210 Litauen: Zeitzeugengespräch 3 zu 1990: Dalia Ignotiene 31. Dalia Ignotiene (geb. 1965) Arbeit gehen. Und das festliche Abendessen für den Heiligen Abend war schwer vorzubereiten. Darauf haben wir uns im Voraus vorbereitet. Also, so haben wir unsere wichtigen Feste vor der Wiederherstellung der Unabhängigkeit gefeiert. Frage: Hat jemand von Ihren Verwandten unter der Okkupation und der Verbannung gelitten? Ja, meine Tante, die Schwester meines Vaters. Sie arbeitete in der Nachkriegszeit als Litauischlehrerin und jemand von ihren Schülern, der als Agent für Okkupanten gearbeitet hat, hat sie verpetzt. Er/sie hat berichtet, dass Litauischlehrerin am Zirmünai Gymnasium sie im Unterricht zu viel über Litauen erzählt, Im folgenden Interview berichtet die litauische dass sie über J. Basanavicius und V. Kudirka Zeitzeugin Dalia Ignotiene (geb. 1965) von der unterrichtet hat, diese Schriftsteller standen in Wiederherstellung der Unabhängigkeit Litauens, der Sowjetzeit nicht auf dem Schulprogramm. angefangen mit den dramatischen Ereignissen Und so wurde sie für 10 Jahre nach Madagan vom 13. Januar 1991: „Es war grausam. Die verbannt. 1953, nach dem Tod von Stalin wurde wollten Angst verursachen, sie haben die Panzerrohre auf die Menschen gerichtet, um psychologisch zu zerstören“. Es kam zu tödlichen A useinandersetzungen. sie als „unschuldig“ erklärt. Und mütterlicherseits waren viele auf der Liste, die verbannt werden sollten, weil sie Großbauern und reich waren. Aber gute Menschen haben immer gewarnt, wenn die Verbannungen stattfinden sollten. So konnten sie sich verstecken. Sie haben alles Frage: Hat Ihre Familie vor der Wiederher- zurückgelassen und sind in eine andere Stadt stellung gezogen und so ging es mehrmals. Dadurch der Unabhängigkeit Litauens Weihnachten oder den 16. Februar gefeiert? haben sie die Familie bewahrt, aber viel Hab und Ja, meine Familie hat immer Sitten und Bräuche Gut verloren. gepflegt. Wir haben nicht nur Weihnachten, Frage: Haben Sie an den Ereignissen am 13. sondern Januar teilgenommen? auch den Heiligabend gefeiert. Natürlich haben wir das geheim getan. Das Haus war abgeschlossen und unsere Mutter hat Das war schicksalsbestimmt. Damals arbeitete mir und meiner Schwester streng verboten, ich noch in Birzai und in dieser Woche habe ich darüber in der Schule zu erzählen, weil in der an Sowjetzeit diese Feste verboten waren. teilgenommen. Und jeden Tag nach dem Se- Ich möchte noch betonen, dass Weihnachtstage minarabschluss sind wir zum Parlament oder Arbeitstage waren, wir mussten doch zur Fernsehturm gegangen. Es wurde immer auf- einem Fortbildungsseminar in Vilnius 211 Litauen: Zeitzeugengespräch 3 zu 1990: Dalia Ignotiene gefordert, dass man dorthin gehen sollte. Und so meiner Tante gefolgt bin, die auch als Litau- kamen ischlehrerin arbeitete. immer sehr viele Leute, es gab massenweise Verteidiger. Und am 13. Januar sollte ich schon zurück nach Birzai, bin aber in Frage: Was bedeutet für Sie der 11. März heutzutage? Vilnius geblieben. Ich wohnte in der Nähe von Siaures miestelis und ich bin Zeugin, dass am Die Abend um 22.30 die Panzer in die Stadt gefah- Litauens. Es sind schöne Erinnerungen im ren sind. Es war grausam. Die wollten Angst Gedächtnis geblieben: Der Schnee taute, es war verursachen, sie haben die Panzerrohre auf die ein schöner Frühlingstag. Am 12. März gab es Menschen gerichtet, um sie psychologisch zu keinen Unterricht an der Schule, alle jubelten, zerstören. In dieser Nacht bin ich zu Hause freuten sich, dass Litauen wieder unabhängig geblieben, und was in der Nacht am Fernseh- wurde. turm passiert war, erfuhr ich erst am Morgen. Frage: Falls die Ereignisse sich wiederholen Frage: Und wie haben Sie sich an dem Tag würden, würden Sie die Heimat verteidigen? (am 13. Januar) gefühlt? Ich habe an den Ereignissen am 13. Januar Eigentlich war es sehr schwer zu begreifen, was teilgenommen, alle Grausamkeiten gesehen, passiert ist, erst am nächsten Tag war ich und ich habe verstanden, dass die Heimatver- bange, als wir erfahren haben, dass es Tote gab, teidigung mit Opfern verbunden ist. Und jetzt, so auf den Straßen wurde geschossen, es wurde denke ich, bin ich vorsichtiger geworden, so eine sogenannte Sperrstunde eingeführt, auf denke ich, dass ich nicht gehen würde, we- den Straßen fuhr das Militär. Es wurde nigsten würde ich ganz genau darüber nach- empfohlen, zu Hause zu bleiben. denken. Frage: Und wie schätzten die Nächsten, Freunde die Bewegung S^jüdis? Sowohl die Nächsten als auch Freunde und Bekannte gingen jeden Tag nach der Arbeit zum Parlamentsgebäude, zum Fernsehturm. Alle waren einig, haben einander unterstützt. Ich erinnere mich noch, dass wir sogar Geld und Lebensmittel für die Opfer dieser Zeit gesammelt haben. Die Einigkeit, die Solidarität, die Heimatliebe waren deutlich geprägt. Frage: Als was haben Sie zu der Zeit gearbeitet? Wie ich schon gesagt habe, war ich damals in Birzai als Litauischlehrerin das 3. Jahr nach dem Studium tätig. Man kann sagen, dass ich Wiederherstellung der Unabhängigkeit
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