Protokoll von Workshop 5

Forum „Zukunft der Erinnerung“ Mai 2015
Workshop 5
Die Rolle der Überlebendenverbände in der Arbeit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme
Christine Eckel und Martine Letterie
o Zusammensetzung der Gruppe
In dem Workshop waren 15 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Ländern vertreten (Belgien,
Dänemark, Deutschland, Frankreich, Niederlande), darunter ein ehemaliger Häftling des KZ
Neuengamme sowie 11 Kinder und Enkel von ehemaligen KZ-Häftlingen, die sich in
Überlebendenverbänden engagieren (Amicale française de Neuengamme; Erhvervshæmmede
fra Frihedskampen, Sjællandsafdelingen, Dänemark; Amicale belge de Neuengamme;
Stichting Vriendenkring KZ Neuengamme, Niederlande; Stichting Meensel-Kiezegem 44,
Belgien; Vereinigung für die Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN), Deutschland). Seitens der
KZ-Gedenkstätte Neuengamme nahm Oliver von Wrochem (Studienzentrum) teil.
Der Workshop wurde moderiert von Martine Letterie (Vorsitzende Stichting Vriendenkring
KZ Neuengamme) und Christine Eckel (Generalsekretärin Amicale Internationale KZ
Neuengamme/AIN)
o Fragerunde I: Wie haben sich die jeweiligen Verbände/Organisationen in den
verschiedenen Ländern entwickelt? Wie ist die aktuelle Situation? Hat ein
Generationswechsel stattgefunden?
Martine Letterie stellte zunächst den niederländischen Verband vor, der nach seiner
Neugründung 1993 schnell gewachsen ist und inzwischen über 300 Mitglieder zählt. Zu den
Kernaufgaben gehören die Gedenkfahrten nach Neuengamme, Publikationen und die
Erstellung einer Datenbank zu den Häftlingen aus den Niederlanden, die online gestellt
werden wird. Der Vorstand besteht aus Angehörigen der zweiten und dritten Generation –
damit wurde der Generationswechsel erfolgreich vollzogen.
Christine Eckel stellte die Situation in der 1948 von ehemaligen Häftlingen gegründeten
Arbeitsgemeinschaft Neuengamme dar. Der deutsche Verband der ehemaligen politischen
Häftlinge des KZ Neuengamme befindet sich in einer grundsätzlich anderen Situation: Unter
den Mitgliedern befinden sich inzwischen keine ehemaligen Häftlinge mehr, auch sind in
diesem kleinen Verband Angehörige von Häftlingen nur wenig vertreten; die aktiven
Mitglieder haben mehrheitlich keine familiären Bezüge zum KZ Neuengamme, sind aber vor
allem durch ihre Arbeit eng mit diesem Ort verbunden. Der Schwerpunkt der Arbeit der
Arbeitsgemeinschaft Neuengamme liegt inzwischen auf Publikationen und Veranstaltungen
zur Geschichte und Nachgeschichte des KZ Neuengamme.
Es folgten kurze Vorstellungen der Verbände in den anderen vertretenen Ländern.
Deutlich wurden Unterschiede im Hinblick auf Mitgliederzahlen und Aktivitäten, die über die
Gedenkfahrten und Publikation von Bulletins hinausgehen. Die in der Amicale Internationale
organisierten Überlebendenverbände in Belgien und Frankreich wurden unmittelbar nach dem
Krieg von ehemaligen politischen Häftlingen gründet und waren bis vor kurzem in erster
Linie durch das Engagement dieser ehemaligen Häftlinge geprägt. Im Gegensatz zur AGN
sind in diesen Verbänden heute mehrheitlich Personen mit einem familiären Bezug
organisiert. Dies gilt auch für die Stichting Meensel-Kiezegem 44, die als regionaler Verband
von Angehörigen der aus Meensel-Kiezegem ins KZ Neuengamme Deportierten getragen
wird.
Im belgischen und französischen Verband wird die Öffnung für Personen ohne persönlichen
Bezug zum KZ Neuengamme recht unterschiedlich gehandhabt. So gibt es unterschiedliche
„Überprüfungen“ vor der Zulassung, damit z.B. keine Angehörige ehemaliger Kollaborateure
Mitglied werden.
In dem vertretenen dänischen Verband sind im Gegensatz zum anderen dänischen Verband
ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme (Landsforeningen af kz- fanger fra Neuengamme)
überwiegend Personen organisiert, die keinen familiären Bezug haben. Er übernimmt
überwiegend soziale Aufgaben. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes wurde
unmittelbar nach Kriegsende von deutschen Überlebenden des Naziregimes gegründet. Nach
langen Auseinandersetzungen zur politischen Ausrichtung des Verbands und seinem
teilweisen Verbot in den 1950er-Jahren, hat sich der Verband zunehmend jüngeren
Generationen geöffnet und ist deutschlandweit aktiv.
In der Gesprächsrunde wurde die Übergabe der Arbeit der Verbände in die Hände der Kinderund Enkelgeneration thematisiert sowie die unterschiedliche Handhabung der Öffnung der
Verbände gegenüber Personen, die in keinem familiären Bezug zur NS-Verfolgung stehen.
Gerade für Verbände, die bereits unmittelbar oder wenige Jahren nach dem Krieg von
Überlebenden gegründet wurden, bildet dieser Übergang eine besondere Herausforderung.
o Fragerunde II: Welche Rolle spielt die KZ-Gedenkstätte Neuengamme für die
Verbände und umgekehrt? Möchten die Verbände sich stärker in die Arbeit der
Gedenkstätte einbringen und wenn ja, wie könnte dies gestaltet werden? Welche
Wünsche tragen sie an die Gedenkstätte heran?
Seitens der Gedenkstätte wurde die Wichtigkeit der Verbände sowohl als Sprachrohr im
Ausland, als auch in Deutschland als Fürsprecher für die Relevanz von Gedenkstätten betont.
Es wurde diskutiert, wie die Beziehungen enger geknüpft werden können, insbesondere jetzt,
wo viele ehemalige Häftlinge nicht mehr da sind, die lange Zeit nicht nur als
Verbandsvertreter, sondern in enger Freundschaft verbunden waren mit Vertretern der
Gedenkstätte, wobei hier insbesondere Detlef Garbe zu nennen ist. Hier stellt sich die Frage,
wie persönliche und institutionelle Bindungen in Zukunft verstärkt werden können. Da
während der Gedenkfahrten und auch während des jährlichen Kongresses der AIN oft wenig
Zeit für persönliche und inhaltliche Gespräche zwischen der Gedenkstätte und
Verbandsvertretern bleibt, wurde angeregt, zusätzliche Treffen einzurichten, an denen der
Vorstand eines Verbands nach Hamburg reist um konkrete Anliegen oder Projekte, z.B.
Jugendbegegnungen, zu diskutieren. Der Vorschlag von Martine Letterie, jedes Jahr mit einer
niederländischen Schulklasse in die KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu fahren, stieß auf
positive Resonanz.
Es wurde zudem der Wunsch nach einem besseren Informationsfluss geäußert: Viele
Verbände werden nur im Jahresrundbrief über die Arbeit der Gedenkstätte informiert. Es gab
den Vorschlag, eine Anlaufstelle für die Anliegen der Verbände zu schaffen, die die Anfragen
der Verbände bündelt und an die jeweils zuständigen Mitarbeiter in der Gedenkstätte
weitergibt.
Es wurde weiterhin angeregt, vierteljährlich Informationen zu versenden (Vorschlag:
Überblick per mail an den jeweiligen Vorstand mit gesammelten News der Homepage,
aktuelle Projekte/Veranstaltungen? Der Vorstand kann dies dann an die Mitglieder des
Verbands weiterleiten bzw. Teile davon in das Bulletin übernehmen).
Weiterhin wurde darüber gesprochen, wie der Kontakt zu Angehörigen in den Ländern
verbessert werden kann, in denen keine Verbände mehr existieren. Wie könnte die
Organisation von Interessierten hier erfolgen?