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Interview mit Jürgen Fischer, Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft
Frage: Herr Fischer, könnten Sie zunächst bitte einmal die Aufgaben des Bundesinstituts für
Sportwissenschaft umreißen?
Fischer: Das mache ich gern. Zunächst mal ermitteln wir in Zusammenarbeit mit dem
autonomen Sport, dass vorzugsweise zunächst mal der Deutsche Olympische Sportbund zu
nennen, den Forschungsbedarf. Dabei sind uns auch die Spitzenverbände natürlich behilflich, die
aus den Kontakt mit den Athleten, mit den Trainern, mit deren Funktionären – sehr wohl wissen
– an welchen Stellen sich wettkampfbezogen Forschungsbedarf ergibt, worum es darum geht,
die Leistungen der Athletinnen und Athleten zu verbessern. Das versuchen wir mit den Kollegen
in verschiedenen Plattformen zunächst mal zu ermitteln, wenn diese Phase abgeschlossen ist,
initiieren wir hier – unsere Wissenschaftler hier vor Ort im Institut – die entsprechenden
Projektskizzen, die dann ausgeschrieben werden und einem sehr intensiven
Begutachtungsverfahren unterzogen werden, um möglich viel Transparenz und Objektivität
auch sicherzustellen. Und nach einer Förderentscheidung, die dann in letzter Konsequenz durch
mich getroffen wird, wobei ich dann auch verschiedene Berater hinzuziehe, wird dann diese
Maßnahme durchgeführt.
Wichtig ist, dass wir die Projekte alle subsidiär fördern, das heißt ein wesentlicher Teil ein
wesentlicher Anteil wird durch Bundesmittel finanziert, aber die Institution, die
Universitätsinstitute, die mit uns zusammenarbeiten bringen auch Eigenmittel ein – meistens in
Form von Sachleistungen oder von Personal, von IT-Infrastruktur, so dass wir insgesamt den zu
einer subsidiären Förderung kommen. Ansonsten müsste unser Forschungsetat etwa doppelt so
hoch sein und das lässt sich innerhalb des Bundeshaushalts nicht realisieren. Unser
Forschungshaushalt – um das anzuflechten – ist um die 4,8 Millionen und das zeigt schon auf,
dass wir da wir gewissen Grenzen unterliegen und sind deswegen auch auf die Mitfinanzierung,
auf die Eigenanteile der Universitäten angewiesen. Wir koordinieren denn die Durchführung,
was in den früheren Jahren vor 2000 relativ einfach war, weil wir da nur einen Partner hatten.
Heute haben wir in den Großprojekten – wie in dem Rückenprojekt, zu dem wir noch kommen –
bis zu 65 Wissenschaftler organisiert in einem Netzwerk. Und die zu koordinieren, ist natürlich
eine gewaltige Aufgabe, die dann hier durch Kolleginnen und Kollegen zu leisten sein wird. Wir
werden dann anschließend, wenn wir die Ergebnisse haben, die Ergebnisse auswerten und diese
Ergebnisse werden dann auch letztlich durch verschiedene Wege transferiert, um den Sport um
damit letztlich zur Leistungsförderung zu führen.
Frage: Eine zentrale Frage ist offenbar Forschung im Bereich des Spitzensports. Warum ist dies
eine Fragestellung, für die staatliche Mittel eingesetzt werden?
Fischer: Die Spitzensportförderung ist ja insgesamt ein Bestandteil der gesamtstaatlichen
Repräsentation der Bundesrepublik Deutschland, und da werden ja Mittel eingesetzt, die alleine
für die zentralen Maßnahmen um die 140 Millionen betragen. Und um solche Mittel legitim
verausgaben zu können, ist es auch erforderlich, dass natürlich eine wissenschaftliche
Begleitung sich erstellt, die dafür sorgt, dass diese Mittel auf dem höchsten Niveau ausgegeben
werden. Das heißt ohne wissenschaftliche Begleitung, ohne Forschung auf höchsten Niveau
würde letztlich auch die Legitimation für die Verausgabung dieser hohen Steuermittel in die
Spitzensportfachverbände fehlen. Wenn wir uns an der Weltspitze behaupten wollen, muss das
also das Hand in Hand geht. Das heißt, die Wissenschaft muss entsprechende innovative
Ergebnisse bringen, damit wir unsere spitzensportliche Position behaupten können und das
Ganze ist dann im Bereich der gesamtstaatlichen Repräsentation auch das Aushängeschild für
Deutschland.
Frage: Die Ergebnisse des Spitzensports interessieren natürlich viele Menschen. Andererseits ist
aber der Breitensport ein Thema, das uns alle angeht, beispielsweise bei den gesundheitlichen
Auswirkungen des Sports. Inwieweit engagiert sich Ihr Institut auch hier?
Fischer: Auch da haben wir seit 2005/2006 einen ganz neuen Weg beschritten. Wir haben sehr
viele Projekte kreiert, die zu einem wesentlichen Teil auch der Gesamtbevölkerung dienen. Wo
also Synergien geschaffen werden – ich darf hier vorzugsweise das Rückenprojekt nennen. Jeder
in Deutschland wird früher oder später mal durch eine Rückenerkrankung geplagt sein. Die
Erforschung, der diffusen Ursachen für Rückenschmerzen liegt auch noch größtenteils im
Dunkeln. Das erforschen wir für den Spitzensport, aber natürlich auch mit Ergebniswirkung
denn für den Breitensport für die Gesamtbevölkerung.
Daneben sind Forschungen im Bereich des plötzlichen Herztodes zu nennen, im Bereich der
Schädel-Hirn-Forschung, im Bereich Kraftforschung – das Regenerationsmanagement, was für
jeden der Sport treibt eigentlich von ausschlaggebender Bedeutung ist. Wir beschäftigen uns mit
dem Pfeifferschen Drüsenfieber, mit der Immunologie – auch das ein Thema was Jugendliche in
jeder Lebenslage eigentlich ereilt kann. Und wir beschäftigen uns jetzt auch mit psychologischen
Belastungssituationen im Sport, die aber natürlich auch in ähnlicher Form in ganz anderen
Breiten unserer Gesellschaft massiv auftreten. Das ist also so ein kleiner Einblick in die
Probleme, die ja auch für die Gesamtbevölkerung dann von Nutzen sind.
Frage: Sie unterstehen dem Bundesinnenministerium, arbeiten aber vermutlich nicht nur auf Basis
der Weisungen aus dem Ministerium. Wie entstehen Forschungsfragestellungen und Projekte in
Ihrer Einrichtung?
Fischer: Grundsätzlich ist es richtig, dass wir der Weisung des Ministeriums, sprich des Ministers
– dem Bundesminister des Innern unterstehen. Ich darf aber sagen, seit meiner
Amtsinhaberschaft hier seit 2005 ist das noch in keinem Fall geschehen. Das liegt
möglicherweise daran, dass wir uns auch mit dem Ministerium immer gut vernetzen, in dem was
wir tun. Es ist natürlich so, dass die Probleme nicht einfach von Himmel fallen, sondern man
muss sehr genau die Praxis beobachten, man muss die Events - Europameisterschaften,
Weltmeisterschaften, Olympischen Spiele - beobachten, um zu sehen, wo stehen die
ausländische Konkurrenz, wo stehen im Vergleich dazu der deutsche Sport. Wir müssen uns auf
Kongressen, auf Tagungen auch eine Meinung bilden, wo die Wissenschaft in andern Ländern
inzwischen verortet ist. Und daraus ergeben sich dann Fragestellungen, die wir mit dem Sport
zusammen denn entwickeln.