Hedlinger, Johann Carl, Vorderseite der Medaille auf Niklaus von Flüe, 1728, Silber, 45 mm (Durchmesser), Altertümersammlung des Kantons Schwyz Bearbeitungstiefe Name Hedlinger, Johann Carl Namensvariante/n Gedlinger, Iogann Karl Gellinger, Iogann Karl Hedlinger, Carolus Hedlinger, Johann Karl von Hedlinguer, Jean C. Hettlingen, Johann Carl Hettlinger, Johann K. Lebensdaten * 28.3.1691 Seewen, † 14.3.1771 Schwyz Bürgerort Schwyz Staatszugehörigkeit CH Vitazeile Seite 1/7, http://www.sikart.ch Medailleur. Porträts, Allegorien, Embleme, heraldische Zeichen, Symbole Tätigkeitsbereiche Medaillen, Münzen, Zeichnung Lexikonartikel Sohn von Johann Baptist und Anna Elisabeth, geborene Betschart. Hedlinger empfängt den ersten Zeichenunterricht beim Vater, einem Verwaltungsbeamten, der sich nebenher in Rom zum Maler ausbilden liess. 1700 Übersiedlung der Familie von Schwyz ins tessinische Bleniotal, wo der Vater die Leitung der Silber-, Kupfer- und Bleibergwerke übernimmt. Erste Auseinandersetzung mit den Metallen. Humanistische Bildung im von Einsiedler Patres geleiteten Gymnasium in Bellinzona. 1708–09 Rückkehr nach Schwyz, Übersiedlung der Familie nach Sitten und Bekanntschaft mit dem Luzerner Goldschmied Wilhelm Krauer, der die bischöfliche Münzstätte betreibt. Hedlinger wird Prägeschneider in Krauers Dienst und fertigt den ersten Münzstempel an. 1711 siedelt er mit Krauer nach Luzern über und tritt in dessen Werkstatt als Goldschmiedlehrling ein. 1713–15 Tätigkeit als Stempelschneider (Luzerner Verdienstmedaille). 1716 Reise mit Krauer nach Pruntrut und Montbéliard. Erstmals Bildnisdarstellungen. Selbständige Weiterreise nach Nancy und Arbeit beim lothringischen Hofmedailleur Ferdinand de Saint-Urbain. 1717–18 Aufenthalt in Paris. Besuch der Académie des Inscriptions et des Médailles und Arbeit in der königlichen Münz. Stellenangebot des russischen Zaren Peter des Grossen. Als Nachfolger des verstorbenen Arvid Karlsteen ist Hedlinger 1718– 1745 Hofmedailleur in Stockholm. Zu seiner vielseitigen Tätigkeit gehören Ausbildung von Lehrlingen zu Stempelschneidern, Reorganisation des Münzwesens und die Tätigkeit als königlichschwedischer Medailleur im Dienst von Karl XII., von Königin Ulrike Eleonore und deren Gemahl König Friedrich von Hessen. Freundschaft unter anderem mit dem Altertumsforscher Nikolaus Keder, dem Reichsantiquar Carl Renald Berch und Karl Harleman, für die er im Lauf der Zeit verschiedene Medaillen schafft. Dennoch begibt sich Hedlinger regelmässig auf Reisen: 1726–27 Besuch bei seiner Familie in Schwyz und Bekanntschaft mit Maria Rosa Franziska Schorno, seiner zukünftigen Gemahlin. Anschliessend Italienreise bis Neapel und halbjähriger Romaufenthalt. Umgang mit zahlreichen führenden Künstlern, unter anderem mit Edme Bouchardon und Freundschaft mit Kardinal Alessandro Albani, dem berühmten Antikensammler und späteren Gönner Johann Joachim Winckelmanns. Es entstehen zwei Medaillen für Papst Benedikt XIII., der ihm den Christusorden verleiht. Rückreise über Venedig und Wien nach Stockholm, wo er 1728 die Bruder-Klausen- Seite 2/7, http://www.sikart.ch Medaille, eines der meist verbreiteten Werke, gestaltet. Erste Selbstdarstellungen mit der Devise des «Lagom». Es folgt ein Stellenangebot des sächsischen Hofes, 1730 dasjenige der russischen Kaiserin Anna Iwanowna. 1732 Reise nach Kopenhagen. Arbeit für König Christian VI. von Dänemark. 1733 Lagom-Medaille mit Eule. 1734 wird er Lehrer an der neugegründeten Stockholmer Kunstakademie. 1735–37 Reise mit Carl Renald Berch und seinem Meisterschüler Daniel Fehrman nach Petersburg. Arbeit für Kaiserin Anna. Freundschaft mit dem dort ansässigen Basler Mathematiker Leonhard Euler. 1739 zweite Reise in die Schweiz. 1741 Heirat mit Maria Rosa Franziska Schorno und Berufung an den Hof Friedrichs des Grossen nach Berlin. 1742–43 Aufenthalt in Berlin. 1743 Übersiedlung nach Freiburg in der Schweiz. Entlassungsgesuch an die schwedische Obrigkeit. König Friedrich beharrt aber auf seinem weiteren Dienst. 1744 letzte Reise nach Stockholm. Anfertigung von zahlreichen Münz- und Medaillenstempeln. 1745 Ernennung zum königlich-schwedischen Hofintendanten, Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften und Genehmigung des Entlassungsgesuches. Hedlinger erhält auf Lebzeiten den Titel eines Hofmedailleurs. Nach der Heimreise in die Schweiz folgt 1746 der Domizilwechsel von Freiburg nach Schwyz ins erworbene «Steinstöckli», wo seine Tochter geboren wird. Hedlinger formt in diesem Jahr die Lagom-Medaille mit Vorhang. 1747 Aufenthalt beim Medailleur Andreas Vestner in Nürnberg. 1748 wird er in die königlich-preussische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. 1752 entsteht die Bernische Verdienstmedaille, das Hauptwerk seiner Schweizer Tätigkeit. Nach dem Tod seiner Frau 1755 diktiert er seine Biografie. 1757 erwirbt er die thurgauische Schlossherrschaft Katzensteig, lebt aber weiterhin in Schwyz. Ungebrochene Schaffenskraft bis ans Lebensende. Zu den Werken der letzten Zeit gehören: Medaille auf König Georg II. von England; Medaille auf Kaiserin Maria Theresia von Österreich; Trauermedaille auf König Karl XII. von Schweden; Täufermedaille; Lagom-Medaille mit Totenkopf. Johann Carl Hedlinger ist ein wichtiger Vertreter des Übergangs vom Hochbarock zum Klassizismus. Er gilt als der bedeutendste Medailleur der Epoche. Die Bildungsstationen Paris und Rom spielen dabei eine entscheidende Rolle: In Paris macht er die Bekanntschaft mit der französischen Klassik, die im höfischen Régence-Stil ihre Nachblüte erlebt; unmittelbar nach Rom entwickelt er das sein ganzes Schaffen Seite 3/7, http://www.sikart.ch bestimmende Ideal des «Lagom» (schwedisch: nicht zuviel, nicht zuwenig). Er verzichtet auf die üppigen Verzierungen des Barock und nähert sich einem antiken Formideal an, das dreissig Jahre später Winckelmann in ähnlicher Weise formulieren wird. Beispielhaft dafür ist die Lagom-Medaille mit der Eule (1733): Das Selbstporträt à la mode grecque auf dem Avers zeigt das Kopfbildnis des jugendlichen Künstlers mit kurzem Haar vor blankem Grund und ohne Schmuck. Auf dem Revers erscheint die Waffen tragende Eule Minervas, die einen klaren Bezug zur griechischen Antike herstellt, zusammen mit den rätselhaften, griechischen Buchstaben des «Lagom». Jeder Verweis auf die aktuelle Epoche fehlt (auch die Signatur). Hedlinger vermag mit diesem Werk sogar die Antiquare zu täuschen. Auf den Reversbildern wird der Klassizismus der Form und des Inhalts besonders sichtbar. Nach den einfachen, konventionelleren, barocken Medaillenrückseiten der Jugend zeigt sich 1718 mit der ersten Medaille für den schwedischen Hof ein enger Zusammenhang zwischen Bild und Motto. Die Idee für die meist auf dem Revers dargestellten Embleme oder Allegorien entnimmt er der klassischen Tradition, vor allem dem Standardwerk Iconologia Cesare Ripas; er formt sie aber bis ins Detail um und überarbeitet sie in einer Weise, dass alles Stereotype abfällt und der Bildsinn ins Zentrum rückt. Indem er sich meistens nur auf ein Motiv beschränkt und eine einfache Komposition wählt, erhält das Bild seine volle Wirkung. Das Bild und das jeweils treffend formulierte lateinische Motto bedingen sich wechselseitig und bilden eine Einheit. Auf dem Revers des Friedrichmedaillons beispielsweise symbolisiert der eine Lorbeer- und eine Palmenkrone tragende Adler die Herrschaft des Königs in Krieg und Frieden. Im Landschaftshintergrund erscheinen als weitere Allusionen ein Bollwerk und ein Musentempel. Durch das über den aufgeschlagenen Flügeln des Adlers eingeschriebene Motto, «UTRAQUE FULGENS» (in beiden glänzend), wird die Allegorie nochmals verdeutlicht. Auf den Aversen erweist sich Hedlinger als ein vollkommener Porträtist, der seine Technik so meisterhaft beherrscht, dass er jedes gewünschte Detail (Haare, Epidermis, Broderie und Pelz) im Werk umsetzen kann. Der Stil variiert je nach Person, die es zu repräsentieren gilt. Die Kaiserund Königsbildnisse führen den hochbarocken Stil des Absolutismus weiter: Perücke, Kleidung und Pose entsprechen den rhetorischen Formelementen der Zeit, während die Gesichtszüge fast nie idealisiert sind. Bei den Freundesbildnissen entwickelt Hedlinger eine noch Seite 4/7, http://www.sikart.ch persönlichere Darstellungsart: Die Personen sind meist à la mode grecque porträtiert und zeigen einen weniger offiziellen Gesichtsausdruck, ihre Individualität wird in prägnanter Weise zur Geltung gebracht. Diesen neuen Stil führt Hedlinger aber vor allem in seinen zahlreichen Selbstbildnissen ein, in denen er sein antikisierendes Ideal bearbeitet. Werke: Stockholm, Statens Historiska Museum (Kungliga Myntkabinettet); Zürich, Schweizerisches Landesmuseum. Corinne Gasal, 1998, aktualisiert 2014 Literaturauswahl - Meisterwerke im Kanton Schwyz. Band II: vom Barock bis zur Gegenwart. Hrsg.: Markus Riek und Markus Bamert. Bern und Zürich: Benteli, 2006 - Peter Felder: Barockplastik der Schweiz. [Hrsg.:] Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Basel und Stuttgart: Wiese, 1988 (Beiträge zur Kunstgeschichte der Schweiz 6) - Peter Felder: Medailleur Johann Carl Hedlinger 1691-1771. Leben und Werk. Aarau, Frankfurt am Main: Sauerländer, 1978 - Peter Felder: «Ein neuentdecktes Selbstbildnis von Hedlinger». In: Karl Stüber und Andreas Zürcher (Hrsg.): Festschrift Walter Drack zu seinem 60. Geburtstag. Stäfa: Gut, 1977 - Peter Felder: «Johann Carl Hedlinger. Ein Vorläufer des Klassizismus». In: Unsere Kunstdenkmäler, 25, 1974. S. 272-280 - En schweizisk medaljgravör i Sverige: Johann Carl Hedlinger (16911771) : en minnesutställning med material ur Kungl. Bibliotekets egna samlingar samt från Schweiz med benäget bistånd av Schweiziska Ambassaden i Stockholm. Hrsg. von der Kungliga Biblioteket (Stockholm). [Stockholm]: [Kungliga Biblioteket], 1971 - Hans-Ulrich Geiger: «Zum 200. Todestag J. C. Hedlingers am 17. März 1971. Autobiographische Notiz». In: Revue Suisse de Numismatique, 1971, 50 - Des Ritters Joh. Karl Hedlinger's Medaillen-Werke, gezeichnet von Johann Kaspar Füessli und in schwarzer Kunst bearbeitet von Johann Elias Haid. Augsburg, 1781 - Chrétien de Mechel: Explication historique et critique des Médailles de l'Oeuvre du Chevalier Hedlinger. Bâle, 1778 Nachschlagewerke - E. Bénézit: Dictionnaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs de tous les temps et de tous les pays Seite 5/7, http://www.sikart.ch par un groupe d'écrivains spécialistes français et étrangers. Nouvelle édition entièrement refondue sous la direction de Jacques Busse. Paris: Gründ, 1999, 14 vol. - Biografisches Lexikon der Schweizer Kunst. Dictionnaire biographique de l'art suisse. Dizionario biografico dell'arte svizzera. Hrsg.: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich und Lausanne; Leitung: Karl Jost. Zürich: Neue Zürcher Zeitung, 1998, 2 Bde. - The Dictionary of Art. Edited by Jane Turner. 34 volumes. London: Macmillan; New York: Grove, 1996 - Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Unter Mitwirkung von Fachgelehrten des In- und Auslandes herausgegeben von Ulrich Thieme und Felix Becker. 37 Bände. Leipzig: Seemann, 1907-1950 [Taschenbuchausgabe: München: DTV, 1992] - Schweizerisches Künstler-Lexikon, hrsg. vom Schweizerischen Kunstverein, redigiert unter Mitwirkung von Fachgenossen von Carl Brun, 4 Bde., Frauenfeld: Huber, 1905-1917[Reprint: Nendeln: Kraus, 1982]. - Johann Caspar Füesslin: Joh. Caspar Füesslins Geschichte der besten Künstler in der Schweitz. Nebst ihren Bildnissen. Zürich: Orell, Gessner, Füessli, 1769-1779. 5 Bde Direktlink http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4022911&lng=de Normdaten GND 118547623 | Deutsche Biographie Letzte Änderung 23.04.2015 Disclaimer Alle von SIKART angebotenen Inhalte stehen für den persönlichen Eigengebrauch und die wissenschaftliche Verwendung zur Verfügung. Copyright Das Copyright für den redaktionellen Teil, die Daten und die Datenbank von SIKART liegt allein beim Herausgeber (SIK-ISEA). 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