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Fördert das deutsche Arbeitnehmererfinderrecht Innovationen?
Kerstin Single, Festo AG & Co. KG, Leiterin Intellectual Property
Das Arbeitnehmererfinderrecht hat in Deutschland eine lange Tradition. Schon 1957 wurde durch das Gesetz
über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) der Grundstein gelegt. Durch seine enge Verknüpfung zu anderen
Rechtsgebieten, zu nennen sind hier das Arbeitsrecht, das bürgerliche Recht und das Patent- und
Gebrauchsmusterrecht auf der anderen Seite, sind vielfältige Überschneidungen gegeben.
Erfindungen werden im allgemeinen Sprachgebrauch oft mit dem Begriff Innovation gleichgesetzt, aber handelt
es sich hier wirklich um das Gleiche?
Der Begriff Erfindung ist per Gesetz nicht definiert, laut §2 ArbEG handelt es sich bei Erfindungen im Sinne
dieses Gesetzes nur um Erfindungen die patent- oder gebrauchsmusterfähig sind. Laut Patentgesetz § 1 werden
Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Schon 1969 hat der Bundesgerichtshof (BGH) sich bemüht,
den Begriff zu definieren: „Technisch ist eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer
Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs.“– BGH: „Rote Taube“ 1969 und in weiteren
Folgeentscheidungen. Also, was ist nun eine Erfindung und wie korreliert diese mit dem Begriff Innovation?
Wie grenzt sich Innovation nun zum Begriff der Erfindung ab. Mir gefällt die Aussage von Fredmund Malik
(Uni St. Gallen) in „Gefährliche Managementwörter“ sehr gut. „Ideen generieren ist etwas völlig anderes als
Ideen realisieren. Nur letzteres ist Innovation. Jede Innovation ist eine Expedition in Neuland, eine alpinistische
Erstbesteigung, behandelt werden sie meistens aber als Osterspaziergänge.“
Ich möchte hier keinen allgemeinen Innovationsbegriff definieren, sondern den Ansatz wählen, dass eine
Innovation den wirtschaftlichen Erfolg am Markt beinhaltet, erst dann wird eine Invention zur Innovation.
Aber haben wir nicht alle im Bereich Intellectual Property den Anspruch das Thema Invention auch hin zur
Innovation zu treiben? Ist hier das ArbEG das richtige Mittel um wirklich zu erfolgreichen Produkten, Verfahren
zu kommen?
Ich möchte diese Frage mit einem „Vielleicht“ beantworten. Vielleicht in diesem Sinne, dass es, je nachdem wie
es gelebt wird, unterstützend tätig sein kann bei der Generierung und der Auswahl von erstklassigen Erfindungen
um so den Innovationsprozess zu unterstützen. Vielleicht, da es nur durch erfolgreiche Produkte, Verfahren in
seiner letzten Konsequenz, also bei der Vergütung von wirtschaftlich erfolgreichen Patenten, Gebrauchsmustern
zum Tragen kommt. Vielleicht in dem Sinne, dass es bei nichtwirtschaftlichen Erfindungen Möglichkeiten
eröffnet, diese nicht weiterzuführen (durch entsprechende Abkaufregelungen). Ebenso wird durch das ArbEG
und durch die Regel 11 der Richtlinien zur Berechnung der Arbeitnehmererfindervergütung der Anteil der
Erfindung am umgesetzten Produkt und durch die Wahl des Lizenzsatzes eine Korrelation zum Wirtschaftlichen
hergestellt. Vielleicht aber auch in dem Sinne, dass eine gewisse Motivation „durch Geld“ die Erfinder dazu
ermuntern soll mehr Erfindungen zu melden und vielleicht auch durch die Handhabung des ArbEG in der Firma,
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so dass durch eine einheitliche Vergütungspolitik und -linie das Vertrauen der Erfinder nicht zerstört wird.
Erfinder, die ich heute vergüte, sind meine Erfinder von morgen! Allerdings gibt es auch ein klares „Nein“. Wie
uns das Beispiel anderer Länder zeigt, sind Innovationen und Erfindungen nicht originär auf die Motivation
alleine über Geld erreichbar. Auch der Designschutz fällt nicht unter das ArbEG und es entstehen trotzdem
großartige Entwürfe, die dem Designschutz zugänglich sind und nicht extra vergütet werden.
Lassen Sie uns nun zum Vergütungssystem der Festo AG &Co. KG kommen. Wir haben dieses System im Jahr
1999 eingeführt und wollten ein pragmatisches, auch bedingt durch geringe Personalressourcen, einfaches
System haben. Wesentliche Punkte waren hierbei, dass wir uns dafür entschieden haben, die Anmeldepflicht der
Erfindungsmeldung in Deutschland § 13, Freigabe von durch Festo nichtangemeldeten Auslandsschutzrechten §
14 und Freigabe bei vorzeitigem Fallenlassen des Schutzrechtes § 16 ArbEG in der Gesamtheit abzukaufen.
Hiermit haben wir einen wesentlichen Grundstein gelegt, um nur diejenigen Erfindungen zum Patent
anzumelden, im Ausland weiterzutreiben oder vorzeitig fallenzulassen (bei geringen Erteilungserfolg oder
Unwirtschaftlichkeit) die eine reelle Chance auf einen Markterfolg (Innovation) haben.
Die nun durch ein entsprechendes Auswahlverfahren und durch eine Patentrecherche ausgewählten Erfindungen
werden durch uns weiterhin bewusst in Anspruch genommen oder zur eigenen Verwendung unter
Nutzungsvorbehalt gegen entsprechende Vergütung freigegeben. Gleichzeitig erfolgt das Vertragsangebot zum
Abkauf der Rechte aus §13,14 und 16 ArbEG. Dieses muss der Erfinder aktiv annehmen, welches in den letzten
Jahren zu 100% erfolgte. Die Erfinder sehen dies nicht als den Abkauf von Rechten, sondern als Incentive.
Nach erfolgter Patentanmeldung und erfolgreicher Durchführung des deutschen bzw. europäischen
Prüfungsverfahrens kommt es zur Erteilung bzw. bei Gebrauchsmustern zur Eintragung. Hier warten wir bei den
Patenten bis zum Ablauf der Einspruchsfrist bzw. eines für uns erfolgreich abgeschlossenen
Einspruchsverfahrens, in dem noch der wesentliche Kern des Patentes erhalten bleibt. Jetzt schließt sich der erste
echte Vergütungsschritt an, in dem wir alle Vorrats-, Ausbau- und Sperrpatente mit einer Pauschale, deren Höhe
sich an einer Schiedsstellenentscheidung orientiert, vergüten. Diese beträgt bei Patenten 620€ und bei
Gebrauchsmustern 310€. Dieser Schritt erfolgt bei Gebrauchsmustern relativ zeitnah zur Anmeldung, im Schnitt
innerhalb von 2-3 Monaten, bei Patenten ca. 4 Jahre nach Anmeldung. Mit dieser Vorgehensweise erreichen wir,
dass die Verwaltung einen fest definierten Zeitpunkt hat, an dem sie tätig wird. Weiterhin sind somit alle
unbenutzten Schutzrechte abschließend vergütet. Wir behalten uns allerdings die Anpassungsfrist nach §12.6
ArbEG vor, sollten wir es tatsächlich mit einem Sperrpatent zu tun haben, dessen Existenz mir in meiner
beruflichen Praxis noch nicht begegnet ist.
Da wir eine relativ gute Benutzungsquote haben, führen wir jährlich eine Vergütungsaktion durch, um die
benutzten Schutzrechte entsprechend zu vergüten. Bei uns hat sich die Lösung bewährt, dass nur ein
Patentprofessional diese für alle Kollegen mit durchführt. Da wir, wenn möglich, die Vorgänge nur einmal
anfassen wollen, haben wir uns nach Abwägung der Vor- und Nachteile entschieden, ein
Pauschalvergütungssystem einzuführen. In den meisten Fällen verfahren wir hier nach der Lizenzanalogie der
Richtlinien. Hierbei legen wir die Produktplanzahlen und den durchschnittlichen Nettoverkaufspreis der ersten
zehn Benutzungsjahre zu Grunde, die mit einem festgelegten Risikoabschlag den Bruttoumsatz als
Berechnungsgrundlage bilden. Sollten wir nicht die kleinste von der Erfindung erfasste Baueinheit monetär
bewerten können, wird ein entsprechender Prozentsatz von der Kalkulationsbasis des Produktes, der ermittelbar
ist, angesetzt. Da der Produkterfolg und somit auch der Innovationserfolg zum großen Teil nicht originär von der
Erfindung abhängt, nehmen wir eine Abstaffelung gemäß der Regel 11 der Richtlinien vor. Der Lizenzsatz wird
für jede Erfindung speziell im Bezug auf die erreichbare Monopolstellung ermittelt. Somit ergibt sich der
Erfindungswert, der dann mit dem Miterfinderanteil, der schon durch die Erfindungsmeldung abgefragt wird,
und dem Anteilsfaktor, der sich je nach Dienststellung in den meisten Fällen zwischen 13 und 15% bewegt, zur
endgültigen Vergütung führt. Die schon gezahlten Summen für unbenutzte Schutzrechte werden hier zur
Anrechnung gebracht. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, die Arbeitnehmererfindervergütung gleich
von Anfang an festzusetzen, allerdings mit einem sehr ausführlichen Schreiben, in dem alle
vergütungsrelevanten Faktoren entsprechend aufgeführt und begründet sind. Sollte Korrekturbedarf bestehen, so
sind wir jederzeit bereit, nach Widerspruch der Erfinder, bei berechtigtem Anlass eine Anpassung vorzunehmen.
Den Anpassungsanspruch nach §12.6 kaufen wir hierbei nicht ab, um auch eventuell später noch entstehenden
Ansprüche, zum Beispiel bei sehr stark abweichenden Umsatzzahlen oder dem Hinzukommen weiterer Produkte
noch zu berücksichtigen, um so ein möglichst gerechtes Erfinder- und Arbeitgeberinteressen ausgleichendes
System umsetzen zu können. Dieses System hat sich im Laufe der Jahre bewährt und wertanalytische
Untersuchungen haben gezeigt, dass bis zum heutigen Zeitpunkt kein Nachbesserungsbedarf gemäß §12.6 oder
Unbilligkeit §23 ArbEG entstanden ist.
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Allerdings sind wir durch die enge Anlehnung an die Richtlinien trotz Pauschalvergütungssystem noch immer an
die Ermittlung sämtlicher Umstände gebunden, wie Umsatzprognosen, kleinste erfassbare betriebliche Einheit,
Lizenzsatz usw., wobei vor allem die Umsatzprognosen schwer und aufwändig zu beschaffen sind. Außerdem ist
die Festo AG & Co. KG in Ihren Entwicklungsaktivitäten immer mehr international tätig, so dass wir das System
in 2016/2017 reformieren wollen, um so eine einheitliche Innovationskultur der Firma zu fördern und die
gesetzlichen Vorgaben anderer Länder mit zu berücksichtigen. Hierbei liegt es uns am Herzen, Entwicklerteams
aus unterschiedlichen Ländern, gemessen am jeweiligen Lebensstandard gleich zu behandeln und zu motivieren.
Hierzu gibt es schon die unterschiedlichsten Vorüberlegungen. Sie sehen, bei uns bilden die Themen Innovation
und Invention auch bezogen auf das ArbEG einen wesentlichen Grundstein unserer Firmenpolitik.
Einen weiteren Baustein, der vollkommen losgelöst vom ArbEG ist, bildet hierbei der seit 2008 jährlich unter
der Schirmherrschaft unseres Gesellschafters Dr. Kurt Stoll ausgelobte „Invention Award“. Hierbei werden die
zehn besten Anmeldungen des letzten Jahres (durch eine Jury ermittelt) mit Geldprämien in einer separaten
Veranstaltung mit Teilnehmern aus dem Kreis der Gesellschafter, des Aufsichtsrates und des Vorstandes
prämiert. Die Teilnahme an dieser Veranstaltung ist für viele Entwickler sehr motivierend, da diese gerne zum
Teilnehmerkreis gehören möchten. Auch hat sich über die Jahre selbst in dem frühen Stadium der Anmeldung
gezeigt, dass die prämierten Anmeldungen oft zu Innovationen geführt haben. Dies fand dann auch ihren
Niederschlag in den ausgezahlten Arbeitnehmererfindervergütungen.
Noch einmal kurz zur Eingangsfrage: Fördert das deutsche Arbeitnehmergesetz Innovationen? Meiner
Auffassung nach kann es die Innovationspolitik eines Unternehmens unterstützen, aber mit der Invention stehen
wir erst am Anfang der betrieblichen Umsetzung, so dass sich der Markterfolg und die Wahrnehmung der
Kunden erst später hoffentlich einstellen. Auf jeden Fall müssen die durch das Gesetz vorgegebenen Leitplanken
so ausgelegt werden, dass ein möglichst homogenes Vergütungssystem innerhalb der Firma entsteht. Dieses
Vergütungssystem muss durch eine offene Innovationskultur und -umsetzung flankiert werden, wobei der
Mensch als Inventor und Innovator im Mittelpunkt stehen sollte.
Ich hoffe, Sie haben einige Anregungen zum Zusammenspiel von Innovation und ArbEG erhalten, wenn Sie
kritische Anmerkungen haben oder mit mir diskutieren wollen, können Sie mich gerne unter [email protected]
oder [email protected] kontaktieren.
Impressionen vom diesjährigen Invention Award in der Strotmann´s Magic Lounge Stuttgart
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