RESMEDIA | E-Commerce Whitepaper - Wird der Poststreik auf dem Rücken der B2C-Onlineshops ausgetragen? Die rechtlichen Konsequenzen für Verzögerungen für Händler Juli 2015 Wird der Poststreik auf dem Rücken der B2COnlineshops ausgetragen? Seit gut drei Wochen streikt die Post. Dadurch kommt es im Versandhandel zu erheblichen Verzögerungen sowohl bei den Lieferungen als auch bei den Retouren. Dies führt zu diversen Problemen für Onlineshopbetreiber im Bereich business-toConsumer (B2C), also beim Verkauf an Verbraucher. Uns erreichen in diesen Tagen häufig die gleichen Fragen von Händlern. Was ist durch den Streik zu beachten? Wer haftet für Verzögerungen? Was passiert mit verspäteten Sendungen und Retouren? Wir klären auf. Haftung der Post? Die Frage nach der Haftung der Post für die Verzögerungen ist schnell beantwortet: Die Haftung ist nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von DHL ausgeschlossen. Dort heißt es: „DHL unternimmt dabei zwar alle zumutbaren Anstrengungen, um die Sendung innerhalb der Zeitfenster entsprechend ihren eigenen Qualitätszielen (Regellaufzeiten) abzuliefern. Diese internen zeitlichen Vorgaben sind jedoch weder garantiert noch in sonstiger Weise Vertragsbestandteil, d. h. DHL schuldet nicht die Einhaltung einer bestimmten Lieferfrist.“ Das bedeutet, dass DHL auch vertragsgemäß liefert, wenn sich die Lieferung durch den Streik verzögert. Eine Vertragsverletzung und damit eine Pflichtverletzung, die Voraussetzung für eine Haftung wäre, liegt also nicht vor. Die Probleme, die durch den Streik entstehen sind also in der Rechtssphäre zwischen Verkäufer und Käufer zu lösen. © RESMEDIA | Kanzlei für IT- Recht, E-Commerce-Recht und gewerblichen Rechtsschutz Am Winterhafen 78 | 55131 Mainz | Fon 06131.144 560 | Fax 06131.144 56 20 E-Mail: [email protected] | Internet: www.res-media.net 2 Problem verspätete Lieferungen Befassen wir uns zunächst mit Verzögerungen bei den Warenlieferungen. Seit letztem Jahr haben Onlinehändler genaue Liefertermine anzugeben (Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 7 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Nach Ablauf des angegebenen Liefertermins tritt zunächst einmal Fälligkeit der Lieferung ein, § 271 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Beispiel: Bei einer Angabe des Liefertermins mit „Lieferung 3-5 Tage“ ist die Lieferung mit Ablauf des fünften Tages fällig, sprich der Käufer kann ab diesem Zeitpunkt die Herausgabe der Ware verlangen. Allerdings könnte durch Ablauf des Liefertermins auch direkt Lieferverzug eintreten, wodurch sich der Verkäufer nach § 286 BGB schadensersatzpflichtig machen würde. Üblicherweise tritt der Verzug nur durch Fälligkeit der Leistung und Mahnung durch den Gläubiger ein. Die Fälligkeit, wie eben festgestellt, besteht, sobald der angegebene Liefertermin überschritten ist. Für den Eintritt des Verzuges kommt es also auf die Mahnung des Käufers an. Nach § 286 Abs. 2 BGB ist die Mahnung jedoch unter bestimmten Voraussetzungen entbehrlich. So liegt eine Ausnahme nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, wenn „für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist“. Genau das ist beim Onlinehandel seit der Gesetzesnovelle im letzten Jahr der Fall. Zwar ist für die Lieferung nicht ausdrücklich ein Kalendertag bestimmt, anhand der Lieferzeitangaben lässt sich der Lieferzeitpunkt aber einfach am Kalender abzählen. Die Lieferung ist also „nach dem Kalender bestimmbar“. Da eine Mahnung dadurch entbehrlich ist, tritt der Verzug also unmittelbar mit Ablauf der Lieferzeit ein. Rechtliche Folgen bei Lieferverzögerungen Der Verzug hat zur Folge, dass der Käufer Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB wegen der Verzögerung verlangen kann. Es ist noch zu überlegen, ob der Streik als Verzögerungsursache nicht die Schadensersatzhaftung des Verkäufers ausschließen kann. Der Schadensersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Schuldner die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Den Streik bei der Post können Onlinehändler nicht beeinflussen. Sie haben den Streik nicht verursacht und können ihn auch nicht abstellen. Nach § 474 Abs. 4 BGB trägt der Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf jedoch die Gefahren, bis der Käufer die Kaufsache tatsächlich erhält. Der Verkäufer haftet gegenüber einem Verbraucher also grundsätzlich auch für das Handeln des Spediteurs. © RESMEDIA | Kanzlei für IT- Recht, E-Commerce-Recht und gewerblichen Rechtsschutz Am Winterhafen 78 | 55131 Mainz | Fon 06131.144 560 | Fax 06131.144 56 20 E-Mail: [email protected] | Internet: www.res-media.net 3 Zu überlegen wäre jedoch, ob die Haftung nicht durch „höhere Gewalt“ ausgeschlossen sein könnte. Damit haben sich die Gerichte vor allem auf den Gebieten von Fluggastrechten und Passagierrechten bei der Bahn in Verbindung mit den Bahn- und Pilotenstreiks auseinanderzusetzen gehabt. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) 2012 im Zusammenhang mit dem Pilotenstreik entschieden hatte, dass der Streik eine „höhere Gewalt“ darstellt und die Haftung der Lufthansa daher entfällt, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Rechtsprechung im Jahre 2013 geändert. Auf einen Haftungsausschluss durch höhere Gewalt können sich Onlinehändler daher bei Streiks im Versandhandel wahrscheinlich nicht berufen. Im Übrigen kann die Haftung auch nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden (§ 475 Abs. 1 BGB). Damit können sich Verkäufer auch nicht darauf berufen, dass sie die Verzögerung durch den Streik nicht zu vertreten haben, so dass tatsächlich ein Schadensersatzanspruch bei Käufern entsteht. Hier tragen Shopbetreiber also unmittelbar die Kosten des andauernden Poststreiks. Hinzu kommt, dass der Käufer beim Verzug nach § 323 BGB vom Vertrag zurücktreten kann. Auch hierfür ist eine vorherige Fristsetzung erforderlich. Die Ausnahmen für die Fristsetzung sind beim Rücktritt etwas anders gelagert als beim Verzugsschaden. Nach § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist die Fristsetzung dann entbehrlich, wenn ein bestimmter Termin für die Lieferung vereinbart war und der Gläubiger (= Käufer) den Schuldner (= Verkäufer) vor Vertragsabschluss darauf hingewiesen hat, dass der Termin für ihn wesentlich ist oder dies aus „den Vertragsabschluss begleitenden Umständen“ ersichtlich war. Dies wird jedoch nur in Ausnahmefällen der Fall sein. Denkbar ist so ein Fall zum Beispiel beim Verkauf eines Hochzeitkleides. Kommt das Kleid erst verspätet, nach der Hochzeit, an, so ist es offensichtlich nutzlos für die Käuferin. In den meisten Fällen wird eine solche Wesentlichkeit aber nicht erkennbar sein beim Onlinehandel. © RESMEDIA | Kanzlei für IT- Recht, E-Commerce-Recht und gewerblichen Rechtsschutz Am Winterhafen 78 | 55131 Mainz | Fon 06131.144 560 | Fax 06131.144 56 20 E-Mail: [email protected] | Internet: www.res-media.net 4 Problem verspätete Retouren Nicht nur die Lieferungen verspäten sich durch den Poststreik, sondern häufig auch die Retouren von Kunden zurück an den Händler. Viele Onlinehändler berichten zudem, dass die Retourenquote gestiegen ist seit dem Poststreik, da vielen Kunden die langen Wartezeiten offenbar zu lang sind. Es stellt sich also die Frage, ob verspätete Retouren ohne weiteres vom Händler zurückgenommen werden müssen. Verbraucher haben das Recht einen Kaufvertrag im Fernabsatz binnen 14 Tagen zu widerrufen (§ 355 BGB). Nach dem Widerruf sind die Leistungen (Kaufsache und Kaufpreis) wiederum binnen 14 Tagen zurückzugewähren. Doch wann beginnt die Frist? Wann ist sie gewahrt? Wann endet sie? Frist für den Widerruf Die Frist für den Widerruf beginnt gem. § 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB erst, wenn der Verbraucher die Waren erhalten hat. Verzögert sich also die ursprüngliche Lieferung um mehrere Wochen, so hat der Verbraucher danach immer noch 14 Tage Zeit zu widerrufen. Fristwahrung durch rechtzeitiges Absenden Widerruft der Käufer innerhalb der 14 Tage, kann es jedoch passieren, dass der Widerruf erst nach Ablauf der 14 Tage beim Verkäufer eingeht, zum Beispiel beim Postversand. Dennoch hat der Käufer die Widerrufsfrist dann gewahrt. Nach § 355 Abs. 1 BGB genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Schicken Verbraucher ihre Widerrufserklärung also innerhalb von 14 Tagen per Post ab, so haben sie auch wirksam widerrufen, wenn die Erklärung erst Wochen später beim Verkäufer ankommt. © RESMEDIA | Kanzlei für IT- Recht, E-Commerce-Recht und gewerblichen Rechtsschutz Am Winterhafen 78 | 55131 Mainz | Fon 06131.144 560 | Fax 06131.144 56 20 E-Mail: [email protected] | Internet: www.res-media.net 5 Rückgewähr der Kaufsache Widerruft ein Verbraucher, so hat er die Kaufsache binnen 14 Tagen nach der Widerrufserklärung zurückzuschicken (§ 355 Abs. 3 BGB). Diese Frist ist gewahrt, wenn der Verbraucher die Sache innerhalb der Frist absendet. Auch hier kommt es also nicht auf den Eingang beim Verkäufer an. Rückgewähr des Kaufpreises Im Falle des Widerrufs hat der Verkäufer den Kaufpreis innerhalb von 14 Tagen zurückzugewähren (§ 357 Abs. 1 BGB). Diese Frist beginnt nach § 355 Abs. 3 BGB mit dem Zugang der Widerrufserklärung beim Verkäufer. Verspätet sich also die Erklärung durch den Streik, dann fängt die Frist auch erst verspätet an zu laufen. Dem Verkäufer steht jedoch gem. § 357 Abs. 4 BGB das Recht zu, die Rückzahlung zu verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat. Dies gilt jedoch nur solange, bis der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Ware abgesandt hat. Verspätet sich die Retoure also durch den Streik, ist die Rückzahlung auch nur innerhalb von 14 Tagen zu leisten, wenn der Käufer den Nachweis erbringt, die Ware bereits abgesendet zu haben. Form der Widerrufserklärung Im Zuge des Poststreiks kam auch erneut die Frage auf, ob das kommentarlose Zurückschicken der Ware einen korrekten Widerruf darstellt. Nach altem Recht war das ausdrücklich der Fall. Nach neuem Recht heißt es: „Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen“, (§ 355 Abs. 1 BGB). Daraus wird zum Teil geschlossen, dass der Widerruf nun ausdrücklich durch eine Äußerung (mündlich oder schriftlich) des Verbrauchers erfolgen muss. Das halten wir allerdings für nicht so eindeutig. Erklärungen können auch konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Ferner sind Erklärungen grundsätzlich auszulegen (§§ 133,157 BGB). Es ist also danach zu fragen, was der Käufer mit der kommentarlosen Rücksendung ausdrücken will. Hier wird man wohl sagen müssen, dass eindeutig der Wille zum Ausdruck kommt, dass der Käufer die Ware nicht mehr haben und nicht an den Vertrag gebunden sein möchte. Das gilt insbesondere, wenn man der Auslegung © RESMEDIA | Kanzlei für IT- Recht, E-Commerce-Recht und gewerblichen Rechtsschutz Am Winterhafen 78 | 55131 Mainz | Fon 06131.144 560 | Fax 06131.144 56 20 E-Mail: [email protected] | Internet: www.res-media.net 6 die gängige Praxis zugrunde legt, in der Retouren meistens kommentarlos zurückgeschickt werden und von Verkäufern in aller Regel auch als Widerruf angesehen werden. Für den Widerruf im Poststreik bedeutet das, dass es wahrscheinlich genügt, wenn Verbraucher die Retoure kommentarlos binnen 14 Tagen abschicken, unabhängig davon, wann sie beim Verkäufer eintreffen. Wie sollten Sie ihren Onlineshop während des Streiks anpassen? Nach dem oben gesagten wird klar, dass der Streik bei der Post zu einem großen Teil auf den Rücken der Onlineshopbetreiber ausgetragen wird. Vor allem durch die Verspätung der Lieferungen und der gesetzlichen Pflicht, genaue Lieferzeitangaben zu machen, entstehen erhebliche Lasten bei Shopbetreibern. Es ist daher anzuraten, die Lieferzeitangaben im Shop anzupassen, so lange der Streik andauert. Hier sollten Sie Verzögerungen, die durch den Streik entstehen, einkalkulieren und entsprechend längere Lieferzeiten angeben. Zu denken wäre zudem an extra Warnhinweise (etwa ein Banner und/oder ein Infotext im Checkout), die auf die Streiksituation und die damit verbundenen Verzögerungen hinweisen. Eine solche Formulierung könnte etwa wie folgt lauten: „Achtung!: Durch den Streik bei der Post kann es zu erheblichen Verzögerungen bei der Auslieferung von Waren kommen. Wir schicken die Ware, wie gewohnt, so schnell wie möglich ab, es kann jedoch sein, dass die Auslieferung unüblich lange dauert. Die angegebenen Lieferzeiten können sich also während der Dauer des Streiks um mehrere Tage verzögern. Auf die genauen Zeiten haben wir keinen Einfluss, wir bemühen uns jedoch Ihre Sendung so schnell wie möglich zu Ihnen zu bringen.“ © RESMEDIA | Kanzlei für IT- Recht, E-Commerce-Recht und gewerblichen Rechtsschutz Am Winterhafen 78 | 55131 Mainz | Fon 06131.144 560 | Fax 06131.144 56 20 E-Mail: [email protected] | Internet: www.res-media.net 7 Über RESMEDIA Die im Jahr 2007 gegründete Kanzlei RESMEDIA mit Sitz in Mainz steht für hoch spezialisierte Rechtsberatung in den Kernbereichen IT-Recht, IP-Recht und E-CommerceRecht. Das Expertenteam besteht aus fünf Rechtsanwälten, davon drei Fachanwälten für Informationstechnologierecht und einer Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz, die ausschließlich in diesen Bereichen tätig sind. Die Leistungsschwerpunkte der Kanzlei liegen in der Erstellung von IT-Verträgen, Beratung von eCommercePlattformen und der Beratung bei Abmahnungen. RESMEDIA ist Gründungsmitglied Partnernetzwerks United E-Commerce. Was wir für Sie tun können des agilen IT-Recht IT-Projekte, IT-Verträge, Lizenzverträge, Cloud Computing, Datenschutz, Compliance IP-Schutz Markenanmeldungen, Markenberatung, Know-How-Schutz, Urheberrechtssicherung, Beratung bei Abmahnungen E-Commerce-Recht Shopprüfungen, laufender Update-Service, Beratung von großen Onlineplattformen, Marketplaces, AGB-Erstellung, Beratung bei Abmahnungen Infothek-App Kennen Sie schon unsere praktischen, kleinen Booklets zu den verschiedensten Themen aus dem IT-Recht? Sie können diese unter www.res-media.net/booklets kostenlos herunterladen. Sie können die Booklets aber auch bequem auf Ihrem Handy oder Tablet lesen. 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