Familie Sonntag: Der eine wünscht sich Ruhe und Besinnung, der andere braucht Sport oder den traditionellen Kirchgang. Sonntags auf dem Hof Werktag, Werktag, ...endlich Sonntag! Wie verbringen Landwirtsfamilien den siebten Tag der Woche? Wir haben uns auf Höfen mit verschiedenen Betriebszweigen umgehört. W ie sieht ein idealer Sonntag aus? Was macht ihn „heilig“? Brauchen wir wirklich einen Tag in der Woche, der anders ist? Das haben wir Landwirte in verschiedenen Bundesländern gefragt. So unterschiedlich die Familien- und Betriebsstrukturen dabei waren, so unterschiedlich lauteten die Antworten: Unbedingt ausschlafen, mit weißer Tischdecke und frischen Brötchen frühstücken, viele Stunden für Hobbys freihalten, die „Die Familie geht vor“ Foto: Triendl Familie Ritter, Balzhausen in Bayern Elternzeit: Wenn möglich, ist der Sonntag bei Veronika (24) und Simon Ritter (29) für die sechs Monate alte Marlena reserviert. 138 top agrar 12/2013 S Großeltern besuchen oder zwischen dem Melken eine Radtour machen... Schnell wurde in unseren Gesprächen deutlich: Jahreszeit und Wetterlage sind von Bedeutung – maßgeblich gibt allerdings die Betriebsform den Rahmen für die sonntägliche Auszeit vor. Wer Kühe melkt oder in seinem Café Gäste bewirtet, hat auch sonntags ein festes Zeitkorsett. Hier ist gute Organisation oder ein Ausgleich unter der Woche gefragt. Zudem: Der klassische imon Ritter und seine Frau Veronika bieten auf ihrem Milchviehbetrieb mit Ackerbau, Grünland und Forstwirtschaft im schwäbischen Balzhausen auch Erlebnispädagogik für Schulklassen an. An Werktagen hat das junge Paar, unterstützt von Seniorin Erwina Ritter, alle Hände voll zu tun. Daher nutzen Simon und Veronika Ritter den Sonntag konsequent, um gemeinsame Zeit mit ihrer Tochter Marlena zu verbringen. „Wir genießen diese freien Stunden zu dritt“, sagt das junge Paar. Gebunden durch die Melkzeiten, können Ritters nur selten länger wegfahren oder gar verreisen. So verbringt die junge Familie den Sonntag meist in der näheren Umgebung oder zu Hause. Je nach Wetterlage sind die jungen Leute mit ihrer Tochter draußen zum Fahrradfahren, Schwimmen und Pilze sammeln unterwegs. Oder sie genießen die kostbare arbeitsfreie Zeit in ihrer gemütlichen, hellen Dachgeschosswohnung. Hin und wieder räumt sich Simon Ritter sonntags auch einige Stunden für sich und seine Hobbys ein. Der Familienvater musiziert leidenschaftlich gern und nahm letztes Jahr als Jongleur an einem Musical-Projekt teil. -rt- Foto: Bröcker (2), Landpixel, Tornau, von Lienen Start in den Sonntag – mit Kirchgang und Mittagessen in großer Runde – findet sich heute nur noch selten. In vielen Familien ist vielmehr ein ausgiebiges Frühstück oder gemütliches Kaffeetrinken fester Bestandteil des Sonntags. Zeit für Familie! Ob der siebte Tag der Woche ansonsten dem Sport, der Musik, Kunst oder einem Spaziergang vorbehalten ist: Die Begegnung mit möglichst vielen Familienmitgliedern und der Austausch von Themen, die im stressigen Alltag von Montag bis Samstag schnell untergehen, steht dabei im Vordergrund. „Dass ich am Sonntag Zeit für Gespräche habe – das macht stark für die kommende Woche“, bringt es eine Bäuerin und vierfache Mutter auf den Punkt. Unsere Gesprächspartner waren sich einig: Ohne „Verschnaufpause“ funktioniert der Alltag nicht. Wir finden: Auch wenn der Sonntag als Ruhe- oder Mußetag heute sehr verschieden gelebt wird, die Funktion als Takt- und Rhythmus-Geber hat er stets behalten. -rb- Mittwoch ist unser Sonntag Familie Zimmermann, Baiersbronn in Baden-Württemberg D er Sonntag ist ein ganz normaler Arbeitstag – das gilt auch für Cornelia Zimmermann, ihren Mann Mario sowie die Eltern Doris und Bernhard Seidt. Gemeinsam bewirtschaften sie einen Milchviehbetrieb mit Ochsenmast und Gastronomie bei Freudenstadt im Schwarzwald. Außer mittwochs hat ihre 2006 gegründete „Hofstube“ täglich von 12 bis 22 Uhr geöffnet. Die Gaststube mit 48 Plätzen und der Biergarten, der im Sommer weitere 80 Plätze bietet, sind gut besucht – vor allem sonntags! Für Zimmermanns ist der Sonntag daher der stressigste Tag der Woche. Ab 12 Uhr herrscht im Café und der Küche meist Hochbetrieb. Cornelia Zimmermann und Mutter Doris kochen dann Maultaschen, richten Vesperplatten und Wurstsalat her. Vater Bernhard und zwei Aushilfskräfte bedienen die Gäste, Ehemann Mario springt kurzerhand ein. „Meist sind die Eisbecher mit selbst gemachtem Hofeis meine Auf- gabe!“, berichtet der 37-jährige Landwirt schmunzelnd. „Werde ich nicht gebraucht, kümmere ich mich um die Büroarbeit.“ Um den Töchtern Johanna (7) und Lina-Marie (5) dennoch eine Auszeit am Wochenende zu ermöglichen, besuchen diese sonntags die Großeltern „ohne Hof“ im Nachbarort. „Sonntag ist „Oma-und-Opa-Tag“, das wissen unsere Mädchen und freuen sich immer schon darauf“, erzählt Mario Zimmermann. „Meine Eltern machen mit ihnen Ausflüge oder gehen ins Schwimmbad. Sie unternehmen gemeinsam all das, wozu wir hier sonntags nicht kommen.“ Doch mittwochs, wenn die „Hofstube“ geschlossen ist, holt Familie Zimmermann ihren freien Tag nach. „Das ist natürlich anders“, berichtet Cornelia Zimmermann. „Mittwochs müssen die Kinder in die Schule, die Geschäfte sind geöffnet. Aber wir machen dann einfach am Nachmittag einen Ausflug.“ -aro- Schnell gelesen • Je nach Betriebszweig fällt der Sonntag für Landwirte sehr unterschiedlich aus. • Egal, ob viel oder wenig Aus- zeit am Sonntag: Jede Familie gestaltet ihre „Mußestunden“ anders. Sportlich, kreativ, besinnlich, traditionell … gramm steht, soll gut tun und sich bewusst vom Werktag unterscheiden. • Den Kirchgang und eine Mahlzeit in großer Runde? Das gibt’s heute nur noch in wenigen Familien. Foto: Rose • Was sonntags auf dem Pro- Mittwoch Ruhetag: Die „Hofstube“ von Cornelia und Mario Zimmermann ist sechs Tage in der Woche geöffnet. Mittwochs bleibt Zeit zur Erholung. top agrar 12/2013 139 Familie „Wir brauchen den Sonntag“ Familie Hennies-Königsmann, Uetze in Niedersachsen F anstaltungen und Reitunterricht im Programm hat: Auf dem Gemischtbetrieb der Familie Hennies geht es Foto: privat erkelerzeugung, Frühkartoffelanbau und dazu ein Mitmachhof, der Kindergeburtstage, viele Ver- Zeit für Familie: Trotz täglich anfallender Stall- und Hausarbeit nehmen sich Claudia Königsmann und Holger Hennies mit den Kindern Lukas (17), Justus (15), Charlotte (12) und Magnus (5) sonntags eine Auszeit. Märchen und Metall Foto: Triendl Familie Kreppold, Aichach in Bayern 140 oft hoch her. Gerade das Pensum der Betriebsleiter Claudia Königsmann und Holger Hennies ist enorm. „In manchen Monaten arbeiten wir beide 330 Stunden und mehr“, erzählt die 44-Jährige. Um Tempo aus dem turbulenten Alltag zu nehmen, hält die Familie den Sonntag so frei wie möglich. Der Mitmachhof bleibt an diesem Tag geschlossen, obwohl es viele, auch hartnäckige Anfragen nach Ausritten und Veranstaltungen gibt. „Wir brauchen den Sonntag für die Familie“, erklärt Claudia Königsmann mit Bestimmtheit. Am siebten Wochentag wird länger geschlafen und im Anschluss gemütlich mit Brötchen, Eiern und Nutella gefrühstückt. Im Winter fällt das Mittagessen aus, stattdessen kocht die Bäuerin abends ein gutes Menü, bestehend aus einem Hauptgericht mit Fleisch, Gemüse und Kartoffeln und einem S onntag ist der Tag für unsere persönlichen Interessen!“, sagen Theresia (63) und Stephan Kreppold (67). Mit Sohn Johannes führen sie einen Bioland-Betrieb mit Mutterkühen, Ackerbau und Hofladen bei Augsburg. Wichtig ist dem Ehepaar, dass sich der Sonntag von den anderen Wochentagen abhebt. „Der Sonntag soll das Gegenteil vom Alltag sein“, meint die Bäuerin. Dazu gehört für sie z. B. auch das Ausschlafen, das sie sich sonntags immer gönnt. Nach dem gemeinsamen Frühstück Am Sonntag bei Kreppolds: Theresia liest, Stephan baut gewaltige Kunstwerke aus Metall. top agrar 12/2013 Nachtisch. Nachmittags unternimmt die Familie oft kleinere Ausflüge oder Spaziergänge. „Wichtig ist, dass es ruhig und stressfrei zugeht. Total entspannend finde ich z.B. einen Ausritt“, erklärt sie. Frei von Arbeit ist der Sonntag dennoch nie. Etwa 5 bis 6 Stunden tägliche Verpflichtungen, wie z.B. Stallarbeit, Büro- oder Hausarbeit, sind auch dann zu erledigen. „In der Saison roden wir zudem auch Kartoffeln und liefern sie aus – das lässt sich nun mal nicht ändern“, ergänzt Claudia Königsmann. Ein kleiner Trost für die Bäuerin: An diesen Sommersonntagen übernehmen die älteren Kinder den Küchendienst und kochen immer abwechselnd reihum einfache Mittagsgerichte, wie z.B. Nudeln oder Aufläufe, sodass auch dann etwas Zeit zum Entspannen bleibt. Für die Zukunft zählt die Bäuerin auf ihre reitbegeisterte Tochter Charlotte, die demnächst Turniere reiten wird: „Ein Nachmittag beim Reitturnier, das ist für mich wie Urlaub.“ -kh- widmet sich das Ehepaar getrennt voneinander seinen Hobbys: Theresia Kreppold, die seit 30 Jahren Märchenerzählerin ist, wälzt Bücher und Kladden. Stets fahndet sie nach neuen Märchen, die sie auswendig lernt und zu verschiedenen Anlässen in Mundart vorträgt. Stephan Kreppold widmet sich der Kunst. Seit 15 Jahren baut der Landwirt übergroße Skulpturen aus Metall, die meist einen politischen Bezug haben. Sonntags nimmt er sich Zeit, um an Skizzen für neue Kunstwerke zu arbeiten. „Ich musste jedoch erst lernen, dass ich auch etwas gestalten darf, das keine Funktion hat“, so der Landwirt. Renate Triendl Kirche zum Kraftschöpfen Familie Schulze Wehninck, Südlohn in Westfalen esse um neun, Mittag um zwölf! Für Bernd und Margarethe Schulze Wehninck sind diese beiden Sonntagstermine fest gesetzt. „Wir schaffen es zwar nicht jeden Sonntag, in die Kirche zu gehen, doch wir machen es uns auf jeden Fall zum Ziel“, sagt die Landwirtsfrau. Als vierfache Mutter weiß sie, dass dem vergleichsweise frühen Kirchenbesuch am Sonntagmorgen einiges im Wege steht. „Die Kinder sind von der Uhrzeit nicht gerade begeistert und im Schweinestall müssen wir, um pünktlich loszukommen, sogar früher anfangen als werktags.“ Dennoch ist sich die Landwirtsfamilie im westlichen Münsterland einig: Am besten ist es, wenn alle gemeinsam die Messe besuchen! „Noch halten wir sehr bewusst an diesem Rhythmus aus Kirche und Mittagessen mit den Großeltern fest“, so das Ehepaar. „Schließlich tut es gut, in der Messe für eine Stunde zur Ruhe zu kommen und auch am Sonntag einen gewissen verbindlichen Zeitplan zu haben.“ Und nachdem am Nachmittag jeder seiner Wege geht, steht für Schulze Wehnicks abends meist eines auf dem Programm: Der Tatort! -rbSchätzen den Kirchgang am Sonntagmorgen: Marie (11), Margarethe (45), Philipp (13), Charlotte (15), Markus (17) und Bernd Schulze Wehninck (46). Foto: Bröcker M Kein Tag ohne Melken Familie Gerling, Lintel in Nordrhein-Westfalen Foto: privat E Sonntags um fünf melken, füttern und zur Biogasanlage? „Warum nicht? Wir lieben unsere Arbeit, das alles gehört wie selbstverständlich dazu!“, sagen Margret und Heinrich Gerling. Am Sonntag zu Besuch oder im Einsatz: Die Söhne Markus (16), Stefan (23), Thomas (23) und Karsten (19). in Sonntag ohne die Kühe? Das geht nicht!“, sagt Bäuerin Margret Gerling voller Überzeugung. „Wir lieben unsere Arbeit, und selbst wenn es vielleicht mal schwerfällt, früh aufzustehen – das Melken ist auch sonntags keine Last. Im Gegenteil! Wir lassen es einfach entspannter angehen.“ Nach einem ausgiebigen Frühstück zu zweit oder mit dem Lehrling gestalten Margret und Heinrich Gerling die Stunden bis zum abendlichen Melken sehr aktiv, doch ohne feste Regeln und Erwartungen. „Ich habe Suppe oder Auflauf auf dem Herd, und die Jungs trudeln einfach so ein, wie es ihnen passt“, so die vierfache Mut- ter. Oft sitzt die Familie in der Küche zum Doppelkopf zusammen oder die Brüder starten ihr privates Fußballturnier auf dem Hofplatz. Einmal im Monat laden Margret (46) und Heinrich Gerling (49) ihre Söhne samt Freundinnen zum Bowlen ein. „Klar, bei der Planung müssen wir immer die Melkzeiten beachten, aber das ist nicht dramatisch“, erzählt die Landwirtin. „Für uns ist entscheidend, am Sonntag das zu tun, was uns Spaß und Freude macht, z.B. mit den Kindern Gespräche führen, die im Alltagstrubel schnell untergehen, lesen, zur Jagd gehen oder auch mal fünfe gerade sein lassen.“ -rb- top agrar 12/2013 141
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