Konstruktion des Wertvollen Theoretische und empirische Analysen von Praktiken des Wertens und Bewertens CfP für die Herbsttagung der DGS-Sektion Politische Soziologie, 05.-06. November 2015, Universität Trier. Ungeachtet ihres theoretischen und methodologischen Zuschnitts teilen aktuelle Diskussionen zum Profil einer Soziologie der Evaluation den gemeinsamen Fokus auf Praktiken der Kategorisierung, des Wertens, Bewertens des Vermessens (für einen historischen Überblick siehe Cefaï et al. 2015b) wie auch auf die politischen Diskurse, die Sozialstruktur und die kulturellen Repertoires einer Gesellschaft, die diese Praktiken einrahmen (Lamont 2012). Damit wird der alltäglichen Brisanz sowie dem analytischen Potenzial dieser Problematik Rechnung getragen. Denn einerseits kommen Wertzuschreibungen und die Identifikation von Wertvollem in nahezu allen Bereichen des sozialen Lebens zum Ausdruck: in Ratings und Rankings, in Formen symbolischer Abgrenzung und Stigmatisierung, in der Anerkennung persönlicher Wertigkeit oder in Fällen der Bestimmung sozialer Zugehörigkeit (siehe Lamont 2000). Andererseits erfordert die Zentralität dieser Thematik in vielfältigen Handlungskontexten Handlungskoordination einen von Akteuren und konzeptionellen Institutionen, Zugriff auf auf Phänomene Prozesse der der kollektiven Identifizierung, auf die Maßstäbe kultureller Ungleichheit oder der Vergleichbarkeit konkurrierender Wertsysteme (Lamont et al. 2014). Jedoch was und wie dieses als wertvoll betrachtet wird, gestaltet sich entlang einer Pluralität von evaluativen Referenzen und deren flankierenden Argumentationsstrategien, d.h. im Kern als soziale Konstruktion des Wertvollen in Praktiken des Wertens und Bewertens (Vatin 2013). Damit wird ein vielfältiges – mitunter auch kontroverses – Verständnis von Performanz und Besonderheit, Exzellenz und Qualität, von ,guten‘ und ‚wichtigen‘ Personen, von ‚bedeutsamen‘ Institutionen oder Forschungsinitiativen, von singulären und exquisiten Gegenständen, Angeboten oder Dienstleistungen verbunden. Wertvolles wird auch unterschiedlich hervorgebracht: Hierarchien und Top-Listen bringen es an den Tag, Qualitätssiegel verbürgen die Bewertung; Wertvolles wird mittels Performanz- oder Exzellenzinitiativen gesucht; und durch Standardisierungen bspw. im wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich wird das Wertvolle als Orientierungspunkt für die Kompetenz- und Leistungsprofile von Akteuren oder Institutionen indiziert. Zugleich firmieren politische Entscheidungen, öffentliche Debatten oder internationale Krisensituationen, sowie akademische Rekrutierungspraktiken und Bildungsabschlüsse, angewandte Expertisen, formelle Verhandlungsrunden und Peer-Review-Verfahren als Prozesse, in denen Kriterien und Maßstäbe des Wertvollen wie auch Zurechnungsmodi von Wertigkeit kritisiert, ausgehandelt und revidiert werden. 1 Gegenwärtige Debatten greifen diese zahlreichen Anwendungsfelder in materialen und vergleichenden Studien auf (siehe Lamont & Thévenot 2000; Lampland & Star 2009; Beckert & Aspers 2011; Cefai et al. 2015a). Dabei richten sich die Analysen einerseits auf intersubjektiv entstandenen Wertungen von Personen, Institutionen, Gegenständen oder sozialen Phänomenen, andererseits aber auch auf situative Begründungs- und Stabilisierungsformen solcher Zuschreibungen. Das Forschungsinteresse der Valuation- and Evaluation-Studies verbindet in konzeptioneller und methodischer Hinsicht sowohl interdisziplinäre Perspektiven wie auch unterschiedliche Theorietraditionen soziologischer Problematisierung des Wertvollen in der Politischen Soziologie sowie in der Wissens-, Kultur-, Medien- und Wissenschaftssoziologie. Die Tagung will die bisherigen Ergebnisse dieser Diskussionsstränge kritisch vergegenwärtigen, den Austausch zwischen theoretischen und methodologischen Zugangsweisen zu Praktiken des Wertens und Bewertens anregen sowie methodische Implikationen und konzeptionelle Zugewinne für eine Thematisierung von Wertvollem auf der Grundlage theoretischer wie empirischer Beiträge erörtern. Thematische Ausrichtungen der Beiträge können sein: Legitimation des Wertvollen Welche besondere Struktur weisen Legitimierungen des Wertvollen auf? Wie werden Spannungsverhältnisse zwischen öffentlichen und lokalen, offiziellen und offiziösen Auslegungen des Wertvollen bekräftigt und entkräftet? Wie tragen Akteure, Institutionen, politische Entscheidungen oder mediale Diskurse zur Konstruktion des Wertvollen bei? Welche Funktion kommt in solchen Prozessen Artefakten wie bspw. Messinstrumenten, Indexes oder Quantifizierungsverfahren zu? Pluralität des Wertvollen Wie werden heterogene Bewertungskriterien generiert, reproduziert oder uniformiert? Welche sozialen, politischen und kulturellen Konsequenzen lassen sich im Fall von konkurrierenden Deutungen des Wertvollen beobachten? Wie werden Äquivalenzen zwischen unterschiedlichen Verständnissen des Wertvollen hergestellt? Welche besondere Dynamik kommt Auseinandersetzungen bzw. Kompromissen im Hinblick auf eine Definition des Wertvollen zu? Normativität des Wertvollen Wie werden normative Vorstellungen in der Konstruktion des Wertvollen artikuliert? Welche Kompetenzen werden in Praktiken des Wertens und Bewertens von Akteuren mobilisiert? Wie werden moralische Bewertungen zur Etablierung von sozialen und kulturellen Differenzierungen angewandt? 2 Transformation des Wertvollen Wie entwickelt sich in historischer aber auch in transkultureller Hinsicht das Verständnis des Wertvollen? Welche Modifikationen erfahren Bewertungskriterien innerhalb sowie quer zu unterschiedlichen Deutungskontexten? Wie werden dabei die Praktiken der Wertung und Bewertung umstrukturiert? Erbeten werden theoretisch oder empirisch angelegte Beiträge, die sich an diesen und ggf. komplementären Problemstellungen orientieren. Beitragsvorschläge mit einem Exposé von max. 2 Seiten richten Sie bitte bis zum 30. August 2015 an die Organisatoren. Prof. Dr. Martin Endreß Universität Trier FB IV – Allgemeine Soziologie Universitätsring 15 54286 Trier Tel. 0651-201-2697 Email: [email protected] Dr. Stefan Nicolae Universität Trier FB IV – Allgemeine Soziologie Universitätsring 15 54286 Trier Tel. 0651-201-2699 Email: [email protected] Literatur: Beckert, J. / Aspers P. (Eds.) (2011). The Worth of Goods: Valuation and Pricing in the Economy. New York: Oxford Univ. Press Cefaï, D. / Endreß, M. / Nicolae, S. / Zimmermann, B. (Eds.) (2015a) – Special Issue: Sociology of Valuation and Evaluation, Human Studies 38(1) Cefaï, D. / Zimmermann, B. / Nicolae, S. / Endreß, M. (2015b) – Introduction. In: Special Issue: Sociology of Valuation and Evaluation, Human Studies 38(1), 1-12 Lamont, M. (2000). The dignity of working men: Morality and the boundaries of race, class, and immigration. New York, NY: Russell Sage Foundation Lamont, M. (2012). Towards a comparative sociology of valuation and evaluation. In: Annual Review of Sociology, 38, 201–221 Lamont, M., / Thévenot, L. (2000). Rethinking comparative cultural sociology: Repertoires of evaluation in France and the United States. Cambridge: Cambridge University Press/Paris: Maison des Sciences de l’Homme Lamont, M. / Welburn, J. S. / Fleming, S. M. (2014). Formen des Umgangs mit Diskriminierung und soziale Resilienz im Neoliberalismus. Die Vereignigten Staaten im Vergleich. In: Endreß, M. / Maurer, A. (Hg.). Resilienz im Sozialen. Theoretische und empirische Analysen. Wiesbaden: Springer VS, 89-122 Lampland, M. / Star, S. L. (Eds.) (2009) – Standards and their stories. How quantifying, classifying, and formalizing practices shape everyday life. Ithaca & London: Cornell University Press Vatin, F. (2013). Valuation as evaluating and valorizing. In: Valuation Studies, 1(1), 31–50 3
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