Musikverein Regensburg e. V. Sonntag, 07. Februar 2016, 19:30 Uhr, Vielberth-Gebäude der Universität (H 24) MÜNCHNER HORNTRIO Johannes Dengler, Horn Markus Wolf, Violine; Julian Riem, Klavier Das Münchner Horntrio besteht seit 1999 in der jetzigen Besetzung. Die rege Konzerttätigkeit führte 2011 zur Aufnahme des Kernrepertoires für dieses Ensemble mit dem Brahmstrio als dem ersten Horntrio überhaupt und dem „Hommage an Brahms“ überschriebenen Trio von Györgi Ligeti. Glanzpunkt der Triolaufbahn ist die Auszeichnung jener Einspielung 2012 mit dem „Echo-Klassik“ für die beste Kammermusikeinspielung aus dem 19. Jahrhundert. Vom Publikum wie von der Presse wird die enorme musikalische und klangliche Bandbreite des Ausdrucks sowie die herausragende technische Perfektion des Ensembles hervorgehoben. Johannes Dengler, 1973 in Traunstein geboren, stammt aus einer Musikerfamilie. Er studierte Horn bei Josef Crump, Karl Kolbinger und Johannes Ritzkowsky. Seit 1993 ist er SoloHornist des Bayerischen Staatsorchesters. Er übt eine intensive Konzerttätigkeit als Solist und Kammermusiker aus, häufig ist er auch zu Gast bei europäischen Spitzenorchestern. Im Jahr 1999 wurde ihm der Kulturpreis der Stadt Traunstein verliehen; 2004 Ernennung zum Bayerischen Kammervirtuosen. Markus Wolf wurde 1962 in Wien geboren und ist seit 1989 Erster Konzertmeister an der Bayerischen Staatsoper München. Wolf studierte an der Wiener Musikhochschule bei Günter Pichler (Diplom mit Auszeichnung!), danach übernahm er für sechs Jahre dessen Assistenz. Markus Wolf, der sich auch als Preisträger verschiedener Wettbewerbe einen Namen gemacht hat, widmet sich seit seiner Kindheit intensiv der Kammermusik. 1981 gründete er das „Beethoven Trio Wien", mit dem er regelmäßig in ganz Europa, Japan, Kanada und den USA konzertiert. Seit 2000 unterrichtet er am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium und seit 2008/09 an der Hochschule für Musik und Theater München, seit 2012 als Honorarprofessor. 2000 Ernennung zum Bayerischen Kammervirtuosen. Markus Wolf spielt auf der »VollrathStradivarius« von 1722. Julian Riem studierte bei Michael Schäfer an der Musikhochschule in München und bei Michel Béroff am Conservatoire National Supérieur in Paris, danach in der Solistenklasse von Rudolf Buchbinder an der Basler Musikakademie, wo er das Solistendiplom mit Auszeichnung erhielt. Julian Riem gewann internationale Klavierwettbewerbe und war Stipendiat des Deutschen Musikwettbewerbs. Als Solist, Kammermusiker und Liedbegleiter konzertiert er regelmäßig in Europa, Japan und den USA. Er tritt bei wichtigen internationalen Festivals auf und konzertiert mit internationalen Orchestern. Er ist Lehrbeauftragter der Musikhochschule in München und am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg. -2- Programm Lennox Berkeley 1903 – 1989 Trio op. 44 Allegro Lento Thema mit Variationen Charles Koechlin 1867 – 1950 Quatre petites pièces op. 32 Andante Très modéré Allegretto quasi andantino Scherzando - Pause - Johannes Brahms 1833 – 1897 Trio Es-Dur op. 40 Andante Scherzo: Allegro Adagio mesto Finale: Allegro con brio Mit freundlicher Förderung durch das Kulturreferat der Stadt Regensburg -3- Lennox Berkeley: Trio für Horn, Klavier und Violine op. 44 Der 1903 in Oxford geborene Lennox Berkeley war ein Einzelgänger unter den englischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, wie schon sein Werdegang verrät. Auf Empfehlung von Maurice Ravel erhielt er 1927 einen Studienplatz bei der international renommierten Kompositionslehrerin Nadja Boulanger in Paris. Durch sie und das Pariser Umfeld erfuhr er eine stilistische Prägung im Sinne des damals dominierenden Neoklassizismus: Begegnungen mit Igor Strawinsky, Francis Poulenc, Darius Milhaud und Arthur Honegger wurden zu seinen entscheidenden künstlerischen Erfahrungen. Die hierbei empfangenen Anregungen blieben für Berkeleys Musik ausschlaggebend, als er nach Großbritannien zurückkehrte: Seine frankophile Ausrichtung trennte ihn von Komponisten wie Ralph Vaughan Williams, die eine neue Kunst auf Basis britischer Traditionen entwickelten. Zudem war Lennox Berkeley im Jahre 1928 zum Katholizismus konvertiert, was speziell im Bereich der Chormusik ebenfalls sein Schaffen beeinflusste. Trotz dieser Außenseiterstellung spielte Berkeley eine recht aktive Rolle im englischen Musikleben. Während des zweiten Weltkriegs arbeitete er als Programmplaner für den Radiosender BBC, übernahm im Jahre 1946 eine Professur für Komposition an der Royal Academy for Music und fungierte von 1977 bis 1983 als Präsident des Cheltenham Festivals. Ehrungen für diese Tätigkeiten und sein umfangreiches Schaffen, das Opern, Sinfonien, Konzerte, Chor- und Kammermusik sowie Lieder umfasst, blieben nicht aus: 1970 wurde er von der Universität Oxford zum Doktor der Musik ernannt, 1974 von Königin Elisabeth II. zum Ritter geschlagen. Das Trio op. 44, für Violine, Horn und Klavier komponierte Berkeley als Auftragswerk für den Pianisten Colin Horsley, der das Werk im Jahre 1954 zusammen mit dem Hornisten Dennis Brain und dem Geiger Manoug Parikian uraufführte. Berkeley knüpfte dabei an das Trio op. 40 in der gleichen Besetzung von Johannes Brahms an, doch bestimmte er anders als dieser seine Komposition ausdrücklich für ein modernes Ventilhorn mit seinen verbesserten spieltechnischen Möglichkeiten. Das einleitende Allegro wird von einem fanfarenartigen Quarten-Thema des Horns eröffnet, das dann die Violine ebenso kraftvoll übernimmt. Überhaupt fällt im weiteren Satzverlauf auf, dass Berkeley selten die volle Trio-Besetzung ausnutzt, sondern eher auf Dialoge zweier Instrumente setzt. Die überwiegend lebhafte Rhythmik der Musik treibt das Satzgeschehen voran, lässt jedoch in den Schlusstakten nach und weicht einem ganz ruhigen Ausatmen. Im anschließenden „Lento“ stimmen Violine und Horn einen langsamen Klagegesang über schwer schreitenden Akkorden des Klaviers an. Hier strebt Berkeley, anders als in den übrigen Sätzen seiner Komposition, auch atmosphärisch die Nähe zu Brahms’ Modellwerk an. Nach einem belebteren Mittelteil mit dichterem Fluss der Klänge kehrt der Satz in seine Anfangsstimmung zurück und verdämmert im Piano. Als Finale fungiert ein Variationensatz über ein eigenes Thema von klassizistischem Zuschnitt, das mit einem charakteristischen Septsprung nach unten beginnt. In den zehn daraus entwickelten Variationen wird dieses Thema immer wieder neu umgebildet: Zum signalhaft vom Horn angestimmten „Allegro vivace“ (Nr. 1), zum sanft wiegenden Walzer (Nr. 2) oder zum „Lento“ für Horn und Klavier, das die gedeckte Stimmung des Mittelsatzes wieder aufgreift (Nr. 3). Es folgt ein „Vivace“ mit hurtigen Figuren der Violine über einem regelrechten Walking-Bass im Klavier (Nr. 4), ein wiegendes Andante mit leicht getupften Horntönen -4(Nr. 5) und ein weiterer Walzer mit schmachtenden Klängen. In Nr. 7 wandert das Thema in die Bassstimme des Klaviers, während Horn und Violine über diesem Fundament lange Melodiebögen spinnen. Energisch gibt sich die imitatorisch geführte Nr. 8, bevor als Nr. 9 ein typisches Jagdstück erscheint. „Moderato“ kehrt abschließend das Thema der Variationen in seiner ursprünglichen Gestalt zurück und scheint sich allmählich ins Wesenlose zu verflüchtigen, bis eine kraftvolle Geste den markanten Schlusspunkt setzt. Charles Koechlin: Quatre petites pièces op. 32 pour piano, violon et cor Charles Koechlin, 1867 in Paris geboren, stammte aus einer Familie von Erfindern, Ingenieuren, Industriellen und Künstlern, die jahrhundertelang im elsässischen Mühlhausen beheimatet war. Koechlin studierte zunächst an der Technischen Hochschule und wollte Astronom werden, als eine Tuberkuloseerkrankung diese Karriere unterbrach. Während der Rekonvaleszenz wandte er sich dem Musikstudium zu; führende französische Komponisten wie Jules Massenet und Gabriel Fauré wurden seine Lehrer. Freundschaft und gegenseitige Wertschätzung verbanden Koechlin mit Debussy, dessen Ballettmusik „Khamma“ er 1913 instrumentierte, aber auch über alle stilistischen Lager hinweg mit Satie, Ravel, Roussel und dem wesentlich jüngeren Milhaud. Von seinen Kompositionen konnte Koechlin nicht leben, darum war er seit 1917 auch als Musikschriftsteller, pädagoge und Lehrbuchautor tätig; zu seinen Schülern gehörten unter anderen Francis Poulenc und Henri Sauguet. Ab 1937 übernahm Koechlin einen Lehrauftrag an der Schola Cantorum in Paris und wurde Präsident der französischen Sektion der „Internationalen Gesellschaft für Neue Musik“. Das Schaffen Koechlins, der noch über den zweiten Weltkrieg hinaus lebte, welcher für ihn als humanistisch gesinnten Menschen eine tiefe Katastrophe bedeutete, wird heute immer noch wenig gewürdigt. Unter seinen 226 mit einer Opuszahl versehenen Werken, die zwischen 1890 und 1950 entstanden, sind fast alle musikalischen Gattungen mit Ausnahme der Oper vertreten: über vierzig große Orchesterpartituren, darunter einige sinfonische Dichtungen zum „Dschungelbuch“ Rudyard Kiplings, gut fünfzig Kammermusikwerke und mehr als 100 Lieder, aber auch, als Ausdruck des ständigen Kontakts mit dem technischen Fortschritt, Filmmusik. Stilistisch zeigt sich Koechlin in seiner langen schöpferischen Karriere erstaunlich wandlungsfähig. Einflüsse des Impressionismus sind im Frühwerk nicht zu verkennen, um 1920 näherte er sich dann einerseits dem Neoklassizismus, experimentierte jedoch daneben mit dichten bitonalen Akkorden und der Zwölftontechnik Schönbergs. Im starken Kontrast hierzu war Koechlin auch ein Meister altklassischer Polyphonie, wie sich in der monströsen Partitur seiner 1942 entstandenen „Offrande sur le nom de Bach“ erweist. Die heute erklingenden „Quatre pièces“ stammen aus Koechlins frühen schöpferischen Jahren um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert; entstanden sind sie noch in seiner 1896 beginnenden Studienzeit am Pariser Conservatoire. Die nur ein bis drei Minuten dauernden Miniaturen verlaufen jeweils in dreiteiliger Bogenform, zeigen aber mit ihrer harmonischen Raffinesse und geschickten Kombination der Klangfarben aller beteiligten Instrumente bereits die Meisterschaft des jungen Koechlin. In sehnsüchtigem Gesang schwelgt erst die Violine, dann das Horn über zarter Klavier-Grundierung im einleitenden „Andante“, gefolgt von einem nocturneartigen träumerischen „Très modéré“. Immer noch -5gezügelt wirken die leicht gewirkten melodischen Girlanden des folgenden „Allegretto quasi andantino“, ehe das abschließende „Scherzando“ munterere und im Hornpart etwas keckere Töne anschlägt. Johannes Brahms: Trio für Horn, Violine und Klavier Das Waldhorn wird in der romantischen Dichtung und Musik nicht mehr nur als Jagdinstrument aufgefasst, sondern gewinnt eine höhere poetische Bedeutung. Es symbolisiert bei Dichtern wie Tieck und Eichendorff die Einsamkeit des Waldes, spricht romantisches Fernweh aus und öffnet die Tore zum Unwirklichen und Phantastischen. So ist es etwa in Carl Maria von Webers „Oberon“ ein zauberischer Hornruf, der die Gestalten des Geisterreichs heraufbeschwört. Noch bei Johannes Brahms findet diese Semantik des Hörnerklangs ihr Echo. Sein im Jahre 1865 in Lichtenthal bei Baden-Baden entstandenes Trio op. 40 ist nicht so sehr in Hinblick auf einen speziellen Solisten geschrieben worden (wie es bei Brahms‘ Klarinettenwerken später der Fall war), sondern scheint ganz vom Wunsch inspiriert, die romantische Aura des Instruments zu entfalten. Ausdrücklich gibt der Komponist für die Aufführung seines Trios dem Waldhorn den Vorzug und nicht dem modernen, technisch einfacher zu handhabenden, aber glatter und direkter klingenden Ventilhorn (Brahms bezeichnete Letzteres verächtlich als „Blechbratsche“). Den Reiz des Naturhorns macht es umgekehrt aus, dass der Hornist nur mit raffinierten Tricks chromatische Zwischenstufen zwischen den Naturtönen des Instruments formen kann. Dazu ist eine virtuose Spieltechnik der rechten Hand im Inneren des Schalltrichters nötig und zudem eine minimale Veränderung der Lippenspannung. Dies hat zur Folge, dass die Töne innerhalb einer Melodielinie recht verschiedene Färbungen aufweisen können: es entsteht ein nahtloser Übergang zwischen offenen und abgedunkelten zu gänzlich „gestopften“ Tönen. Was aus moderner Sicht ein Mangel scheint, kann freilich umgekehrt als kompositorisch geschickt einsetzbarer Klangreiz wirken. In der Nachfolge von Brahms verwendete etwa der ungarische Komponist György Ligeti genau in diesem Sinn das traditionelle Waldhorn für sein im Brahms-Jahr 1982 als Hommage an den Vorgänger verfasstes Horn-Trio. Doch zurück zu Brahms: Der erste Satz von dessen Horntrio op. 40 weicht – eine einmalige Ausnahme in seiner Kammermusik – von der herkömmlichen Sonatenform ab und gleicht eher einer locker gefügten Fantasie. Zwei thematische Komplexe wechseln einander ab, die beide melodisch-sanglich konzipiert sind und sich nur in der Taktart (2/4 gegen 9/8) und der leicht zügigeren Bewegung des zweiten Komplexes voneinander unterscheiden. Horn und Violine dominieren, während der Klavierpart sich meist auf Begleitfiguren und harmonische Grundierung beschränkt. Der folgende, unruhig bewegte Allegro-Satz erweist sich als ein Scherzo von Beethoven’schem Typ, wie es sonst selten bei Brahms auftritt. Der verhaltenere und geradezu wehmütig anmutende Mittelteil setzt ihm eine volkstonhafte Melodik entgegen, die, nur nach as-Moll versetzt, an das Volkslied „Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein“ erinnert. Mittelpunkt des Trios ist das „Adagio mesto“ in es-Moll, ein elegischer Gesang, der sich aus drei Gedanken entwickelt: einem Klaviervorspiel voller Seufzermotive, einer weiter ausgreifenden fünftaktigen Melodie und einer Umkehrung dieses Themas, die in einem kurzen EsDur- und F-Dur-Lichtblick schon das Finalthema vorwegnimmt. Es ist möglich, dass in diesen -6Satz des Trios Autobiographisches eingeflossen ist: Manche Kommentatoren wie der Brahms-Biograf Max Kalbeck wollen ihn als eine Art Begräbnisgesang deuten, den der Komponist zum Angedenken an seine wenige Wochen zuvor verstorbene Mutter angestimmt habe. Das Finale im 6/8-Takt präsentiert sich dann als typisches Jagdstück und wirkt nach der lastenden Stimmung des „Adagio mesto“ wie befreiend; in diesem „Allegro con brio“, das erstmals im gesamten Werk als Sonatensatz angelegt ist, erhält besonders das Horn die Möglichkeit zu umfangreicher konzertanter Entfaltung.
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