SCHACH DEM GERICHTSVOLLZIEHER Dipl. Ing. Dipl. Betriebswirt Reinhard Nocke, Tel. 03375/520 95 00 E-Mail: [email protected] www.nocke-consulting.de Stiftung Finanzverstand gGmbH 1 Wer sein Rechte nicht kennt, ist immer im Nachteil. Es geht in dieser Broschüre nicht darum, Gerichtsvollzieher auszutricksen oder zu hintergehen, es geht darum, seine eigenen Rechte als mündiger Bürger zu kennen und wahrzunehmen. Und das geht nur, wenn man sich hinreichend mit unserem Rechtssystem befasst, denn Justitia ist für alle da! 2 Vorwort Die Angst, dass der Gerichtsvollzieher eines Tages vor der Tür steht, sitzt bei vielen Schuldnern tief. Was wird einem nach dem Besuch bleiben? Welche Gegenstände kann er mitnehmen und wie geht es weiter, wenn das Eigentum nicht ausreicht, um sich von seiner Schuldenlast zu befreien? Eines sollte man sich vor Augen halten: Der Gerichtsvollzieher ist auch nur ein Mensch. Er ist nicht verantwortlich für Ihre Probleme, er macht nur seine Arbeit! Im Klartext: Ein normales, freundliches und höfliches Verhalten gegenüber einem Gerichtsvollzieher kann einem manche Unannehmlichkeit ersparen. Das System Rechtsgrundlage des Tätigwerdens eines Gerichtsvollziehers bei der Vollstreckung in bewegliches Vermögen des Schuldners sind die §§ 803-827 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie die Ziffer 57 2a der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA). 3 Ablauf einer gerichtlich angeordneten Vollstreckung Der Gerichtsvollzieher erhält von einem Gläubiger (Unternehmen, Privatperson) den Auftrag, vom Schuldner einen bestimmten Zahlbetrag einzuziehen. Voraussetzung dafür ist ein entsprechender Gerichtsbeschluss. Wird die Vollstreckung nicht abgewendet, wird sich der Gerichtsvollzieher in der Wohnung oder in den Geschäftsräumen des Schuldners umsehen und zunächst auf eine gütliche Regelung durch Ratenzahlung hinwirken. Findet er wertvolle Gegenstände oder Bargeld vor, wird er pfänden. Das geschieht, indem er die Sachen mitnimmt oder ein sogenanntes Pfandsiegel, den „Kuckuck“, anbringt. Gepfändete Gegenstände werden später versteigert und der Erlös nach Abzug der Kosten an die Gläubiger ausgekehrt. Wenn alles reibungslos abläuft, kann so ein Auftrag in 8-10 Wochen erledigt sein. Das hört sich im Moment nach viel Zeit an. Da die meisten Gläubiger jedoch erst reagieren, wenn sich der Gerichtsvollzieher angekündigt hat, ist der Zeitraum für die Lösung der Probleme des Schuldners relativ kurz. Gerichtsvollzieher sind heute nach dem Motto „Zeit ist Geld“ auf Effektivität getrimmt und der Gesetzgeber unterstützt sie dabei. Wichtig! Lassen Sie sich mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht überfahren. Nutzen Sie Ihre Rechte! 4 Voraussetzung für eine Zwangsvollstreckung Zwingende Voraussetzungen für eine Vollstreckung sind: Ein gerichtlicher Schuldtitel Eine Vollstreckungsklausel Eine gesicherte und nachweisbare Zustellung Gerichtlicher Schuldtitel Titel sind zum Beispiel: Ein Endurteil, welches unanfechtbar ist oder für vorläufig vollstreckbar erklärt wurde (§ 704 ZPO), Ein Vergleich vor einer staatlich anerkannten Gütestelle, Ein Vollstreckungsbescheid im Mahnverfahren, Ein Kostenfestsetzungsbeschluss, Eine notarielle Urkunde (§ 794 ZPO) Achtung! Lassen Sie sich immer das Original des Titels vom Gerichtsvollzieher vorlegen. Sie wissen am besten, ob Sie auf einen bestimmten Titel bereits Zahlungen geleistet haben oder diesen vielleicht sogar schon vollständig getilgt haben. Beim Verkauf von 5 Forderungen an Inkassounternehmen ist es durchaus möglich, dass derartige Information nicht in jedem Fall weitergegeben werden. Vollstreckungsklausel Der Titel muss weiterhin mit einer sogenannten Vollstreckungsklausel versehen sein. Sie lautet nach § 725 ZPO: „Vorstehende Ausfertigung wird dem (Name, Bezeichnung der Partei) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt“ Diese Vollstreckungsklausel muss der Ausfertigung des Urteils am Schluss beigefügt und mit Amtssiegel und Unterschrift des Gerichts versehen sein. Vorsicht! Ganz besondere Vorsicht ist geboten, wenn das Recht aus dem Schuldtitel auf einen Rechtsnachfolger übergegangen ist. Das ist besonders dann der Fall, wenn Schuldtitel durch Banken an Fondgesellschaften oder andere Banken weiterverkauft werden. Im Rahmen dieser Übernahmen gehen auch die Schuldtitel über. Achten Sie darauf, dass auch die Vollstreckungsklausel auf den Rechtsnachfolger umgeschrieben ist. Ist das nicht der Fall, ist eine Zwangsvollstreckung durch den neuen Gläubiger nicht zulässig? 6 Da es sich bei den Forderungsaufkäufern nicht selten um Gesellschaften oder Banken mit Sitz im Ausland handelt, ist hier eine besonders sorgfältige Prüfung erforderlich. Wichtiger Hinweis: Verlangen Sie vom Gerichtsvollzieher Zeit für diese Prüfung. Lehnt er dies zunächst ab, verlangen Sie eine Erklärung von ihm, dass die Klausel in Ordnung ist. Um sich nicht selbst einer Haftung auszusetzen, wird er Ihnen die Prüfungszeit einräumen. Mit dieser Prüfung sollten Sie einen Notar oder einen in Zwangsvollstreckung versierten Anwalt betrauen. Auch wenn der Schuldtitel auf Nacherben, Testamentsvollstrecker, Vermögensund Firmenübernehmer übergegangen ist, bedarf es in jeden Fall einer Umschreibung der Vollstreckungsklausel. Hinweis: Ist die Vollstreckungsklausel nicht ordnungsgemäß erteilt oder fehlt sie ganz, können Sie das Rechtsmittel der Erinnerung (§ 723 ZPO) einlegen. Keine Vollstreckungsklauseln benötigen im übrigen Vollstreckungsbescheide, einstweilige Verfügungen und Arrestbefehle. Sie sind ohne eine solche Klausel für die Zwangsvollstreckung geeignet. 7 Zustellung Vor Beginn einer jeden Zwangsvollstreckung muss der Gerichtsvollzieher prüfen, ob dem Schuldner sämtliche Urkunden, welche die rechtliche Grundlage für die Zwangsvollstreckung bilden (§ 76 GVGA), ordentlich zugestellt wurden. Sind die Urkunden nicht schon von Amts wegen, also zum Beispiel durch ein Gericht, zugestellt worden, stellt der Gerichtsvollzieher die Urkunden selbst zu. Bei einigen Titeln wie z.B. dem Kostenfestsetzungsbeschluss oder Kostenentscheidungen ausländischer Gerichte ist eine Wartezeit von zwei Wochen einzuhalten, bevor die Zwangsvollstreckung beginnen darf. Fragen und Antworten Welchen Status haben Gerichtsvollzieher und für wen arbeiten sie? Gerichtsvollzieher sind unabhängige Organe der Rechtspflege. Ihre Auftraggeber sind überwiegend Unternehmen, aber auch Privatleute. Die meisten von ihnen werden durch Anwälte vertreten. Voraussetzung dafür, dass ein Gläubiger einen Gerichtsvollzieher beauftragen kann, ist ein vom Gericht erwirkter Schuldtitel und ein Auftrag vom Gläubiger, indem der Gläubiger bestimmt, welche Maßnahmen gegen den Schuldner zu ergreifen sind. 8 Muss ich einen Gerichtsvollzieher Wohnung lassen oder nicht? in meine Grundsätzlich müssen Sie den Gerichtsvollzieher nicht in Ihre Wohnung lassen. Wollen und können Sie eine berechtigte Forderung bezahlen oder in Raten ausgleichen, dann sollten Sie von Ihrem Verweigerungsrecht keinen Gebrauch machen. Ein ruhiges und freundliches Gespräch kann dabei nicht schaden. Können Sie die vom Gerichtsvollzieher vorgelegte Forderung jedoch nicht, auch nicht ratenweise begleichen, lohnt sich ein Versuch, den Gerichtsvollzieher mit einer guten Begründung zu einem zweiten Besuch zu bewegen. Eine gerade stattfindende Geburtstagsfeier, ein krankes Kind oder Ehegatte sind gute Gründe, einen zweiten Besuch nicht unverhältnismäßig erscheinen zu lassen. Da der Gerichtsvollzieher laut § 806b ZPO verpflichtet ist, auf eine gütliche Erledigung des Auftrags hinzuwirken, wird er sich bei einer guten Begründung in der Regel einem zweiten Besuch nicht entziehen. Das verschafft Ihnen Zeit, sich entweder das Geld zu besorgen, oder sich anderweitig mit Ihren Gläubigern zu einigen. Grundsätzlich gilt aber: Sie können dem Gerichtsvollzieher den Einlass in die Wohnung und der Durchsuchung widersprechen. Die Wohnung genießt den besonderen Schutz des Grundgesetzes. In einem solchen Fall muss ein Richter die Durchsuchung gestatten (§ 758a ZPO). Von diesem Widerspruch sollte aber nur bei guten Gründen Gebrauch gemacht werden. Sie verschafft bestenfalls nur Zeit, um sich neue Geldquellen zu erschließen oder 9 sich mit dem betreffenden Gläubiger anderweitig zu einigen. Denken Sie immer dran: Der Ton macht die Musik. Der Gerichtsvollzieher macht nur seine Arbeit. Muss sich der Gerichtsvollzieher anmelden? Nein, gesetzlich ist er dazu nicht verpflichtet, in der Regel macht er das jedoch. Er hat auch das Recht den Schuldner abends um 20:00 Uhr oder an Samstagen aufzusuchen. Üblicherweise wird der Besuch rechtzeitig und schriftlich gegen Nachweis (Unterschrift) angekündigt. Auch hier ist es bei Angabe von glaubhaften Gründen möglich, einen anderen Termin zu vereinbaren. Was passiert, wenn der Gerichtsvollzieher Sie nicht antrifft? In aller Regel wird er Ihnen eine Ankündigung in den Briefkasten werfen, an welchem Tag er die Zwangsvollstreckung eine zweites Mal versuchen wird. Trifft Sie der Gerichtsvollzieher auch nach seinem zweiten angekündigten Besuch nicht an, kann er Ihnen eine Ladung zur Abgabe des Vermögens– verzeichnisses zustellen oder eine richterliche Durchsuchung beantragen. 10 Was kann gepfändet werden? Grundsätzlich ist alles pfändbar, was nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes des Schuldners benötigt wird. In der Praxis sind Pfändungen eher die Ausnahme, da die Kosten für Transport und Aufbewahrung der gepfändeten Gegenstände nicht gedeckt sind. Ausnahme: Alles was der Gerichtsvollzieher selbst tragen kann. (z.B. ein hochwertiges Notebook). Kann ein neuwertiges Fernsehgerät gepfändet werden? Grundsätzlich ja, aber auch hier sind die Kosten für Transport, Einlagerung und Verkauf in den meisten Fällen nicht gerechtfertigt. Kann ein Auto gepfändet werden? Auch das ist grundsätzlich möglich. Sollte das Fahrzeug jedoch für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit zwingend erforderlich sein, wird es in der Regel nicht gepfändet. Handelt es sich um ein neu- und hochwertiges Fahrzeug, kann der Gerichtsvollzieher das Auto pfänden und dem Schuldner ein preiswerteres Fahrzeug zu Verfügung stellen. Leasingfahrzeuge sind grundsätzlich nicht pfändbar. 11 Gibt es ein Recht auf Ratenzahlung? Nein, ein Recht auf Ratenzahlung gibt es nicht. Grundsätzlich entscheidet der Gläubiger, ob er Ratenzahlungen akzeptiert. In der Mehrheit der Fälle wird jedoch eine Ratenzahlung akzeptiert. Was geschieht, wenn der Schuldner nicht bezahlen kann? In diesem Fall kann der Schuldner verpflichtet werden, seine Vermögensverhältnisse offen zu legen. Der Begriff „Eidesstattliche Versicherung“ wurde 2013 durch den Begriff „Abgabe des Vermögensverzeichnis“ ersetzt, was im Klartext bedeutet: „Ich versichere an Eidesstatt, dass ich nicht mehr besitze, als ich angegeben habe“ Heute kann der Gerichtsvollzieher das Vermögensverzeichnis des Schuldners abnehmen und zum Gericht muss deshalb auch niemand mehr. Auch wenn der Termin zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses drohend vor der Tür steht, ist noch nicht alles verloren. Sie müssen sich nicht als Schaf zur Schlachtbank führen lassen. Auch die Abgabe eines Vermögensverzeichnisses ist an bestimmte verfahrensrechtliche Voraussetzungen gebunden. Hat zum Beispiel ein Gläubiger den Nachweis der erfolglosen Pfändung durch Vorlage des Vollstreckungsprotokolls oder einer Fruchtlosigkeitsbescheinigung des Gerichtsvollziehers 12 erbracht? Lassen Sie sich die Unterlagen vom Gerichtsvollzieher zeigen. Werden Sie mit diesem Ansinnen abgewiesen, verweisen Sie auf § 760 ZPO: „Jeder Person, die bei dem Vollstreckungsverfahren beteiligt ist, muss auf Begehren Einsicht in die Akten des Gerichtsvollziehers gestattet und Abschrift einzelner Schriftstücke gestattet werden“ Prüfen Sie das alles sorgfältig und legen Sie gegebenenfalls einen begründeten Widerspruch ein. Beschaffen Sie sich eine Geschäftsanordnung für Gerichtsvollzieher und schöpfen Sie den Paragraphendschungel voll aus. Bürokraten bekämpft man am besten, indem man ihre Vorschriften genau befolgt. Justitia ist für alle da. Vorsicht! Lässt sich die Abgabe eines Vermögensverzeichnisses nicht vermeiden, machen Sie auf keinen Fall falsche Angaben und verschweigen Sie kein Vermögen. Beides sind Straftaten und werden mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr geahndet. Protokollierung der Zwangsvollstreckung Der Gerichtsvollzieher hat über jede Vollstreckungshandlung ein Protokoll aufzunehmen. Dazu gehören auch das Betreten der Wohnung des Schuldners und ihre Durchsuchung, die Aufforderung zur Zahlung und die Annahme der Zahlung, die 13 nachträgliche Wegschaffung der gepfändeten Sachen und ihre Verwertung. Dieses Protokoll ist von den Zeugen als auch vom Schuldner zu unterschreiben. Achtung! Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht genau gelesen haben und vor allem nichts, was nicht den Tatsachen entspricht. Sie haben ein Recht darauf, dass alle Vorgänge im Protokoll im Rahmen der Zwangsvollstreckungsmaßnahme richtig wiedergegeben werden. Sind Sie sich nicht sicher, ob alles korrekt gelaufen ist, verweigern Sie die Unterschrift. Das ist Ihr gutes Recht. Das Protokoll hat als Urkunde Beweiskraft. Sie geraten später in größte Not, wenn Sie das Gegenteil beweisen möchten. Sonderfall Finanzamt Das Finanzamt hat seine eigenen Vollzugsbeamten und pfändet in der Regel alles, was sich pfänden lässt. Das können auch ein Fernseher oder Möbel sein. Selbst Kindersparbüchsen wurden schon gepfändet. Kosten für Transport und Lagerung spielen eine untergeordnete Rolle, dafür gibt es ein eigenes Budget und entsprechende Lagerkapazitäten. Befinden sich unter den gepfändeten Gegenständen auch solche, die unpfändbar sind, können diese durch Klageerhebung später wieder eingefordert werden. 14 Schlusswort Es gibt viele Möglichkeiten, einen Gerichtsvollzieher auszubremsen und in seiner Arbeit zu behindern. Auch Gerichtsvollzieher sind Menschen, die Fehler begehen. Es kann durchaus sinnvoll sein, bestimmte Maßnahmen zum Nachteil der eigenen Person abzuwenden und mehr Zeit zu gewinnen. Zeit für die Lösung der Schuldenproblematik, indem man sich mit seinen Gläubigern in Verbindung setzt und Lösungsvorschläge unterbreitet. Daher ist es von enormer Bedeutung, die rechtlichen Rahmenbedingungen genauestens zu kennen. Durch Nichteinhalten von Fristen, durch Formfehler bei der Zustellung von gerichtlichen Schreiben, durch Widersprüche gegen Erlasse kann man viel Zeit gewinnen. Wofür Sie die Zeit benötigen, entscheiden Sie. Auch hier lässt sich erkennen, wie wichtig es ist, sich durch einen kompetenten Schuldnerexperten begleiten zu lassen! Wir, die Anonymen Insolvenzler beraten Sie gern bei Ihrer Entscheidung. 15
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