532_580_BIOsp_0515_- 20.08.15 10:52 Seite 571 · B ÜCH E R Sex macht Spaß, aber viel Mühe Vladimir Kochergin, Steffen Münzberg, Susanne Thiele 224 S., Orell Füssli Verlag, Zürich, 2014. Geb., 14,95 O. ISBN: 978-3-280-05557-1 auch als E-Book erhältlich ó Reingefallen! Vermutlich lesen Sie diese Rezension wegen des Titels: Unser Gehirn reagiert auf das Stichwort Sex – dagegen können wir uns kaum wehren. In diesem Fall brauchen Sie aber kein schlechtes Gewissen zu haben, denn es geht um biologische Grundlagen. Die Autoren schildern in einer lockeren und lebendigen Sprache, wie Sexualität entstanden ist und wie sie uns bis heute prägt. Sehr verständlich und bildhaft erklären sie die Rolle von GenDurchmischung und gefilterten Mutationen, Anpassungsstrategien etwa gegen Parasiten, bis hin zu Mischformen wie beim Bambus, der sich jahrelang asexuell vermehrt, um schließlich plötzlich zu blühen und abzusterben – und so die Bambusfresser wieder in ihre Grenzen zu weisen. Sie beschreiben die Konjugation bei Bakterien, fesseln mit biologischen Geschichten etwa am Beispiel der Schwämme und schildern die Entstehung der „echt kernigen“ Eukaryoten durch „einverleibte“ Bakterien. Spannend ist auch die Frage nach dem Altern: Sind Bakterien vier Milliarden Jahre alt – oder „sterben“ sie als Individuum bei der Teilung? Anders als die Samenzellen ist die Eizelle ja ähnlich „langlebig“. Auch Krebszellen finden in diesem Zusammenhang Erwähnung. Ein großes Kapitel widmet sich der Partnerwahl im Tierreich und beim Menschen: Warum Frauen aufs Kinn und Männer auf den Po schauen. 571 Auch Emotionen, Kommunikation und Stimme spielen eine Rolle – „Facebook“ ist uralt: Im Gesicht lesen zu können, ist lebenswichtig. Auch wie wir zu Männern bzw. Frauen werden, welche Hormone uns wann prägen und beeinflussen bis hin zu einem kleinen Ratgeber zum Liebesleben „aus der Affenwelt“ beschreibt das Buch. Nein, der Titel erweist sich nicht als Reinfall: Das Buch erzählt und erklärt spannend Biowissenschaft in einer bildhaften und gesprächsnahen Sprache, mit viel Bezug zum Alltag – nicht nur zum Sex. ó Anja Störiko, Hofheim Alterungsprozesse und Neurodegeneration, Ein Überblick. Tilman Grune VIII, 39 S. 7 Abb., Reihe Springer Essentials, Springer Spektrum, Heidelberg, 2014. Brosch., 6,99 O. ISBN 978-3-658-05613-1 auch als E-Book erhältlich ó „Essentials liefern aktuelles Wissen in konzentrierter Form. Die Essenz dessen, worauf es als State-ofthe-art in der gegenwärtigen Fachdiskussion oder in der Praxis ankommt. Essentials informieren schnell, unkompliziert und verständlich.“ Dies ist die Vorgabe der Essentials-Reihe des Springer-Verlages. Das in dieser Reihe erschienene Buch zu Alterungsprozessen und Neurodegeneration ist in der Gesamtschau für den wenig informierten Leser sehr gut lesbar, es wird verständlich argumentiert, zumeist auf vergleichsweise einfachem, eindimensionalem Niveau. Der Versuch, die Komplexität von Alterungsprozessen sowie der Neurodegeneration auf wenigen Zei- 532_580_BIOsp_0515_- 20.08.15 10:52 Seite 572 572 KA R RIE R E , KÖP FE & KON Z EPTE · B ÜCHER len im Essentials-Format zusammenfassen zu wollen, ist aller Ehren wert, wobei es zwangsläufig zu Auslassungen und Fehlargumentationen kommt. Die Biochemie des Alterns ist höchst komplex und bis heute nicht richtig verstanden. Einige wesentliche Theorien und Prozesse werden in diesem Buch kurz benannt, mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Thema oxidativer Stress. Die Darstellung zu Gehirn und Neurodegeneration ist kursorisch mit einem besonderen Fokus auf wesentliche neurodegenerative Erkrankungen des Menschen, so etwa Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson, wobei die spannenden aktuellen Entwicklungen der letzten etwa 5 Jahre leider unerwähnt bleiben. Bei der Besprechung der Rolle der Proteinaggregation innerhalb der Neurodegeneration sowie der Alterung wird das Ubiquitin-Proteasom-System als Proteinabbauprozess erwähnt, der lysosomale Autophagieprozess, einer der wirklichen hot topics der molekularen Medizin und Biochemie bleibt leider völlig unerwähnt. Das abschließende Ernährungskapitel ist wenig griffig und der interessierte Leser tut sicherlich gut daran, auf das im Vorwort erwähnte ausführlichere Lehrbuch des Autors zurückzugreifen. Zusammenfassend erscheint mir dieses Büchlein unter Vorgabe der Reihe Essentials zwar gut und schnell lesbar und für den uninformierten Interessierten von Wert, eine Konzentration auf einen thematischen Schwerpunkt (also nur Alterung oder nur Neurodegeneration) wäre aber wohl sinnvoller gewesen als diese zu kurze Abhandlung höchst komplexer Prozesse unter Auslassung wesentlicher Befunde und Entwicklungen. Dies schreibt der Rezensent völlig eingedenk der Tatsache, wie schwer es ist, extrem komplexe und teilweise unverstandene Prozesse in einfachster Form darzustellen, ohne dabei Gefahr zu laufen, die wissenschaftliche Mehr- schichtigkeit und Komplexität der leichten Lesbarkeit zu opfern. ó Christian Behl, Mainz Biotechnologie in Cartoons Reinhard Renneberg, Viola Berkling keit und Lesefreude. Thematisch passend wird in eingestreuten Boxen sachlich auf die wissenschaftlichen Grundlagen eingegangen, so dass neugierig Gewordene ihr Wissen vertiefen können. Das Buch ist daher meiner Meinung nach ideal für Wissbegierige von jung bis alt, die verstehen möchten wie Biotechnologie eigentlich funktioniert. Aber auch für Profis stellt es ein „Schmankerl“ dar, dem vielleicht der ein oder andere Kniff entlockt werden kann, um die eigene Arbeit verständlich und zugleich spannend darzustellen. ó Hanna Berger, Bielefeld 166 S., Springer Spektrum, Heidelberg, 1. Auflage, 2015. Brosch., 19,95 O. ISBN: 978-3-8274-2038-1 auch als E-Book erhältlich ó Das Buch Biotechnologie in Cartoons vermittelt in leichter und unterhaltsamer Art und Weise die Grundlagen der Molekularbiologie und Biotechnologie. Der Leser folgt dem winzigen, außerirdischen Professor Nanoroo auf seiner Forschungsreise auf der Erde. Dabei entdeckt Nanoroo die Bausteine des Lebens und erklärt an Alltagsbeispielen wie viel Biotechnologie in Brot und Waschmitteln steckt. Schnell wird klar, dass Gentechnik auch in der Medizin und Landwirtschaft nützlich ist, Risiken und Sorgen aber ernst genommen werden müssen. Spielerisch erhält der Leser so einen Eindruck wie wunderbar und aufregend Biotechnologie sein kann, dass sie aber wie jedes Werkzeug mit Sorgfalt eingesetzt werden sollte. Die Autoren nutzen viele Vergleiche und Eselsbrücken, um die abstrakten und durchaus komplexen Inhalte darzustellen, und greifen bereits Erklärtes immer wieder auf. Durch die Einbettung des Wissens in die Cartoons lassen sich wesentliche Grundlagen leicht nachvollziehen und merken. Dass die Aussagen manchmal knapp an der Wahrheit vorbeigehen, ist hier weniger wichtig. Im Vordergrund stehen Verständlich- Alt werden ohne alt zu sein Was heute möglich ist Rudi Westendorp 288 S., Verlag C.H. Beck, München, 2015. Geb., 19,95 O. ISBN 978-3-406-66762-6 auch als E-Book erhältlich ó Uninformiert über die aktuellen Shortlists der bestsellermarkierten Prominenz bekam ich dieses Buch. Ich war sehr skeptisch, denn schon der Titel schien es auf das überlange Bord der mit Hintergedanken gutgemeinten Ratgeber zu stellen. Das einzig auffallende und zum Einblick neugierig machende war der renommierte und zuverlässige Verlag. So tat ich es denn und war tröstend überrascht. Der Autor, Geriatriker (Altersmediziner – oder soll man ihn Alternsmediziner nennen?) versteht sein Anliegen engagiert undwissenschaftlich-fundiert, durchaus mit wägend differenzierender Kritik gegenüber Trends, darzu- stellen, dazu in überzeugendem Stil, der auch durch die Über setzung trägt. Wir merken alle, dass die Menschen älter werden als noch vor einer Generation, aber wir sehen es nicht, hören allenfalls, neben dem Triumph, die Sorgen um die gesellschaftliche Solidarität in unserem Sozialsystem. Seit dem Mittelalter, in dem der Mensch allen Unbillen des Leibes und des Lebens sehr gottergeben ausgeliefert war, dann der Industriellen Revolution, erwachte mit dem öffentlichen Gewissen auch der Wille und das Können, die sozialen Umstände allgemein und medizinisch zu verbessern. Das kam auch den Schaffenden zugute. Ihre Arbeitskraft und Lebenserwartung stieg. Bismarcks Sozialgesetzgebung vor 150 Jahren nahm dafür etwa 60 Jahre an. Seitdem ist sie kontinuierlich mit etwa einem Lebensjahr je 5 Zeitjahren auf derzeit bald 90 gestiegen. Die krankheitsfreie Zeit wird durch verbesserte Diagnostik kürzer; Lebenserwartung und -qualität, das „Sichwohlbefinden“ steigen. Frauen und Männer werden tatsächlich alt, sind es aber nicht im herkömmlichen Sinn der Gebrechlichkeit. Wie es dazu kommt und ob das unbegrenzt so weitergeht, ist bio- und sozialmedizinisch vielschichtig. Die biologischen, medizinischen, vorbeugenden und pflegerischen Fakten werden kritisch analysiert, sind aber durchaus nicht so eindeutig kausal verknüpft, dass sich nicht das Ganze weiter studieren, optimieren und absoluter machen ließe. Das ist das Anliegen der von Rudi Westendorp geleiteten Leyden Academy for Vitality and Ageing und seiner Lang leven studie. Das Buch voller Vernunft und Trivialität gibt Rat, dem man folgen kann: „Die echte Antwort auf die Frage, wie man alt wird, ohne es zu sein, liegt in unserer eignen sozialen und seelischen Flexibilität. Das zeigen Menschen in fortgeschrittenem Alter, die trotz Gebrechen und Behinderungen BIOspektrum | 05.15 | 21. Jahrgang 532_580_BIOsp_0515_- 20.08.15 10:52 Seite 573 573 vital im Leben stehen und sich ein Gefühl des Wohlbefindens erhalten.“. Es ist ein unhysterischer Ratgeber, der nicht bedrückt und verunsichert. Ein eindrucksvolles Buch! ó Lothar Jaenicke, Köln Außenseiter der Wissenschaft – Pioniere, Wegweiser, Reformer Franz M. Wuketits (Hrsg.) 302 S., 35 Portraits, Springer-Spektrum, Heidelberg, 2015. Geb., 19,99 O. ISBN: 978-3-662-45332-2 auch als E-Book erhältlich ó Franz M. Wuketits ist Verhaltenszoologe und Biowissenschaftstheoretiker an der Universität Wien und hat von dort einen weiten Blick in die Außenseite der Innenseite seines Metiers. Der Untertitel sagt recht genau, wohin er ihn richtet und findet: Auf die Männer und (natürlich sehr wenigen) Frauen, die den Biowissenschaften von außen her, als Amateure im gehobenen Sinn, als Eigenbrötler oder produktive Visionäre – Fortschritt, Innehalten und Paradigmenwechsel gebracht haben. Als begabter Lehrer personalisiert er, was Eindruck machen soll und kann das in nachdenkender und nachvollziehender Weise durch Erzählen und Verlesen von eindrücklichen Lebensläufen. Er versteht es dabei, das Seelische zu pointieren, das in vielen dieser Biographien steckt, und die Persönlichkeiten in ihrer Geistesstruktur so einfühlsam und lebensnah zu charakterisieren, zuweilen auch gegeneinander zu stellen, dass die spannende Lek- BIOspektrum | 05.15 | 21. Jahrgang türe eindrucksvoll, beschäftigend und gewinnbringend zugleich ist. Es sind bekannteste und unbekannte Naturforscher und Naturerforscher, durchaus nicht nur Lebensforscher, die Franz Wuketits uns vorstellt, deren Lebensleistung und Einfluss auf Zeit und Nachwelt er kenntnisreich diskutiert und mit geschickter Schattierung körperlich macht. In jedem Fall ist es ein Vergnügen, zu erfahren, was dem Autor bei Auswahl und Überdenken eingefallen ist und wie er es dann darstellt. Hierzu hätte wohl auch noch Klärendes und Anekdotisches beigereichert werden können, etwa, was es mit Hoimar von Dithfurths Apfelbaum und mit Lindsey LeBlancs effizienter Elektronenwippe auf sich hat oder mit Alexander von Humboldts Aura als aufmischender, gern gesehener kammerherrlicher Tischgänger; Johann Wolfgang von Goethe, der in Selbstüberschätzung des Autodilettanten sein Sonnenauge über die spektrale Einsicht des kritisch gebundenen bornierteren Fachmanns erhob; Erwin Chargaff, der sich, vom arrogant triumphierenden Missbrauch seiner analytischen Sorgfalt angewidert, in den philosophischen Schmollwinkel zurückzog; Elisabeth Schiemann, die ungebeugte Vavilov-Jüngerin und Lise Meitner-Freundin, wären der Erwähnung vielleicht wert gewesen. Der Kognitionsforscher Franz Wuketits führt uns Grenzgänger und Erweiterter in irdischen und sphärischen, auch in geistigen Dimensionen vor; durch Wissbegier und Kombinationsgabe umtriebene Fremdgänger aus anderen Milieus, wie Joseph Priestley und Erwin Schrödinger; auch Universalgelehrte wie Goethe und Adelbert von Chamisso; oder Hochspezialisierte, dadurch Originelle, wie Nikolaj I. Vavilov und Barbara McClintock. Das gut gemachte kleine Buch ist in jeder Beziehung (außer im Preis) ein Geschenk. ó Lothar Jaenicke, Köln Prähistorische Anthropologie Gisela Grupe, Michaela Harbeck und George C. McGlynn (Hrsg.) 556 S., 259 Abb., Springer Spektrum, Heidelberg, 2015. Softcover, 69,99 O. ISBN 978-3-642-55274-8 auch als E-Book erhältlich ó Vor 240 Jahren begründete Johann F. Blumenbach mit seiner Schrift De generis humani (1775) die Anthropologie im deutschen Sprachraum. Seine umfassende Schädelsammlung an der Uni versität Göttingen (heute ca. 840 Schädel) bildete dabei eine der Grundlagen für die spätere Teildisziplin, die Prähistorische Anthropologie (PA). Diese wird mit dem hier vorliegenden Kompendium in deutscher Sprache erstmals und umfassend gewürdigt. Neben einer Einleitung, die auf die wichtigsten Ziele des Buchs kurz verweist, folgen 10 Hauptkapitel, in denen die Autoren den aktuellen Wissenstand dieses Fachgebiets reflektieren. Bei ihrer Darstellung, dem didaktischen Prinzip vom Allgemeinen zum Besonderen folgend, entwickeln sie, ausgehend von der Makro- hin zur Mikroebene, das gesamte methodische Repertoire von der Ausgrabung (Feldarbeit) bis hin zur vergleichenden Auswertung von DNA- bzw. Isotopen-Daten. Auf ungewöhnliche Überlieferungsformen menschlicher Überreste (wie Leichenbrände, Mumien, Moorleichen) sowie aktuelle juristische und ethische Fragen (Restitution etc.) wird ebenfalls ausführlich eingegangen. Jedes Kapitel steht dabei für sich und wird mit der aktuellen Literatur abgerundet. Das äußerst anschaulich gestaltete, verständlich verfasste und handliche Buch ist im Bestreben, die Anthropologie mit ihrer 240jährigen Geschichte und Tradition weiterhin im Fächerkanon der Universitäten zu erhalten, ein wichtiger Bestandteil, gilt doch die Anthropologie bis heute als „Kleines Fach“. Wie wichtig dieses Fachgebiet ist, zeigen die „kaum zu bewältigenden Nachfrage[n] nach deren Expertise vonseiten der Archäologie“ (S. 13). So steht als Quintessenz und Appell der Autoren, dass die PA mit ihren Erkenntnissen „über Menschen vergangener Zeiten als geschichtsbildender und geschichtstragender Faktor mit seinem Alltagserleben, seinen Handlungen und Handlungsfolgen“ einen unmittelbaren immanenten Gegenwartsbezug besitzt, weil eben nur „das als bekannt und verstanden gelten kann, dessen Werdegang erkannt und verstanden wurde“ (ebd.). Es bleibt zu hoffen, dass sich die universitäre Lehr- und Forschungslandschaft nicht dieses kulturgeschichtlich und wissenschaftshistorisch einmaligen Ansatzes beraubt! Das Werk im gehobenen Preisniveau kann sowohl wissenschaftlichen Laien wie auch Natur- und Geisteswissenschaftlern gleichsam empfohlen werden. ó Uwe Hoßfeld, Jena Karrieretrends – für Naturwissenschaftler, Mediziner & Ingenieure Capsid GmbH (Hrsg.) 350 S., jobvector, Düsseldorf, 6. Auflage 2015. Geb., 10 O. ISBN: 978-3-9813951-7-4 ó Nach dem biowissenschaftlichen Studium stellen sich fast alle Absolventen die gleiche Frage: Wie geht es jetzt weiter? Die meisten haben die klassische Karriere in Forschung und Entwicklung im 532_580_BIOsp_0515_- 20.08.15 10:52 Seite 574 574 KA R RIE R E , KÖP FE & KON Z EPTE · B ÜCHER Kopf oder eine akademische Laufbahn. Es gibt jedoch auch noch andere Berufsfelder. Die meisten Studenten machen sich während des Studiums noch keine Gedanken darüber, wie zukunftsweisend und sicher die Branche ist oder wie viel man als Biowissenschaftler verdienen kann. Der Ratgeber „Karrieretrends – für Naturwissenschaftler, Mediziner & Ingenieure“ ist in vier Kapitel unterteilt. Im ersten Kapitel werden Erfahrungsberichte aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern vorgestellt. Hier werden nicht nur die klassischen Karrierewege für Naturwissenschaftler, Mediziner und Ingenieure aufgezeigt, sondern auch weniger bekannte, aber durchaus reizvolle Berufsbilder, wie z. B. Patentanwalt, Wissenschaftsredakteur und MarketingManager. Die konkreten Aufgaben und Anforderungen, der Einstieg in den Beruf und Perspektiven werden näher beleuchtet. Im folgenden Kapitel stellen sich 33 Unternehmen vor und zeigen, welche Karriereperspektiven sie bieten. Hier ist es ein bisschen schade, dass die vorher gezeigten vielfältigen Berufsbilder bei den Firmen sehr einseitig wieder aufgegriffen werden. Denn es präsentieren sich hauptsächlich Unternehmen im Bereich Pharma, Biotechnologie und Medizintechnik. Das Kapitel „Branchentrends & Perspektiven“ gibt u. a. Auskunft über die Zukunftsaussichten, Gehaltsvorstellungen und Tipps für die ideale Bewerbung. Im letzten Kapitel widmet sich das Buch allgemeinen Fragen der Karriereplanung wie z. B.: „Bachelor oder Master?“ „Soll ich promovieren?“ Für diese und andere Fragen gibt es wichtige Entscheidungshilfen. Was außerdem in keinem Buch über Karriereplanung fehlen darf, wird in diesem Kapitel ebenfalls behandelt: Tipps zur Stellensuche, zur richtigen Bewerbung und zur Vorbereitung von Vorstellungsgesprächen und Assessment-Centern. Es sind auch Tipps und Tricks dabei, die sonst nicht in der entsprechenden Literatur zu finden sind. „Karrieretrends für Naturwissenschaftler, Mediziner & Ingenieure“ kann ich jedem Absolventen sehr empfehlen. Obwohl natürlich jeder Bewerber individuelle Fragen, Wünsche und Erwartungen hat, gibt der Ratgeber viele hilfreiche Tipps und Anregungen, zeigt auch eher unbekannte Möglichkeiten auf und gibt Entscheidungshilfen. Die Publikation wird auf branchenspezifischen Messen und Konferenzen, an Universitäten, Fachhochschulen und berufsbildenden Schulen kostenlos verteilt, kann aber auch über den Herausgeber erworben werden. ó Nora Harer, Waiblingen Organikum Klaus Schwetlick (Hrsg.) 914 S., 1200 Abb., 50 Tab., Wiley-VCH, Weinheim, 24. Auflage, 2015. Geb., 69,90 O. ISBN: 978-3-527-33968-6 ó Als eierlegende Wollmilchsau bezeichnen wir etwas, was wir gerne hätten, was es aber nicht gibt. Häufig wird dieser Ausdruck despektierlich verwendet, um einen grandios gescheiterten Versuch zu beschreiben, zu vieles auf einmal zu verwirklichen. Manchmal wird er aber auch als Kompliment verstanden, dass dieser Versuch dem Erhofften schon recht nahe kommt. Seit über 50 Jahren und in nun 24 Auflagen versuchen die Autoren des Organikums, die eierlegende Wollmilchsau zu erschaffen und von Auflage zu Auflage kommen sie diesem Ziel immer näher. Was wäre denn für einen im Labor tätigen organischen Chemiker bzw. einen Bachelor- oder Masterstudierenden in einem organisch-chemischen Modul alles wichtig: Arbeitstechniken, Literaturrecherche, Sicherheitsaspekte, Versuchsprotokollierung, Reagenzien- und Katalysatorlisten mit entsprechenden Eigenschaften, Reaktionstypen und dazu auch noch mechanistische Erläuterungen, die einem beim Verständnis der Syntheseoperationen helfen können. Zusätzlich soll alles up-todate sein und jede neue Synthesevariante mindestens mit einem Beispiel abgedeckt sein. Das kann natürlich kein Buch leisten, so fehlen u. a. Synthesebeispiele aus der Photoredoxkatalyse, obschon dies seit ca. 10 Jahren ein hochaktuelles Thema ist. Was dieses Buch auszeichnet: die sehr gut ausgearbeiteten Versuchsvorschriften zu Experimenten, die wirklich funktionieren. Ebenso die gelungene Darstellung der chemischen Literatur und die Hinweise zu Literatursuche und zur Protokollierung von Experimenten. Was dieses Buch nicht auszeichnet: die Versuche, auf wenigen Seiten nicht-triviale Zusammenhänge zu erläutern, ohne auf unverzichtbare Grundlagen einzugehen, z. B. die Absätze über Chiralität, Retrosynthese und asymmetrische Synthese. Dies sollte aber nicht ohne eine Beschreibung von Symmetrieeigenschaften und -operationen geschehen. Die Kapitel zur Spektroskopie sind besser gelungen, aber auch hier sollte mehr Gewicht auf Symmetrieeigenschaften gelegt werden. Das sind insgesamt nur marginale Kritikpunkte, insbesondere da die Hauptteile des Organikums weiterhin die Beschreibung von Reaktionsklassen und Reaktionstypen mit einer umfangreichen Sammlung von Synthesevorschriften darstellt. Somit gilt auch für die neueste Auflage die Empfehlung, die jeden Chemiker seit Jahrzehnten durch das Studium begleitet: kaufen, lesen und an einer gut zugänglichen Stelle im Labor aufbewahren und auch nach dem Studium wertschätzen. ó Axel Griesbeck, Köln Leben ohne Tod? Forscher besiegen das Altern Norbert Welsch 227 Seiten, 41 Abb., Springer Verlag, Berlin, 1. Auflage, 2015. Kart., 19,99 O. ISBN: 978-3-662-45263-9 ó Haben Sie sich schon einmal Gedanken über das „finale Problem“ der Menschheit gemacht? Es gibt Forscher, die in diesem Moment an der Frage arbeiten, ob wir realistisch und mit den Mitteln der Wissenschaft dem Tod von der Schippe springen und Unsterblichkeit erreichen können. Den Autor Norbert Welsch hat dieses Thema in den Bann gezogen, und so führt er uns in diesem Buch durch sechs verständlich geschriebene Kapitel, die einen guten Überblick über den Stand der Forschung auf diesem Gebiet vermitteln. Den wesentlichen Teil bilden die Kapitel, in denen der große Rechercheaufwand auf jeder Seite spürbar ist: Was genau passiert physiologisch mit dem Körper, wenn er altert? Welche Mechanismen sind dafür verantwortlich und warum setzen sie ein? Und was gibt es für Ansätze und Mittel, um diese zu verhindern oder umzukehren? Im gesamten Buch wird die persönliche Faszination des Autors für dieses Thema sehr deutlich. Er macht keinen Hehl daraus, dass er kurz bevorstehende Durchbrüche kommen sieht und sich weniger Scheuklappen gegenüber dieser Forschung wünscht. Vielleicht schießt er auch deshalb hin und wieder ein wenig über das Ziel hinaus und wähnt uns bereits als letzte Generation, die den unausweichlichen Tod vor Augen hat. Doch, ganz Wissenschaftler, weist Welsch auch immer wieder auf viele offene Fragen, Widersprüche BIOspektrum | 05.15 | 21. Jahrgang 532_580_BIOsp_0515_- 20.08.15 10:52 Seite 575 575 und die schier überwältigende Komplexität der verschiedenen Aspekte des Alterns hin, sodass allzu optimistische Zukunftsvisionen doch etwas relativiert werden. Im Abschlusskapitel kommen dann noch moralische und gesellschaftliche Implikationen einer Welt zur Sprache, die durch eine stark gesteigerte menschliche Lebenserwartung von Grund auf verändert wäre. Auch wenn man hier nicht jeder Einschätzung folgen muss, so kommt man doch selber ins Nachdenken: Was wäre wenn? „Leben ohne Tod? Forscher besiegen das Altern“ ist ein in teressantes und informatives Buch, das für den fachfremden, wissenschaftlich neugierigen Leser einige überraschende Erkenntnisse und Denkansätze bereithalten dürfte. Es ist schon erstaunlich: Das Altern und der Tod betreffen zwar jeden, aber das Wissen der meisten darüber ist endlich. Also ganz wie das Leben. ó Martin Schmelz, Leipzig Python Programming for Biology: Bioinformatics and Beyond Tim J. Stevens, Wayne Boucher 711 S., 110 Abb., Cambridge University Press, Cambridge, 2015. Geb., 84.99 £ (139.99 $), ISBN: 9780521895835 Brosch., 44.9 £ (69.99 $), ISBN: 9780521720090 ó Durch ihre einfache Syntax, Plattformunabhängigkeit, Skalierbarkeit sowie die Verfügbarkeit und unkomplizierte Einbindung einer Fülle hilfreicher Module ist Python eine der beliebtesten Programmiersprachen in den Lebenswissenschaften. Diesem Umstand wurde bereits in einer Vielzahl von Publikationen Rechnung BIOspektrum | 05.15 | 21. Jahrgang getragen. Häufig muten diese Werke der Leserschaft eine trockene und erschöpfende Einführung informationstheoretischer Grundlagen zu, die überfordert und die Freude am Weiterlesen verdirbt. T. J. Stevens und W. Boucher versuchen die Lücke zwischen abstrakter Theorie und praktischer Anwendung zu schließen, indem sie die Möglichkeiten der Programmiersprache direkt anhand einer Vielzahl realitätsbezogener Anwendungen erläutern. Die Beispiele bioinformatischer Praxis aus der Sequenzanalyse und (Bild-)Signalverarbeitung werden durch die verständliche Einführung theoretischer Grundlagen aus Statistik, Wahrscheinlichkeitstheorie und Informatik unterstützt. Dabei liegt der Fokus sowohl auf der Erläuterung grundlegender Konzepte und Algorithmen Theoretischer Biologie und Bioinformatik, wie auch auf dem konkreten praktischen Python-Einsatz. Die knappe, aber nichtsdestotrotz gut nachvollziehbare Vermittlung komplexer nichtbiologischer Inhalte sowie eine große Vielzahl von Quelltextbeispielen machen die großen Stärken des Buchs aus. Dabei fällt positiv auf, dass fast ausschließlich die best practice der bioinformatischen Python-Programmierung vermittelt wird. Selten finden sich so viele nützliche und umfangreiche Anleitungen zur Code-Optimierung in einem Buch, das sich ausdrücklich auch an ProgrammieranfängerInnen richtet. Darüber hinaus stellen die Autoren als hilfreiche Unterstützung bei der Erarbeitung eigener Python-Skripte im Anhang eine kompakte und doch verständliche Zusammenfassung der Syntax und der Besonderheiten der Programmiersprache zur Verfügung. Ein Buch, das sich ausnahmslos für LebenswissenschaftlerInnen mit geringen bis moderaten Programmierkenntnissen oder BioinformatikerInnen ohne Python-Erfahrung empfiehlt. Ebenfalls ist der Einsatz als Begleitliteratur zu einem Python-Kurs für BiologInnen denkbar. Eine breitere Abdeckung bioinformatischer Themenfelder, etwa ein Kapitel über Spektrometrie-Auswertungen, würde das Buch weiter bereichern. Ferner dürfte der auf lediglich drei Seiten zusammengepferchte Abschnitt über Datenvisualisierung im alltäglichen Gebrauch enttäuschen. ó Corinna Ernst, Essen Pflanzenbiochemie Hans-Walter Heldt und Birgit Piechulla (Hrsg.) 597 S., 403 Abb., 28 Tab., Springer Verlag, Heidelberg, 2015. Geb., 69,99 O. ISBN 978-3-662-44397-2 auch als E-Book erhältlich ó Es gibt zahlreiche, hervorragende Lehrbücher der Biochemie, die hinsichtlich Aktualität, Inhalt und didaktischer Aufmachung keine Wünsche offen lassen. Die gängigen Biochemie-Lehrbücher fokussieren sich aber in aller Regel auf Mammalia-Systeme und Modellorganismen wie Escherichia coli, Caenorhabditis elegans und Dictyostelium discoideum. Die Pflanzenbiochemie, die die Grundlage menschlichen Lebens darstellt, wird meist recht kurz, mit Fokus auf die Photosynthese, abgehandelt. Und genau diese Lücke im Spektrum der Biochemie-Lehrbücher füllt nun das bereits in der 5. Auflage erschienene Pflanzenbiochemie-Lehrbuch von H.-W. Heldt und B. Piechulla. Ganz explizit dient das Buch nicht dazu, die allgemeinen Grundlagen der Biochemie darzustellen, sondern die spezifischen, für Pflanzen relevanten Aspekte. Für einen NichtPflanzenbiochemiker, wie den Rezensenten, besonders hilfreich sind die Kapitelüberschriften, die in Form von Kernsätzen bereits wesentliche Fakten zusammenfassen. Das Buch umfasst inhaltlich u. a. den Aufbau der Pflanzenzelle, die Photosynthese, Stickstoff- und Kohlenhydratmetabolismus, Lipidstoffwechsel, Signaltransduktion und Gentechnik. Das Buch stellt, wenn immer es möglich ist, Verbindungen zur Landwirtschaft, Ökologie und Medizin her. Auch ungelöste Probleme und Zukunftsfragen werden diskutiert. Hervorzuheben ist ein am Ende eines jeden Kapitels detailliertes Literaturverzeichnis von Originalund Übersichtsarbeiten älteren und neueren Datums, das eine weiterführende Beschäftigung mit einem Teilaspekt erleichtert. Das Buch ist mit Strukturformeln und biochemischen Reaktionsschemata reich illustriert. Dabei fokussieren sich die Autoren auf den Gebrauch von Schwarz und Rot. Durch geschickte Nutzung der beiden Farben gelingt es ihnen, die wesentlichen Reaktionen übersichtlich darzustellen. In dem Werk werden auch klassische, pflanzenbiochemische Versuchsprotokolle schematisch dargestellt. Das Buch richtet sich vor allem an diejenigen Studenten, die mit guten biochemischen Grundlagen in die Pflanzenbiochemie einsteigen wollen. Aber auch für Wissenschaftler aus anderen Disziplinen, die durch ihre Berufstätigkeit mit Pflanzen in Berührung kommen, ist es als erste Informationsquelle sehr hilfreich. Die nächste Auflage des Buchs würde sehr davon profitieren, wenn jedes Kapital noch eine kurze Zusammenfassung hätte. Auch eine ausführlichere Darstellung von Arabidopsis thaliana als Modellorganismus sowie mehr Bezüge zu Mammalia-Systemen würden gute Ergänzungen darstellen. Ferner könnte das Inhaltsverzeichnis übersichtlicher gestaltet sein. Insgesamt hat das nicht ganz leichte Buch (1,6 kg schwer) ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis und eine hohe Aktualität. ó Roland Seifert, Hannover
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