SONNABEND, 11. JULI 2015 SEITE 33 Gegen die oftmals -30 Grad im Winter erfanden Alaskas Eskimos den Anorak. Hier aus warmen Fellen. Fast zwei Wochen verbrachte eine Reisegruppe der VHS in den Weiten Alaskas zwischen Bären, Adlern und Gletschern. Mit den Geschichten Jack Londons im Ohr lag manche Mutprobe auf dem Weg. Rügens ruhige Seiten Upper Peninsula Der Südzipfel der Insel, die Halbinsel Zudar, ist bei Touristen kaum bekannt – Seite 34 Michigans Obere Halbinsel ist reich an Natur und Geschichte – Seite 35 Valdez am Prince-William-Sound ist ein Traumhafen für Kanuten, Yachties und Sportfischer. Die Ölkatastrophe von 1989 ist längst Geschichte für die Leute hier. zen unter den Schuhen selbst auf blankem Eis spazieren kann. Begonnen hat das Abenteuer im Grunde genommen als Schnapsidee. Auf einer VHS-Reise nach Island hatte ich 2012 etliche Teilnehmer für den hohen Norden begeistert. „Warum fahren wir dann nicht mal nach Alaska?“, kam anschließend die Frage auf. VON MARTIN WEIN Zum Schluss werden sie fast alle noch aufs Glatteis geführt. Eigentlich bietet der riesige Nordwesten Nordamerikas auch von festem Grund aus reichlich Abwechslung. Aber die Chance, einmal auf Jahrtausende altem Eis zu stehen, wollen sich die Teilnehmer der diesjährigen VHS-Frühjahrsexkursion nicht entgehen lassen. Über schmale Stege aus Holzbohlen und Metallschienen wagt sich die Gruppe abenteuerlustiger Wilhelmshavener und Friesen bis zu einem Picknickplatz auf dem mit Abraum bestreuten Eis des Matanuska-Gletschers. Jetzt heißt es: Steigeisen anlegen und Sturzhelme auf. Gut gesichert und im Gänsemarsch voraus geht es weiter hinauf über Spalten und kleine Wasserläufe bis zum Eisfall, wo der 39 Kilometer lange Gletscher aus den Chugach-Bergen im Tal über eine Felsbarriere purzelt. 30 Zentimeter schiebt sich das Eis hier Tag für Tag vorwärts, bis es schmilzt und im gleichnamigen Fluss in Richtung Pazifik weiterströmt. Doch nicht nur die Kraft der Natur überrascht die Küstenbewohner. Ebenso erstaunt sind die meisten, wie bequem man mit den Metallspit- Drei Jahre später sind passende Partner vor Ort gefunden und ein Weg geebnet. Obwohl ein Fünftel aller Einwohner im größten US-Bundesstaat deutsche Wurzeln hat, werden von Deutsch- Im Hafen von Seward wartet ein Weißkopfseeadler auf seine Beute. FOTOS (5): WEIN land aus praktisch keine Gruppenreisen angeboten. Der Sommer in Alaska ist kurz und die Kapazitäten sind begrenzt. Und auch wenn die 300 000-EinwohnerMetropole Anchorage am Cook Inlet, die 2015 ihr hundertjähriges Bestehen feiert, bei der An- Stubbs, den Bürgermeister von Talkeetna trifft man am ehesten in Nagley’s General Store, wo er abends an der Bar ein Glas Wasser trinkt. Stubbs ist eine Katze. kunft es nicht sofort ahnen lässt, beginnt die Natur nur wenige Meter neben der Zivilisation. Die Gruppe ist erst eine Stunde unterwegs, da erspähen einige Wilhelmshavener aus der Gondelbahn auf den Mount Aleyeska schon die erste Grizzlybärin mit Nachwuchs. 200 Kilometer im Süden von Anchorage endet der Highway zwischen den hohen Bergen der Resurrection Bay im Küstenstädtchen Seward. Im dortigen Aquarium tummeln sich verletzte Seelöwen, Seeotter und Papageitaucher, die nach ihrer Genesung wieder ausgewildert werden sollen. In den zerklüfteten Fjorden der Kenai Halbinsel findet man sie auch in freier Wildbahn. Ein Motor-Katamaran bringt uns zu dicht bevölkerten Vogelfelsen, röhrenden Steller-Seelöwen und dem kalbenden Aialak-Gletscher. Er speist sich wie viele aus dem größten Eisfeld Nordamerikas. Sogar eine Großfamilie Orcas passiert die Route. Nur der Buckelwal lässt sich in seinem Schlaf nicht stören. Entspannt prustet er alle paar Minuten seinen Blas in die Luft. Bei der Rückkehr wartet dann noch ein Weißkopfseeadler an der Hafeneinfahrt auf Beute. Von einem anderen tierischen Bewohner Alaskas hören wir dann nördlich von Anchorage im verschlafenen Aussteiger-Nest Talkeetna. Der schwanzlose Kater Stubbs ist dort seit inzwischen 18 Jahren als Bürgermeister tätig. 1997 wurde er kurz nach seiner Geburt von den Bewohnern gewählt, weil die von den übrigen Kandidaten nichts hielten. Vor einem Jahrhundert als Eisenbahndepot gegründet und einst der größte Ort des Staates, ist Talkeetna allerdings heute zu klein für eine eigene Stadtverwaltung. Darum ist Stubbs nur ehrenamtlich tätig. In der Bar von Nagley’s General Store steht dennoch für ihn das gefüllte Weinglas auf dem Tresen bereit, aus dem er abends Wasser zu trinken pflegt. Als Bürgermeister hat der Kater es ansonsten nicht leicht. Ein Hund hat ihn vor einigen Jahren angegriffen und schwer verletzt. Auch in die Fritteuse eines Cafés hat er sich verirrt. Zum Glück war sie abgeschaltet. Talkeetna ist Ausgangspunkt für Besteigungen der höchsten Bergspitze Amerikas. Drei Tage lang präsentiert sich uns der 6188 Meter hohe Mount McKinley fast wolkenfrei. In einer ganzen Armada kleiner Cessnas rücken wir dem Bergriesen und seinen Nachbarn in der AlaskaRange daraufhin auf die Pelle. Als bunte Punkte liegen die Igluzelte auf dem Ruth-Gletscher unter uns, in denen die Bergsteiger sich an die Höhe akklimatisieren. Dennoch ragen die Felswände daneben noch 2000 Meter über unsere Köpfe hinaus. Fortsetzung auf Seite 34 Mit Steigeisen und Sturzhelm ging es für die Reisegruppe aus Wilhelmshaven und Friesland zum imposanten Eisfall auf dem Matanuska-Gletscher. Blickpunkte / Reise / Anzeigen SEITE 34 SONNABEND, 11. JULI 2015 WILHELMSHAVENER ZEITUNG Statt Bären und Wölfe nur geladene Gäste am Grill Fortsetzung von Seite 33 Man kommt sich vor wie in einem Highend-Naturfilm. Mit alten Schulbussen der Parkverwaltung erkunden wir wenig später die völlig unberührte Tundra-Landschaft im umliegenden Nationalpark. Geradezu entsetzt reagiert eine Rangerin, als die Gruppe vom Endhalt des Busses zu einer kleinen Wanderung aufbricht. Die Gegend wimmele vor Bären und Wölfen! Wir sehen Bären aber nur in weiter Ferne – und auch zum abendlichen Barbecue am NenanaRiver stellen sich nur geladene Gäste ein. Auf dem Fluss sind die Wilhelmshavener tags drauf mit einem Raddampfer von Fairbanks unterwegs. Später locken nach einer moskitoreichen Wanderung noch heiße Quellen, bevor sich der Reisebus dann mit heißem Motor bis auf die Passhöhe von Chatanika quält. Ein alter Goldbagger aus den 1920er-Jahren rostet hier in einem selbst gegrabenen Tümpel. Im Roadhouse haben Tausende Reisende eine ge- zeichnete Dollarnote als Anzahlung für schlechte Zeiten an Decken und Wände geklebt. John Wayne grüßt aus einem Holzrahmen und ein Plumpsklo auf Kufen ist zum Kunstobjekt umgestaltet. Wenn es in Alaska Massentourismus gibt, dann ist er hier wirklich ganz weit weg. Da schmeckt das Bier aus den zahlreichen kleinen Hausbrauereien gleich doppelt gut. Nur den Harley-Fahrer, der in zehn Tagen aus Florida hier herauf gerollt ist und in drei Tagen schon wieder in Colorado erwartet wird, beneiden wir nicht. Uns reichen schon die 586 einsamen Kilometer auf dem Richardson Highway, der uns an den Wrangel-St. Elias-Bergen, über den Thomson-Pass, den wunderschönen Hafenort Valdez und schließlich durchs grüne Matanuska-Tal zurück nach Anchorage bringt. Und neue Reise-Pläne gibt es auch bereits: Mitte Oktober geht es mit der VHS an die dalmatinische Adria, im März 2016 in Marokkos gebirgigen Süden zwischen Atlantik und Sahara. Antike Skulpturen Malawi verschiebt in Warschau Einreisegebühr WARSCHAU/KU – In der polni- BERLIN/DPA/TMN – Ab dem 1. schen Hauptstadt Warschau hat vor Kurzem die Königliche Skulpturengalerie eröffnet. Sie entstand in den restaurierten Räumen der Alten Orangerie im königlichen Lazienki-Park. Bei Instandsetzungsarbeiten waren historische Wandmalereien im Foyer des Königlichen Theaters und im Wintergarten der Orangerie entdeckt worden. Vor der Kulisse einer italienischen Landschaft können Besucher in der sogenannten Kamsetzer-Kolonade nun Abgüsse der berühmtesten Skulpturen der Antike bewundern. Oktober müssen Reisende in Malawi eine Einreisegebühr bezahlen. Das teilt das Auswärtige Amt für das Land mit. Eigentlich sollte die Visagebühr schon ab dem 1. Juli kommen. Die Einführung war aber zunächst verschoben worden. Für die einmalige Einreise für maximal drei Monate werden nun ab Oktober 75 US-Dollar (rund 68 Euro) fällig. Ein Transitvisa für höchstens sieben Tage gibt es für 50 Dollar (rund 45 Euro). Ein Visum zur mehrfachen Einreise mit einer Gültigkeit von bis zu sechs Monaten kostet 150 Dollar (rund 136 Euro). P @ www.lazienki-krolewskie.pl Reise- und Bäderanzeigen Kur an der Polnischen Ostseeküste in Bad Kolberg! 14 Tage ab 399 ¤! Hausabholung inkl.! Prospekte, DVD-Film gratis! 0048947166748, www.kurhotelawangardia.de Ihnen geht es gut? Bauen Sie mit Werbung den Vorsprung aus. Glanzlichter Sachsens 14.08.–18.08.15 Erleben Sie auf dieser besonderen Reise die Höhepunkte Sachsens. Entdecken Sie den Dresdener Charme, die Böhmische Lebensart mit ihren Delikatessen, die Lausitzer Bauwerke und die Bautzener Geschichte. Sie werden von der Vielseitigkeit begeistert sein! Pro Person im DZ 383,-€ Ein Goldbagger aus den 1930er-Jahren hat sich sein eigenes nasses Grab gebuddelt. FOTO: WEIN Die ruhigen Seiten von Rügen DEUTSCHLAND Von der Halbinsel Zudar ins Naturschutzgebiet Vilm Der Südzipfel der Insel ist bei Touristen kaum bekannt. Schade eigentlich. Bei Vilm ist es etwas anders: Da wollen viele hin, dürfen aber nicht. VON ANDREAS HEIMANN ZUDAR – Die schmale Land- straße führt vorbei an Äckern und Kornfeldern. Ganz plötzlich ist dann der kleine Hafen von Stahlbrode zu sehen. Von dort aus, gut 20 Kilometer von Stralsund entfernt, starten die Fährschiffe nach Glewitz. Schon nach zehn Minuten legen sie auf der Halbinsel Zudar an, in Rügens äußerstem Süden. Im Mittelalter kamen jedes Jahr Hunderte von Pilgern über den Strelasund ins gleichnamige Dorf Zudar. Das lag an St. Laurentius, einer Wallfahrtskirche mit einem Marienbild, von dem es hieß, es könne Wunder wirken. Nachdem 1372 etliche Wallfahrer bei der Überfahrt ertranken, waren sich viele da nicht mehr so sicher. Die Pilgerfahrten nahmen ein jähes Ende. Die Kirche steht aber noch und direkt davor Susan- ne Falk. Sie ist in Ost-Berlin aufgewachsen. „Aber ich habe mich in Rügen verliebt“, sagt sie, „die Landschaft ist so traumhaft schön, die Steilküste, die riesigen Felder, die Buchenwälder.“ Seit 15 Jahren arbeitet sie als Reiseführerin auf der Insel. Und sie kennt auch die stillen Seiten Rügens, wie eben Zudar. Spaziergänger auf Zudar laufen vorbei an Feldern mit Mais und Raps, neben denen Margeriten und Kornblumen blühen. Und auch die Strände sind einsam, anders als in Binz oder Sellin. Susanne Falk läuft, wie um das zu beweisen, voraus an den Strand von Grabow. Der Himmel ist blau, das Wasser glasklar. Zwei Schwäne lassen sich auf dem Wasser schaukeln, ein Mann geht zusammen mit seinem Hund ins flache Wasser, das wie in Zeitlupe ans Ufer schwappt. Schnell ist Rügens südlichster Punkt erreicht, eine kleine Landzunge, Palmer Ort. „Manchmal sieht man sie gar nicht, wenn der Wind das Boddenwasser reindrückt“, sagt Susanne Falk. Baden ist im flachen Boddenwasser nicht so einfach, zum Spazierengehen ist der Strand aber ideal. Einer, der den Süden Rügens immer geliebt hat, war Fürst Wilhelm Malte (1783–1854). Er hat das nördlich von Zudar gelegene Putbus gegründet und zum Urlaubsort gemacht. Das Badehaus Goor im Ortsteil Lauterbach erinnert an diese Zeit, 1818 in seinem Auftrag erbaut, später mit einer Reihe eindrucksvoller Säulen versehen. Damals brachte man das Ostseewasser in Fässern dorthin, erwärmte es, füllte es in Wannen für die Badegäste – Planschen in der Ostsee galt noch als verrückte Idee. Zum Hafen von Lauterbach sind es zu Fuß nur fünf Minuten. Dort hat inzwischen Rügens größte Marina mit 400 Liegeplätzen ihren Platz. Von Lauterbach starten aber auch die Fahrten mit der Reederei Lenz zur Insel Vilm. Nach nur einer Viertelstunde Überfahrt ist der Inselhafen zu sehen. Andreas Kuhfuß von der Reederei wartet an Land auf die Passagiere. Alleine dürfen sie die knapp einen Quadratkilometer kleine Insel nicht erkunden. Vilm ist Teil des Biosphärenreservats Südost-Rügen. Mehr als 60 Besucher pro Tag sind nicht erlaubt. Der Süden der Insel ist komplett gesperrt. Noch in den 1950er Jahren kamen regelmäßig Touristen, 1959 auch DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl und war begeistert. Er ließ anschließend mehrere Ferienhäuser für Minister der DDRRegierung bauen. Bald darauf wurde die Insel für Otto-Normalbesucher gesperrt, und das blieb sie bis zur Wende. Die zweistöckigen, gelb gestrichenen Reetdachhäuser nutzt heute die Internationale Umweltakademie für Kongresse und Seminare. Die Insel ist ein Naturreservat erster Güte. Mehr als 400 Pflanzenarten sind belegt, 65 Brutvogel- und sogar 48 Schneckenarten. An der Westseite lässt sich der seltene Eisvogel beobachten, seit 1996 sind Seeadler wieder auf Vilm heimisch. Und als Kuhfuß am höchsten Gipfel der Insel Halt macht, 30 Meter über dem Meeresspiegel, da schweben Dutzende von Seeschwalben vor der Inselküste. Gegenüber ist Rügen gut zu erkennen – aber eigentlich möchte man jetzt gar nicht zurück. Informationen: Tourist-Info Rügen, t 03838/80 77 80 P @ www.ruegen.de Dodoweg 3 · 26386 Wilhelmshaven Telefon (0 44 21) 8 43 60 Telefax (0 44 21) 8 72 39 Am besten fahren Sie mit uns! Donnerkeile und Hühnergötter: Am Strand auf Zudar findet sich allerlei Gestein und Versteinertes. FOTO: ANDREAS HEIMANN
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