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Glyphosat: Bundesinstitut hat falsch informiert | Manuskript
Glyphosat: Bundesinstitut hat falsch informiert
Bericht: Andreas Rummel
Der Mann, der in Deutschland unter anderem für Lebensmittelsicherheit zuständig ist: Prof.
Andreas Hensel, Leiter des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin. Er und seine
Behörde stehen derzeit in der Kritik.
Prof. Andreas Hensel, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Frage: „Ihrer Behörde wird vorgeworfen, die Gesundheit der Bevölkerung zu gefährden.
Dazu würde ich Ihnen gerne einige Fragen stellen.“
„Lassen Sie uns doch erst mal die Anhörung, und dann schauen wir, ob wir Zeit ist, Ihre
Fragen zu beantworten.“
An diesem Tag, Ende September, ist der Behördenleiter zu einer Expertenbefragung vor den
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Bundestages geladen.
Es geht um das meist eingesetzte Pflanzengift der Welt: Glyphosat. Tausende Tonnen davon
werden jedes Jahr auf Deutschlands Äckern und Feldern versprüht. Es wird so häufig
verwendet, dass eine Studie in europäischen Städten ergab: Fast jeder zweite trägt den Stoff
in sich. Doch nach Ansicht der EU-Behörden ist das kein Problem, denn Glyhosat sei
weitgehend ungefährlich.
Im März dann der Paukenschlag: Die internationale Krebsforschungsagentur IARC – eine
Einrichtung der WHO – erklärt Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend für den
Menschen“. Seitdem herrscht Aufregung. Auch deshalb erfolgte die Anhörung vor den
Bundestagsabgeordneten. Von den geladenen Experten bekommt der BfR-Präsident harte
Vorwürfe zu hören.
Prof. Greiser, Epidemiologe
„Ich bezeichne dieses als eine vorsätzliche Fälschung von Studieninhalten.“
Prof. Christopher Portier, Berater von IARC
„Sie sehen in den Tierstudien nur negative Ergebnisse! Ich kann ihre Risikoeinschätzung für
Krebs nicht beurteilen – denn sie haben keine Risikobewertung für Krebs gemacht!“
Deutliche Aussagen. Das BfR habe gar keine Risikobewertung zu Krebs gemacht?
Klar ist: Das BfR meldete immer, es gäbe keine Anzeichen für Krebs in den Tierversuchen.
Und: Von fünf Studien an Mäusen habe es zwar bei einer eine signifikante Steigerung von
Lymphdrüsenkrebs gegeben. Doch das sei nicht relevant, denn die anderen vier Studien
hätten nichts gezeigt.
Nur: Die Experten von IARC sahen etwas ganz anderes: nämlich in insgesamt drei Studien
Häufungen von Lymphdrüsenkrebs. Außerdem in einer dieser Studien signifikant mehr
Nierentumoren, und in einer anderen signifikant mehr Krebs der Blutgefäße.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Glyphosat: Bundesinstitut hat falsch informiert | Manuskript
Vor dem Bundestagsausschuss hat der US-amerikanische Experte Professor Portier, der bei
der IARC-Entscheidung mitgewirkt hat, den Vorwurf erhoben, das BfR habe signifikante
Steigerungen von Tumoren nicht einmal erwähnt.
Prof. Andreas Hensel, Präsident
„Also das sind einfach haltlose Vorwürfe, da muss man mit dem Herrn Portier nochmal
reden. Das stimmt nicht. Alle diese finden sich wieder in unseren Bewertungen, und das
wird wenigen Tagen, wenn die Efsa fertig ist, jeder lesen können, welche Position wir dazu
haben.“
FAKT liegt dieses Dokument bereits exklusiv vor. Es ist die ausführliche Stellungnahme des
BfR zur Krebs-Bewertung von Glyphosat durch die Krebsforschungsagentur der WHO - IARC.
Der Inhalt des Dokuments birgt Sprengstoff. Denn jetzt stellt das BfR fest:
Alle von IARC genannten Tumorbefunde sind signifikant. Und: Das BfR meldet plötzlich noch
mehr Krebseffekte. In jeder der fünf Mäusestudien finden sich signifikante Anstiege von
Tumoren unter Glyphosatgabe.
Der Abgeordnete Harald Ebner wundert sich, dass das BfR dennoch bei seiner Aussage – kein
Krebsrisiko durch Glyphosat – bleiben will trotz dieser Neubewertung der Studien.
Harald Ebner, Bündnis 90 / Die Grünen
„Das macht mich zunächst mal ein bisschen fassungslos, weil ich denk: Ja, die Studien sind
ja nicht neu. Das sind ja Studien, die sind schon einige Jahre alt. Da frage ich mich schon:
Wie konnte man das bislang übersehen? Warum ist das BfR bislang zu dem Schluss
gekommen: keine Signifikanz. Keine Kanzerogenität?“
Die Frage ist: Warum sah IARC Tumoren, wo das BfR so lange keine sah? Die erstaunliche
Antwort gibt das Dokument selbst: IARC habe einen üblichen statistischen Trendtest
angewandt, das BfR nicht. Und wörtlich heißt es, das BfR habe auf die Studienreporte
vertraut. Hat sich also das Bundesinstitut für Risikobewertung auf die Angaben der
Herstellerfirmen verlassen? So sieht das zumindest der Toxikologe Peter Clausing. Er hat die
BfR-Berichte penibel ausgewertet.
04:38
Peter Clausing, Toxikologe
„Das BfR hat mehrfach schriftlich versichert, dass es eine unabhängige Bewertung und
Auswertung der ihnen vorliegenden Studien und Materialien vorgenommen hat. Das sollte
eigentlich die statistische Auswertung von Krebsstudien mit einschließen. Und die
Tatsache, dass Industriestudien blind übernommen wurden und einfach nur
wiedergegeben wurden, das ist skandalös!“
Über Jahre signifikante Steigerungen von Krebs in Tierversuchen nicht wahrzunehmen – das
dürfte Anlass zu für ernste Fragen geben zur Arbeitsweise des Bundesinstituts.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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