Innerlich zur Ruhe komm

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Yoga für Krebskranke:
Innerlich zur
Um überhöhte Erwartungen gleich zu dämpfen:
Nein, Yoga kann vermutlich weder Metastasen noch
Tumoren vernichten. Aber Yoga tut gut! Und ist das nicht
auch eine Form von Heilung? Regelmäßiges Yoga wirkt
nicht nur auf der körperlichen Ebene. Es kann bei der
Verarbeitung der Probleme helfen, die mit einer
chronischen Krankheit auftauchen.
e
ine Krebsdiagnose ist immer ein einschneidendes Erlebnis, ein Wendepunkt, mit dem
neben körperlichen auch viele gefühlsmäßige
Konsequenzen verbunden sind. Man ärgert
sich über den unzuverlässig gewordenen Körper, ist verunsichert, weil man „es“ nicht früher gemerkt hat, fürchtet sich vor der Zukunft,
stellt Beziehungen in Frage und sucht nach
Schuld.
Um sich wieder wohler zu fühlen, müssen solche Gefühle verarbeitet werden. Dazu muss
sich der Geist sammeln und den veränderten
Körper fühlen und annehmen. Dehnungen,
kräftigen Atem, Beweglichkeit, besseres
Gleichgewicht und Kräftigung – das kann man
mit anderen Sportarten auch erreichen. Aber
beim Yoga dienen die Übungen gleichzeitig
dazu, innerlich zur Ruhe zu kommen.
In einer guten Yogastunde geht es nicht darum,
Wenn die Vorwärtsbeuge im Stehen
zu anstrengend ist,
kann ein Stuhl als
Hilfsmittel eingesetzt
werden: zum Abstützen für die Arme
oder als Sitz.
Dr. Imogen Dalmann zeigt,
wie sich eine Yoga-Übung unterschiedlich
abwandeln lässt.
in den Lotussitz zu kommen oder so ähnlich
auszusehen wie die junge Yogalehrerin auf der
Hülle einer Yoga-DVD. Wichtiger ist es, eigene
Fähigkeiten und Grenzen zu spüren, sie zu akzeptieren und gleichzeitig an ihnen zu arbeiten.
Im Mittelpunkt stehen bei Yoga der Mensch,
nicht seine Schwächen oder Krankheit, aber
auch nicht seine Eitelkeit oder Besonderheiten.
Ist es bei dieser Grundlage ein Wunder, wenn
Yoga ausgesprochen harmonisierend wirkt?
Yoga trotz Krebs
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Beschwerden wie geschwollene Hände oder
Füße, Gewichtszunahme, Schwindel und
schnelle Ermüdbarkeit müssen nicht verhindern, Yoga zu machen. Wer sich schwach
fühlt, sollte darauf achten, dass er sich nicht
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Ruhe kommen
überfordert. Wo die Haut durch Bestrahlung
empfindlich ist, sind Dehnübungen oft zu
schmerzhaft. Wer durch Medikamente einen
empfindlichen Magen hat oder unter Übelkeit
leidet, wird keine Übungen mögen, bei denen
Druck auf den Magen ausgeübt wird. Wenn
die Kraft fehlt, lassen sich die Anforderungen
reduzieren: Vielleicht ist es angenehmer, eine
Übung nicht im Stehen, sondern auf einem
Stuhl sitzend durchzuführen.
Wer schon vor der Erkrankung Yoga gemacht
hat, wird selbst wissen, wie sich Übungen
„entschärfen“ lassen. Wer als Anfänger neu
einsteigt, braucht einen Lehrer, mit dem er die
Yogaübungen gemeinsam auf die eigenen Fähigkeiten anpassen kann.
Es existieren traditionell verschiedene Yogastile, die durch moderne Elemente ergänzt
werden. Und es gibt unzählige Arten, wie man
zum Yogalehrer werden kann. Sicher sind nicht
alle Stile geeignet für die Bedürfnisse kranker Menschen, sicher weiß man nach einem
Wochenendausbildungskurs zum Yogalehrer
nicht genau, worauf bei kranken Teilnehmern
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zu achten ist. Ein Anruf bei der Krankenkasse
kann Patienten bei der Suche nach einem passenden Kurs helfen, für den es vielleicht sogar
Zuschüsse gibt.
Brustkrebs: Hilft Yoga?
Eine spannende Studie läuft zurzeit im Berliner Brustzentrum unter der Leitung von Dr. Friederike
Siedentopf. Hierbei soll die Frage
beantwortet werden, ob Yoga
die psychische Befindlichkeit und
die körperliche Fitness von Brustkrebspatientinnen nach der Operation verbessert. Die Studie ist
noch nicht abgeschlossen, aber die
Oberärztin freut sich jetzt schon
darüber, wie positiv das Yoga-AnDr. Friederike Siedentopf,
gebot angenommen wird. Viele Berliner Brustzentrum
Patientinnen wollen auch nach Abschluss der Studie weiter Yoga machen. In den
Beurteilungen der Teilnehmerinnen wird deutlich, dass Yoga mehr für sie bedeutet als eine
Gymnastik-Stunde: Yoga wird als Möglichkeit
der eigenen Erdung beschrieben, als Entspan-
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Yoga
nungsmethode und als Quelle guter Körpergefühle. Auch der Austausch in der Gruppe
wird als wichtig beschrieben.
als Möglichkeit
der eigenen Erdung,
Entspannung und
als Quelle guter
Körpergefühle
Für Siedentopf ist auch deutlich geworden, dass die YogaPatientinnen lernen, mit der
Brustkrebsdiagnose anders umzugehen. Sie lernen, die eignen
Bedürfnisse besser einzuschätzen,
Enge loszuwerden und sich mit sich selbst
besser zu arrangieren.
Internationale Studien mit unterschiedlichen
Patientengruppen kamen zu ähnlich guten Ergebnissen: Das Wohlbefinden der Krebspatienten verbesserte sich, die Ängstlichkeit ging
zurück und auch die morgendlichen Cortisolwerte, die als Stressmarker gelten, sanken im
Verlauf eines Yogakurses ab. Auch Brustkrebspatientinnen mit Wechseljahresbeschwerden
durch die Anti-Hormontherapie profitierten
vom Yoga.
Von Ruth Auschra
Nachgefragt bei Dr. Imogen Dalmann:
?
Sie sind Ärztin und geben Yogaunterricht
Ja. Wir bilden in unserem Zentrum Yogalehrer aus
und wir geben Yoga-Unterricht. Anders als in üblichen
Kursen geben wir nur individuelle Einzelstunden, in
denen wir maßgeschneiderte Übungsprogramme
zusammenstellen. Unsere Patienten üben zu Hause,
kommen nach zehn Tagen wieder und wir überlegen,
ob und welche Übungen angepasst werden müssen.
?
Gibt es typische Besonderheiten bei Krebspatienten?
Prinzipiell bringt jeder Krebskranke seine eigenen
Möglichkeiten und Grenzen mit. Gemeinsam ist aber
vielen Krebspatienten, dass sie nicht nur durch die
Erkrankung, sondern auch durch die Therapie beeinträchtigt sind. Sie sind durcheinander, haben Ängste
und sind im Stress. Das kann sich auf verschiedene
Körperfunktionen auswirken. Häufig sind Schlafstörungen oder Kopfschmerzen. Das regelmäßige Üben
hat für diese Menschen den Sinn, Herr oder Frau im
eigenen Haus zu bleiben.
?
Wie meinen Sie das?
Sie können beispielsweise aktiver bleiben und sind
dem Gefühl von Übelkeit oder Schwäche nicht so
ausgeliefert. Yoga wirkt auf das vegetative Nervensystem. Man wird entspannter, glücklicher oder
ausgeglichener – eine Art alltägliche Krankheitsbewältigung.
?
Ihr individuelles Angebot ist selten.
Worauf sollte man bei der Suche nach einem Yogakurs achten?
Auf unserer Webseite finden Sie Adressen von Yogalehrern, die eine vierjährige Ausbildung im individuellen Viniyoga absolviert haben. Ansonsten würde ich
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darauf achten, dass eine Yoga-Gruppe möglichst klein
ist, also maximal zehn Teilnehmer hat, und möglichst
homogen. Für einen Krebskranken ist es Stress,
wenn alle anderen schwere sportliche Übungen
machen wollen. Vorab sollte ein Gespräch mit dem
Lehrer möglich sein über die Einschränkungen durch
die Krankheit. Gut ist es, wenn man das Gefühl
bekommt, in die Gruppe eingeladen zu sein. Ganz
wichtig: Beschwerden dürfen sich durch das Yoga
nicht verstärken! Wenn Yogaübungen falsch ausgeführt werden, können sie schädlich sein. Patientinnen
mit Brustkrebs fällt es zum Beispiel oft schwer, die
Arme nach oben zu bewegen. Sie müssen sich zwar
anstrengen, um die Beweglichkeit wieder zu erlangen. Aber wenn sie sich zu sehr anstrengen, besteht
die Gefahr eines Lymphödems.
?
Und wenn jemand die Übungen gar nicht machen
kann?
Yoga besteht ja nicht nur aus den Übungen auf der
körperlichen Ebene. Die Atemübungen spielen eine
ganz wichtige Rolle, um trotz aller Beschwerden zur
Ruhe zu kommen. Neben dem Umgang mit körperlichen Veränderungen muss man ja auch lernen, die
Krankheit zu verarbeiten. Dazu ist die Selbstwahrnehmung ganz wichtig, die durch das Yoga gefördert
wird.
?
Geben Sie eigentlich Ratschläge zu weiteren naturheilkundlichen Ansätzen bei Krebs?
Nur dann, wenn ich gefragt werde. Krebspatienten
bekommen sowieso von überall her viel zu viele gute
Ratschläge. Ich denke, es ist wichtiger, innerlich zur
Ruhe zu kommen als wirklich jede besondere Therapierichtung auszuprobieren.
Interview: Ruth Auschra