Immer mehr junge Menschen zieht es an die Uni – Reaktion der Landesregierung. Seit vielen Jahren steigt der Anteil der Hochschulabsolvent_innen: weil immer größere Teile eines Jahrgangs studieren, aber auch, weil Menschen sich zusätzlich qualifizieren wollen und weil eine bessere Ausbildung auch einen besseren Schutz vor Arbeitslosigkeit und ein höheres Einkommen in Aussicht stellt. Es gibt aber auch Kritik an dieser Entwicklung: So spricht der SPD-Politiker und Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin von „Akademisierungswahn“, weil die Akademisierung nicht zu mehr wirtschaftlichem Wohlstand führe. Die steigenden Studierendenzahlen bedeuteten an den Universitäten Niveauverlust. Und das deutsche Erfolgsmodell der dualen beruflichen Bildung blute immer mehr aus. So kommt die Kritik auch von den Industrie- und Handelskammern, die deshalb vorschlagen, den Zugang zur akademischen Bildung zu beschränken oder zumindest weniger in die akademische Bildung zu investieren. Dieser Auffassung tritt unsere grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer entschieden entgegen. Ihre Thesen und ihre Antworten auf diese wichtige bildungspolitische Herausforderung sollen hier kurz dargestellt werden: Die hohen individuellen Bildungsaspirationen im Land dürfen nicht ausgebremst werden. Dass viele Menschen heute nach höherer Bildung streben, versteht die Landesregierung als wertvolle Ressource, die es zu nutzen gilt. Das Streben nach besserer Bildung wurde jahrelang eingefordert, es wäre kontraproduktiv, jetzt in einem Hochtechnologieland wie Baden-Württemberg plötzlich eine Kehrtwende zu vollziehen. Die Landesregierung übernimmt die Verantwortung, allen die studieren wollen und können, ein ausreichendes, hochwertiges und vielfältiges Angebot an Studienplätzen bereitzustellen. Deswegen sollen, wie im Koalitionsvertrag formuliert, „mittelfristig mindestens 50 Prozent eines Altersjahrgangs im Lauf ihres Lebens ein Hochschulstudium abschließen“. Es geht nicht um Akademisierung um jeden Preis. Ziel der Landesregierung ist eine zukunftsfähige Balance von akademischer und beruflicher Bildung, nicht das Ausspielen von beruflicher gegen akademische Bildung. Die Landesregierung setzt darauf, die traditionelle Segmentierung von beruflicher und akademischer Bildung zu überwinden. Dazu gehört, dass die Attraktivität der beruflichen Bildung dauerhaft durch mehr Durchlässigkeit zwischen Berufsbildung und Hochschulen gesteigert wird. Es geht darum, die offenbar immer noch als sehr strikt wahrgenommene Trennung zwischen beruflicher und akademischer Bildung aufzuheben. Eine wachsende Zahl junger Menschen wird eine berufliche Ausbildung nur dann beginnen, wenn sie mit der Option auf ein paralleles oder späteres Studium einhergeht. Die Landesregierung übernimmt Bildungsverantwortung Baden-Württemberg ist auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen. Für diejenigen, die studieren wollen und können, stellt die Landesregierung deshalb ein ausreichendes Angebot an Studienplätzen zur Verfügung. Die Landesregierung hat angesichts hoher Studiennachfrage die Zahl der Studienanfängerplätze aufgestockt. Und sie hat zudem eine bundesweit einmalige Erweiterung des Masterangebots auf den Weg gebracht. Nachdem Baden-Württemberg in der Vergangenheit Studienberichtigte zum Studium in andere Länder „exportiert“ hat, stellt sich die Landesregierung nun der Aufgabe, im Land ein ausreichendes Studienangebot bereitzustellen. Das Ziel, dass mindestens 50 Prozent eines Altersjahrgangs im Lauf ihres Lebens ein Hochschulstudium abschließen, bleibt eine realistische Orientierung. Dabei geht es nicht mehr vorrangig um eine Erhöhung der Studienanfängerquoten. Die Landesregierung bemüht sich vielmehr um eine Senkung der Abbruchquoten, sorgt für mehr Durchlässigkeit und gegenseitige Anerkennung von Bildungsinhalten. Sie stärkt lebenslanges Lernens durch berufsbegleitende Angebote und Weiterbildungsstudiengänge. Die Landesregierung setzt auf Beratung statt Bevormundung Auch bei Bildungsentscheidungen gilt, dass man Menschen nicht gegen deren Willen zum vermeintlichen Glück zwingen sollte. Schon gar nicht darf die Vorstellung „Nicht alle sollen studieren, meine Kinder aber schon“ die Diskussion anleiten. Die Landesregierung setzt auf eine Stärkung der Beratungsangebote, damit junge Menschen in die Lage versetzt werden, die für ihre Wünsche und Neigungen passenden Bildungswege einschlagen zu können. Die Landesregierung wird zu diesem Zweck die Bildungsberatung, vor allem auch in der Sekundarstufe II der Schulen ausweiten. Dabei muss es darum gehen, die Profile und Vorzüge beruflicher Bildung und eines Studiums aufzeigen. Die Landesregierung stärkt ein differenziertes Studienangebot Angesichts der vielfältigen Interessen und Voraussetzungen heutiger Studierenden und im Hinblick auf die komplexen Anforderungen der Arbeitswelt muss ein gutes Bildungssystem heute eine Vielzahl von Bildungskarrieren ermöglichen. Die Landesregierung begreift daher die vielfältige Hochschullandschaft in BadenWürttemberg als echtes Pfund. Sie unterstützt die Hochschulen dabei, ihre jeweiligen Profile und Stärken weiter zu entwickeln. Dass individuell passende Bildungskarrieren ermöglicht werden ist dabei nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine der Qualität unserer künftigen Fachkräfte. Besonders stärkt die Landesregierung Bildungsformate, die quer zur herkömmlichen Trennlinie zwischen beruflicher und akademischer Bildung liegen. Mit der Dualen Hochschule verfügt Baden-Württemberg bereits über ein weit über die Landesgrenzen hinaus bekanntes „hybrides“ Erfolgsmodell, das betriebliche Ausbildung mit dem Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen verbindet. Landesregierung unterstützt die Hochschulen dabei, sich auf die steigende Heterogenität der Studierenden zu reagieren. Durch Förderprogramme unterstützt sie die Schaffung flexibler Studienangebote, die beispielsweise bedarfsorientiert eine Streckung des Studiums und das Auffüllen von Wissenslücken. Die Landesregierung sorgt für mehr Durchlässigkeit Um die Durchlässigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung zu erhöhen, erleichtert die Landesregierung die Anrechnung von Kompetenzen, die im jeweils anderen Bildungssystem erworben wurden. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird Weiterbildung für Hochschulen zu einer immer wichtigeren Betätigung. Hochschulen beginnen damit, sich für Studierende mit beruflichem Hintergrund zu öffnen und bieten berufsbegleitende Studienmodelle an. Die Landesregierung schafft dafür die Rahmenbedingungen. So hat sie im letzten Jahr erstmals die Einführung von weiterbildenden Bachelorstudiengängen ermöglicht, die sich auf die Bedürfnisse beruflich Qualifizierter einstellen. Die Landesregierung stärkt Rahmenbedingungen, die zu erfolgreichem Studieren beitragen. Gute Beratung und individuell passgenaue Studienangebote spielen dabei eine zentrale Rolle für die Senkung von Abbrecherquoten. Weil es aber immer auch Fälle geben wird, in denen die Beendigung eines Studiums die richtige Entscheidung für junge Menschen ist, unterstützt die Landesregierung Hochschulen bei Angeboten, die im Sinne von „Bildungsweichen“, Studienabbrecherinnen und Studienabbrechern für die berufliche Bildung gewinnen. Brachliegende Potenziale in den Blick nehmen Die Landesregierung setzt auf mehr Durchlässigkeit, damit auch besonders leistungsfähige junge Menschen sich in Zukunft für eine Berufsausbildung entscheiden können ohne sich die Aussichten auf ein Studium zu verbauen. Gleichzeitig bleibt es eine der vordringlichsten Aufgaben, in der Schule und in der Berufsbildung die brachliegenden Potenziale der Jugendlichen zu heben, die es heute nicht in eine Berufsausbildung schaffen. Viel zu viele Jugendliche bleiben derzeit ohne Berufsausbildung. Auch sind viel zu viele Jugendliche im sogenannten Übergangssystem geparkt, das kaum Anschlussmöglichkeiten bietet. Hier besteht der größte Handlungsbedarf zur Stabilisierung des beruflichen Bildungssystems.
© Copyright 2024 ExpyDoc