Sonntags auf dem Hof

Familie
Sonntag: Der eine wünscht sich Ruhe und Besinnung, der andere braucht Sport oder den traditionellen Kirchgang.
Sonntags auf dem Hof
Werktag, Werktag, ...endlich
Sonntag! Wie verbringen
Landwirtsfamilien den siebten
Tag der Woche? Wir haben
uns auf Höfen mit verschiedenen Betriebszweigen
umgehört.
W
ie sieht ein idealer Sonntag
aus? Was macht ihn „heilig“?
Brauchen wir wirklich einen
Tag in der Woche, der anders ist?
Das haben wir Landwirte in verschiedenen Bundesländern gefragt. So unterschiedlich die Familien- und Betriebsstrukturen dabei waren, so unterschiedlich lauteten die Antworten: Unbedingt
ausschlafen, mit weißer Tischdecke und
frischen Brötchen frühstücken, viele
Stunden für Hobbys freihalten, die
„Die Familie geht vor“
Foto: Triendl
Familie Ritter, Balzhausen in Bayern
Elternzeit: Wenn möglich, ist der Sonntag bei Veronika (24) und
Simon Ritter (29) für die sechs Monate alte Marlena reserviert.
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Großeltern besuchen oder zwischen
dem Melken eine Radtour machen...
Schnell wurde in unseren Gesprächen deutlich: Jahreszeit und Wetterlage sind von Bedeutung – maßgeblich
gibt allerdings die Betriebsform den
Rahmen für die sonntägliche Auszeit
vor. Wer Kühe melkt oder in seinem
Café Gäste bewirtet, hat auch sonntags
ein festes Zeitkorsett. Hier ist gute Organisation oder ein Ausgleich unter der
Woche gefragt. Zudem: Der klassische
imon Ritter und seine
Frau Veronika bieten
auf ihrem Milchviehbetrieb mit Ackerbau,
Grünland und Forstwirtschaft im schwäbischen
Balzhausen auch Erlebnispädagogik für Schulklassen an. An Werktagen
hat das junge Paar, unterstützt von Seniorin
Erwina Ritter, alle Hände
voll zu tun. Daher nutzen
Simon und Veronika
Ritter den Sonntag konsequent, um gemeinsame
Zeit mit ihrer Tochter
Marlena zu verbringen.
„Wir genießen diese freien
Stunden zu dritt“, sagt das
junge Paar.
Gebunden durch die
Melkzeiten, können Ritters nur selten länger
wegfahren oder gar verreisen. So verbringt die
junge Familie den Sonntag meist in der näheren
Umgebung oder zu Hause.
Je nach Wetterlage sind
die jungen Leute mit ihrer
Tochter draußen zum
Fahrradfahren, Schwimmen und Pilze sammeln
unterwegs. Oder sie genießen die kostbare arbeitsfreie Zeit in ihrer gemütlichen, hellen Dachgeschosswohnung.
Hin und wieder räumt
sich Simon Ritter sonntags auch einige Stunden
für sich und seine Hobbys
ein. Der Familienvater
musiziert leidenschaftlich
gern und nahm letztes
Jahr als Jongleur an einem
Musical-Projekt teil. -rt-
Foto: Bröcker (2), Landpixel, Tornau, von Lienen
Start in den Sonntag – mit Kirchgang
und Mittagessen in großer Runde – findet sich heute nur noch selten. In vielen
Familien ist vielmehr ein ausgiebiges
Frühstück oder gemütliches Kaffeetrinken fester Bestandteil des Sonntags.
Zeit für Familie! Ob der siebte Tag der
Woche ansonsten dem Sport, der Musik, Kunst oder einem Spaziergang vorbehalten ist: Die Begegnung mit möglichst vielen Familienmitgliedern und
der Austausch von Themen, die im
stressigen Alltag von Montag bis Samstag schnell untergehen, steht dabei im
Vordergrund. „Dass ich am Sonntag
Zeit für Gespräche habe – das macht
stark für die kommende Woche“, bringt
es eine Bäuerin und vierfache Mutter
auf den Punkt.
Unsere Gesprächspartner waren sich
einig: Ohne „Verschnaufpause“ funktioniert der Alltag nicht. Wir finden:
Auch wenn der Sonntag als Ruhe- oder
Mußetag heute sehr verschieden gelebt
wird, die Funktion als Takt- und Rhythmus-Geber hat er stets behalten.
-rb-
Mittwoch ist unser Sonntag
Familie Zimmermann, Baiersbronn in Baden-Württemberg
D
er Sonntag ist ein ganz normaler Arbeitstag – das gilt auch für
Cornelia Zimmermann, ihren Mann
Mario sowie die Eltern Doris und
Bernhard Seidt. Gemeinsam bewirtschaften sie einen Milchviehbetrieb
mit Ochsenmast und Gastronomie
bei Freudenstadt im Schwarzwald.
Außer mittwochs hat ihre 2006 gegründete „Hofstube“ täglich von 12
bis 22 Uhr geöffnet. Die Gaststube
mit 48 Plätzen und der Biergarten,
der im Sommer weitere 80 Plätze
bietet, sind gut besucht – vor allem
sonntags! Für Zimmermanns ist der
Sonntag daher der stressigste Tag der
Woche. Ab 12 Uhr herrscht im Café
und der Küche meist Hochbetrieb.
Cornelia Zimmermann und Mutter
Doris kochen dann Maultaschen,
richten Vesperplatten und Wurstsalat her. Vater Bernhard und zwei
Aushilfskräfte bedienen die Gäste,
Ehemann Mario springt kurzerhand
ein. „Meist sind die Eisbecher mit
selbst gemachtem Hofeis meine Auf-
gabe!“, berichtet der 37-jährige Landwirt schmunzelnd. „Werde ich nicht
gebraucht, kümmere ich mich um
die Büroarbeit.“
Um den Töchtern Johanna (7) und
Lina-Marie (5) dennoch eine Auszeit
am Wochenende zu ermöglichen,
besuchen diese sonntags die Großeltern „ohne Hof“ im Nachbarort.
„Sonntag ist „Oma-und-Opa-Tag“,
das wissen unsere Mädchen und
freuen sich immer schon darauf“, erzählt Mario Zimmermann. „Meine
Eltern machen mit ihnen Ausflüge
oder gehen ins Schwimmbad. Sie unternehmen gemeinsam all das, wozu
wir hier sonntags nicht kommen.“
Doch mittwochs, wenn die „Hofstube“ geschlossen ist, holt Familie
Zimmermann ihren freien Tag nach.
„Das ist natürlich anders“, berichtet
Cornelia Zimmermann. „Mittwochs
müssen die Kinder in die Schule, die
Geschäfte sind geöffnet. Aber wir
machen dann einfach am Nachmittag einen Ausflug.“
-aro-
Schnell gelesen
• Je nach Betriebszweig fällt
der Sonntag für Landwirte
sehr unterschiedlich aus.
• Egal, ob viel oder wenig Aus-
zeit am Sonntag: Jede Familie
gestaltet ihre „Mußestunden“
anders. Sportlich, kreativ,
besinnlich, traditionell …
gramm steht, soll gut tun und
sich bewusst vom Werktag
unterscheiden.
• Den Kirchgang und eine
Mahlzeit in großer Runde?
Das gibt’s heute nur noch
in wenigen Familien.
Foto: Rose
• Was sonntags auf dem Pro-
Mittwoch Ruhetag: Die „Hofstube“ von Cornelia und Mario Zimmermann ist sechs
Tage in der Woche geöffnet. Mittwochs bleibt Zeit zur Erholung.
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Familie
„Wir brauchen den Sonntag“
Familie Hennies-Königsmann, Uetze in Niedersachsen
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anstaltungen und Reitunterricht im Programm hat:
Auf dem Gemischtbetrieb
der Familie Hennies geht es
Foto: privat
erkelerzeugung, Frühkartoffelanbau und dazu
ein Mitmachhof, der Kindergeburtstage, viele Ver-
Zeit für Familie: Trotz täglich anfallender Stall- und Hausarbeit nehmen sich Claudia Königsmann und Holger Hennies
mit den Kindern Lukas (17), Justus (15), Charlotte (12) und
Magnus (5) sonntags eine Auszeit.
Märchen und Metall
Foto: Triendl
Familie Kreppold, Aichach in Bayern
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oft hoch her. Gerade das
Pensum der Betriebsleiter
Claudia Königsmann und
Holger Hennies ist enorm.
„In manchen Monaten arbeiten wir beide 330 Stunden und mehr“, erzählt die
44-Jährige.
Um Tempo aus dem turbulenten Alltag zu nehmen,
hält die Familie den Sonntag so frei wie möglich. Der
Mitmachhof bleibt an diesem Tag geschlossen, obwohl es viele, auch hartnäckige Anfragen nach Ausritten und Veranstaltungen
gibt. „Wir brauchen den
Sonntag für die Familie“, erklärt Claudia Königsmann
mit Bestimmtheit. Am siebten Wochentag wird länger
geschlafen und im Anschluss gemütlich mit Brötchen, Eiern und Nutella gefrühstückt. Im Winter fällt
das Mittagessen aus, stattdessen kocht die Bäuerin
abends ein gutes Menü, bestehend aus einem Hauptgericht mit Fleisch, Gemüse
und Kartoffeln und einem
S
onntag ist der Tag für unsere persönlichen Interessen!“, sagen Theresia (63) und
Stephan Kreppold (67). Mit
Sohn Johannes führen sie
einen Bioland-Betrieb mit
Mutterkühen, Ackerbau und
Hofladen bei Augsburg.
Wichtig ist dem Ehepaar,
dass sich der Sonntag von
den anderen Wochentagen
abhebt. „Der Sonntag soll das
Gegenteil vom Alltag sein“,
meint die Bäuerin. Dazu gehört für sie z. B. auch das
Ausschlafen, das sie sich
sonntags immer gönnt. Nach
dem gemeinsamen Frühstück
Am Sonntag bei Kreppolds:
Theresia liest, Stephan baut gewaltige Kunstwerke aus Metall.
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Nachtisch. Nachmittags unternimmt die Familie oft
kleinere Ausflüge oder Spaziergänge. „Wichtig ist, dass
es ruhig und stressfrei zugeht. Total entspannend
finde ich z.B. einen Ausritt“,
erklärt sie.
Frei von Arbeit ist der
Sonntag dennoch nie. Etwa
5 bis 6 Stunden tägliche Verpflichtungen, wie z.B. Stallarbeit, Büro- oder Hausarbeit, sind auch dann zu erledigen. „In der Saison roden
wir zudem auch Kartoffeln
und liefern sie aus – das lässt
sich nun mal nicht ändern“,
ergänzt Claudia Königsmann. Ein kleiner Trost für
die Bäuerin: An diesen Sommersonntagen übernehmen
die älteren Kinder den Küchendienst und kochen immer abwechselnd reihum
einfache Mittagsgerichte,
wie z.B. Nudeln oder Aufläufe, sodass auch dann etwas Zeit zum Entspannen
bleibt.
Für die Zukunft zählt die
Bäuerin auf ihre reitbegeisterte Tochter Charlotte, die
demnächst Turniere reiten
wird: „Ein Nachmittag
beim Reitturnier, das ist
für mich wie Urlaub.“ -kh-
widmet sich das Ehepaar getrennt voneinander seinen
Hobbys: Theresia Kreppold,
die seit 30 Jahren Märchenerzählerin ist, wälzt Bücher
und Kladden. Stets fahndet
sie nach neuen Märchen, die
sie auswendig lernt und zu
verschiedenen Anlässen in
Mundart vorträgt.
Stephan Kreppold widmet
sich der Kunst. Seit 15 Jahren
baut der Landwirt übergroße
Skulpturen aus Metall, die
meist einen politischen Bezug haben. Sonntags nimmt
er sich Zeit, um an Skizzen
für neue Kunstwerke zu arbeiten. „Ich musste jedoch
erst lernen, dass ich auch etwas gestalten darf, das keine
Funktion hat“, so der Landwirt.
Renate Triendl
Kirche zum Kraftschöpfen
Familie Schulze Wehninck, Südlohn in Westfalen
esse um neun, Mittag
um zwölf! Für Bernd
und Margarethe Schulze
Wehninck sind diese beiden Sonntagstermine fest
gesetzt. „Wir schaffen es
zwar nicht jeden Sonntag,
in die Kirche zu gehen,
doch wir machen es uns
auf jeden Fall zum Ziel“,
sagt die Landwirtsfrau.
Als vierfache Mutter
weiß sie, dass dem vergleichsweise frühen Kirchenbesuch am Sonntagmorgen einiges im Wege
steht. „Die Kinder sind von
der Uhrzeit nicht gerade
begeistert und im Schweinestall müssen wir, um
pünktlich loszukommen,
sogar früher anfangen als
werktags.“ Dennoch ist
sich die Landwirtsfamilie
im westlichen Münsterland
einig: Am besten ist es,
wenn alle gemeinsam die
Messe besuchen! „Noch
halten wir sehr bewusst an
diesem Rhythmus aus Kirche und Mittagessen mit
den Großeltern fest“, so das
Ehepaar. „Schließlich tut es
gut, in der Messe für eine
Stunde zur Ruhe zu kommen und auch am Sonntag
einen gewissen verbindlichen Zeitplan zu haben.“
Und nachdem am Nachmittag jeder seiner Wege
geht, steht für Schulze
Wehnicks abends meist
eines auf dem Programm:
Der Tatort!
-rbSchätzen den Kirchgang am
Sonntagmorgen: Marie (11),
Margarethe (45), Philipp (13),
Charlotte (15), Markus (17) und
Bernd Schulze Wehninck (46).
Foto: Bröcker
M
Kein Tag ohne Melken
Familie Gerling, Lintel in Nordrhein-Westfalen
Foto: privat
E
Sonntags um fünf melken, füttern und zur Biogasanlage?
„Warum nicht? Wir lieben unsere Arbeit, das alles gehört
wie selbstverständlich dazu!“, sagen Margret und Heinrich
Gerling. Am Sonntag zu Besuch oder im Einsatz: Die Söhne
Markus (16), Stefan (23), Thomas (23) und Karsten (19).
in Sonntag ohne die
Kühe? Das geht nicht!“,
sagt Bäuerin Margret Gerling voller Überzeugung.
„Wir lieben unsere Arbeit,
und selbst wenn es vielleicht
mal schwerfällt, früh aufzustehen – das Melken ist auch
sonntags keine Last. Im Gegenteil! Wir lassen es einfach entspannter angehen.“
Nach einem ausgiebigen
Frühstück zu zweit oder mit
dem Lehrling gestalten Margret und Heinrich Gerling
die Stunden bis zum abendlichen Melken sehr aktiv,
doch ohne feste Regeln und
Erwartungen. „Ich habe
Suppe oder Auflauf auf dem
Herd, und die Jungs trudeln
einfach so ein, wie es ihnen
passt“, so die vierfache Mut-
ter. Oft sitzt die Familie in
der Küche zum Doppelkopf
zusammen oder die Brüder
starten ihr privates Fußballturnier auf dem Hofplatz.
Einmal im Monat laden
Margret (46) und Heinrich
Gerling (49) ihre Söhne samt
Freundinnen zum Bowlen
ein. „Klar, bei der Planung
müssen wir immer die
Melkzeiten beachten, aber
das ist nicht dramatisch“, erzählt die Landwirtin.
„Für uns ist entscheidend,
am Sonntag das zu tun, was
uns Spaß und Freude macht,
z.B. mit den Kindern Gespräche führen, die im Alltagstrubel schnell untergehen, lesen, zur Jagd gehen
oder auch mal fünfe gerade
sein lassen.“
-rb-
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