Donnerstag, 23. April 2015 / Nr. 93
Uri
Zentralschweiz
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19
BOTE DER URSCHWEIZ
Steffen gewinnt den internen Kampf
WAHLEN 2015 Die CVP Uri
steigt mit Frieda Steffen ins
Rennen um den Urner Nationalratssitz. Sie setzte sich
parteiintern gegen Christine
Widmer Baumann durch.
BRUNO ARNOLD
[email protected]
94 Stimmberechtigte fanden sich gestern zum Parteitag der CVP Uri in
Schattdorf ein. Der Grund für den relativ grossen Aufmarsch: Es ging um die
Nomination der CVP-Kandidatin für den
einzigen Urner Sitz im Nationalrat, der
nach dem Rücktritt von Gabi Huber
(FDP, Altdorf) frei wird. Das Rennen
machte die 56-jährige Frieda SteffenRegli aus Andermatt. Bei 92 gültigen
Stimmen und einem absoluten Mehr
von 47 Stimmen erhielt sie 49 Voten.
Steffen vertritt Andermatt seit 2008 im
Urner Landrat. Sie war 15 Jahre lang als
bäuerlich-hauswirtschaftliche Beraterin
des Kantons Uri tätig. Seit August 2008
ist sie Hauswirtschaftslehrerin und Lehrerin für textiles Gestalten an der Kreisschule Ursern in Andermatt. Zudem
führt sie zusammen mit ihrer Familie
einen Landwirtschaftsbetrieb.
Die CVP hat Frieda
Steffen für die
Wahl in den
Nationalrat und
Isidor Baumann als
offiziellen Ständeratskandidaten
nominiert.
Bild Urs Hanhart
Steffen ist für zweite Röhre
Die beiden Frauen stellten sich am
Parteitag selber vor und nahmen anschliessend zu Fragen von Vizepräsident
Christian Mattli Stellung. Bezüglich ihrer
politischen Positionen war nur ein wesentlicher Unterschied auszumachen:
Steffen outete sich als Befürworterin
einer zweiten Röhre am Gotthard, während sich Widmer Baumann als Gegnerin präsentierte. Steffen-Regli freute sich
nach der Nomination über das Vertrau-
ensvotum der Parteibasis. «Es liegt noch
einige Arbeit vor uns, damit die CVP
Uri mit zwei Mitgliedern in Bern vertreten ist», gab sie aber zu bedenken.
Widmer Baumann, welche 37 Stimmen
erhalten hatte, zeigte sich als gute Verliererin: «Ich gratuliere Frieda Steffen
zum Etappensieg und fordere alle CVPMitglieder auf, sich mit Engagement für
die Wahl unserer offiziellen Kandidatin
einzusetzen.» Völlig unbestritten war
Gemeindewerke
steigen aus
Obergericht befasst sich erneut mit Sextaten
ALPBACH zf. Die Gemeindewerke
Erstfeld ziehen sich aus dem Kraftwerkprojekt für die Nutzung des Alpbachs zurück. Dies gab Verwaltungsratspräsidentin Karin Gaiser an der
gestrigen Gemeindeversammlung im
Casinosaal Erstfeld bekannt. «Die
Wirtschaftlichkeit der Wasserkraft in
der Schweiz hat stark gelitten», sagte
Gaiser. Trotz der kostendeckenden
Einspeisevergütung seien die Risiken
arg gestiegen. Der Verwaltungsrat
habe das Projekt deshalb in den vergangenen Monaten neu beurteilt.
Dabei spielten neben der Unsicherheit im Strommarkt unter anderem
auch die Grösse des Investitionsvolumens, die Risiken in der Ertragslage und die Auswirkungen auf das
Trinkwasserkraftwerk Flüe eine wichtige Rolle. Die Erkenntnisse bewogen
den Verwaltungsrat nun dazu, die
entsprechende Absichtserklärung
aufzuheben.
Doppelnutzung angestrebt
Kanton und EWA führen die Verhandlungen fort, um allenfalls eine
Doppelnutzung des Bachs für Trinkwasser, aber auch für Energiegewinnung anzustreben. Erst am 8. März
hatten sich die Erstfelder mit deutlichem Mehr dafür ausgesprochen,
dass die bestehenden Trinkwasserquellen quantitativ und qualitativ
erhalten bleiben sollen. Heute Donnerstag wird das Elektrizitätswerk
Altdorf an einer Medienkonferenz
erläutern, wie weiter vorgegangen
wird. Die Gemeindewerke Erstfeld
sehen von einer Entschädigung ab.
HINWEIS
Mehr zur Gemeindeversammlung von Erstfeld
in der morgigen Ausgabe unserer Zeitung.
OBERGERICHT Freispruch
oder fünf Jahre: Gestern ging
es vor dem Obergericht Uri um
sexuelle Übergriffe. Angeklagt
ist ein 53-jähriger Urner.
Das Urner Obergericht musste gestern
den Fall eines heute 53-jährigen Urners
neu beurteilen (siehe Box). Der Mann
war 2012 vom Landgericht und im Berufungsprozess vor Obergericht (2013)
wegen mehrfacher Vergewaltigung,
mehrfacher versuchter Vergewaltigung,
mehrfacher sexueller Nötigung und
Schändung schuldig gesprochen und zu
einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren
verurteilt worden. Weil das Obergericht
den Mann in einem Anklagepunkt wegen
versuchter Vergewaltigung verurteilt hatte, obwohl ihm dieser Vorwurf in der
Anklageschrift nicht gemacht worden
war, hiess das Bundesgericht eine Beschwerde des Verteidigers in diesem
Punkt gut und hob das Urteil auf. Dieser Verstoss gegen das Anklageprinzip
war der Grund, weshalb das Obergericht
gestern erneut über die Bücher musste.
Am Strafmass festgehalten
Der Verteidiger forderte wiederum
einen vollständigen Freispruch für seinen Mandanten. Die stellvertretende
Oberstaatsanwältin plädierte hingegen
dafür, den Mann in dem vom Bundesgericht beanstandeten Punkt nicht wegen versuchter Vergewaltigung, sondern
wegen Nötigung zu verschiedenen sexuellen Handlungen schuldig zu sprechen. Am beantragten Strafmass von
fünf Jahren hielt sie aber fest. Die beiden
Parteien stellten jedoch nicht nur höchst
unterschiedliche Anträge betreffend
vorgängig die Nomination des bisherigen CVP-Ständerats Isidor Baumann
ausgefallen. Der 60-jährige Wassner
vertritt den Kanton Uri seit 2011 in Bern.
Die Unterstützung für den ehemaligen
Urner Regierungsrat fiel überwältigend
aus. Baumann erhielt 89 der 90 gültigen
Voten, dies bei 93 eingegangenen
Stimmzetteln. Ob die CVP Uri den für
den zweiten Urner Ständeratssitz kandidierenden Josef Dittli (FDP, Atting-
hausen) unterstützten wird, will die CVP
gemäss Mattli erst am Mai-Parteitag
entscheiden. Dittli bewirbt sich um die
Nachfolge des zurücktretenden Markus
Stadler (GLP, Bürglen).
SVP hat Beat Arnold nominiert
Steffen wird es im Kampf um den
Nationalratssitz mit Sicherheit mit Beat
Arnold (SVP, Schattdorf) zu tun bekommen. SP und Grüne Uri werden defini-
Vergewaltigung und Nötigung
DER FALL bar. Die Anschuldigungen
wiegen schwer. Der heute 53-jährige
Urner soll sich an drei Frauen sexuell
vergangen haben. Im ersten Fall wird
ihm vorgeworfen, eine psychisch und
physisch angeschlagene Bekannte zwischen 1998 und 2003 mehrmals – teilweise unter Anwendung von Gewalt
und psychischem Druck – sexuell
genötigt und vergewaltigt zu haben.
Eine Verwandte der Ehefrau wurde
gemäss Anklage im Sommer 1999
Opfer des Beschuldigten. Er soll die
Frau im Bett – in dem auch die Ehefrau schlief – im Schlaf überrascht und
an ihr sexuelle Handlungen vorgenommen haben. Und schliesslich wird
dem Mann zur Last gelegt, im Herbst
2005 eine ihm unbekannte weibliche
Strafmass. Sie vertraten bereits im
Grundsatz völlig gegensätzliche Ansichten. «Das Bundesgericht hat das Urteil
vollständig aufgehoben», argumentierte
der Verteidiger. «Deshalb hat das Obergericht auch einen völlig neuen Entscheid zu fällen.» Demgegenüber betonte die Staatsanwältin, dass das Obergericht lediglich einen einzelnen
Teilaspekt des Falles neu zu beurteilen
habe. Sie begründete dies mit dem Hinweis auf die Bindungswirkung, nach der
sich das Obergericht an den Entscheid
des Bundesgerichts zu halten und nicht
mehr den ganzen Fall, sondern eben
nur den gutgeheissenen Teil der Beschwerde erneut beurteilen müsse.
Der Verteidiger rügte den «grundsätzlichen Mangel», dass sein Mandant nie
direkt mit den mutmasslichen Opfern
Person, die zur Tatzeit betrunken war,
zur Duldung sexueller Handlungen
genötigt zu haben. Auch hier soll der
Mann Gewalt angewendet, das Opfer
bedroht und unter psychischen Druck
gesetzt haben.
Für all diese Taten wurde der Mann
im Juni 2012 vom Landgericht Uri zu
einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren
verurteilt. Das Obergericht Uri wies
die Berufung im Juli 2013 vollumfänglich ab und bestätigte das Urteil der
Vorinstanz. Das Bundesgericht hiess
die Beschwerde im Dezember 2014 in
einem Anklagepunkt gut (siehe Haupttext), in allen andern Punkten wies
das Bundesgericht die Rügen des Beschuldigten ab und stützte den Entscheid des Obergerichts vom Juli 2013.
konfrontiert worden sei. Das sei rechtswidrig und müsse nachgeholt werden –
auch mit Blick auf die jüngste diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesgerichts. Der entsprechende Beweisantrag
der Verteidigung wurde aber vom Gericht abgelehnt.
Unwahre Aussagen gemacht
In seinem Plädoyer kritisierte der
Verteidiger, dass sich die Urner Richter
bei ihrem Urteil lediglich auf die protokollierten Aussagen der Opfer abgestützt
und auf die Direktkonfrontation von
«Täter» und «Opfer» verzichtet hätten.
«Sie fällten damit ihr Urteil aufgrund
von Aussagen, die nie vor einem Gerichtskörper und vor dem Angeklagten
gemacht wurden», so der Verteidiger.
Diese Aussagen seien als Belastungsbe-
tiv keinen Kandidaten für die nationalen
Wahlen vom 18. Oktober stellen. Trotzdem ist aber längst nicht in Stein gemeisselt, dass Steffen und Arnold die
einzigen Kandidaten für den frei werdenden Urner Sitz in der Grossen Kammer in Bern bleiben werden. Eine weitere Kandidatur, beispielsweise aus dem
Lager der FDP oder auch aus demjenigen der Parteilosen, wird in Urner Politkreisen nicht gänzlich ausgeschlossen.
weise nicht verwertbar. «Sämtliche Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen.» Der
Verteidiger zog die Glaubwürdigkeit der
Frauen massiv in Zweifel. Das Hauptopfer leide unter einer bipolaren Störung
und sei drogenabhängig. Ein zweites
Opfer habe die Aussagen Stunden nach
der «Tat» mit einem Blutalkoholwert von
1,99 Promille gemacht. Dennoch habe
die Justiz die Aussagen der Frau nie in
Zweifel gezogen. Auch das Bundesgericht habe die Beweiswürdigung und die
Feststellungen des Obergerichts zu den
Aussagen der mutmasslichen Opfer
nicht in Zweifel gezogen.
Vorwürfe zurückgewiesen
«Ich bin froh, dass die Opfer heute
nicht hier sind und sich nicht anhören
müssen, was sie sich angeblich alles
eingebildet haben», konterte die Staatsanwältin. Ich will mich aber dazu nicht
länger äussern, da dies aufgrund der
Bindungswirkung des Urteils der Lausanner Richter auch nicht nötig ist.»
«Ich weise alle Vorwürfe mit aller
Deutlichkeit zurück», betonte der Angeklagte in seinem Schlusswort. «In
einem Fall kann ich mich nicht mehr an
die Tatnacht erinnern. Mit den beiden
anderen Frauen habe ich nie irgendwelchen sexuellen Kontakt gehabt», bekräftigte er seine Unschuld. Das alles sei
schwer für ihn und seine Frau. Im Falle
einer Verurteilung könne er nie mehr bei
seinem aktuellen Arbeitgeber tätig sein.
Es würde so oder so schwierig, nach
einer allfälligen Freiheitsstrafe überhaupt
wieder einen Job zu finden, «allein schon
aufgrund meines Alters, das ich dann
hätte».
BRUNO ARNOLD
[email protected]
HINWEIS
Das Urteil wird den Parteien am kommenden
Freitag mündlich eröffnet.