Große Erwartungen Handelsblatt print: Nr. 140 vom 24.07.2015 Seite 010 / Wirtschaft & Politik Große Erwartungen Wirtschaftsminister Gabriel macht den Mittelstand zur Chefsache. -- Ministerium stellt neues Aktionsprogramm vor. -- Viele Projekte sind noch sehr vage. China, Iran - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist viel rumgekommen in den vergangenen Wochen. "Im Ausland fielen oft große Namen wie Siemens", sagt er am Donnerstag in Berlin. Die wahre Stärke Deutschlands sei aber die Mischung aus großen Unternehmen und Mittelständlern, so Gabriel. Und genau die will er stärker unterstützen. Gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat Gabriel ein "Aktionsprogramm Zukunft Mittelstand" zusammengestellt. In einem 19-seitigen Papier werden die wichtigsten zehn Handlungsfelder aufgelistet und welche Projekte dazu bereits gestartet sind oder noch starten sollen. Wichtig ist Gabriel vor allem, mehr Menschen dazu zu bewegen, ein eigenes Unternehmen zu gründen und neue Finanzierungsquellen für junge Unternehmen zu schaffen. Auch soll der Mittelstand fit für die Digitalisierung gemacht und der Fachkräftemangel bekämpft werden. "Ich bin froh, dass der Wirtschaftsminister die Zukunft des Mittelstands zur Chefsache gemacht hat", lobte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer. Auch vom Koalitionspartner erntete Gabriel Lob für das Aktionsprogramm. "Wir freuen uns, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Bedeutung des Mittelstands für die deutsche Wirtschaft erkennt. Sein ,Aktionsprogramm Zukunft Mittelstand' enthält ein klares Bekenntnis zum Mittelstand und identifiziert wichtige Themenfelder, auf die zukünftig ein besonderes Augenmerk gerichtet werden soll", sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, Christian von Stetten. Auch der Verband "Die Familienunternehmer" begrüßte die gemeinsame Erklärung, mahnte aber Taten an. "Dem Bekenntnis des Wirtschaftsministeriums zur Zukunft des Mittelstands dürfen nicht nur warme Worte folgen, sondern konkrete Aktionen. Wenn beispielsweise das Erbschaftsteuergesetz nicht mittelstandsfreundlich ausgestaltet wird, hilft auch alle Kosmetik beim Bürokratieabbau nicht", sagte Verbandspräsident Lutz Goebel dem Handelsblatt. Tatsächlich klingt in dem Papier noch vieles vage. Zum Beispiel zu der Erleichterung von Unternehmensgründungen. Die Behörden sollen sich hier "noch stärker untereinander vernetzen", heißt es. Aus dem im Koalitionsvertrag vereinbarten "One-Stop-Shop", also einer einzigen Stelle, an der all der Papierkram, der für die Unternehmensgründung nötig ist, gebündelt ist, macht das Papier den "Einheitlichen Ansprechpartner 2.0" - Konkreteres wird nicht genannt. Auch das Thema IT-Sicherheit belastet den deutschen Mittelstand. Das neue Gesetz dazu hat viele verunsichert. Das Bundeswirtschaftsministerium antwortet darauf mit IT-Sicherheitsbotschaftern, die bei den Industrie- und Handelskammern angesiedelt werden sollen. Viel detaillierter wird es nicht. Auch beim Thema elektronische Rechnung, ein Herzensanliegen vieler Mittelständler, beschränkt man sich in der gemeinsamen Erklärung darauf, diese Möglichkeit "flächendeckend bekanntzumachen" und dafür zu werben. Ob die Projekte vorankommen, will das Wirtschaftsministerium immer wieder prüfen - gemeinsam mit BDI, DIHK, ZDH und dem Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Bereits ab der zweiten Jahreshälfte sollen sich bis zu 300 Unternehmen in vier Regionalkonferenzen mit Vertretern des Wirtschaftsministeriums treffen, um über Schwerpunktthemen zu sprechen. Dann wird sich zeigen, ob die großen Erwartungen auch erfüllt werden. /// MITTELSTAND 4.0 // . /// Digitales Defizit // . Nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht sich Sorgen, dass der Mittelstand die Digitalisierung verschläft. Auch im Aktionsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums taucht dieser Punkt prominent auf. Neben der Industrie 4.0 wolle man sich stärker dem "Mittelstand 4.0" widmen, heißt es. Noch im laufenden Jahr sollen bundesweit bis zu fünf Kompetenzzentren eingerichtet werden. Die sollen den Unternehmen beim Technologietransfer helfen. In vielen Bereichen ist aber auch die Infrastruktur noch gar nicht so weit. Beim schnellen Internet hinkt Deutschland stark hinterher. Das Wirtschaftsministerium verspricht jedoch, mehr zu tun. Eine Milliarde Euro pro Jahr will die Bundesregierung bis 2020 in den Breitbandausbau stecken, heißt es. dah. Seite 1 von 2 Große Erwartungen /// GRÜNDER // . /// Das Geld der Engel // . Deutschland hat zu wenige Unternehmensgründer, besonders im Vergleich zu den USA. Auch dieses Thema steht daher beim Aktionsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums weit oben. Vor allem im Bereich Wagniskapital identifizieren die Mittelstandsverbände und das Wirtschaftsministerium "großen Nachholbedarf". "Die Mittel des European Angels Fund werden demnächst von 130 Millionen auf 285 Millionen Euro erhöht", wird in dem Aktionsprogramm versprochen - wann genau die Business-Engel-Mittel frei sind, bleibt offen. Noch im Laufe dieses Jahres soll allerdings eine neue ERP-Wachstumsfazilität in Höhe von 500 Millionen Euro aufgelegt werden. Damit soll vor allem dem Bedarf von schnell wachsenden, kapitalintensiven Unternehmen begegnet werden. dah. /// FACHKRÄFTEMANGEL // . /// Mitarbeiter gesucht // . Dem MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) fehlten im Mai 140 000 Mitarbeiter - die Fach kräftelücke war demnach 20 Prozent höher als noch im Vorjahresmonat, bilanziert das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Gerade Mittelständlern bereitet das zunehmend Sorgen, denn angesichts des demografischen Wandels wird sich die Situation noch verschlechtern. Die Antwort des Wirtschaftsministeriums: den Nachwuchs fitter machen und internationale Fachkräfte anwerben. "Wenn nötig, führen wir auch neue Berufe ein, fassen bisher getrennte Berufe zusammen und schaffen überholte Berufe ab", lautet das Versprechen. In Modellprojekten soll zudem in ausgewählten Ländern für das Leben und Arbeiten in Deutschland geworben werden. dah. Kasten: ZITATE FAKTEN MEINUNGEN Dem Bekenntnis zur Zukunft des Mittelstands dürfen nicht nur warme Worte folgen. Lutz Goebel. Präsident "Die Familienunternehmer" Heide, Dana dah Quelle: Handelsblatt print: Nr. 140 vom 24.07.2015 Seite 010 Ressort: Wirtschaft & Politik Dokumentnummer: 7F20C585-2FF7-408C-8A08-289AF8F200FF Dauerhafte Adresse des Dokuments: https://archiv.handelsblatt.com:443/document/HB__7F20C585-2FF7-408C-8A08-289AF8F200FF%7CHBPM__7F20C585-2FF7-408C-8A08 Alle Rechte vorbehalten: (c) Handelsblatt GmbH - Zum Erwerb weitergehender Rechte: [email protected] © GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH Seite 2 von 2
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