36 BZB April 16 Praxis KZVB Mit ein paar Klicks zur perfekten Zahnbürste? Neue Software soll Testverfahren vereinfachen Man kennt es aus Fernsehfilmen: Früher setzten sich Zeuge und Polizeizeichner an einen Tisch und erarbeiteten das Täterprofil mit Papier, Bleistift und Radiergummi. Ein langwieriger Prozess. Dann folgten die Identikits, Folien mit unterschiedlichen Gesichtsmerkmalen wie Haartypen, Augenbrauen, Mündern und Gesichtsformen, die übereinandergelegt werden können. Inzwischen erleichtern digitale Bildbearbeitungsprogramme die Arbeit der Ermittler. Ein Klick und die Augen stehen nicht mehr so eng zusammen, die Nase wird flacher, der Mund voluminöser, das Kinn runder. Auch 3-D-Darstellungen sind kein Problem mehr. Ähnlich sieht es bei der Entwicklung zahnmedizinischer Produkte aus. Viel Zeit beansprucht bisher die Entwicklung einer neuen Zahnbürste oder Zahncreme. Diesen Prozess will das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik, kurz IWM, optimieren: „Mit unserem Verfahren können Hersteller von Zahnpflegeprodukten schnell, kostengünstig und zuverlässig erfassen, welchen Einfluss die jeweiligen Faktoren auf die Reinigung haben“, preist Projektleiter Dr. Christian Nutto das neue Produkt des Instituts an. Was heißt das konkret? Während bei einem experimentellen Verfahren Parameter für Parameter durchexerziert werden muss, also beispielsweise spitze, harte oder weiche Bürsten in Verbindung mit kurzen oder langen Filamenten, Scheuergrad der Zahnpasta und deren jeweilige Auswirkungen auf den Zahnschmelz, kann die digitale Simulation bedeutend mehr Faktoren in kürzerer Zeit durchspielen. „Anders als im Experiment lassen sich die einzelnen Parameter in der Foto: fotolia.com/grafikplusfoto Die Digitalisierung schreitet voran, auch in der Zahnmedizin. Erst kürzlich wurde eine elektronische Zahnbürste vorgestellt, die dem Benutzer via Smartphone Anweisungen erteilt. Sie erkennt unter anderem Kopfbewegungen und Handhaltungen und weist per Alarm auf falsches Putzverhalten hin. Jetzt hat das Fraunhofer-Institut ein neues Produkt auf den Markt gebracht. Eine Simulation, mit der die Hersteller die Qualität neuer Zahnprodukte steigern und schneller auf den Markt bringen können. Was bringt das dem Verbraucher? Welche Zahnbürste passt zu mir? Bereits jetzt ist die Auswahl groß. Sie könnte noch größer werden. Simulation einfach variieren – sei es die Größe, die Form oder auch die Menge der abrasiven Partikel in der Zahnpasta, sei es das Material, aus dem sie bestehen oder die Form und die Elastizität der Bürstenfilamente. Wir können die Untersuchungen viel breiter anlegen, als dies bei realen Tests möglich wäre – was sich in der Qualität der Produkte bemerkbar macht“, zeigt sich Nutto überzeugt. SimPAR-TIX tauften die Wissenschaftler die neuartige Simulationssoftware. Ihr werden Eigenschaften wie Fließfähigkeit, Dichte, Form und Füllfaktor der Abrasivpartikel vorgegeben. Parameter für den Zahnschmelz werden berücksichtigt. Dann streicht die virtuelle Zahnbürste über den Zahnschmelz. Die Simulation ermittelt, wie die scheuernden Partikel mit dem elastischen Filament wechselwirken. Zudem berechnet sie die Reinigungswirkung und wie aggressiv die Abrasivpartikel auf den Zahnschmelz wirken. Auch verschiedene Putzgeschwindigkeiten und die Kraft, mit der die Bürste über die Zähne geführt wird, werden berücksichtigt. Fazit: Die Chancen stehen gut, dass noch mehr Bürstenmodelle auf den Markt gebracht werden. Die Kaufentscheidung wird für den Kunden dadurch nicht leichter werden. Der Rat des Zahnarztes, welcher Typ Zahnbürste und welche Zahncreme für den einzelnen Patienten am besten geeignet sind, wird wahrscheinlich noch wichtiger werden. Ilka Helemann
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