht mit der Sparbüchse auf der Straße sammeln gehen kann, darf und will, Bank überfallen ist auch uncool, dann muss man halt sehen, das man über Leasingprojekte das Budget strapaziert, zu Lasten der GKV und deren Beitragszahlern. Das muss man ganz klar so sagen. Der zweite Punkt, wo ich auch noch mit Frau Dr. Möhr übereinstimme, das will ich auch zu Anfang gleich sagen, angesichts so einer Situation, dass es ohnehin nicht reicht und angesichts der Tatsache, dass wir auch in M-V trotz der wirklich hervorragenden Investitionen, die Sie, meine Damen und Herren, bewilligt haben in den vorvergangenen Jahren mit einer gut entwickelten Krankenhausstruktur: Trotzdem haben wir eine heterogene Situation, eine unterschiedliche, im Entwicklungsstand der Krankenhäuser. Ich will aber nicht das Wort reden dafür, dass wir Krankenhäuser schließen müssen. Davon bin ich Lichtjahre entfernt. Wenn man die Tabelle anguckt, haben wir zu wenig und nicht zu viel im Vergleich zu anderen Ländern. Aber die Situation ist dennoch unterschiedlich und auch aus diesem Grund kann ich Pauschalen nur auch eine klare Absage geben: Bitte tun Sie das nicht. Und auch an das Sozialministerium adressiert: Bitte nicht. Sie - das Land - und wir gemeinsam als Planungsbeteiligte, inklusive der Krankenkassen natürlich und der Krankenhäuser, sollten die Möglichkeiten immer haben, in dem übersichtlichen Land Mecklenburg-Vorpommern mit 38 oder 37 Krankenhäusern punktuell eingreifen zu können. Und nicht mit der Gießkanne dem einen vielleicht zuviel, dem anderen aber ganz bestimmt zu wenig zu geben. Das hilft gar nicht und nirgends. Insofern der dringende und flammende Appell, bei dem bewährten, wirklich sehr bewährtem Verfahren zu bleiben. Und damit gehe ich dann auf Distanz zu den Aussagen von Frau Dr. Möhr: Es ist nicht so, dass Qualität bei uns keine Rolle gespielt hat. Qualität ist nahezu das ausschließliche Kriterium, wenn es darum geht und ging in der Vergangenheit, unsere Krankenhauslandschaft weiterzuentwickeln. Wir können uns das schlicht und einfach erlauben, wo einfach jeder jeden persönlich kennt und die Experten der 37 Krankenhäuser bestens bekannt sind und vernetzt sind, das man jedem einzelnen auf den Zahn fühlen kann. Und da gibt es Experten und Gremien bei uns, die das _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/102 sehr akribisch in den Planungsrunden tun. Und wer Bedingungen nicht erfüllt, der kriegt auch den Zuschlag nicht. Wir gehen sehr sparsam und sehr gewissenhaft um mit der Bezeichnung eines Krankenhauses als Zentrum oder auch mit dem Verleihen einer besonderen Aufgabe, wie wir es in Mecklenburg-Vorpommern nennen. Früher nannte man das Schwerpunktsetzung. Das bekommt weiß Gott nicht jeder. Und die Krankenhäuser kämpfen jahrelang darum, um so einen, ich sage mal Ritterschlag, zu bekommen. Und der wird nur selten verteilt, weil wir eben Leistungen konzentrieren wollen und konzentriert haben. Und es ist keineswegs so, dass jeder, dem über Nacht einfällt, mal geriatrische Patienten oder Adipositas-Patienten versorgen zu wollen, das auch kann. Das Land Mecklenburg-Vorpommern unter der Führung der Krankenhausgesellschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat Pläne entwickelt für die Behandlung von geriatrischen Patienten, hat Pläne entwickelt für die Behandlung von Adipositas-Patienten. Und wer sich diesen Plänen nicht beugt weil diese allgemein anerkannt sind im Land, auch von den Krankenkassen bekommt so eine Zusage nicht. Es ist also durchaus an sehr extreme, sehr hohe Qualitätskriterien gebunden, die man anderswo in dieser Republik nicht kennt. Die man aber mit Erstaunen zur Kenntnis genommen hat, dass wir uns diese Qualitätsmaßstäbe setzen. Also haben wir an der Stelle – ich sage es ganz klar und deutlich – keinen Nachholbedarf. Da muss keiner kommen und uns belehren wollen. Wir hören alle Argumente an. Aber bisher habe ich noch keinen gefunden, der uns hat Lehren erteilen können. Ganz im Gegenteil. Wir werden eingeladen in andere Länder, um vorzutragen, wie Qualität in der Krankenhausplanung geht. Weil wir es vorzeigen können. Gut, das kann man in Ländern mit dreihundert, vierhundert, fünfhundert Krankenhäusern auch nicht so akribisch machen, wie wir es können. Und weil wir es können, tun wir es auch. Darum bitte ich Sie sehr, die Mittel dafür bereit zu stellen. Ich halte es auch für sehr hilfreich, dass sich MecklenburgVorpommern - und ich hoffe: dauerhaft - dafür einsetzt, dass Leistungen in unserem Lande erbracht werden können. Und da geht die dauerhafte, herzliche Bitte auch dahingehend, auf Bundesebene gemeinsam mit dem Sozialministerium und den Krankenhäusern aktiv zu werden, dass wir auch bei einem dünn besiedelten Flächenland Leistungen erbringen können, die anderswo vielleicht konzentriert vorgebracht werden können. Ich spreche das Thema Mindestzahlen dabei an. Ich halte es für einen ausgesprochenen Blödsinn, ich sage das so, bestimmte Leistungen mit Mindestzahlen zu belegen ohne jede wissenschaftliche Expertise. Der _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/103 gemeinsame Bundesausschuss, der dafür die Verantwortung trägt, zu Lasten der Krankenhäuser so etwas etabliert zu haben, hat dabei bestimmt das Land Mecklenburg-Vorpommern nicht im Blick gehabt oder weg ignoriert. Das kann beides durchaus möglich sein. Lassen Sie das nicht zu. Helfen sie uns dabei zu kämpfen. Ich sag nur einfach ein Beispiel: Wenn man sagt, fünfzig Knietipps musst du bringen, sonst darfst du es nicht. Das ist Qualität. Aber eine Transplantationsaktion bei der Bauchspeicheldrüse oder Ähnlichem, da reichen fünf - weil das vermutlich nur eine Bagatellerkrankung ist, unterstell ich mal so. Sonst würde man auf solche absurden Zahlen gar nicht kommen. Also wir können das machen. Aber dann sind Mukoviszidose – Patienten, um ein krasses Beispiel zu nennen, in MecklenburgVorpommern nicht mehr behandelbar, wenn wir so einen Unfug mitmachen wollen. Wir stellen Qualitätsmaßstäbe auf und die müssen eingehalten werden. Werden sie nicht eingehalten, kriegt keiner den Zuschlag und darf es nicht bringen. Und dafür gibt’s Ärzte, Kammern und Andere, die da auch qualitativ für sorgen. Wir legen Maßstäbe der Qualität an und nicht Maßstäbe der Menge. Und da bitte ich Sie herzlich um Unterstützung dabei. Das geht dann auch bis dahin, dass sie sagen, es gibt diesen Strukturfonds. Wir sollen uns den sehr sorgsam anschauen. Es gibt da fifty-fifty–Geld aus dem Fonds und vom Land dazu, für, nicht nur Abwrackprämien. Leider die ersten zwei von drei Punkten heißen: Schließen, schließen, schließen. Zum Glück steht da auch noch „ Umwidmung“. Ich will nicht sagen: Überall wo Pädiatrie heute drauf steht, steht morgen Geriatrie drauf, und wir haben das Geld dafür investiert. Aber in der Tendenz ist ganz klar feststellbar, dass bestimmte Leistungen weniger erbracht werden. Ich weiß nicht, wie die aktuelle europa- und weltpolitische Situation ist, ob wir mehr jugendliche Leute demnächst haben hier, keine Ahnung. Die normale Tendenz ist aber so, dass wir überaltern als Land. Wir haben uns dieser Aufgabe gestellt, die Krankenhäuser hervorragend gestellt, wir machen es auch in der Zukunft. Und wenn wir aus dem Fonds Unterstützung dahingehend bekommen können, neue Aufgaben neu angehen zu können, bis hin zu vernetzten Angeboten, sind wir dabei. Und das wäre schick, sag ich mal so, wenn die Exekutive und Legislative mit den Partnern der Leistungserbringer da zusammenarbeiten, um das Beste rauszuholen für unser Land. Vielen herzlichen Dank. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/104 Vors. Martina Tegtmeier: Ja, vielen Dank, Herr Gagzow. Als nächstes hören wir Frau Gudrun Kappich vom Dietrich-Bohnhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg. Bitte. Gudrun Kappich (Dietrich-Bohnhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg): Ja, auch ich möchte mich bedanken. Sehr geehrte Landtagsabgeordnete, sehr geehrte Damen und Herren, dass ich hier die Möglichkeit habe. Ich möchte vielleicht voranschicken das hat Herr Gagzow nicht gemacht - an einem Freitag kam Ihr Schreiben, an einem Mittwoch wollten Sie die Unterlagen haben, und zwar auf dem darauf folgenden Mittwoch. Ich hab mich bemüht, diese 19 Fragen so gut wie möglich zu beantworten. Aber ich muss Ihnen auch sagen, ich musste Termine verschieben, ausfallen lassen. Das ist nicht mal so nebenbei gemacht. Und Sie durften dann länger lesen, als ich schreiben durfte. Das wollte ich Ihnen einfach nur noch mal sagen. Trotzdem bin ich natürlich froh, dass ich was sagen kann. Mein Name ist wie gesagt Gudrun Kappich. Ich blicke auf 32 Jahre im Krankenhaus Neubrandenburg zurück und glaube, ich kann mir schon auch ein Urteil erlauben, was man so machen kann und was man nicht machen kann. Unser Krankenhaus ist das Größte in Mitten der Mecklenburgischen Seenplatte, damit können wir jetzt ein bisschen angeben. Aber wir sind auch das Drittgrößte in unserem Land. Als Haus der Maximalversorgung haben wir 29 Fachkliniken und Institute und 10 % aller Fälle, die in diesem Land anfallen, behandeln wir. Wir haben in Neubrandenburg ungefähr 800 Betten, in Altentreptow 100 Betten. Also die 800 Betten machen alles außer Transplantationsmedizin, aber in Altentreptow haben wir 100 Betten, ein ehemaliges Kreiskrankenhaus. Dort haben wir eine Fachabteilung für Orthopädie und eine Station der Inneren Medizin, sinnigerweise die Rheumatologie, die mit der Orthopädie sehr, sehr eng zusammen arbeiten kann. In Malchin haben wir ebenfalls 100 Betten, arbeiten mit einer Fachabteilung Innere Medizin-Chirurgie und bieten zusätzlich eine kleinere Orthopädie an, die in der Fußorthopädie wirklich auch einen sehr guten Namen hat. In Neustrelitz haben wir eine psychiatrische Tagesklinik etabliert. Die größte Herausforderung für die Krankenhäuser in MecklenburgVorpommern sehen wir in der Entwicklung der Altersstruktur. Allein in den letzten 10 Jahren haben wir in unserem Krankenhaus einen Anstieg der Patienten über 75 Jahre von 17 %. 2004 hatten wir noch 7 % Patienten über 75 Jahre, inzwischen sind es 24,2 %. Das ist jeder Vierte im Prinzip. Diese Patienten brauchen besondere Aufmerksamkeit. Die Pflege dieser Menschen ist hoch aufwändig, weil sie meist _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/105 multimorbide sind. Das heißt, es liegen mehrere Erkrankungen vor. Hilfen aus der Politik für die Bezahlung dieser hoch aufwändigen Pflege, haben sich für uns entpuppt als bürokratische Hürde, die nur mit einem enormen zusätzlichen Aufwand zu meistern war. Letztlich war es dann so - jeder, der sich ein bisschen auskennt, weiß das - dass diese besonderen Entgelte dann nicht mehr den Krankenhäusern zu Gute kamen, die diese Mehrpflegekräfte eingestellt haben. Da wollen sich ja jetzt alle Mühe geben, diese drei Kräfte, die wir pro Krankenhaus erwarten, durch das neue Gesetz dann anders zu bezahlen. Das würde mich wundern. Ich weiche jetzt ab, weil das, Sie kriegen nachher noch meine Rede, da ist trotzdem alles drin. Ja, gerontopsychiatrische Erkrankungen genauso nehmen zu. Überlegungen zu einem demenzfreundlichen Krankenhaus haben wir schon ganz lange. Wir wissen auch, was wir machen wollen. Aber ich sage Ihnen: Es fehlt uns schlicht an den Mitteln dafür. Demenzkranke Patienten bedürfen ebenfalls einer besonderen Zuwendung, die nicht im normalen Krankenhausalltag zu leisten ist. Strukturelle Voraussetzungen sowohl in der räumlichen als auch in der personellen Ausstattung sind zurzeit nirgendwo vorgesehen. Weder in der Bezahlung der DRG noch bei der Bereitstellung der Fördermittel finden wir hier die Finanzierung der notwendigen Investition. Vor dieser Aufgabe stehen wir als Krankenhaus allein. Die Versorgungskapazität von psychiatrischen Patienten ist im Vergleich zu den anderen Landkreisen in unserem Land gering. Auch hier brauchen wir Unterstützung. Mecklenburg-Vorpommern ist ein Flächenland, in welchem eine flächendeckende Versorgung der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet wird und werden muss. Die Erreichbarkeit der Krankenhäuser bleibt ein wichtiges Kriterium und da widerspreche ich jetzt auch der AOK und denke, ich bin in einer Planungsbeteiligten-Runde. Ich glaube, wir haben eine gute Anzahl von Krankenhäusern mit einem guten Portfolio - Herr Gagzow hat das auch schon gesagt. Ich als hoch spezialisiertes Krankenhaus habe natürlich großes Interesse, dass hochspezialisierte Leistungen auch bei uns stattfinden. Trotzdem sollten wir bedenken, dass wir die Wege nicht unerreichbar machen. Und dafür müssen wir uns als Land auch bekennen zu der Aussage: Gelten für uns Mindestfallzahlen? Das Mukoviszidose Zentrum, Herr Gagzow hat es gerade erwähnt, wer es von Ihnen nicht weiß, das ist ein gutes Beispiel. Ich habe es auch in meiner Zuarbeit Ihnen nochmal geschildert, Hintergrundinformationen können Sie abfragen. Es ist uns viel gelungen. Durch die Zusammenarbeit der vier Krankenhäuser, Universitätsmedizin Greifswald, Helios Kliniken Schwerin, Universität Rostock, Dietrich-Bonhoeffer_______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/106 Klinikum Neubrandenburg sowie der Ostseekurklinik Fischland als assoziierte Rehaklinik im Mukoviszidose Zentrum Mecklenburg-Vorpommern haben wir eine gute Lösung gefunden. Sorgen Sie bitte dafür, dass auch Frühgeborene weiter in vier Krankenhäusern, die Neonatologie mit Level 1 vorhalten, dass die auch versorgt werden können. Bei den Mukoviszidose–Kindern war es letztlich einfach. Fünfzig ist die Mindestzahl von GBA, keiner von uns hat sie geschafft. Das hat die Kinderärzte auf den Plan gebracht. Die Chefs haben sich wirklich hingesetzt und gesagt: Wir machen Behandlungsleitlinien. Das ist ein super Beispiel, wo Politik und Krankenkassen und wir es gemeinsam getragen haben, im Sinne der Patienten. Ich denke, zu solchen Leitlinien sich zu verständigen, die Qualität versprechen und auch halten, das halte ich für richtig. Im Übrigen weiß ich nicht, ob wir für Qualität noch mehr Papier beschreiben müssen. Das ist etwas, was unseren Ärzten sehr, sehr, sage ich mal, auf den Senkel geht, wenn ich das mal so salopp formulieren darf. Weil was haben wir von beschriebenem Papier? Wenn Patienten unser Haus unzufrieden verlassen, treffen sie sich am Kaffeetisch mit 20 anderen, denen sie erzählen: „Dieses Krankenhaus ist Mist, da brauchst du gar nicht erst hingehen.“ Ich glaube, da würden Bürger eher mit den Füßen abstimmen, als das sie, sage ich mal, darauf angewiesen sind, dass wir noch etwas ausfüllen. Glauben Sie mir, kommen Sie uns einfach mal besuchen und gucken Sie sich mal an, was Ärzte und Schwestern dokumentieren und wieviel Zeit sie haben, sich mit Ihnen zu unterhalten. Ich versuche unseren Ärzten immer zu sagen: „Gucken Sie den Patienten doch mal an, während Sie alles in Ihren Computer tippen.“ Das sollte man sich auch einfach noch mal vor Augen halten, wie wir inzwischen mit unseren Patienten umgehen. Ich möchte Sie auffordern, die Mittel für all die Aufgaben zur Verfügung zu stellen, die wir haben. Dafür reichen diese Haushaltsansätze nicht aus. Bei dem Bespiel, das wir gerade gehört haben: 10 % müsste man eigentlich investieren können. Das wären in unserem Krankenhaus 1,18 Mio. €. Bekommen tun wir jährlich 2,6 Mio. €. So und dann ist die Frage: Was kann ich ersetzen, was muss wie lange halten, wenn es abgeschrieben ist, was geht noch irgendwie und was brauchen wir ganz dringend? Ich will mich nicht beklagen, ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, um mich bei ihnen zu bedanken. Dieses Land hat uns Fördermittel zur Verfügung gestellt, wir konnten die Konzentration unserer Standorte in Neubrandenburg an der AllendeStraße fertig stellen. Wir haben die Psychiatrie inzwischen auf unserem Gelände, wir waren vorher in Neubrandenburg an drei Standorten verteilt. Das hilft natürlich, aber _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/107 ich möchte auch sagen, wir, das Diakonieklinikum Dietrich Bonhoeffer, hat zwei Außenstandorte, die vorher Kreiskrankenhäuser waren, unter das Dach genommen und nicht als eigene GmbH fortgeführt, sondern sie sind mit uns ein Krankenhaus. Das sind unsere Außenstellen. Ich bekenne mich zu diesen kleinen Krankenhäusern und sage, Grundversorgung in Malchin, Altentreptow, das ist in Ordnung. Eine Notaufnahme, wo man hingehen kann und man Schnittverletzungen auch ordentlich behandeln lassen kann. Jeder andere wird von einem kleinen Krankenhaus natürlich auch zu uns geschickt. Das ist so, aber ein paar Sachen können wir auch schon noch auf dem platten Land vorhalten. Danke. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, vielen Danke für ihren Vortrag. Als nächstes hören wir nun vom Westmecklenburg Klinikum Helene von Bülow und Herrn Jürgen Stobbe bitte sehr. Herr Jürgen Stobbe (Westmecklenburg Klinikum Helene von Bülow): Auch von meiner Seite nochmal der herzliche Dank für die Einladung, die sie uns haben zukommen lassen. Vieles von dem, was bei mir auf dem Zettel steht, ist inzwischen gesagt worden. Deswegen will ich das jetzt nicht alles wiederholen. Aber ich nehme gerne den Ball noch mal auf. Unser Klinikum, Westmecklenburg Klinikum hat inzwischen eine massive Strukturanpassung in den letzten 3 Jahren erlebt und wer von Ihnen die Zeitung von Schwerin und dem Südwesten Mecklenburgs, Hagenow und Ludwigslust verfolgt hat, weiß mit welchen Schwierigkeiten und Schmerzen wir eine solche Strukturanpassung dort durchlitten haben und ein Stück immer noch durchleiden. Strukturanpassungen sind zweifellos notwendig, davon gehen wir aus, aber den Appell, den gerade Frau Kappich noch mal an den Schluss stellte „erhalten sie uns unsere Krankenhäuser“, den kann ich für kleine Krankenhäuser bei uns unterstreichen. Ich will nicht von den großen Finanzen im Moment reden, sondern möchte von der Vorortpräsenz unserer Häuser reden, die notwendig ist. Bei uns ändert sich - Sie wissen das alle, ich brauche es nicht erneut zu beschwören - die Demografie natürlich genauso wie im übrigen Land auch. Hochdramatisch verändert sich damit natürlich auch die Anforderung an die Krankenhäuser und es verändert sich die Frage nach dem Weg. Patienten, die in eines unserer Häuser kommen, haben zum großen Teil - sofern sie nicht in den jeweiligen kleinen Kreisstädten, ehemaligen Kreisstädten wohnen - einen Weg von mindestens einer Stunde. Wenn _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/108 Sie den Weg durch Strukturmaßnahmen dadurch verändern, dass Sie sagen, „wir machen ein Ambulatorium in einem Gebäude und den Rest konzentrieren wir in Schwerin“, dann haben Sie selbst für kleinere Operationen einen Besuchs- und Anfahrtsweg von 2 bis 2,5 Stunden. Ich will von den Fragen der Notversorgung, die dort anstehen, gar nicht reden. Das ist alles andere, bloß keine bevölkerungsnahe, wohnortnahe Versorgung, die wir unseren Menschen in unseren Landkreisen zugutekommen lassen wollen. Die Frage nach der Qualität, die uns dann immer wieder gestellt wird, kann ich nur mit großem Kopfschütteln beantworten. Seit Jahrzehnten leisten beide Krankenhäuser - egal in welcher Konstellation sie gearbeitet haben - hohe Qualität, halten sich an die Standards und Leitlinien, die aus den jeweiligen Fachabteilungen angebracht und angegeben worden sind. Wir konzentrieren gegebenenfalls dort, wo es möglich und zumutbar ist. Aber das es dadurch schon besser wird, dass wir 100 Operationen oder überhaupt Leistungen mehr machen - Das liegt nicht an der Menge, sondern das liegt an der großen, am Können und an der Ausbildung der jeweiligen Mitarbeiter, mit denen wir zusammen arbeiten können und die ein ausgesprochen hohes Ausbildungsniveau bei uns in allen Häusern aufweisen. Qualität muss bei weiterhin Bestandteil bleiben, daran ist, glaube ich, an keiner Stelle zu rütteln. Aber ich möchte Sie dringend davor warnen, Qualität mit Quantität zu verwechseln. Viel ist nicht immer gut. Also das würde auch, wenn das ein Merkmal ist, eine überaus gute Versorgung in ländlichen Krankenhäusern zu Tode reiten. Sie wissen, dass unsere beiden Häuser jeweils 160 Betten haben und - ich habe es Ihnen geschrieben - auf einer großen Fläche sind. Strukturmaßnahmen müssen vorsichtig umgesetzt werden. Schon kleine Veränderungen beeinflussen erhebliche Ängste in der Bevölkerung. Wir brauchen eine enge Vernetzung und das kostet uns Geld. Das kostet gerade, wenn man sie durchführen möchte, sehr viel Geld. Ich bin nicht der Finanzvorstand unseres Hauses, weil wir unsere Geschäftsführung in Finanz- und Personalgeschäftsführung geteilt haben. Aber ich merke deutlich, dass wir z.B. für die Neuanschaffung von KISSystemen, um unsere Häuser zu harmonisieren, eine Summe herausgeben müssen, die wohl an die Million herangeht. Für zwei kleine Häuser eine schier nicht leistbare Größenordnung. Das sind Strukturanpassungen, bei denen mir dann gesagt worden sind: „Ja, das ist eben ein Haus, jetzt braucht ihr ein KIS, das ist euer Problem.“ Wir werden die Frage nach dem Transport zwischen Patienten sinnvoll und patientengemäß lösen müssen. Zwei Standorte entfernt rund 40 km voneinander. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/109 Wenn wir von Strukturwandel sprechen, dann bedenken Sie dies bitte. Das sind kleine Dinge, die sicher die große Politik nicht beanspruchen, aber auch diese kleinen Dinge machen den Vorteil unserer Häuser aus. Deswegen kann ich mich im Großen und Ganzen nur anschließen. Ich will nicht alles vorlesen, was ich ihnen schon schriftlich gebracht habe. Ich denke mir, dass können Sie selber ganz gut entnehmen. Noch ein, für mich ganz wesentlicher Zweig: Wir sagen immer, wir brauchen Menschen, die hier dann auch arbeiten als Pfleger und als Mediziner zur Verfügung stellen. Das ist für uns ein zunehmend großes Problem. Nicht nur in der Ärzteschaft, sondern auch in der Pflege. Es heißt, wir müssen auch vor Ort ausbilden und wir können nur vor Ort ausbilden, wo wir entsprechende Ausbildungsplätze vorhalten. Ich habe eine Krankenpflegeschule mit 90 Plätzen. Wir haben sie erweitert für die kleine Krankenpflegehilfe und um den Jugendlichen vor Ort die Ausbildung zu ermöglichen in den Bereichen, in denen wir sie brauchen. Wenn ich ein Krankenhaus umstrukturiere, strukturiere ich auch die Ausbildung damit um. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen: Wie will ich denn weiter attraktive Ausbildungsplätze in der Region schaffen, wenn ich gleichzeitig die Schulen ihrer eigentlichen Ausbildungsmöglichkeiten beraube? Auch dies ist ein wichtiger Punkt, nicht abhängig vom großen oder kleinen Klinikum, sondern abhängig von regionalen Besonderheiten, die unser Land aufweist. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir durchaus Widerstände überwinden müssen, um Strukturen neu zu regeln. Ich bin jemand, der am eigenen Leib sehr deutlich gespürt hat, was es heißt, auch gegen Widerstände Strukturveränderungen durchsetzen zu müssen, weil wir davon überzeugt sind, dass diese Strukturveränderung eine Zukunft im Land für unsere Kliniken ermöglichen. Aber helfen Sie uns dabei, genau an diesen Stellen nicht in diese elendige Debatte einer Konzentration und einer Entwertung zu Ambulatorien unsere kleiner Häuser zumachen, sondern halten Sie fest an diesen Standorten und statten Sie sie entsprechend aus - das wiederum haben meine Finanzexperten gerade eben deutlich gemacht - halten Sie an dieser Struktur mit den Häusern fest und lassen Sie es nicht zum Kannibalismus kommen, der im Moment in der Tat in ganz Deutschland herrscht. Und das ist etwas, was nicht zu Gunsten der Patienten geht, sondern was uns letztendlich unser gesamtes Gesundheitswesen zerstört. Vielen Dank. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/110 Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank, Herr Stobbe. Ich begrüße auch Herrn Dr. Crusius von der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern und Sie sind auch direkt dran, weil alle anderen Anzuhörende haben bereits vorgetragen, sodass Sie auch gleich loslegen können. Dr. Andreas Crusius (Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern): Vielen Dank, Frau Vorsitzende. Zunächst bitte um Entschuldigung, ich hatte aber eine Sitzung in Berlin zur Finanzierung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin und habe das Ganze in 1:35 absolviert von Berlin, was dann - ich hätte Ihnen das Foto mitbringen können, wenn sie es gleich ausdrucken würden an der Autobahn, also das habe ich leider nicht gemacht. Vors. Martina Tegtmeier: Wir bezahlen das aber auch nicht. Dr. Andreas Crusius: Zunächst bitte ich damit um Verständnis und um Entschuldigung und bedanke mich für die Einladung der Ärztekammer zur Anhörung, die zwar relativ kurzfristig kam, weil wir müssen das ja immer in die Ausschüsse geben, aber wir haben es dennoch geschafft und es ist leider erst gestern bei Ihnen eingegangen. Ich gehe davon aus, dass Sie das alles schriftlich haben? Vors. Martina Tegtmeier: In diesem Falle nicht. Also bei mir ist das noch nicht eingegangen. So das Sie jetzt auch in dieser komfortablen Lage sind, ein bisschen weiter ausführen zu dürfen. Ihre Kollegen und Kolleginnen haben sich da sehr knapp gehalten, tatsächlich in der Zeitvorgabe. Das wär uns sehr lieb. Dr. Andreas Crusius: Also vielen Dank. Wir haben uns bei zwei Fragen auf die Ausführungen der Krankenhausgesellschaft, die wir nicht kennen, aber bezogen, weil wir häufig an den Stellen gleich denken. Aber ich fange vielleicht mal mit den ersten Fragen an. Wir werden aufgrund der Flächenversorgung, der in der Fläche zu deckenden Versorgung, künftig auch mehr mit ambulanter Tätigkeit an den Häusern - das haben meine Vorredner wahrscheinlich schon gesagt - wir werden uns damit befassen müssen. Auch der Rettungsdienst mit der präklinischen Notfallmedizin wird steigende Aufgaben bekommen, denn es kann nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Fläche und in den Landkreisen, die also wenig besiedelt sind, _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/111 schlechteres Outcome haben, als diejenigen, die in den Kerngebieten des Landes wohnen. Krankenhäuser müssen sich neben Chirurgie, Innerer, Gynäkologie, Geburtshilfe, Pädiatrie miteinander absprechen - ich sage das mit Bedacht hinsichtlich zusätzlich zu übernehmender Aufgaben wie zum Beispiel Neurochirurgie oder spezielle Viszeralchirurgie oder spezieller Unfallchirurgie. Es wird nicht gelingen, an allen Standorten alles vorzuhalten, in jeder Tiefe, mit jeder Spezialisierung. Das wird einfach nicht gelingen. Das haben meine Vorredner eben mit der Zahl der zur Verfügung stehenden Ärztinnen und Ärzte, dem Pflegepersonal und Ähnliches gesagt. Darüber hinaus werden ambulante Strukturen am Krankenhaus hinsichtlich zumindest der Notfallpraxen überall zu etablieren sein. Die bisherige Krankenhausfinanzierung ist in unserem Bundesland in den letzten 25 Jahren großzügig gewesen, jedoch nicht ausreichend. Wäre schlimm, wenn ich was Anderes sagen würde. Nein. Da Innovation in der Medizin und das „Turn Overs“, der Einführung von neuen Methoden, derart schnell voran schreiten, dass die Investitionen immer stärkeren Raum einnehmen. Wenn Sie nur mal sehen, wie schnell ein CT alt wird, ein Computertomograph, der eine höhere Geschwindigkeit hat, 25 Tesla, 30 Tesla, 45 Tesla, damit der Durchlauf für den Patienten kürzer wird, die Strahlenbelastung geringer wird. Das muss alles finanziert werden. Die Krankenhausstruktur, zu Frage vier, in Mecklenburg-Vorpommern ist geeignet, die medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürgern zu gewährleisten, die heute bestehende Struktur. Hier verweisen wir auf die Zusätze zu den Fragen 1 und 2, was ich eben schon gesagt habe. Beim Vergleich der Krankenhausstruktur in Mecklenburg-Vorpommern mit der in Schleswig-Holstein, Brandenburg, SachsenAnhalt ist anzumerken, dass zum Beispiel in Schleswig-Holstein für bestimmte Fachgebiete - Gynäkologie, Geburtshilfe, Pädiatrie - durch die Kassen Sicherstellungszuschläge in Regionen, wo beispielsweise im Küstenbereich keine ausreichende Fläche um das Krankenhaus herum besteht, gezahlt werden, um die ausreichende Versorgung der Bevölkerung vorzunehmen. Wir haben ja solche Beispiele in der Krankenhausplanung hinsichtlich der Region VorpommernGreifswald von einem Krankenhausvertreter aus Schleswig-Holstein gehört. Solche Zuschläge wären für Mecklenburg-Vorpommern an bestimmten Standorten notwendig. Sicherstellungszuschläge. Zum Beispiel: Wolgast, Ueckermünde, Wismar hat im Norden auch nichts, nur als Beispiel, Stralsund hat ja nur die Hälfte im Norden was, links davon, westlich davon nichts. An den Krankenhäusern in Mecklenburg_______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/112 Vorpommern gibt es hinsichtlich des Personaleinsatzes keine Effizienzreserven. Der ärztliche Bereich ist am Limit, der pflegerische Bereich ist am Limit, kann ich an meinen Vorredner anschließen. Die Ausstattung des Bundeslandes zum Beispiel mit Herzkatheter-Arbeitsplätzen ist flächendeckend und ausreichend in hoher Qualität. Völlig ausreichend. Hier gilt es, eine Qualitätssicherung hinsichtlich der Indikationsstellung einzuführen. Ich sage das auch mit Bedacht, weil es gibt ja bestimmte Leistungen, die sehr hoch finanziert werden von den Krankenkassen meine Nachbarin wird sich darüber freuen - was an vielen Häusern, jedoch nicht an allen passiert, die Indikationsstellung. Weil es eben aus Wirtschaftlichkeitsgründen leider auch viel um Geld geht. Die Steigerung der Herzkatheter-Untersuchungen - ich bitte um Verständnis für die harte Formulierung jetzt, aber - auf Teufel komm´ raus, weil diese gut bezahlt werden, darf nicht weiter ausgedehnt werden. Sonst müssten wir jetzt, die wir hier alle sitzen, alle in den Herzkatheter, damit die Maschinen ausgenutzt werden. Und es kann nicht sein nach dem Motto: Wer bei drei nicht auf dem Baum ist, bekommt einen Herzkatheter oder ähnliche gewinnträchtige Untersuchungen. Der Herrgott, wenn ich ihn hier zitieren darf, (Abg. Julian Barlen: Nur mit seinem Einverständnis.) hat vor die Therapie die Diagnostik gestellt. Ich weiß nicht, ob er einverstanden ist. Aber die Diagnostik steht vor der Therapie und nur eine ärztlich indizierte Maßnahme am Patienten muss dann auch durchgeführt werden. Das ist Wesentlich. Wir haben natürlich ein Abrechnungssystem, das DRG-System, was ja mal eingeführt wurde, weil es angeblich gut war und es weist aber viele Defizite auf. Zum Beispiel in der Finanzierung der Aus- und Weiterbildung von Nachwuchspersonal, in der Finanzierung von Studenten an den beiden Universitäten, die wir im Land haben, die Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten, ist alles nicht geregelt. Aber deswegen wird es gewinnträchtig. Das kann man ja auch den Haushältern der Krankenhäuser nicht übel nehmen. Aber wenn die Ärzte da mitmachen, ist es dann nicht so gut. Die geplanten Haushaltsansätze für die Krankenhausfinanzierung für die Jahre 2016 und 2017 sind zu begrüßen, 2017 ist ja leider rückläufig, könnten jedoch aufgrund der hohen Reinvestitionsraten, ich wiederhole mich, die nötig werden aufgrund der Fortschritte in der Medizin gesteigert werden. Hier verweisen wir bei 8 und 9 auf die Krankenhausgesellschaft. Die Haushaltsansätze sind _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 für weitere - 75/113 Strukturänderungen, die aufgrund des demografischen Effektes eintreten werden, nicht ausreichend. So muss in der Zukunft die Einrichtung von geriatrischen Abteilungen an Krankenhäusern, an geriatrischen Tageskliniken, in der Fläche vorangetrieben werden. In der Fläche. Ich kann ja diesen Patienten, die ich in eine Tagesklinik bringen will, wenn die 5 km vor Schwerin wohnen, dann ist das vernünftig, wenn ich sie nach Schwerin bringe, aber wenn sie 20 km östlich von Neubrandenburg wohnen, dann muss man überlegen, (Gudrun Kappich: Die holen wir auch noch.) fährt man sie nach Pasewalk oder fährt man sie nach Neubrandenburg. Ja, Konkurrenz kommt schonwieder, sehen Sie? Bei dieser Frage, bei der Frage 11 verweisen wir auf die Frage 7. Die Ersatzmodernisierungsinvestitionen sind ausreichend, aber nicht optimal. Ausreichend heißt ja immer: am unteren Level, gerade so, um das zu ersetzen. Optimal wäre, dass man nicht dauernd mit dem Rücken an der Wand steht. Ich sage Ihnen ein Beispiel: In der vorigen Woche waren bei uns in der Universität drei, wir haben drei Geräte, mit denen man die Gallenwege darstellt. Früher hatten wir einen Vertrag mit einer Firma Olympos, den hatte mein Altchef, der ist dann gekündigt worden aus ökonomischen Gründen. Jetzt arbeiten wir mit einem Leihgerät. Wenn aber drei Untersuchungen am Tag sind, dann muss das Gerät dreimal gesäubert und desinfiziert werden und das ist natürlich eine Störung im Ablauf. Sie können ja nicht hintereinander mit dem gleichen Gerät drei Patienten untersuchen. Also da gibt es Optimierungsreserven hinsichtlich der Bereitstellung von Technik. Bei der Umstellung der Förderung auf leistungsorientierte Investitionspauschalen werden die Häuser, die sich in der Grundversorgung befinden, zu kurz kommen. Da die, die die maximalen Leistungen bringen, auch immer in der kürzeren oder schnelleren Zeit bevorzugt werden, weil sie einfach aufgrund der Frequenz das schneller machen. Die Relation zwischen Pauschalen und Einzelförderung ist ausgeglichen. Zu Frage 14 ist festzustellen, dass die Betriebsmittelrücklagen auf eine bestimmte Summe - da werden die Haushälter jetzt dagegen sein - festgeschrieben werden sollten und überschüssige Gewinne zur Reinvestition zwingend genommen werden müssten. Das ist besonders bei privaten Trägern, die aus Sozialversicherungsbeiträgen Rendite für ihre Aktionäre generieren, nicht der Fall. Also Gewinne reinvestieren, da gibt es einen Antrag von _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/114 Dr. Holzhausen aus dem Sozialministerium, ehemals, und meiner Person bei Frau Bundeskanzlerin, dass die Gewinne der Krankenhäuser pflichtgemäß zu reinvestieren sind. Sie hat es nur noch nicht umgesetzt, sie hat ja andere Sachen zu tun. Die Zuschüsse für die Investition zu Frage 17, ach ne, Entschuldigung, Frage 16, die Zuschüsse für Investitionen an kommunale Träger von Krankenhäusern sind zu begrüßen, führen jedoch zu einer Ungleichbehandlung. Die kommunalen Träger sind aber in Bezug auf Frage 14 - also das eben gesagte - auch dann zur Reinvestition des im Haushalt erwirtschafteten Geldes verpflichtet. Zu 17: Zuschüsse für Investitionen an nicht öffentliche Träger führen natürlich indirekt zur Kapitalerhöhung bei nicht öffentlichen Trägern und damit zur Optimierung der Renditezahlen. Hier ergibt sich die grundlegende Feststellung, dass die Sozialversicherungsbeiträge der Bürgerinnen und Bürger nach Meinung der Ärztekammer nicht zur Renditegenerierung mutieren dürften. Sie sind ja dazu mutiert, aber sie dürfen nicht dazu mutieren. Der Ausbau der sektorübergreifenden interdisziplinären Formen findet zwar Niederschlag, aber nicht ausreichend. Und zu Frage 19 verweise ich auf das schon bisher Gesagte. Besonders im Bereich der Pädiatrie, Geburtshilfe, Geriatrie, Gerontopsychiatrie, Neuropädiatrie sind in integrierten Gesundheitszentren mehr Mittel einzustellen. Zum Schluss gestatten Sie mir die Anmerkung, dass die Finanzierung der Krankenhäuser durch die DRG dazu geführt hat, dass zu einem ärztlich-pflegerisch geführten Management am Krankenhaus unter Zurückdrängung der Personalreserven die Versorgung der Bevölkerung mit zuwendungsorientierter Medizin schlechter geworden ist, da weder im pflegerischen, noch im sozialen, noch im ärztlichen Bereich ausreichend Zeit für die psychische, mentale und persönliche Betreuung der Patienten vorhanden ist. Es geht nur um Optimierung und nicht mehr um zuwendungsorientierte Medizin. Vielen Dank, meine Damen und Herren Abgeordnete, vielen Dank, Frau Vorsitzende. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank, Herr Dr. Crusius. Also die mehrfach zitierte Kritik hier an diesem kurzen Zeitablauf, den nehmen wir natürlich auf unsere Kappe, das ist hier unseren Haushaltsberatungen geschuldet, weil wir den Haushalt auch als Sicherheit für die kommunale Ebene in diesem Jahr halt verabschiedet haben wollen. Nun können wir in die Fragerunde einsteigen. Einen Namen habe ich, den zweiten auch schon. Ich möchte mit einer Frage beginnen, die mich besonders bewegt. Frau Kappich hat das auch noch mal ausgeführt und auch die Dramatik, die da eigentlich _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/115 hinter steht, noch mal so angerissen und zwar: Die Veränderung unserer Bevölkerungsstruktur und die Veränderung der Patientenstruktur in den Krankenhäusern – Stichwort Demenz. Zum einen haben Sie folgerichtig ausgeführt dass das Ansprüche an die Ausstattung der Krankenhäuser in Zukunft verändern wird. Zum anderen ist damit natürlich auch verbunden, dass das Personal – Ärzte und das Pflegepersonal – ja auch weitergebildet werden müssen. Und deswegen frage ich jetzt nicht Sie und auch keinen anderen, sondern mal die AOK, wie sie sich diesen neuen Herausforderungen - die ja ziemlich schnell auf uns zustürmen, um das mal so zusagen - wie Sie sich diesen Herausforderungen stellen, ob sich das in den zukünftigen Ausbildungskonzepten wiederspiegelt. Gudrun Kappich: Ja schönen Dank, auf die Frage gehe ich gerne ein. Ich würde vorab gerne noch mal einen Punkt nennen, der, glaube ich, wichtig ist für das Gesamtverständnis. Wenn ich von Konzentration von Leistungen rede, dann heißt das nicht, dass ich von Schließung von Krankenhäusern spreche – das ganze Gegenteil. Ich glaube, als das HGC-Gutachten kam, war ich eine der Ersten, die die Pressemitteilung drin hatte, gesagt habe: Das kann es doch nicht sein. Wir brauchen die Standorte. Nur, damit wir sie erhalten können, brauchen wir – und Herr Stobbe macht es deutlich – strukturelle Veränderungen. Wenn ich ganz viele kleine Fachabteilungen habe und ein sehr breites Spektrum, dann wird es schwierig sein diese Häuser zu erhalten. Und die Zielsetzung kann auch nicht sein, Sicherstellungszuschläge, die Herr Dr. Crusius ansprach. Das ist die letzte Lösung, wenn ich strukturell optimiert habe und auch dann kann ich ein Krankenhaus, das ich brauche, nicht wirtschaftlich erhalten, dann machen Sicherstellungszuschläge Sinn. Aber erst dann. Jetzt möchte ich ganz konkret zu Ihrer Frage kommen, Frau Vorsitzende. Die Gerontopsychiatrie, die Geriatrie, die besondere Betreuung von Demenzpatienten, glaube ich, stellt den besonderen Anspruch, dass ich die Versorgung vor Ort sicherstelle. Und deshalb - und da schließt sich der Kreis zu dem was ich vorher gesagt habe - ist gerade der Erhalt dieser kleinen Standorte wichtig. Nicht unbedingt in der heutigen Struktur, aber ich brauche sie als Anker der Versorgung. Ich glaube, es wird auch nicht der Weg sein, dass man spezielle Abteilungen in Größenordnungen für Demenzkranke einrichtet. Ich glaube, was wir brauchen ist eine Kompetenz, mit Demenzerkrankten umzugehen in allen Fachabteilungen der Krankenhäuser. Und wenn wir jetzt über die konzertierte Aktion _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/116 daher gehen und uns einzelne Versorgungsregionen anschauen, dann müssen wir dabei auch die Frage stellen: Und wie richten wir die Versorgung einer Region gezielt auf Demenzerkrankungen aus? Und da geht es nicht nur um die Kompetenz in den Krankenhäusern, es geht auch um die Kompetenz bei den niedergelassenen Ärzten und es geht auch um diese Kompetenz in der Familie, in dem sozialen Umfeld der Beteiligten. Vors. Martina Tegtmeier: Vielen Dank. Dr. Crusius. Dr. Andreas Crusius: Wenn Sie gestatten – ein direktes Beispiel: Ich hatte vor zwei Wochen aus einem Krankenhaus einen Patienten bei uns in der Universität. Wir waren als Klinik für Innere Medizin nicht in der Lage diesen frühkindl… Der Patient litt an einem frühkindlichen Hirnschaden, war völlig unstrukturiert, war nicht haltbar, lief überall rum, machte alle Türen auf. Das hat mir die Hausärztin vorher, aus der Nähe von Ribnitz, mitgeteilt, dann habe ich die Psychiatrie angerufen und habe den Patienten über die Psychiatrie zu diesen Endoskopischen Maßnahmen – weil der ist nicht zu bändigen, wenn ich das mal so sagen darf, was hart klingt. Aber vier Wochen vorher Psychiatrie, weil die haben mehr Pflegepersonal. Ich müsste andere Räumlichkeiten haben, die sicher sind, dass er nicht aus dem Fenster, oder wie auch immer. Ich muss mehr Pflegepersonal haben, damit sich einer kümmert. Der Herr Dr. Hunz aus dem Sozialministerium hat ja im vorherigen Jahr eine Tagung darüber gemacht „wie gehen wir mit Behinderten um“, körperlich und geistig Behinderten. Und das ist das Problem, ich brauche dort vielmehr Personal. Ich kann das natürlich an kleinen Häusern auch etablieren. Aber ich brauche ein, zwei Zimmer wo ich mehr Pflegepersonal habe, die sich dann rund um die Uhr dann um diesen Patienten kümmern. Das ging in diesem Fall, weil ich die Psychiatrie der Universitätsnervenklinik in Rostock mit eingebunden habe. Für zwei Untersuchungen war der Patient drei Tage da. Wenn man ein Zimmer gehabt hätte, hätte man das an einem Tag vielleicht machen können. Aber das ist das Problem und das ist bei geistiger Behinderung noch viel schlimmer als bei körperlicher Behinderung. Weil Sie können die ja nicht alle unter Drogen setzen, die Patienten, dass die völlig ruhig gestellt sind. Das ist ja unmenschlich, das ist unärztlich. Und wir brauchen das nicht nur in der Gerontopsychiatrie. Und deswegen haben wir im Geriatrie-Team der Landeskrankenhausplanung und wir haben in der Ärztekammer ein Stufenprogramm _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/117 der Qualifizierung auch der Hausärzte und der Ärzte anderer Gebiete. Wir haben also so einen ganz kleinen Geriater geschaffen, mit 60 Stunden, einen mit 120 Stunden und einen mit einer Zusatzbezeichnung, damit wenigstens basale Kenntnisse – Wer vor 20 Jahren seine Weiterbildung gemacht hat, da war Geriatrie kein Wort, die müssen wir alle da ran führen und deswegen haben wir so ein gestuftes Programm geschaffen. 60 Stunden Weiterbildung, 120 Stunden Weiterbildung. Das macht unsere Fachkommission mit Herrn Chefarzt Drach hier aus Schwerin und mit der Chefin aus dem Tessinum, was ja ein Bundesmodellprojekt war, Frau Kloth. Die machen das zusammen und das erfreut sich großer Beliebtheit, bedeutet aber, dass die Ärzte aus der Versorgung für diese 60 oder 120 Stunden rausgehen. Das findet überwiegend am Wochenende statt. Aber das ist ein richtig schwieriges Problem und das nimmt ja zu, weil auch diese Patienten viel älter werden aufgrund der guten Medizin. Die sind früher viel eher gestorben und heute, das ist wie die Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose, die sind früher mit 20 gestorben, die werden heute 50. Und insofern ändert sich das Spektrum vollständig. Vielen Dank. Vors. Martina Tegtmeier: Ich danke Ihnen. Als nächstes habe ich Herrn Schubert. (Abg. Bernd Schubert: Hier war noch eine Wortmeldung.) Vors. Martina Tegtmeier: Ach so, Sie wollten auch noch antworten. Bitte sehr, natürlich. Jürgen Stobbe: Kein Problem. Nur drei Sätze noch dazu: Demenzerkrankung, Palliativmedizin, Geriatrie sind die drei Schlüsselbegriffe, die wir in unseren Krankenhäusern - auch auf dem kleinen Krankenhaus im Land - zum Schwerpunkt der Zukunft machen müssen, alleine aus demografischen Gesichtspunkten. Wie Dr. Crusius ausgeführt hat, diese Arbeit kostet massiv Geld, weil wir mehr Personal brauchen, wir brauchen andere räumliche Bedingungen. Ich habe nebenher Altenpflegeheime, in denen deutlich wird, dass die bisherigen Baumöglichkeiten nicht nur Frage eines Raumes, sondern die Frage der Bewegungsabläufe, die bei Demenzkranken da sind - deutlich höhere Investitionen von uns verlangen, die bisher nicht refinanzierbar sind. Und das Dritte ist: Mehr Personal – wenn ich es denn _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/118 kriegen würde – braucht auch eine adäquate Bezahlung. Und da komme ich mit meinem kleinen Häuschen unmittelbar an einer Grenze zu Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein in eine Schere, die mir zunehmend mein Personal entzieht aufgrund nichtgleicher Entlohnung zwischen Mecklenburg-Vorpommern und den ehemaligen alten Bundesländern. Dieses Problem spitzt sich in unserer Situation derart zu, dass wir keinerlei Pflegevertretungen mehr für kurzfristige, Schwangerschaften oder Krankheitsausfälle generieren können. Die sind nicht mehr am Markt. Und dann noch Menschen in die Ausbildung zu schicken, die - völlig richtig von Herrn Dr. Crusius so gesagt - dem eigentlichen Arbeitsprozess in dem Augenblick der Ausbildung entzogen sind, verlangt von den Wenigen, die da sind, eine nochmalige zusätzliche Anstrengung, was das Personal bei uns schlicht nicht mehr leisten kann. Wir kommen in eine Spirale in diesem Augenblick, die uns aufgrund fehlender Finanzmittel in der Personalfinanzierung und der Umstrukturierung der Baumaßnahmen nicht zur Verfügung stehen. Vors. Martina Tegtmeier: Okay, Danke. Herr Schubert jetzt. Abg. Bernd Schubert: Ja, vielen Dank, Frau Vorsitzende, vielen Dank den Experten. Ich habe zwei Fragen an Frau Dr. Möhr und zwar: In Ihrem Fragenkatalog und den Antworten, gerade unter Frage 17, da habe ich noch mal ein bisschen Aufklärungsbedarf. Ich zitiere mal daraus: „Bei der Investitionsfinanzierung ist eine ausgewogenen Berücksichtigung aller Krankenhausträger wichtig. Diese kann jedoch nur umgesetzt werden, wenn auch im Rahmen der Krankenhausplanung eine ausgewogene Trägervielfalt durch die Krankenhausplaner sichergestellt wird. In Mecklenburg-Vorpommern ist das mit Anteilen privater Träger von stellenweise über 75 % nicht der Fall.“ Meinen Sie damit, wir haben zu viele Krankenhäuser privatisiert oder was sollte da zum Ausdruck kommen? Eine zweite Sache, da geht es noch mal um die Modellregion Vorpommern-Greifswald und dass diese Region eigentlich glücklich sein kann, dass sie die Uni-Medizin hat und dass man da einen Aufsichtsrat hat, wo der Staatssekretär die Belange der Uni-Medizin vertritt. Ich stelle die Frage und die stellen auch die Bürger vor Ort: Wie kann es passieren, wenn in der Regionalkonferenz von einer Schließung der Geriatrie in Anklam nicht berichtet worden ist? Dann fragt man sich: Was soll so eine Modellregion, wenn man dann vollendete Tatsachen schafft? Und insofern frage ich mich, ob man diese _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/119 Modellregion richtig gewählt hat. Ich weiß, wenn ich mir den Raum Rostock angucke, da gibt es eine gute Zusammenarbeit oder auch hier in Parchim-Schwerin. Aber gerade wenn Sie das ansprechen, hier „Modellregion Vorpommern-Greifswald“ glaube ich, ist das ein unrühmliches Beispiel. Können Sie das so bestätigen? Vors. Martina Tegtmeier: Frau Dr. Möhr. Dr. Anke-Britt Möhr: Ja, schönen Dank. Die Anfragen beantworte ich gern. Also Tatsache ist, dass Mecklenburg-Vorpommern das Land mit dem größten Anteil an privaten Kliniken ist. Und wenn Sie sich das mal anschauen, dann haben wir die Betten in Privatkliniken vor allem im Osten und im Westen und in der Mitte haben Sie so ein Stückchen mehr kommunalen Bereich. Was wir mit diesen Anmerkungen vor allem deutlich machen wollten: Wir haben hier eine besondere Verteilung der Träger und das Gesetz fordert eine Trägervielfalt. Aber egal wie die Häuser jetzt aufgestellt sind, an der Versorgung sind sie alle beteiligt und folglich muss ich für alle Häuser die Investitionsfinanzierung sicherstellen. Und deshalb tue ich mich immer schwer mit Fragen: Erhalten private Träger zu viel Investitionsmittel? So kann man die Frage einfach nicht stellen. Wir haben hier eine besondere Situation. Aber Botschaft sollte sein: Alle sind sie zu berücksichtigen. Beantwortet das die Frage? Ja, okay. Die nächste Frage – Modellregion Vorpommern-Greifswald – damit laufen Sie bei mir total offene Türen ein. Mein persönlicher Wunsch war eine andere Region, aber ich war nicht der Entscheider. Nichtsdestotrotz, auch hier gilt: Wir müssen uns um alle Regionen kümmern und wir müssen irgendwo anfangen. Also, insofern gibt es nicht unbedingt ein „Richtig“ oder „Falsch“. Wir haben eine Regionalkonferenz und hinterher ereilt uns die Schließung in Anklam. Die Krankenhausplanungsbeteiligten sind in Mecklenburg-Vorpommern in der Diskussion, wie man die pädiatrische Versorgung in dieser Region sicherstellen kann. Dazu gibt es am 20. Oktober auch einen Termin mit den Planungsbeteiligten und den Krankenhäusern Greifswald, Wolgast und Anklam. Völlig losgelöst von diesem Vorgehen. Da soll also ein Workshop, eine Abstimmung stattfinden „Wie wollen wir das Problem der Versorgung an dieser Stelle alle gemeinsam lösen?“ und da schlägt uns natürlich der Rückzug von Greifswald rein. Ich glaube, man kann es hier nicht ausdiskutieren, aber ich bin nach wie vor zutiefst davon überzeugt und rechtlich ist es untersetzt: Ich kann nicht als Krankenhaus daher gehen und einfach einen Versorgungsauftrag zurückgeben. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/120 Und ich glaube, das ist eine Frage die wir noch weiter diskutieren müssen. Und am 20.10. werden wir uns aber dieser Frage zuwenden und es liegen verschiedene Konzepte auf dem Tisch, die ergebnisoffen diskutiert werden sollen. Vors. Martina Tegtmeier: Ja, vielen Dank. Zumindest zum ersten Punkt wollte Herr Gagzow auch noch was sagen, bitte. Immer der Reihe nach. Wolfgang Gagzow: Ich hätte gerne, wenn ich darf, zu beiden Punkten etwas gesagt. Also, es ist auffällig, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern überdurchschnittlich viele private Krankenhausträger haben. Bundesweit haben wir, glaube ich, die Spitze inne und wenn man die wirtschaftliche Kraft dahinter noch mal ansieht, stellt man fest, dass es bei uns nicht die kleinen Krankenhäuser sind, die privatisiert sind - wie in vielen anderen Ländern -, sondern ausgerechnet sehr viele Große. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass das hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung auffällig ist. Die Krankenhausgesellschaft ist Repräsentant aller Krankenhäuser. Und wir sind so gestrickt, seit 25 Jahren, seit wir gegründet wurden, dass alle Trägerstrukturen adäquat vertreten sind in allen Gremien bei uns und man stellt bei uns in Vorstandsberatungen nicht fest anhand der jeweils redenden Person, zu welchem Trägerkreis er gehört. Das muss ich so sagen. Das ist wirklich eine Arbeitsweise in Mecklenburg-Vorpommern der Abstimmung untereinander und des Arbeitens untereinander, die von der Eignung der Persönlichkeiten geprägt ist und nicht von seiner Trägerzugehörigkeit. So dass, wenn man sagen will „der ist mehr oder weniger geeignet“, man dass nicht am Träger festmachen kann, überhaupt nicht. Dass man vielleicht sagen kann, ob der eine oder andere Landrat oder Oberbürgermeister nicht sein Krankenhaus hätte behalten sollen, ist eine andere Geschichte. Aber die ist entschieden und gut so. Und vor wenigen Tagen erst hatte ich die Gelegenheit, in diesem Hause vor der Landespressekonferenz gemeinsam mit dem Verdi.-Chef Herrn Küchler aufzutreten und er sagte dort in die Kamera: „Und Helios zahlt am meisten.“ Also, vollen, normalen öffentlichen Tarif. Ich würde eine Diskriminierung der privaten Träger als die, die profitorientiert arbeiten, vordergründig gesehen, ablehnen wollen, sehe ich so nicht. Zum zweiten Punkt: Ich glaube, dass wir die vorpommersche Region gut gewählt haben, als Lupenregion zum Betrachten. Denn ich gehe davon aus, dass die Entwicklung die wir dort erleben, mit der Auswahl dieser Region nichts zu tun hat. Die wäre eh passiert und dann ist es ganz gut, wenn _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/121 man schon mal sich darauf fokussiert hat. Das ist eine Region, die hinsichtlich der Migration der Bevölkerung einer besonderen Belastung ausgesetzt ist, Zuzug der jungen Generation, in besonderer Weise, sodass dort manche Leistungsbereiche schlicht infrage gestellt werden, weil niemand da ist, der sie in Anspruch nimmt und auch niemand da ist, der sie dann betreiben will und/oder kann. Das ist einfach so und insofern sind wir gut beraten, wenn wir darauf achten, das nicht sich selbst zu überlassen, sondern es begleiten. Dass nicht in jeder Runde alles immer gesagt werden kann und soll, das ist, glaube ich, auch etwas was man hinnehmen muss. Viele von Ihnen wissen, dass ich selbst 10 Jahre lang ein Krankenhaus geleitet habe und als man öffentlich darüber sprach, dass es wohl nicht mehr lange bleiben würde, dann verließen die Ratten verlassen das sinkende Schiff, wie man so schön salopp sagt, und insofern ist mit der Informationspolitik fair, ehrlich aber auch vorsichtig umzugehen. Das halte ich auch an der Stelle für beachtlich und für notwendig. Und wir haben das Thema auch schon mehrfach angesprochen. Auch in der EnqueteKommission ist es thematisiert worden durch ein Gutachten, dem ich nicht so sehr nachhänge, aber an einer Stelle schon: Wir brauchen regionale Versorgungsstrukturen. Und das sage ich ganz konkret dazu: mit dem akut stationären Krankenhaus als unverzichtbaren Kern. Und da lassen Sie uns alle Möglichkeiten suchen, wie wir diesen Kern am Leben erhalten, wie wir ihn aufwerten. Wir brauchen ihn, und er muss funktional bleiben. Ich kann nicht beliebig sagen: Das und das schneide ich alles weg, weil das kann ja konzentriert werden. Wenn ich sehe, dass der Rest dann nicht mehr haltbar ist, da haben wir uns auch keinen guten Dienst erwiesen. Danke. Vors. Martina Tegtmeier: Herr Dr. Crusius. Dr. Andreas Crusius: Ich kann anschließen an den letzten Satz von Herrn Gagzow: Dazu ist es dann aber auch notwendig, mit den Strukturen aus dem ambulanten Bereich eine Ermächtigung der noch vorhandenen Krankenhausärzte zu erwirken, damit diese dann auch ambulant arbeiten dürfen und keine Closed Shop-Politik gemacht wird. Ich wollte zu Anklam noch einen Satz sagen: Wir sind auch überrascht, wir haben es aus der Zeitung erfahren. Ich habe dann in Anklam angerufen und habe gefragt: „Wie wollen Sie jetzt Ihre Geburten weiter machen?“ Also da war dann jemand, der mich gerade so verstehen konnte, der sagte: „Ich nicht _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/122 wissen, Chef nicht da.“ Weil wir haben ja in Mecklenburg-Vorpommern hohe Qualitätsansprüche, dass wir gesagt haben: Wir machen Geburtshilfe nur noch da wo eine Pädiatrie ist. Wir haben noch zwei Altausnahmen, zwei Altschulden sozusagen: Neustrelitz, wo aber Kinderärzte vorhanden sind. Wir hatten das in Ribnitz auch, in Ribnitz sind die Niedergelassenen gezwungen worden am KV-Dienst teilzunehmen. Dann haben die gesagt: Wenn wir noch 4 KV-Dienste machen müssen, machen wir keine 15 Pädiatrie-Dienste im Krankenhaus. Dann war Ribnitz tot, die Geburtshilfe und die Pädiatrie, und wir haben noch Crivitz als Altlast, wenn ich das mal so sagen darf. Aber wir wollen keine neuen Altlasten schaffen und deswegen werden wir sehen, was da passiert. Ich meine, Greifswald hat sich ja den Sicherstellungsauftrag für Anklam selbst geholt für die Pädiatrie, genau nur für die Pädiatrie. Und den kann ich nicht einfach zurückgeben und kann dann sagen: Ach wir machen das mal, vielleicht machen wir es in Wolgast zu oder wie auch immer. Wir sind auch Urlaubsland Nummer Eins und das muss man an der Stelle auch berücksichtigen. Man kann nicht entweder/oder. Das geht, glaube ich, in der Fläche nicht, zumal die Verkehrswege um Anklam herum etwas kompliziert sind durch die Flüsse, die man mit Brücken überwinden muss. Herr Schubert kennt die Region inund auswendig, da brauche ich nichts zu sagen. Vielen Dank. Vors. Martina Tegtmeier: Dann Frau Kappich dazu. Gudrun Kappich: Also ich halte mich aus Greifswald gerade raus und aus Anklam. Aber zur Privatisierung darf ich vielleicht anders als die Krankenhausgesellschaft sagen: Nein, ich finde es auch skandalös, dass es Krankenhäuser gibt, die einen Gewinn erwirtschaften und das Aktionären in die Tasche stecken. Mit welchem Geld auch immer irgendwas gekauft wurde, das entzieht sich manchmal unserer Kenntnis, manchmal wissen wir, dass es 1 € war. Aber ich sage mal so, das will ich einfach mal für die Gemeinnützigen sagen: Also, bei uns würde kein einziger € an die Kirche gehen oder an die Diakonie, sondern es bleibt im Haus. Und deshalb können wir uns die Personalbesetzung die wir haben auch leisten, weil wir eben keine Rendite abgeben. Und ich halte auch mal dagegen, gut, jetzt kann ich wirklich nur für mein Krankenhaus sprechen: Wir haben seit Jahren eine stabile Fallzahlentwicklung, wir haben diesen Run auf die großen Fallzahlentwicklungen nicht mit gemacht. Unsere Ärzte haben keinen Zettel in der Kitteltasche – manche fragen mal danach und _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/123 sagen: „Was lohnt sich eigentlich, Frau Kappich, was sollen wir denn ein bisschen mehr machen?“ Das halte ich für einfach verfehlt. Und darauf, glaube ich, sollten wir uns wieder besinnen, dass wir Investitionen dort fördern, wo dieser Anspruch auch noch da ist. Und wie gesagt: Verschonen Sie uns und bringen Sie uns nicht noch ein Bürokratiegesetz. Es ist uns versprochen worden, dieses Krankenhausstrukturgesetz sollte eigentlich Entbürokratisierung bringen. Ich sehe da nichts drin, was dazu geführt hätte. Also wie gesagt, das ist so eine Klage, die Sie vielleicht auch als Politiker mitnehmen sollten und sagen sollten: „Ja, jetzt ist sie da, private Krankenhäuser werden wirklich nur, wenn es gar nicht mehr geht, ihr Krankenhaus zurückgeben. Aber dann fällt es auch an uns zurück, an den Staat, dann sind wir auch dafür zuständig, die Kommune ist dafür zuständig.“ Das sollte man einfach auch so berücksichtigen. Ansonsten schließe ich mich da der Meinung von Frau Möhr an, habe ich auch gesagt: Das ist ein bisschen investigativ, wenn sie fragen: „Sollen die einen mehr kriegen als die anderen?“ Wer einen Versorgungsauftrag hat, hat Anspruch auf Fördermittel. Das ist gesetzlich geregelt und das sollten wir auch nicht kippen. Vors. Martina Tegtmeier: Ja, Danke. Die nächsten Fragen kommen jetzt von Herrn Koplin. Abg. Torsten Koplin: Danke schön, Frau Vorsitzende und ich schließe mich gerne dem Dank an unsere Expertinnen und Experten an. Zunächst einmal drei Fragen bzw. Fragekomplexe. Die erste Frage an Frau Dr. Möhr bzw. alle die sich dazu berufen fühlen. Wir haben ja Bezug genommen auf das Versorgungsstrukturgesetz und haben gesagt, Mittel daraus können wir im Land in Anspruch nehmen, wenn wir selber den Nachweis erbringen, dass wir mit Blick auf die letzten 3 Jahre unsere Förderung nicht absenken. Nun habe ich schnell mal rumgerechnet. Wir müssten, weil wir ja unsere Pauschalförderung verstetigt haben, die Einzelförderung tendenziell sinkt, müssten wir mit Blick auf eben diese 3 Jahre etwa 3,7, knapp 4 Millionen € zusätzlich aufbringen, um an diese Mittel heran zu kommen. Und nun ist meine Frage die: Wie gehen andere Länder damit um, können Sie etwas dazu sagen? Ich habe aus Ihren Ausführungen und diesem Konstrukt entnommen, dass wir unter Umständen so einen Versorgungsstrukturfond auflegen müssten temporär. Also, machen das andere Länder? Wenn ja, gibt es da so einen Zeithorizont, wie die _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/124 damit umgehen, damit uns nicht Geld durch die Lappen geht? Weil allen Stellungnahmen, die wir bekommen haben, auch derjenigen die heute nicht hier sein können, haben deutlich gemacht: Die Mittel reichen nicht. Nun wissen wir auch um unsere Leistungsfähigkeit und unsere Möglichkeiten und müssen schauen, wie kriegen wir das so zusammenkonstruiert, dass wir nachhaltig die Strukturen sichern und sie uns nicht kaputt gehen. Auch unter dem Aspekt, das wäre der nächste Punkt, dass wir jetzt überlegen müssen, wie wir mit den sich hier vollziehenden Veränderungen umgehen. Die will ich jetzt nicht noch mal referieren. Ich nehme mal den Ausgangspunkt in der AOK-Stellungnahme, die ist ja mit tollen Schlagworten formuliert worden: „Krankenhausstandorte erhalten, Leistungen konzentrieren.“ Und jetzt hat Herr Kollege Schubert ja mal ein Beispiel genannt und ich habe die Vermutung, dass dieses Beispiel ein Pilotbeispiel dafür sein wird, das wird uns jetzt ganz oft passieren, dass einzelne Abteilungen, einzelne Leistungen in den Regionen wegzubrechen drohen oder wegbrechen und dann geht das Geschreie los, verständlicherweise. Und nun gibt es hier mehrfach formuliert, sowohl schriftlich als auch vorgetragen, die Überlegung: Wir erhalten die Standorte, konzentrieren die Leistungen, heißt unter Umständen bauen Leistungen ab. Herr Crusius sagte vorhin: „Die Akteure, die Krankenhäuser müssen miteinander reden.“ Aber mit Reden alleine ist es ja nicht getan. Also wenn ich mir jetzt vorstelle, ich hätte da Verantwortung als Geschäftsführer und Leistungsspektrum, stehe und vor gehe der in Frage, einem gehe ich runter Aushandlungsprozess mit dem in einer Versorgungsregion auch davon ab und sage: „Wegen meiner, kann Frau Kappich besser machen, das geben wir ab. Aber dann leidet ja unsere Wirtschaftlichkeit drunter.“ Gibt es Vorstellungen – das ist jetzt die Frage, habe ich alles hergeleitet Gibt es Vorstellungen darüber, wie man im Falle von Leistungskonzentration und Leistungsverlagerung Kompensationen zahlt, damit man die Standorte erhält, auch wenn die Leistungen dann nicht mehr erbracht werden, die Wirtschaftlichkeit nicht mehr dargestellt werden kann? Und die dritte Frage, die ich habe, da hat mich der Vortrag von Frau Kappich, bzw. das wäre, was sie hier vorgelegt haben, auch drauf gebracht: Sie haben ja beschrieben, Frau Kappich, wie Sie in Neubrandenburg umgegangen sind mit den geriatrischen Stationen, Tageskliniken, was Sie alles gemacht haben. Das hat ja letztendlich auch Euro und Cent gekostet. Können Sie etwas über die Dimension sagen? Weil zu den Einzelfördermitteln haben wir in unseren Unterlagen gefunden, wie hoch der Gesamtbedarf im Land abschätzbarer _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/125 Weise ist. Da hat Herr Gagzow uns was zu aufgeschrieben, zur Pauschalförderung nicht. Wenn Herr Stobbe vorhin sagte: Wir haben wirklich im hohen Maße Umstrukturierungsbedarfe und auch bauliche Maßnahmen vor der Brust. Dann müssen wir ja darüber reden. Über welche Dimensionen reden wir dann da eigentlich, damit wir mal abschätzen können, was ist da erforderlich? Ja, das war jetzt lange hergeleitet, aber drei Komplexe, vielleicht kann etwas dazu gesagt werden. Vors. Martina Tegtmeier: Genau, dann fangen wir mit Frau Dr. Möhr an mit den ersten Fragen, bitte sehr. Dr. Anke-Britt Möhr: Ja, ich fange mal an mit Ihrer Frage zu den Investitionen. Tatsache ist, ich muss den Durchschnitt – wie ich vorhin sagte – 2012/ 2013/ 2014 nehmen und den muss ich erst einmal als Land finanzieren. Sie sagten ein Delta von 3 bis 4 Millionen, ich war auf ein bisschen mehr gekommen. Auf jeden Fall, wir haben dort ein größeres Delta. Wie gehen andere Länder damit um? Besonders betroffen, also, die Länder stehen vor vergleichbaren Situationen. Die Diskussionen laufen im Moment. Im besonderen Maße betroffen von dieser Situation sind die Ostländer, aus dem einfachen Grunde, weil bis Ende 2014 im Osten noch nach dem Gesundheitsstrukturgesetz die Artikel 14-Gelder finanziert werden. Wenn ich die Zahl jetzt richtig im Kopf habe, macht das in Mecklenburg-Vorpommern 17 Millionen aus, die es ab 01.01.2015 nicht mehr gibt. Das heißt, die Ostländer und ein halbes Berlin – sage ich immer dazu – müssen also dieses Delta erst einmal schließen. Und dann gab es eine Initiative aus Brandenburg, also, wir sind natürlich auf die Länder, die wir als AOK-Nordost haben, zugegangen. Da gab es eine Initiative aus Brandenburg, die gesagt hat: Mensch, müssen wir hier nicht eine besondere Regelung für die Ostländer finden? Die wurde aber von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe nicht aufgegriffen und es sieht im Moment auch nicht so aus, als würde das noch aufgegriffen werden. Noch mal, ich gehe jetzt noch mal ganz kurz auf Ihre dritte Frage ein, weil die dazu passt: Über welche Dimensionen reden wir eigentlich? Ich glaube, wir müssen uns eines noch mal bewusst machen, eine Investitionsquote – Herr Gagzow war vorhin bei 8 %, bei 125 Millionen, 10 % sind 155 Millionen – die wir in Mecklenburg-Vorpommern für die Reinvestitionen bräuchten. De facto werden 52 Millionen zur Verfügung stehen. Wir haben also eine Lücke von Pi mal Daumen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/126 100 Millionen. Wenn ich die Zahl von Herrn Gagzow nehme etwas niedriger. Aber die haben wir nicht nur einmal, die haben wir jedes Jahr. So und deshalb spreche ich auch immer wieder und damit komme ich zu unserem nächsten Punkt: Wie kriegen wir das jetzt hin? Tatsache ist, ich glaube nicht, dass die Krankenhäuser nur das investieren, was sie vom Land kriegen. Die sind zwangsläufig gezwungen – und wir haben vorhin beide mal als Beispiel die PCI, die Herzkatheter genannt – die Häuser erbringen hochwertige Leistungen, um das Geld rein zu kriegen. Sie gehen in die Menge und damit haben sie auch Geld, um die Investitionen quer zu finanzieren. Das ist kein guter Weg, aber in diesem Punkt kann ich das Agieren der Krankenhäuser sogar noch nachvollziehen, obwohl es natürlich aus Patientensicht eine Katastrophe ist. So, jetzt stellten Sie die Frage: Wie kann denn das gehen? Einerseits wollen Sie die Standorte behalten, aber Sie wollen auch konzentrieren? Wir hatten, glaube ich, in unseren Unterlagen verschiedene Modelle reingenommen. Ich mache mal ein ganz simples Beispiel: Sie haben zwei kleinere Häuser, die haben vielleicht eine Innere, die haben eine Chirurgie, haben beide eine Pädiatrie und eine geriatrische Versorgung. So. Jetzt muss man einfach darüber nachdenken, was – oder sagen wir mal kardiologische Versorgung, da wird es vielleicht noch ein bisschen nachvollziehbarer – Jetzt muss man überlegen, welches Leistungsspektrum kann man rauslösen und wie verteilen? Und Tatsache ist: Die Wege für den Patienten werden nicht – für hochspezialisierte Leistungen schon, aber ich sage mal, für die normalen Leistungen, die werden nicht kürzer werden. Wir werden zum Teil auch längere Wege haben. Aber wir müssen uns überlegen, wo wir welche Leistungen konzentrieren und dann müssen wir immer den Fokus auf die Infrastruktur haben, denn der Patient muss die Häuser auch erreichen können. Und wenn das nicht mehr funktioniert, kann es nicht sein, dass der Arzt zum Patienten fährt - nämlich Fachkräftemangel, werden wir gar nicht hinkriegen – sondern dann brauchen wir meinetwegen Patientenshuttle und und und. Und darüber müssen wir uns Gedanken machen. Und deshalb wird der einzelne Geschäftsführer, der solche Entscheidungen treffen muss, der kommt in ein verdammtes Dilemma. Denn wenn er sein Haus ordnen will, dann muss er immer umliegende Häuser mit in den Fokus nehmen. Und deshalb sage ich: Und hier darf sich das Land aus seiner Verantwortung nicht zurückziehen. Und wenn ich an dieses HGC-Gutachten denke, das Land kriegt das schon nicht in den Griff und jetzt delegiere ich das mal schnell an die Kommunen, die auch keine Fachkräfte für solche Aufgaben haben, die auch kein Geld haben und die _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/127 sollen es denn mal richten. Das wird nicht funktionieren. Es ist eine Aufgabe des Landes zusammen mit den Planungsbeteiligten. Vielleicht, was noch wichtig ist: Wenn man sich den Krankenhaus-Rating-Report anguckt und sich mal die Wirtschaftlichkeit kleiner Häuser betrachtet, dann kommt immer wieder die Botschaft: Leute, Häuser, konzentriert euch auf zwei, maximal drei Fachabteilungen. Das sind die kleinen Häuser, denen es finanziell deutlich besser geht, als kleinen Häusern mit fünf, sechs, sieben Fachabteilungen. Vors. Martina Tegtmeier: Ja, vielen Dank. Frau Kappich, Sie waren auch direkt angesprochen. Gudrun Kappich: Ich kann jetzt keine Aussage machen, was wir für Geriatrie und diese Dinge genau investiert haben. Wir haben keine Fördermittel gekriegt, das sind keine Maßnahmen gewesen. Ich kann nur so viel sagen, dass wir um unsere geriatrische Tagesklinik ziemlich gekämpft haben mit den Kassen, die diesen Bedarf null gesehen haben. In zwei Budget-Verhandlungen bin ich zu keinem Ergebnis gekommen, jedenfalls zu keinem, mit dem man Patienten behandeln kann. Ich hätte es schon machen dürfen, wenn ich Geld mitbringen wollte, um das dann auch zu tun. Letztlich haben wir uns dann geeinigt. Und ich glaube es ist einfach ein gutes Angebot, dass das Stationäre auch ergänzt. Wir machen jedenfalls gute Erfahrungen damit. Ich denke, in Schwerin wird die jetzt relativ problemlos dann auch gemacht. Ich sage mal so: Die erste Palliativstation des Landes war 1993 bei uns, ich darf für uns sagen, sogar im Osten Deutschlands. Weil wir wirklich bei uns, unserem ärztlichen Direktor, dem war das einfach ein Herzensanliegen. Wir sind da sofort eingestiegen und haben es auch zu einer Zeit gemacht, als es nicht bezahlt wurde, es wurde wirklich nicht bezahlt. Es war eine normale Krankenhausleistung wie alles andere und wir haben uns eine Station geleistet mit zehn Betten, wo wir gesagt haben: Es ist unwürdig, Patienten in einem Dreibettzimmer ihren letzten Weg gehen zu lassen. Ich glaube, das machen wir auch wirklich gut. In der ambulanten Palliativmedizin sind wir genauso gut aufgestellt. Inzwischen ist es schick und alle haben eine Palliativabteilung, sage ich mal so. Inzwischen wird es auch bezahlt, anerkannt. Aber wenn wir noch mal so darauf zurückkommen: Der demente Patient, der eine Blinddarmoperation hat, kriegt sie genauso bezahlt wie der, der keine Demenz hat. Und der Aufwand ist ungleich höher. Wir müssen für diese Patienten _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/128 entweder den Angehörigen mit aufnehmen. Dann wird ein Zimmer blockiert von ihm und seinem Angehörigen. Unsere Zimmer sind gefördert worden für die Betten, die wir haben und nicht für Begleitpersonen. Dann funktioniert das ganz gut, wenn sie eine vertraute Person mitnehmen können. Wenn sie die nicht mitnehmen können, dann müssen wir eine Schwester abstellen, die nachts dableibt und aufpasst. Ich habe das vorhin gerade – Herr Koplin kommt ja aus Neubrandenburg – weil ich gesagt habe, wir haben gerade jemanden auf Station gehabt in einer Abteilung, der hat sich in jedes Bett gelegt, was frei war, einfach reingelegt. Und dann haben sie dem einen Vogel an die Tür gemacht und haben gesagt: „Da wo der Vogel dran hängt, da müssen Sie reingehen.“ Und dann hat er einen klaren Moment und sagt: „Wieso sagt Ihr jetzt, dass ich einen Vogel habe oder was wollt Ihr mir jetzt sagen?“ Ich meine ja nur so: Darauf muss man auch eingerichtet sein. Und ich halte es für falsch, wenn wir denken: Die passen doch gut bei 30 Patienten noch gut mit auf den Flur, den packen wir mal in ein Bett. Den beiden Mitpatienten erklären Sie mal die Situation mal: Der fängt nachts an zu laufen, dann geht der auf den Flur. Und wir brauchten wirklich auch baulich die Strukturen, die wir gar nicht haben. Einen breiteren Flur, wo die einfach bei Licht da ein bisschen hin und her laufen können, ohne dass sie weg können. Aber wir können sie auch nicht einsperren, das sind ja Persönlichkeiten. Mir ist auch ganz wichtig, ich habe gerade mit jemanden gesprochen, der dann auch gesagt hat: „Naja, die werden wieder zu Kindern.“ Nein, sie werden nicht zu Kindern. Demente Patienten haben keine Aussicht, dass irgendwas noch mal gut wird. Bei Kindern wissen wir, wenn wir die auf den Weg bringen: Das wird gut. Das ist eine ganz andere Ausgangslage. Und ich finde, wir sollten immer berücksichtigen, dass diesen Patienten, die dieses Schicksal haben, dass ihnen das auch bewusst wird zwischendurch, dass sie das wissen. Wenn wir mit ihnen umgehen und eine Frau einfach mal Omi nennen, die wir gar nicht kennen – das gehört sich nicht. Und da muss man wirklich gut dran bleiben beim Personal und sagen: Mit Zuwendung und so, wie du selbst behandelt werden willst, so musst du das jetzt auch machen. So wie du willst dass deine Mutter - ich sage immer unseren Mitarbeitern: Der liebste Mensch der Ihnen einfällt, so müssen Sie das machen. Auch wenn es schwer fällt und der ein bisschen renitent ist, der kann ja auch gar nichts dafür. Das muss man auch einfach berücksichtigen. Und ich glaube, dafür fehlt einem manchmal schon auch die Kraft und die Überzeugung, dass jedem auch näher zu bringen, dass er dann verstehen muss, dass das und das eben alles _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/129 gar nicht geht. Das ist schwierig. Also wie gesagt, ich weiß, dass wir da den Spagat machen. Ich versuche, die Mittel, die wir aus dem Eigenen nehmen, schon irgendwie auch zum Jahresende mit der Buchhaltung gemeinsam mal darzustellen und zu sagen: Haben wir jetzt Mittel aus dem Krankenhausbereich genommen? Weil das immer einfach mal so lax hingesagt wird, dass das so ist. Nein, wir haben auch Einnahmen, wenn wir Privatpatienten haben. Es ist ein Witz, es ist 1 % unseres Umsatzes. Das ist in jedem Westkrankenhaus ganz anders. Da gibt es andere Strukturen. Ich möchte Herrn Kohl nicht, ja ich habe 10 % reingeschrieben in meine Stellungnahme, weil ich einfach nicht so hoch stapeln wollte. Aber ich habe schon gesagt, Professor Ernst war in Frankfurt, kam wieder und hat gesagt: „20 % Privatpatienten. Da kaufen die sich ein MRT und fragen euch gar nicht.“ Das können die sich einfach leisten dann. Aber das ist einfach nicht so da. Wir werden viel kritisiert, dass die Parkplätze bei uns in Neubrandenburg was kosten. Ich stecke dieses Geld wirklich auch aus Überzeugung, dass wir – Das, was wir einnehmen, steck ich in die Instandhaltung dieser Parkplätze und in die Schaffung vernünftiger befestigter Struktur. Damit man eben nicht irgendwie in welche Schweinekuhlen fahren muss und sich da die Autos kaputt fährt. Aber ich nehme das dafür. Aber ich finde es ist schwer, Ärzten zu erklären, „Ich kaufe Euch kein Ultraschallgerät, weil wir noch 10 Parkplätze brauchen. Weil alle hier auf dem Gelände unbedingt am besten noch vor der Haustür parken wollen.“ Die Idee ist ja das Drive-In-Krankenhaus, die ich habe, dass man am besten zulässt, dass die Autos bis auf die Station fahren und mal eben am Fenster was abgeben. Das kann man natürlich nicht erfüllen, aber Sie müssen einfach- Ich finde, wir sind schon kreativ in der Überlegung „was kann man wie machen und wie geht das“. Aber ich sage mal, Fördermittel für den Bau von Parkplätzen, das glauben Sie doch wohl nicht im Ernst. Die hat kein Haus mehr in diesem Land. Egal, ob privat oder nicht privat. Das denke ich, ist schon schwierig. Aber ich lege schon Wert darauf, dass wir das Geld auch wieder in unser Krankenhaus reinstecken. Und deshalb finde ich den Vorschlag gut. Ob er zündet? Das würde ich uns wünschen, dass man das Geld, das man verdient, auch wieder im Haus lassen muss. Vors. Martina Tegtmeier: Danke, fühlt sich für diese Fragen jetzt noch jemand - Herr Dr. Crusius. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/130 Dr. Andreas Crusius: Sie hatten um Beispiele gebeten, wie man das strukturieren kann. Ich nenne Ihnen hier mal das Beispiel des Krankenhauses Teterow. Der Geschäftsführer hat mich neulich angesprochen und gefragt: „Crusius, wann lassen Sie endlich Ihre Qualitätsrichtlinie Herzkatheter fallen?“ Ich sage: „Wieso soll ich die fallen lassen? Die haben wir ja gemeinsam mit allen Kardiologen in der Krankenhausplanung gemacht.“ „Ja, ich will in Teterow auch einen Herzkatheter aufmachen.“ Ich sage: „Vier Kardiologen“ - 5, die alle Herzkatheter machen können – „dann können Sie einen aufmachen.“ Die Qualitätsrichtlinie wird never, never fallen. Nur über die Qualität können wir es kriegen, dass man sich zusammentut. Denn wir haben 19 km entfernt von Teterow zwei Herzkatheter-Arbeitsplätze in Güstrow und wir haben in Rostock mittlerweile, glaube ich, fünf oder sechs. Also das reicht. Und das ist ja das, ich spreche jetzt mal die Region an, die hier mit am Tisch sitzt. Wenn die Mannschaft aus Ludwigslust nicht nach Parchim gegangen wäre, hätten wir eine Struktur weniger. Wir haben jetzt in Ludwigslust und 20 km daneben in Parchim auch noch einen Herzkatheter. Die Mannschaft ist ja komplett da übergesiedelt und jetzt haben wir an zwei Standorten- Jetzt macht HELIOS nicht nur in Schwerin die hohen Zahlen, sondern wir haben ja vorhin die Zahlen gesehen aus dem Report und auch den Qualitätsausgang und deswegen muss man die Indikation überprüfen. Das ist meine feste Überzeugung. Aber ich will Ihnen auch noch ein Negativbeispiel sagen. Diese Mindestmengen. Zu mir kam das Krankenhaus Bergen. „Herr Crusius, wir haben nur 45 Hüften, nee, Knie. Knieoperationen. 50 brauchen Sie nach Mindestmenge.“ Sie kriegt die 50 nicht. Weil die Niedergelassenen, die in Bergen am Krankenhaus sitzen, zufällig verheiratet sind mit den drei Ärzten, die in Stralsund zusammen das Chefarztgremium bilden. Und die sind Orthopäden und Unfallchirurgen. Und die sagen: „Alles von Rügen zu uns nach Stralsund.“ Aber das bedeutet für die alten Menschen, dass sie weite Wege machen müssen. Die Angehörigen wollen sie ja besuchen nach so einer Hüft- oder Knieoperation und da muss man eigentlich eingreifen. Wenn ein Krankenhaus in eine - Gut, wir haben die freie Arztwahl, aber das ist ja Zuweisung gegen Entgelt, hätte ich jetzt fast gesagt, wenn man sagt „Sie müssen sich aber bei meinem Mann operieren lassen“ oder „Sie müssen zu mir in die Klinik kommen.“ Das ist ein Riesenproblem und das müssen wir anfassen. Und wir müssen die Indikation wirklich überprüfen. Das geht nur über die Qualität, dass man sagt, Teterow könnte ja zum Beispiel Gastroenterologie machen in der Inneren oder Diabetologie. Die haben eine Diabetologin, dann müssen die sich _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/131 darauf spezialisieren und Güstrow macht die Herzen. Man kann zusammen arbeiten auch bei verschiedenen Trägern, man muss es aber nur wollen. Und da das Geld im Krankenhaus regiert, ist es ein Problem. Aber Neubrandenburg ist ein Musterhaus, muss ich sagen. Vors. Martina Tegtmeier: Ja, bitte keine Zwiegespräche, okay? Gut. So jetzt habe ich Frau Gajek, bitte. Abg. Silke Gajek: Ja, danke und Danke auch für die vielfältigen Informationen. Ich habe jetzt noch einige Fragen und würde auch ganz gerne noch mal mit dieser Versorgungsstruktur anfangen. Frau Möhr, Sie haben ja vorhin gesagt, ich glaube Sie waren das, dass wir ja diesen Fachkräftemangel haben. Also dass es ja die 180 Ärztinnen und Ärzte gibt, wichtig wäre auch, glaube ich, tatsächlich noch mal im Pflegepersonal und in den Bereichen, die noch dazu gehören, die auch noch mal mit zu nennen. Weil Ärzte sind, glaube ich, ohne Pflegepersonal, weiß ich nicht, ob sie dann die Qualität so bringen. Und ich finde einfach, für multifunktionale Teams, wofür wir uns ja aussprechen und ich glaube das ist auch so ein Ergebnis, hoffentlich der Enquete-Kommission, dass das perspektivisch da ist. Also vielleicht können Sie da nachher noch mal ein paar Zahlen sagen. Vielleicht auch, ich denke auch, dass es da noch mal regionale Unterschiede gibt. Zu dem Fachkräfteproblem: Ich war ja auch im Sommer in der Hagenower Geburtsstation und auch in Crivitz. Und da ist beispielsweise gesagt worden, dass es beispielsweise bei der Ausbildung von Hebammen, dadurch, dass es auch solche Mindestgrößen gibt, eine Ausbildung nicht möglich ist. Also die Frage ist: Können Sie das bestätigen? Und das Zweite: Was müsste man machen? Ich weiß, dass wir heute über den Doppelhaushalt diskutieren. Aber ich halte einfach, wenn wir darüber reden, wie soll perspektivisch hier eine medizinische Versorgung stattfinden, das für etwas ganz Wichtiges und insbesondere eben auch noch mal, wenn ich das gesamte Land sehe, so mag das ja nicht nur in Hagenow und in Crivitz so sein. Also das wäre noch mal eine Frage: Was muss es da für Veränderungen geben? Das Zweite ist nochmal auf die Versorgungsstruktur. Vorhin wurde ja gesagt, dass man sich, Frau Möhr war das, Sie fordern eine Entscheidung zur Strukturveränderung. Das hab ich doch vorhin korrekt gehört und wenn ich jetzt richtig zugehört habe auch, dass Sie sich eine Steuerung wünschen. Jetzt haben wir hier die Krankenhausfinanzierung. Ich habe mir das _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/132 angeguckt und habe das für mich so verglichen: Was haben wir denn jetzt alles in der Enquete-Kommission an Vorschlägen bekommen? Insbesondere perspektivisch, also mit der Grundversorgung, der Mittelzentren, der vier, ich glaube, vier Spezialkliniken. Wird das, was hier drin steht, dem gerecht? Gerade, wenn ich sehe, welche Strukturentwicklung wir haben? So, Herr Koplin hatte eben ja auch nach einem Punkt gefragt von dem Krankenhausstrukturgesetz. Ich hatte jetzt noch mal bei der Bundesebene nachgefragt. Es gibt ja diesen Fonds, der ab dem 01.01.2016 offensichtlich in Kraft tritt. Das soll ja eine Milliarde einmalig sein und von der sollen 500 Mio. aus dem Gesundheitsfond und 500 Mio. von den Ländern kommen, also dass müsste das Land dann einsetzen. Die Mittel sollen dann nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt werden und das hieße für Mecklenburg-Vorpommern würden 10 Mio. kommen und der Bund würde 10 Mio. dazu geben. Das heißt, man hätte 20 Mio. für eine Strukturförderung. Ist dieses Geld irgendwo mit bedacht und was würden Sie uns mit auf den Weg geben, dass das vorbehaltlich in den Haushalt einfließt? Denn wenn ich die Enquete-Kommission richtig verstanden habe und insbesondere das Gutachten, sind da ganz entscheidende Punkte dabei. Und dann möchte ich noch einen Punkt sagen, weil das hatte ich ja jetzt auch bei dem Jubiläum „25 Jahre Krankenhausgesellschaft“ gesagt: Wir reden hier immer über Effizienzsteigerung und Konzentration von Leistung, dann kommen eben die Beispiele wie Onkologie und Kardiologie und ich bin sehr dankbar, dass das Thema Demenz hier heute eine Rolle spielt, weil das immer Bereiche sind, die vernachlässigt sind. Und beispielsweise Psychotherapie, Psychosomatik, also über die Dinge reden wir gar nicht. Wir reden immer nur in dem somatischen Bereich und ich weiß, dass wir hier auf Landesebene wenig Einfluss haben. Aber es ist, wird einfach noch mal deutlich, dass gerade das Krankenhausstrukturgesetz und es gibt dann auch, glaube ich, noch ein Krankenhausversorgungsstärkungsgesetz oder manchmal sieht man bei den ganzen Stärken und was es da alles gibt, ist es schon ganz schön schwierig da durchzusehen, was auf Bundesebene passiert. Das war es aber und da würde ich da gerne mal Ihre Einschätzung zu wissen: Die ländlichen Räume sind doch letztendlich vergessen worden. Und, Frau Dr. Möhr, wenn ich mich erinnere, als Sie den Vortrag vor einem halben Jahr, dreiviertel Jahr zum Krankenhausstrukturgesetz gehalten haben, haben Sie ja gesagt: „Es müssen in Deutschland so und so viele Krankenhäuser geschlossen werden, aber“ - haben Sie gesagt – „ich gehe nicht davon aus, dass Mecklenburg-Vorpommern das hat, weil es _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/133 muss ja Mindeststandards geben.“ Und die rechne ich jetzt nicht in Mindeststückzahl von „ich habe jetzt eine Hüfte“ oder was weiß ich, weil ich finde die Sprache sehr problematisch. Für mich ist doch die Frage: Was können wir hier auf Landesebene machen, damit wir eine, ich finde, eine dezentrale gute Grundversorgung haben? Und natürlich müssen wir uns verständigen, und das wird auch Streitgespräche geben. Wo setzen wir Prioritäten? Aber wir dürfen doch eines nicht, wir dürfen doch nicht vergessen „von der Wiege bis zur Bahre“. Und ich habe mittlerweile das Gefühl, wir reden nur noch über einen bestimmten Lebensabschnitt. Und wenn wir das nicht hinkriegen, dass junge Familien hier hinziehen, wer soll die Älteren dann irgendwann versorgen? Wer soll sie dann operieren? Ich glaube, medizinische Versorgung ist eben nicht nur eine Operation oder das, was ich im Krankenhaus habe. Um das noch mal abzuschließen: Wir hatten ja auch einen Punkt, was ist denn - Wir haben ganz viele Institutsambulanzen mittlerweile, die sind ja an den Krankenhäusern. Wie soll das jetzt perspektivisch in ein Netz gehen? Ich glaube auch, dass wir große Strukturveränderungen brauchen. Und da würde ich gerne von Ihnen einfach vielleicht drei, vier ganz klare Worte hören, was Sie sich wünschen, was wir hier reinschreiben sollen. Und vielleicht noch mal eine Hausaufgabe. Wir haben ja heute Morgen gehört: Wir haben ja bald eine Wahl und eine nächste Wahlperiode. Was können Sie uns hier mit auf den Weg geben? Weil ich glaube, wir müssen Entscheidungen treffen, die müssen wir auch ruhig und die müssen wir auch in Abwägung treffen. Aber das, was uns nicht passieren darf: Dass wir die Geburtshilfe wie in Wolgast da dann mal abschreiben, wenn sich das nicht mehr rechnet. Jedes Kind rechnet sich und jede Frau hat ein Selbstbestimmungsrecht. Und darum werden wir hier heute kämpfen und ich hoffe, auch auf Bundesebene. Danke. Und ich musste das Statement loswerden, Frau Tegtmeier. Vors. Martina Tegtmeier: Gut. Frau Dr. Möhr. Dr. Anke-Britt Möhr: Ich werde mal gucken, dass ich die Fragen alle in der Reihenfolge auch beantworte. Also über Fachkräftemangel hatten wir gesprochen, 180 Ärzte. Ihre Frage: Wie sieht es aus mit dem Pflegepersonal? Ich kann Ihnen da keine konkreten Zahlen nennen. Ich weiß nicht, ob Herr Gagzow Meldungen von Krankenhäusern hat, dann kann er das nachher bestimmt ergänzen. Aber Tatsache ist, wir haben Defizite im Pflegepersonal, das ist auch das, was ich von den _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/134 Geschäftsführern der Krankenhäuser höre. Wir haben sie im Pflegepersonal, wir haben sie auch bei Therapeuten. Wir sollten uns aber von der Illusion verabschieden, dass wir nur genug werben müssen und dann werden diese Fachkräfte zu uns kommen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir die Zahl, die wir heute haben, so meine Prognose. Und die Prognose bis 2030 ist für Mecklenburg-Vorpommern ein Fachkräftemangel von 21 %. Der Kelch geht nicht am Gesundheitswesen vorbei. Wir müssen gucken, wie wir mit den Zahlen an Fachkräften eine ganz andere Versorgung sicherstellen können. Und deshalb müssen wir aufhören, in den bestehenden Strukturen zu denken. Und wenn wir heute nicht damit anfangen, haben wir morgen das große Problem. … Ihre nächste Frage: Wie sollen Entscheidungen zu Strukturveränderungen getroffen werden? Werden die Aussagen der Enquete-Kommission dem Bedarf gerecht? Und dann sagten Sie: „Was ist mit den ländlichen Räumen?“ Also … ich bleibe dabei, dass wir weitreichende Entscheidungen treffen müssen. Und wir werden nicht umhin kommen, uns die Gesamtversorgung im Land anzuschauen, zu gucken, was können wir konzentrieren, welche Grundversorgung, Notfallversorgung müssen wir flächendeckend sicherstellen und wie kann das gehen? Der Versuch, damit in einer Pilotregion zu starten und Erfahrung zu sammeln, ist aus meiner Sicht gut. Wir haben alle Instrumente, die wir brauchen. Wir haben die Erfahrung der Key-Player in der Gesundheitsbranche und die sind Gold wert. Wir haben diverse Gutachten, ob das jetzt das HGC-Gutachten mit allen Stärken und Schwächen ist, ob das das IGESGutachten zur Pädiatrie ist, wir haben alle. Es entstehen jetzt auch - und das wurde ja gerade in dieser Regionalkonferenz deutlich - ganz viele kleine Aktivitäten auch getrieben noch durch den Innovationsfonds, da gibt es ja Geld zu holen. So, und jeder macht sich irgendwie Gedanken. Da setzt sich meinetwegen eine Gruppe zusammen, macht sich Gedanken über sektorenübergreifende Versorgung - finde ich erst einmal klasse - aber vergisst dabei völlig, dass es auch noch eine Krankenhausplanung und bestimmte andere Dinge gibt, vergisst dabei, dass es einen Geriatrie-Beirat gibt, der abgeholt werden muss, also Tatsache ist: Wir haben ganz viele kleine Leuchttürmchen oder Puzzleteilchen. Aber wir kriegen kein Bild daraus, weil diese moderierende Rolle fehlt. Und jedes mal, wenn ich mit dem Ministerium spreche, sage ich: „Ihr kommt jetzt nicht mehr umhin, hier einen Plan zu machen, ein Multiprojektmanagement aufzusetzen und diese ganzen Ideen zu vernetzen, zu strukturieren, zusammen zu führen. Ansonsten schaffen wir lauter _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/135 kleine Inseln und brauchen nachher noch mehr Ressourcen, als wir heute brauchen und das wäre tödlich.“ So, und dann fragten Sie noch mal nach dem Krankenhausstrukturgesetz und dieser 1 Milliarde Strukturfonds. Dass ist das, was ich vorhin sagte: Diese Mittel können wir überhaupt nur abgreifen, wenn die Basisinvestitionsfinanzierung gesichert ist. Jetzt vor ein paar Tagen sind so ein paar verschiedene Kriterien genannt worden. Schließung von Krankenhäusern war, glaube ich, das Zweite, ist hier nicht unser Thema, zumindest nicht in MecklenburgVorpommern. Ich habe es jetzt nicht genau im Kopf, der erste Punkt. Da war etwas zum Umswitchen von Fachabteilungen, Strukturveränderung – und das sind mit Sicherheit Mittel, die wir für uns geltend machen können. Aber auch dazu: Damit man die sich holen kann, braucht es natürlich vernünftige Konzepte. Und lauter Puzzleteilchen, die unterm Strich kein Bild ergeben, sind für mich kein Konzept. Die Frage: Ja, heute findet ein Großteil der Pflege in der Familie statt, im Freundeskreis, im Verwandtschaftskreis. Und Tatsache, ich sage immer, das viel größere Problem ist, das Problem ist für uns nicht nur eine älter werdenden Gesellschaft, das Hauptproblem für mich ist ganz einfach: Wie gehen wir damit um, dass wir immer wenige Junge haben? Aber das sind auch die Dinge, die wir im Zusammenhang mit solchen Konzepten weiter diskutieren müssen. Und die Gedanken: Wie kriege ich die jungen Leute zu mir? Wie kriege ich die Fachkräfte zu mir? Mein Gott, die macht sich doch jeder, die macht sich jedes Bundesland und alle zerren an denselben Leuten. Und ich sage immer: Hört auf zu zerren, lasst uns in dieser Zeit lieber gucken, wie wir mit den Fachkräften, die wir heute haben und mit denen, die wir morgen noch weniger haben, die Versorgung so organisieren, dass wir es hinkriegen. Und der erste Schritt wäre für mich wirklich, das Land in die Verantwortung zu nehmen. In der Enquete-Kommission habe ich doch gesagt: Man kann da nicht auch nur knausern am Personal im Land. Aber sie können diese Aufgabe nicht einer Kasse, der Ärztekammer, Sie können es so nicht Herrn Gagzow oder Frau Kappich geben – das wird nichts. Man braucht da wirklich einen neutralen Moderator, der auch durch seine Rolle als Krankenhausplaner auch Durchgriffsmöglichkeiten hat. Vors. Martina Tegtmeier: Herr Gagzow. Wolfgang Gagzow: Ob Sie das verwundert oder nicht, ich kann das alles nahtlos unterstreichen und mich dem anschließen und sagen: Es ist so. Mit einer einzigen _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/136 Einschränkung mit sehr viel Wehmut: Ich habe leider nicht alle Instrumente in der Hand. Leider ist bundesweit die medizinische Versorgung immer noch streng sektoriert, hier ambulant mit einem eigenen Regelwerk und dort stationär mit einem anderen Regelwerk. Wir kennen uns und wir reden auch miteinander. Aber das Vernetzen miteinander ist unsagbar schwer. Und je höher die Ebene angesiedelt ist, bis hin zur Bundesebene im gemeinsamen Bundesausschuss. Da ist ja noch nie ein einziger Konsensbeschluss gefasst worden, sondern es wurde immer ein Buhmann gesucht, zu dessen Lasten dort Beschlüsse gefasst worden sind. Mit dem Effekt, dass die spezialärztlich-fachlich-ambulante-Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern und bundesweit nicht stattfindet, obwohl es schon seit drei Jahren auf der Agenda steht, dass die das machen sollen. Weil immer nach Methoden gesucht wird - sehr erfolgreich - sie zu verhindern. Und da setzt unser Problem an, das muss man ganz einfach so sagen. Das kriegen wir auch in Mecklenburg-Vorpommern nicht gestemmt, das sage ich ganz deutlich an der Stelle. Die KVMV und die Krankenhausgesellschaft sind sehr nah bei einander und suchen nach Lösungen. Aber er gelingt uns nicht immer, weil einfach die Rahmenvorgaben diametral dem entgegenstehen. Insofern ist jedes Mittel recht, um diese, den Graben zu überbrücken und das Thema „Fachambulanzen an Kliniken“ halte ich für ein sehr wesentliches. Die KV bemüht sich sehr um Notfallambulanzen am Krankenhaus, von der KV besetzt. Und da wäre meine dringende und herzliche Bitte: Da, wo es der KV nicht gelingt, weil niedergelassene Ärzte sagen: „Ich bin doch nicht verrückt und gehe nicht ins Krankenhaus in meiner Bereitschaftszeit. Das mache ich von zu Hause oder gar nicht.“, dass wir da nach einem Weg suchen, dass das Krankenhaus in die Lage versetzt wird, Notfallambulanzen am Krankenhaus zu errichten. Das ist a) eine Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung und b) eine zusätzliche - und das muss ich so sagen: wirtschaftliche - Sicherung des Krankenhauses. Ein Krankenhaus ist ein Wirtschaftsunternehmen. Die Krankenhäuser sind gegen ihren lauten Protest 1992 in die Wirtschaftlichkeit geprügelt worden, sind angekommen und müssen sich dementsprechend verhalten. Das ist einfach so. Jeder Arzt, selbst der Ärztekammerpräsident, möchte und ich auch, möchte am Monatsende seinen Lohn in der Tüte haben und das kommt nicht vom Himmel gefallen, sondern muss erarbeitet werden, durch Krankenhausleistung. Und insofern lassen Sie uns doch Möglichkeiten suchen, wie wir alles, was geht, an die Krankenhäuser andocken, um sie wirtschaftlich zu stabilisieren. Denn ich kann über Mitarbeitermangel mich _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/137 beklagen oder nicht, wir haben - ich bin jetzt ein paar mal angesprochen worden - zig Ideen ausgelebt, bis, das wir ins Ausland fahren, in Europa ausschwärmen, um Mediziner zu suchen und unsere Universitäten in Rostock und Greifswald bevölkern, um dort den jungen Medizinstudenten zu sagen: Kommt und bleibt bei uns in Mecklenburg-Vorpommern. Die zeigen mir einen Vogel und sagen: Was soll ich in Mecklenburg-Vorpommern? Wie komme ich denn dazu, hier zu bleiben, wo ich doch Hamburg und München haben kann. Die suchen nämlich genauso wie wir. Und es ist natürlich eine Frage der Bezahlung, aber nicht nur. Es ist auch eine Frage der Infrastruktur. Und das sehe ich auch als unseren Job als Land: Dafür zu sorgen, dass wir auch attraktive Arbeitsplätze haben. Und dazu gehören auch gut ausgerichtete, ausgerüstete Krankenhäuser. Bisher sage ich noch sehr deutlich mit Überzeugungston in der Brust: „Ihr könnt sicher in München mehr Geld verdienen, aber das bessere Krankenhaus steht im Zweifelsfall in Rostock oder in Neustrelitz oder auch in Pasewalk.“ Ob das morgen noch stimmt, weiß ich nicht. Aber das ist genau unsere Entscheidung, die wir hier treffen können. Da muss man dicke Backen für machen und sagen: Das kostet dann aber auch eine Mark 50 oder einen Euro. Aber die muss man dafür über haben. Und wenn es den Innovations-, den Strukturfond gibt und wenn es für innovative und umzuswitchende Lösungen da Geld für gibt, dann sollten wir genau an der Stelle ansetzen und sagen: Wie kriegen wir die einzelnen Sektoren motiviert mit Geld? Anders geht es nun mal nicht. Man kann sie mit Gesetzen nicht zwingen. Aber man kann sagen: Wir machen euch lockende Angebote, da könnt ihr gar nicht „nein“ sagen dazu. Und das muss man mit den Partnern, da bin ich voll, vollkommen auf einer Seite mit Frau Dr. Möhr, das muss mit den Partnern, die es üblicherweise tun müssen, auch gemeinsam machen. Zu den Planungsbeteiligten ist dann eben die Kassenärztliche Vereinigung dazuzuzählen, als zwingend notwendiger Bündnispartner. Und ich würde auch und - weil es heute noch nicht erwähnt ist, muss man es an der Stelle besonders sagen - das Kapitel Rehakliniken in Mecklenburg-Vorpommern erwähnen. Wir haben 61 davon, vierfach über dem Bundesdurchschnitt, wesentlich mehr, als wir für unsere Bevölkerung benötigen. Die sind aber ausgelastet, leben von Quasi-Exportleistungen für andere Bundesländer. Auch die sind in die Versorgung der Bevölkerung als Arbeitgeber und als Dienstleister mit einzubeziehen. Und es gibt Möglichkeiten ohne Ende. Viele kleine Leuchttürme, sag ich mal ein bisschen sarkastisch: Am Fuße des Leuchtturms ist am wenigsten Licht. Wir brauchen einen, der die Hand darüber hält und eigentlich _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/138 würde ich mal sagen, Kompliment an unser Sozialministerium, die haben zwei Gremien geschaffen. Eins, weil sie mussten, vom Gesetz her, § 90a SGB V schreibt das vor für sektorenübergreifende Versorgung und eine konzertierte Aktion, wo sie uns im internen, im Krankenhausbereich bündeln. Da ist schon eine Menge Bemühen dahinter, aber es fehlt dann an der Durchschlagskraft. Aber ich setze darauf, weil es auch viel Nutzen bringen wird, dass wir da Einiges tun an der Stelle. Pflegebedarf haben wir, natürlich haben wir den. Aber sehr unterschiedlich vielleicht zum Ärztebedarf, wenn ich das noch sagen darf dazu: Wir haben 12 hervorragend arbeitende Krankenpflegeschulen, die quasi noch fast Hochschulcharakter haben von ehemals aus DDR Zeiten. Und die, die das haben - Frau Kappich gehört zu den Glücklichen - haben weniger Sorgen als die, die keine Pflegeschule an ihrem Hause, ihrem Standort haben und bei Meinungsfragen komme ich auf Zahlen, die höher sind als im ärztlichen Bereich. Aber regional sehr unterschiedlich, was Pflegebedarf angeht. Besonderes Gewicht auf IST, auf Palliativ-Medizin, gerade Dinge, die wir dringend brauchen, auch da sind wir am Suchen, aber was nützt mir das beste Reden und Überzeugen, a) ich muss sie bezahlen können, das macht die Bundesebene durch Gesetze, b) ich muss attraktive Arbeitsplätze anbieten und das machen Sie. Vors. Martina Tegtmeier: Dr. Crusius. Dr. Andreas Crusius: Ja, es war noch eine Frage offen, mit den Hebammen von Frau Abgeordneter Gajek. Aus meiner Fachkommission Gynäkologie und Geburtshilfe weiß ich, dass die erste Hebamme eigentlich erst finanziert ist mit 500 Geburten am Krankenhaus und die anderen, die dann ins Krankenhaus kommen, die müssen sich ja heute so hoch versichern, dass das nicht mehr rentierlich ist. Ein Gynäkologe und Geburtshelfer - der also Beleggeburtshilfe in anderen Bundesländern macht, die gibt es ja hier nicht, zum Glück - der muss sich mit 125.000 € Haftpflicht versichern. Das müssen Sie sich mal überlegen. Das ist doch nicht mehr normal. Das sind amerikanische Verhältnisse. Zu den ländlichen Räumen wollte ich noch einen Punkt sagen: Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern sind alle Stellen des Allgemeinmedizinförderprogrammes, das einzige Bundesland, wo alle Stellen ausgefüllt sind. Das wird ja jetzt vom Versorgungsstärkungsgesetz - heißt es, glaube ich - erhöht auf 7.500 Stellen, aber ohne Begrenzung. Da haben wir schon _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/139 die Zahl erreicht, die uns anteilig zukommt nach 7.500 Stellen, aber es wird nach oben offen sein. Und ein Ergebnis der Regionalkonferenz Vorpommern kann man vielleicht schon sagen: Was läuft, ist dieser Telenotarzt. Der wird nicht zum Einsparen von Notärzten führen, aber der wird dazu führen, dass der Notarzt, der am Telebildschirm steht oder sitzt und da draußen den Vorgang mit Kamera überprüfen kann, der kann sagen: Muss ich dort einen Arzt hinschicken oder muss ich keinen hinschicken? Das führt gegebenenfalls dazu, dass ein Arzt weniger rausfahren muss in dem einen oder anderen Fall. Aber das wird zur Standorteinsparung nicht führen, weil der muss ja dann in einer bestimmten Frist da sein. Alles andere hat Wolfgang Gagzow eben schon gesagt. Vielen Dank. Vors. Martina Tegtmeier: Hat er nicht, er hat sich noch einmal gemeldet. Wolfgang Gagzow: Danke, genauso ist es. Ein Punkt - den ich mir auf den Zettel geschrieben habe - von den Fragen ist mir durch gerutscht, nämlich: Frau Gajek, Sie sagten, wir hätten wenig Augenmerk in Mecklenburg-Vorpommern auf die Psychiatrie gerichtet. Dem muss ich, was die Krankenhausplanung angeht, widersprechen. Das ist - gottlob, sage ich mal - ganz anders. Die Psychiatrie ist das Boom-Fach, um es mal so zu sagen, wo Aufwärtsentwicklung ist, sowohl im stationären Bereich als auch im tagesklinischen Bereich. Wir haben über tausend tagesklinische Plätze in Mecklenburg Vorpommern, fast alle im Bereich der Psychiatrie. Und bei der ambulanten Versorgung haben auch alle psychiatrischen Krankenhäuser - also auch die, die eine Fachabteilung haben - haben eine so genannte Institutsambulanz, wo es nicht am Arzt hängt, der dann zufällig da ist oder nicht, sondern das Krankenhaus hat eine ambulante Ermächtigung per se. Und wir haben uns seit vielen Jahren mit den Krankenkassen regelmäßig arrangiert über den Preis, so dass das eine Versorgungsstruktur ist, die immer noch nicht genug ist, weil wir da einen deutlichen Bedarf haben - da können wir uns fragen, warum - aber die gut entwickelt ist, gut begleitet ist und von allen Seiten getragen wird. Das muss ich so sagen an der Stelle. Das ist nicht unser Stiefkind, sondern unser Hauptaugenmerk an vielen Stellen und auch gut betreut. Vors. Martina Tegtmeier: Das eine ergibt das Andere. Dr. Crusius. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/140 Dr. Andreas Crusius: Ich hatte da doch noch eins vergessen. Frau Gajek hatte gefragt nach der Psychosomatik. Und ich weiß nicht, ob Sie in Kenntnis sind eines Oberverwaltungsgerichtsurteils Greifswald. Die haben vor ein paar Jahren ein Gerichtsurteil erlassen oder ein Urteil gefällt, dass eine psychosomatische Klinik nur durch einen Facharzt für psychosomatische und psychotherapeutische Medizin geleitet werden kann. Auch da sind wir auf gutem Wege. Wir haben zahlreiche Psychiater, die überwiegend psychosomatisch gearbeitet haben, überwiegend. Und auch Internisten, die psychosomatisch zum Beispiel bei Odebrecht gearbeitet haben. Hier haben wir, über eine Übergangsregelung switchen wir die um, sage ich mal, mit Prüfung und mit bestimmten Auflagen, sodass wir dann auch ausreichend psychosomatische Kliniken haben für die große Diagnose, ich sage die mal, die heißt ja im Volksmund Burn-Out, so dass die Patienten aus diesem Formkreis ausreichend dann auch versorgt werden können. Allerdings haben wir Wartezeiten bei Psychotherapeuten, sowohl ärztlicher als auch nicht ärztlicher, bis zu 6 Wochen, bis zu einem halben Jahr, um einen Termin zu bekommen. Das ist aber bundesweit so. Die kriegen zwar jetzt von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Millionen nach, die nicht ärztlichen Psychotherapeuten für die letzten Jahre, aber trotzdem. Die Termine sind da - Ich weiß nicht, woran das liegt. Vors. Martina Tegtmeier: Ja, vielen Dank. Als nächstes habe ich Herrn Koplin nochmal. Abg. Torsten Koplin: Dankeschön, Frau Vorsitzende, ich habe, denke ich mal, kurz zu beantwortende Fragen im Detail, drei an der Zahl. Eine an Herrn Gagzow. Sie haben ja in Ihren schriftlichen Ausarbeitungen Bedarfszahlen genannt. Meine Nachfrage diesbezüglich ist: Sind in den Bedarfen, die da beziffert werden, auch die für die Weiterentwicklung der Telemedizin bereits enthalten oder kämen die da noch oben drauf? Und die beiden weiteren Detailfragen beziehen sich als Verständnisfragen auf das, was uns an die Hand gegeben worden ist. Ich bleibe mal bei Herrn Gagzow. Da ist auf Seite 3-7 unten formuliert, ich darf mal zitieren: „KGMV unterstützt die regelmäßige Aussage des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und so weiter, wonach 37 Krankenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern für die medizinische Versorgung und so weiter bedarfsgerecht sind.“ Und jetzt: „Eine verbesserte Rechtsposition bei der vielfältig notwendigen auch ambulanten _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/141 Versorgung der Patienten ist dringend geboten.“ Was ist damit gemeint? Ich habe das mehrfach gelesen, da fehlt mir die Kompetenz, das auszudeuten. Und die letzte Frage, die ich habe, Frau Vorsitzende, bezieht sich auf ebenfalls als Verständnisfrage auf die Ausarbeitung, die uns Herr Stobbe an die Hand gegeben hat. Da ist auf Seite zwei vermerkt unter dem Punkt vier, ich darf mal zitieren: „Ebenfalls unabdingbar ist für unser Klinikum die Vergabe von Fördermittel unabhängig vom Gesellschafterstatus der Kliniken.“ Da ergab sich für mich die Nachfrage. Ist das ein Problem? Werden einzelne Gesellschaften, also Trägerschaften bevorzugt gegenüber anderen? Gibt es dazu Erfahrungswerte? Das wäre mir eigentlich neu, aber wenn es da so eine Vor- und Benachteiligung gäbe, müsste man darauf reagieren, finde ich. Vielen Dank. Vors. Martina Tegtmeier: Ja, denn, bitte, Herr Gagzow. Wolfgang Gagzow: Ich will mich in der Tat bemühen, es kurz zu machen. Zum ersten kann ich mit Punkt sagen: Nein, Telemedizin ist nicht enthalten. Und wir haben von Herrn Stobbe gehört, dass es durchaus relevante Kosten sind, die uns da ins Haus stehen. Die auch noch mehr werden in der Zukunft. Das ist gar keine Frage. Und da könnten wir sicher einiges tun, als Land Mecklenburg-Vorpommern, um die Situation zu verbessern. Und zum Thema Rechtsposition der Krankenhäuser bei der ambulanten Versorgung ist dahinter verborgen, dass die Krankenhäuser zunehmend mehr ambulant, ich sage mal so, in Anspruch genommen werden. Ohne dass sie von sich aus einen Anspruch haben, da tätig werden zu wollen. Die Patienten stehen einfach da und holen sich ambulante Versorgung ab. Das betrifft die ambulanten Notfälle. Wir haben neben den round about 400 bis 450 Tausend stationäre Versorgungspatienten auch über eine Million ambulant zu Versorgende in Mecklenburg-Vorpommern. Über 200.000 davon sind sogenannte Notfälle. Das heißt, sie sind plötzlich vor der Tür, wollen behandelt werden, müssen auch versorgt werden. Zumindest hoch qualitativ angesehen werden, um Einzelleute wegzuschicken. Aber normalerweise müssen sie behandelt werden. Und es gibt keinerlei Erlösstruktur, die dahinter steht, die das Krankenhaus selbst mitgestalten kann. Es gibt einen eindeutigen Bewertungsmaßstab für Ärzte, heißt EBM, das Ding. Das wird von Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung vereinbart. Die Krankenhäuser sind an der Generierung dieses Kataloges nicht beteiligt. Und sie _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/142 können sich lebhaft vorstellen, dass die Krankenhäuser auch bei der Ausgestaltung des für sie anfallenden Entgeltes nicht gut bei wegkommen, um das mal auch sehr zurückhaltend auszudrücken. Fachleute sprechen von einer Diskrepanz, einem Delta von 100 € pro Behandlungsfall. Und das sind bei 200.000 Fällen eine ganze Menge. Im Einzelfall sind es mehrere hundert Euro, manchmal auch etwas weniger. Je nach dem, bunt gemischt. Bei vielen anderen ambulanten Leistungen, der Bundesgesetzgeber hat vor vielen Jahren gesagt, ambulante Operationen dürfen die Krankenhäuser nach Gesetz legal vornehmen. Aber an der Erstellung der Entgelte sind die Krankenhäuser aus Versehen nicht beteiligt. Sondern die werden wiederum durch andere, durch Kassenärzte und Krankenkassen festgelegt. Und wir müssen das hinnehmen, was da kommt. Insofern wünschten wir uns eine Klarstellung: Entweder hat die KV einen Sicherstellungsauftrag und bringt ihn auch und wir können uns auf unser Kerngeschäft, das stationäre Volumen, beziehen. Punkt Ende. Oder wir sollen, weil es auch so gar nicht anders sein kann, die Patienten fordern dies ein, die ambulante Versorgung, da müssen wir auch als Partner ernst genommen werden und im Gesetz vorgesehen werden ausdrücklich dafür. Und auch mit einem Verhandlungsmandat ausgestattet werden, dass wir auch die Rahmenbedingungen mitgestalten können. Und nicht so, dass der eine bestimmt was wir tun und ein ganz anderer - auf keinen Fall, in beiden Fällen nicht wir – bestimmt, was wir kriegen dafür. Das funktioniert nicht. Zumindest nicht auf Dauer im Guten. Nur auf Knochen unserer Mitarbeiter und auf Verschleiß. Das war der Hintergrund. Frage drei sagt Herr Stobbe was dazu. Jürgen Stobbe: Das lässt sich ganz kurz beantworten. Das ist im Prinzip schon beantwortet. Gemeint war damit genau, dass die Fördermittelausgabe an die, die Versorgungsaufträge haben natürlich erfolgen muss. Die Einschränkung, die ich dahinter geschrieben habe, ist eigentlich die, die gerade eben Frau Kappich ja schon vorhin genannt hat. Also für uns erschließt sich das auch als gemeinnützige Häuser nicht, das wie auch immer um die Ecke letztendlich Fördermittel oder Investitionsmittel kapitalisiert werden und in eine Rendite einfließen, die sich dann wieder ganz anders verteilt, wie wir ja wissen. Sondern dass es notwendig ist, dass diese Mittel, die hier einfließen - das war damit nochmal ganz besonders, habe ich versucht, damit zu betonen - dass die natürlich auch dem Patienten letztendlich wieder zu Gute kommen müssen. Das ist der Hintergrund. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/143 - Vors. Martina Tegtmeier: Frau Dr. Möhr. Dr. Anke-Britt Möhr: Ich würde ganz gerne nochmal was sagen zu der Notfallversorgung und dem ständigen Zankapfel Finanzierung. Also Tatsache ist, es ist ein schwieriges Feld. Was wir häufig, wo wir häufig drüber reden, aber wenig tun. Das sind die drei Säulen der Notfallversorgung. Wir haben den Rettungsdienst, wir haben die Notaufnahme im Krankenhaus und wir haben den Ärztlichen Bereitschaftsdienst. Das sind drei Säulen, die zum Teil relativ isoliert voneinander arbeiten. Und ich glaube, wenn wir auch mit Blick auf Fachkräftemangel hier für die Zukunft einen Durchbruch erreichen würden - Nur einfach mal so für Sie zum Mitzunehmen haben wir in Österreich ein Modell erlebt, das ist das Triarch-System. Also die Einteilung „hat er den Kopf noch auf dem Köper, kann er noch ambulant oder hat er den Kopf unterm Arm, muss er stationär“, viel früher ansetzt. Und zwar, die haben einen sogenannten Gatekeeper vorgeschaltet. Das sind nicht Mediziner. Aber sehr gedrillt darauf, zu erkennen: Was hat der Mensch, was braucht der Mensch. Und haben dafür eine zentrale Einwahl geschaffen. Und ich fand phänomenal das Ergebnis, was unterm Strich bei raus kam. Sie sagten, 50 % der Patienten brauchen nach der Beratung am Telefon keinen Arzt mehr. Dann verteilen sich ein paar, also zu ein paar wird ein Rettungswagen hingeschickt, ein paar werden zum niedergelassenen Arzt geschickt, ich weiß jetzt nicht mehr genau, wie sich die Prozentzahlen verteilten. Die, die wirklich in die Notaufnahme des Krankenhauses gehörten, die wirklich krankenhausbehandlungsbedürftig waren pi mal Daumen 5 %. Und ich glaube, auch das ist etwas, was man denken kann, wenn ich Versorgung in sich entleerenden Flächen sicherstellen muss. Nur als Anregung mit auf dem Weg. Vors. Martina Tegtmeier: Dr. Crusius, ich möchte jetzt aber keine Diskussion über unser Rettungswesen aufmachen. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Vortrag Sie jetzt gereizt hat so ein bisschen. Aber bitte. Dr. Andreas Crusius: Nein. Das Heilmittel sind Notfallambulanzen an Krankenhäusern. Das Problem ist, die Leute wollen - wenn sie Fieber haben oder so - sich nicht tagsüber in eine volle Arztpraxis setzten. Erstens stecken sie die anderen an. Zweitens ist ihnen die Wartezeit zu lange. Und wer abends in die Notaufnahme _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/144 kommt, muss behandelt werden. Und das macht zum Beispiel HELIOS: Da sitzen niedergelassene Ärzte. Die sind doch nicht bescheuert – Entschuldigung, wenn ich das sage - und schicken den Patienten ins Krankenhaus, wenn er nicht krankenhauspflichtig ist. Weil denn ist er ihnen ja verlustig gegangen. Jetzt pekuniär verlustig gegangen. Und insofern wäre die Notfallambulanz am Krankenhaus - egal ob vom Krankenhaus betrieben oder vom Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst - das optimale Heilmittel. Das läuft in anderen Bundesländern hervorragend. Es gibt hier in Mecklenburg-Vorpommern, in Schwerin läuft es doch bei HELIOS. Wir haben es in Rostock versucht, da hat die lokale KV immer dagegen agiert, weil sie Lütten-Klein dieses Ärztehaus da haben. Und in Paulsstraße. Und letztendlich ist da nachts kein Labor, zum Schluss kommt der Patient in die Klinik, weil Labor und Röntgen nötig ist. Und insofern, wenn man da - Das wäre der optimale Schulterschluss zwischen Niedergelassenen und Krankenhaus. Eine richtige - ich sage immer nicht Verzahnung, weil wenn man sich verzahnt, verbeißt man sich - Verschränkung. Vors. Martina Tegtmeier: Okay Danke. Ich habe hier auch noch eine Fragestellung. Also wir sollten uns jetzt nicht an einem Thema so festbeißen, weil wir sind schon in der Zeit ganz schön fortgeschritten. Vielleicht können Sie das denn nochmal einflechten, vielleicht ergibt sich das. Ich möchte zunächst nochmal Herrn Barlen die Gelegenheit geben, seine Fragen loszuwerden. Bitte sehr. Abg. Julian Barlen: Ja, vielen Dank, Frau Vorsitzende. Es ist ja auch die Diskussion weit fortgeschritten. Ich habe auch gar nicht so wahnsinnig viele Fragen. Ich wollte einfach nochmal anmerken, dass ich das schon mit viel Zustimmung zur Kenntnis nehme, dass auch wesentliche Akteure der Selbstverwaltung sich natürlich jetzt zunehmend darauf verpflichten, sich auch in, sagen wir mal, steuernde Prozesse Frau Dr. Möhr nannte das Multiprojektmanagement oder so ähnlich - sich also quasi in so einen Prozess auch hineinzubegeben. Die in der Tat ja schriller werdenden Hilferufe der ansonsten sehr selbstbewussten Selbstverwaltung, die werden in Mecklenburg-Vorpommern durch die Landespolitik und auch durch die Landesregierung natürlich sehr wohl gehört. Herr Gagzow hat es angesprochen, die Gremien in Ministerien, auch die Beratung in unserer Enquete-Kommission. Vielleicht kann man da, das ist in der Tat keine Frage, sondern eine Bitte, hoffentlich denn auch damit rechnen, dass die einzelnen Player der Selbstverwaltung am Ende auch _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/145 mitspielen. Und nicht im Grunde das dann hintenrum wieder torpedieren, wenn das zu solchen Dingen kommt. Das wäre, sagen wir mal, eine hinreichende Bedingung dann am Ende für so ein Unterfangen. Eine Sache nochmal. Also Herr Koplin hat ja in seiner unnachahmlichen Art (Abg. Torsten Koplin: Na, wie ist denn das zu deuten.) zum Thema Strukturmittel - sagen wir mal, fast vernuschelt - gesagt, dass da also droht dem Land einiges durch die Lappen zu gehen. Das sehe ich nicht so. Sie können schon davon ausgehen, dass wenn Dinge veranschlagungsreif sind, die entsprechend dann auch veranschlagt werden. Ich habe am Ende doch noch eine Frage. Und zwar, wenn man sagt: Es spricht ja einiges dafür, Anker der medizinischen und pflegerischen Versorgung in der Fläche durchaus sagen wir mal größer zu denken oder umfassender zu denken, als sie heute angeboten werden. Dr. Möhr ist in ihrer Stellungnahme darauf eingegangen. Dort sind ja auch so ein paar schöne Bildchen, wie das mit einem Krankenhaus und ambulanten Angeboten alles funktioniert. Ganz klar ist, und das Stichwort Telemedizin kam vorhin, man wird dort, also sagen wir mal, erhöhten Koordinierungsaufwand natürlich haben zwischen den unterschiedlichen Sektoren. Und da ist meine Frage an Frau Dr. Möhr ganz speziell, auch natürlich aus dem stationären Bereich, inwieweit wird das beispielsweise in der AOK denn auch sektorübergreifend beispielsweise gedacht beim Thema Erstattung von solchen Leistungen. Also Abrechnungsfähigkeit von Telemedizin und E-Health, das würd mich schon interessieren, wie da Ihre Sicht auf den Fortschritt im Bereich Telemedizin ist. Vors. Martina Tegtmeier: Gut, dann will ich mal sagen, dass das jetzt die letzte Frage aus der Runde war. Ich hoffe, Ihre Antworten reizen nicht zu neuen Ansätzen hier. Und Sie können sich alle gerne nochmal äußern. Frau Dr. Möhr, Sie waren angesprochen direkt, dann bitte ich Sie zu Beginn. Dr. Anke-Britt Möhr: Also im Moment ist das mit der Finanzierung von Telemedizin noch schwierig. Und wir lösen es im Moment über Selektivverträge, dass wir im Prinzip Selektivverträge machen, um die entsprechenden Partner in einen solchen Vertrag einzubinden. _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/146 Dr. Andreas Crusius: Hervorragend läuft die Teleradiologie, zum Beispiel Bad Doberan, Rostock. Oder die Teleneurologie, das entsprechende Patienten mit einem Schlaganfall, dessen Genese noch nicht klar ist, das die rechtzeitig dann auch in ein nahegelegenes CT kommen und dann in der Frist von sechs Stunden noch einer Analyse zugeführt werden können. Das läuft alles über Teleneurologie. Also da ist es ein guter Weg. Wolfgang Gagzow: Ich denke auch, dass wir bei allen negativen Beiträgen, die wir auch gebracht haben, durchaus auch auf einem hohen Niveau uns Sorgen machen. Und, aber dieses Niveau dürfen wir auf keinen Fall verlassen. Und Mittel, die uns ins Haus stehen können - ich spreche da die Bundesmittel an - sollten wir auf keinen Fall an uns vorbei gehen lassen und innovative Projekte anfordern und dann auch gezielt unterstützen. Ich denke, auch da sind wir alle einig. Man kann nicht alle und jedes unterstützen und man sollte auch weit in die Zukunft gucken. Manchmal mehr, als ein Player vor Ort das kann. Das ist hier unser Job. Und das Thema Telemedizin ist sicher ein ganz herausragendes. Wir sollten dafür in Mecklenburg-Vorpommern auch in der Eigenschaft dieses hohen Hauses mit einen Blick darauf haben, dass wir zukunftsfähige Strukturen unterstützen und auch bei Bedarf finanzieren. Auch die sektorenübergreifende Versorgung, die Notfallambulanz am Krankenhaus als ein Stichwort, ist ganz wichtig in den Blick zu nehmen. Entweder können das KV-Ärzte machen und wollen es auch. Oder sie können und/oder wollen es nicht, dann muss das Krankenhaus unterstützt werden können, das zu tun. Die speziellen Aufgaben die uns ins Haus stehen - palliativmedizinische Versorgung und Demenzerkrankte sind nachdrücklich zu unterstützen und zu fördern. Auch dafür gibt es ja auch Umstrukturierungsbedarf in den Kliniken. Auch da bitte ich ebenso dringend wie herzlich um Unterstützung solcher Projekte. Die sind zukunftsträchtig und auch bedarfsgerecht. Danke. Gudrun Kappich: Also wie gesagt, mir liegt da wirklich die ambulante Versorgung Das hört sich so an, als wenn Krankenhäuser einfach losgehen können und was ambulant machen können. Die Notaufnahmen, das stimmt, die werden einfach in Anspruch genommen von der Bevölkerung. Aber, es gibt natürlich auch Krankenhausärzte, die bei der KV um eine Ermächtigung bitten und sagen: „Hier gibt es eine Versorgungslücke.“ Dann werden alle niedergelassenen Ärzte gefragt. Das _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 - 75/147 muss man einfach wissen, so ist das Verfahren. Und wenn die sagen „wir können das gut abdecken“, dann gibt es eben keine Ermächtigung und dann dürfen wir als Krankenhaus nicht ambulant behandeln. Das muss man einfach mal so wissen. Also wie sich das jetzt ändert, wenn im Gesetz da eine Zweitmeinung eingefordert werden kann, das ist spannend einfach auch zuzugucken, wie das ist. Weil ganz oft kommen ja Patienten und wollen nur eine zweite Meinung auch mal haben oder einen Rat haben: Ist das zu operieren oder nicht? Aber da kommt man, wie gesagt, im Moment an Ermächtigungen auch nicht ran, um das zu behandeln. Das wollte ich nur nochmal sagen. Vors. Martina Tegtmeier: So, vielen Dank. Herr Stobbe hatte sich auch gemeldet. Jürgen Stobbe: Bei allen Notwendigkeiten, die wir ja schon aufgezählt haben, will ich vielleicht so als Schlusswort nochmal für mich sagen: Das, was im Westmecklenburg Klinikum Helene von Bülow mit der Verbrüderung/ Fusion von zweier höchst unterschiedlichen Trägern passiert ist, war für mich der erste Weg einer wirklichen Strukturveränderung. Und ich kann Ihnen sagen, es kostet unheimlich viel Kraft. Wir brauchen dringend die Unterstützung, die uns auch finanziell über vielleicht im Moment nicht unmittelbar nachweisbare und erklärliche Beträge hinweg hilft. Weil es einfach Stolperstellen gibt, die nicht planbar sind, die sich einfach ergeben aus der Situation. Aber grundsätzlich, denke ich mir, ist das die Möglichkeit, strukturelle Versorgung im Land zu halten. Wir sind vernetzt, wir arbeiten engstens mit den Niedergelassenen zusammen. Ohne die kann kein Krankenhaus überleben und zwar beidseitig nicht. Das ist eine symbiotische Beziehung, die wir zu unseren Niedergelassenen haben. Wir stärken die MVZ, wir haben die Möglichkeiten einer ambulanten Versorgung über das an das Haus angebundene medizinische Versorgungszentrum und es geht auch - man höre und staune - als gemeinnütziger mit einem kommerziellen Unternehmen zu kooperieren. Und vielleicht müssen wir da an einigen Stellen auch nochmal Grenzen im Kopf überwinden, die also da doch durchaus aus meiner Sicht Kooperationsmöglichkeiten zulässig machen, die für beide sinnvoll und nützlich sind aus Sicht der Krankenhäuser. Aber die vor allem den Patienten die Versorgung vor Ort gewährleisten. Da sind durchaus noch Ressourcen vorhanden. Die große Sorge, die ich also habe, bezüglich ambulant und stationär ist genau das. Das hätte ich jetzt sonst nochmal aufgenommen, was Frau Kappich _______________________________ Sozialausschuss/7. Oktober 2015 Anlage
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