DOWNLOAD Anja Joest Streik und Streikrecht Materialien und Hintergrundwissen für Ihren Politikunterricht . 0 1 9.– Klasse Das Werk als Ganzes sowie in seinen Teilen unterliegt dem deutschen Urheberrecht. Der Erwerber des Werkes ist berechtigt, das Werk als Ganzes oder in seinen Teilen für den eigenen Gebrauch und den Einsatz im eigenen Unterricht zu nutzen. Die Nutzung ist nur für den genannten Zweck gestattet, nicht jedoch für einen schulweiten Einsatz und Gebrauch, für die Weiterleitung an Dritte (einschließlich aber nicht beschränkt auf Kollegen), für die Veröffentlichung im Internet oder in (Schul-)Intranets oder einen weiteren kommerziellen Gebrauch. Eine über den genannten Zweck hinausgehende Nutzung bedarf in jedem Fall der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlages. Verstöße gegen diese Lizenzbedingungen werden strafrechtlich verfolgt. Die lange Geschichte des Streikens Aufgabe: Nenne alle wichtigen Ereignisse in der Geschichte der Arbeiterkämpfe. Stelle sie in einer Tabelle dar. 1 Erarbeite dir hierfür zunächst das Material. 2 Markiere die wichtigsten Ereignisse. 3 Erstelle nun eine Tabelle, in der du die Jahreszahlen aus dem Text und die zugehörigen Ereignisse einträgst. Geregelte Arbeitszeiten, gerechter Lohn, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubstage sind für uns heute fast eine Selbstverständlichkeit und oft wird vergessen, dass sich die Arbeitnehmer fast alle ihre Rechte in Arbeitskämpfen erkämpft haben. Der erste erfolgreiche Streik fand 1156 v. Chr. in Ägypten statt. Dort streikten die Bauarbeiter, die die Totenstätte für Pharao Ramses III. bauten. Ihnen war die Lebensmittelration gekürzt worden und nachdem Protestbriefe die Situation nicht verbesserten, versammelten sie sich auf der Rückseite des Tempels von Theben. Sie setzten sich auf den Boden und kündigten an, erst wieder zu gehen, wenn die Gerste geliefert sei. Allerdings blieb dieser Streik ein Einzelfall, denn Aufstände wurden in dieser Zeit meist blutig niedergeschlagen. Mit der Pest zu Beginn des 14. Jahrhunderts änderte sich die Situation, denn durch die vielen Toten gab es plötzlich einen akuten Mangel an Arbeitskräften. Im Handwerk hatten sich Zünfte herausgebildet. Der Begriff „Zünfte“ bezeichnet Gruppen, in denen Handwerker sich zusammenschlossen, um ihre Interessen durchzusetzen. Denn die Gesellen hatten lang keinerlei Rechte. Sie lebten häufig im Haus ihres Arbeitgebers und waren von ihm in jeder Hinsicht abhängig. Er bestimmte über den Lohn, die Arbeitszeit und auch über das Privatleben der Gesellen. Durch den Mangel an Gesellen waren die Meister nun aber gezwungen, den Forderungen nach besserem Essen und mehr Lohn nachzugeben, wollten sie nicht ohne Arbeiter da stehen. Zunächst nutzten die Gesellen die neuen Möglichkeiten eher individuell, doch nach und nach merkten sie, dass sie wesentlich mehr Erfolg hatten, wenn sie sie gemeinsam vorbrachten. Die Breslauer Gürtlergesellen waren 1329 die Ersten, die die Arbeit niederlegten, gefolgt von den Weberknechten in Speyer. Sie versammelten sich vor den Toren der Stadt und blieben dort, bis ihre Meister nachgaben. Sie gründeten die erste Interessenvertretung der Lohnabhängigen gegenüber ihren Arbeitgebern. Sie mieteten Räume an in denen sie sich trafen. Hier tauschten sie sich über Arbeitgeber und ihre allgemeine Situation aus und erfanden sogar den Vorläufer der Arbeitslosenversicherung. Denn bei ihren Treffen zahlten sie in die sogenannte Büchse 0,8 Prozent ihres Lohnes ein, wodurch sie gegen Krankheit und Arbeitslosigkeit versichert wurden. Durch die Wanderschaft der Gesellen verbreiteten sich Nachrichten von Arbeitskämpfen sehr schnell und es gab eine landesweite Vernetzung der Gesellen. Bei den Arbeitskämpfen ging es nicht nur um höhere Löhne. Ein wichtiger Aspekt der damaligen Arbeitskämpfe war aber auch der Kampf um gesellschaftliche Anerkennung. Die Industrialisierung veränderte die mittelalterlichen Machtverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern grundlegend. Durch die Erfindung neuer Maschinen wurden Millionen Arbeiter überflüssig und gerieten in Armut. Was von den stolzen Gesellen geblieben war, war ein Heer von im Elend lebenden Fabrikarbeitern, die den Fabrikbesitzern auf Gedeih und Verderb ausgesetzt waren. Die ersten Opfer der Industrialisierung waren die Bergarbeiter. Anders als die wandernden Gesellen hatten sie Familien, die sie ernähren mussten. Doch schnell waren auch andere Wirtschaftszweige von den Folgen der Industrialisierung betroffen und es entstanden zwei neue Klassen: Die Fabrikbesitzer auf der einen Seite und die Arbeiter auf der anderen Seite. Die Arbeiter wurden von den Fabrikbesitzern als Eigentum angesehen. Und so waren es Hungerrevolten und der Weberaufstand 1844, die das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern erneut von Grund auf veränderten. Es Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 1 Die lange Geschichte des Streikens begann ein Machtkampf zwischen beiden, der erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete. Neu an diesem Machtkampf war, dass massenhaft Arbeiterzusammenschlüsse entstanden. 1865 wurde von den Zigarrenarbeitern die erste deutsche Gewerkschaft gegründet. 1867 gründeten auch die Buchdrucker ihre eigene Gewerkschaft. Allein zwischen 1869 und 1874 wurden 1200 Arbeitskämpfe registriert, für die sich auch immer öfter der englische Begriff „strike“ durchsetzte. Mitte des 19. Jahrhunderts lebte die Hälfte der Menschen unter der Armutsgrenze und die Wut Streik der Hamburger Hafenarbeiter 1896/97, Handzettel der Arbeiter wuchs und wuchs, denn die Arbeiter arbeiteten bis zu 17 Stunden und ihre Löhne sanken immer mehr. Bismarck verkündete, dass er den Arbeitern eine Verbesserung der Lage zwar gönne, aber er wolle nicht, dass sie diese mit einem Streik durchsetzten. Erst 1918 wurde der 8 Stunden Tag zum Gesetz. Gewerkschaften, die bis 1913 drei Millionen Mitglieder hatten, wurden als legitime Vertreter der Arbeiter anerkannt und ein Recht auf Streik garantiert. Am 2. Mai 1933 wurden die freien Gewerkschaften verboten und viele Gewerkschaftsführer verhaftet. In den folgenden Tagen wurde ihr Vermögen beschlagnahmt, das Streikrecht abgeschafft und die Angestellten und Arbeiterverbände in die neu gegründete Deutsche Arbeitsfront (DAF) zwangsintegriert. Die DAF war in der Zeit des Nationalsozialismus der Verband der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Sie war streng nach dem Führerprinzip organisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Streikrecht im Grundgesetz festgeschrieben, die Gewerkschaften bauten ihre Organisationsstrukturen wieder auf und entwickelten sich nicht nur zu Partnern in Tarifverhandlungen, sie nahmen auch Einfluss auf Gesetze im Arbeits- und Sozialbereich. Von Streikenden errichtete Barrikade auf den Schienen der Berliner Straßenbahn, November 1932 Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 2 Rund um den Tarifvertrag Aufgabe: Stell dir vor du kommst aus einem Land, in dem es keine Gewerkschaften und keine Tarifverträge gibt. Nun möchtest du in Deutschland arbeiten und kannst mit all den Begriffen nichts anfangen. Um Klarheit zu bekommen, entwirfst du einen Fragebogen und interviewst deinen Tischnachbarn. Wechselt nach dem Interview die Rollen. 1 Lies dir hierfür den Informationstext aufmerksam durch. 2 Markiere dir wichtige Informationen und formuliere Fragen. 3 Erstelle nun einen Fragebogen. Die Mindeststandards für alle wichtigen Arbeits- und Einkommensbedingungen werden in Deutschland in sogenannten Tarifverträgen festgelegt. Hierunter fallen unter anderem Löhne, Ausbildungsvergütungen, Arbeitszeit sowie Urlaubstage, Urlaubsgeld und Kündigungsfristen. Tarifverträge werden oft auch Verbandstarifverträge genannt, weil sie in der Regel zwischen einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeberverband abgeschlossen werden und für die Mitglieder beider Parteien gelten. Als Haus- oder Firmentarifverträge bezeichnet man dagegen Tarifverträge, die mit einzelnen Unternehmen abgeschlossen werden. Gelten die Verbandstarifverträge für ganze Branchen wie beispielsweise für die Metallindustrie, so spricht man auch von Flächentarifverträgen. Sie sind typisch für Deutschland und gelten für mehr als 250 Wirtschaftszweige, von der Elektroindustrie bis hin zu Sektkellereien. Firmentarifverträge gibt es beispielsweise bei Volkswagen und der Lufthansa. Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 50.000 Tarifverträge, von denen jährlich 6000 bis 7000 erneuert werden. Sie geben verbindliche Vorgaben für individuelle Arbeitsverträge und haben so eine Schutzfunktion für die abhängig Beschäftigten. Tarifverträge nutzen aber auch den Arbeitgebern, denn sie schaffen einheitliche Wettbewerbsbedingungen bei den Arbeitskosten. Außerdem haben die Tarifverträge eine Ordnungs- und Friedensfunktion, denn während ein Tarifvertrag läuft, besteht Friedenspflicht, das heißt, es darf nicht gestreikt werden. So haben die Unternehmen eine Grundlage, auf der sie planen und kalkulieren können. Tarifverträge kommen durch Verhandlungen zustande. Am Anfang steht in der Regel die fristgerechte Kündigung des bestehenden Tarifvertrages durch die Gewerkschaft. Nach einer Diskussion der Gewerkschaftsmitglieder übermittelt die Gewerkschaft die Tarifforderungen an den Arbeitgeberverband. Nun folgen Verhandlungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Die Verhandlungen können schnell zu einem Ergebnis führen oder sich über Monate hinziehen. Dies hängt von den jeweiligen Positionen der Verhandlungspartner ab. Bis sich die Verhandlungspartner auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt haben, gilt der alte Vertrag. Können sich die Tarifpartner nicht auf ein Ergebnis einigen, so können sie unabhängige Schlichter zu Rate ziehen. Sie sind jedoch nicht an die Vorschläge der Schlichter gebunden. Während der Verhandlungen dürfen die Gewerkschaften zu befristeten Arbeitsniederlegungen, also zu Warnstreiks aufrufen. Längere Streiks sind erst nach Ablauf der Friedenspflicht erlaubt. Voraussetzung für einen Streik ist zudem eine Urabstimmung, bei der mindestens 75 % der Gewerkschaftsmitglieder einem Streik zustimmen. Da letztendlich beide Parteien an einer Lösung interessiert sind, folgen weitere Verhandlungen. Stimmen 25 % der Gewerkschaftsmitglieder dem Ergebnis zu (2. Urabstimmung) ist der Streik beendet und es gilt wieder die Friedenspflicht. Rund 70 % der Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten in Betrieben mit Tarifbindung. Streng genommen haben aber nur die Gewerkschaftsmitglieder einen Anspruch auf die tariflichen Regelungen. Es sei denn, im jeweiligen Arbeitsvertrag wird auf den Tarifvertrag Bezug genommen oder der Tarifvertrag wird für allgemeingültig erklärt. In der Realität erhalten aber auch die Nicht-Gewerkschaftsmitglieder meist die tariflichen Leistungen. Schließlich will kein Arbeitgeber sie durch schlechtere Leistungen zum Beitritt in die Gewerkschaft veranlassen. Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 3 Was passiert, wenn es zum Streik kommt? Aufgabe: Stelle die einzelnen Stationen, die durchlaufen werden, bis es zu einem Streik kommt, in einem Schaubild dar. 1 Erarbeite dir hierfür zuerst das Material. 2 Markiere dir die wichtigsten Informationen des Materials. 3 Erstelle nun das Schaubild. Als Anregung dient dir die Skizze im Anschluss an den Text. Will eine Gewerkschaft eine bessere Bezahlung oder bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten durchsetzen, kann sie nicht einfach zu einem Streik aufrufen. Ein Streik ist immer nur das letzte Mittel im Kampf um bessere Bedingungen. Bevor gestreikt werden darf, müssen verschiedene Verfahrensschritte eingehalten werden und erst wenn diese scheitern, darf die Gewerkschaft zu einem Streik aufrufen. Grundsätzlich gilt, dass ein gültiger Tarifvertrag nicht bestreikt werden darf. Diese sogenannte Friedenspflicht endet erst vier Wochen nach Ablauf des Vertrages. Geraten die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag ins Stocken oder liegen die Vorstellungen so weit auseinander, dass ein Kompromiss unmöglich erscheint, kann die Gewerkschaft die Arbeitnehmer zu Warnstreiks aufrufen. Dabei handelt es sich um kurze Streiks, die vor allem dazu diesen, den Arbeitgebern den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Sie erfordern keine Urabstimmung. Scheitern die Verhandlungen, folgt das Schlichtungsverfahren. Hierbei wird eine Kommission damit beauftragt, eine Einigungsempfehlung zu erarbeiten. Der Kommission sitzt je ein Mitglied der Gewerkschaft und des Arbeitgeberverbandes vor, zudem sitzen unparteiische Teilnehmer in der Kommission. Hat die Kommission einen Schlichtungsspruch erarbeitet, wird er in einer weiteren Runde den Tarifparteien vorgelegt. Lehnen diese die Einigungsempfehlung ab, so gelten die Tarifverhandlungen als gescheitert und die Gewerkschaften leiten den Streik ein. Um sicher zu gehen, dass die Gewerkschaftsmitglieder auch hinter einem Streik stehen, findet zunächst die sogenannte erste Urabstimmung statt. Nur wenn 75 % der Befragten für einen Streik stimmen, darf auch gestreikt werden. Ob und wann, aber auch wo gestreikt wird, entscheidet die Gewerkschaft. Sie ruft die Beschäftigten dazu auf, die Arbeit niederzulegen und den Anweisungen der Streikleitung zu folgen. Sobald die Arbeitgeber bereit sind, ihr Angebot nachzubessern, werden die Tarifverhandlungen wieder aufgenommen. Das bedeutet nicht zwangsläufig auch das Ende des Streiks. Liegt ein neues Angebot vor, entscheiden die Gewerkschaftsmitglieder in einer zweiten Urabstimmung darüber, ob sie das Verhandlungsergebnis annehmen. Damit der Streik beendet und der neue Tarifvertrag abgeschlossen werden kann, müssen dem Ergebnis 25 % der Gewerkschaftsmitglieder zustimmen. Ä Ä Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag ï ï ð ð ð à à 4 Streikrecht in Deutschland Aufgabe: Stell dir vor du bist Anwalt für Arbeitsrecht. In deinem Land wird gerade viel gestreikt und immer wieder treten Streikende mit rechtlichen Fragen an dich heran. Über ein Internetportal versuchst du die Fragen der Streikenden zu beantworten. 1 Lies dir hierfür den Informationstext aufmerksam durch. 2 Markiere alle wichtigen Aussagen. 3 Mach dich nun an die Arbeit und beantworte die eingehenden Fragen. Das Recht zu streiken ist zumindest indirekt in der Verfassung verankert, und zwar im Grundgesetz. Die genauen Ausformungen haben sich im Laufe der Jahre durch Gerichtsurteile herausgebildet. Die Rechtslage in Deutschland sieht jedoch vor, dass Streiks nur erlaubt sind, wenn sie von einer Gewerkschaft getragen werden. Alle anderen Streiks sind so genannte wilde Streiks und die sind verboten. Außerdem gilt die Friedenspflicht, das heißt, dass so lange ein Tarifvertrag läuft, nicht gestreikt werden darf. Auch darf mit einem Streik kein Druck auf die Politik ausgeübt werden, denn wenn es beispielsweise um die Änderung gesetzlicher Vorgaben geht, ist der Arbeitgeber nicht der richtige Adressat. Dass ein legaler Streik von einer Gewerkschaft organisiert sein muss bedeutet nicht, dass nur Gewerkschaftsmitglieder streiken dürfen. Nichtmitglieder erhalten jedoch weder Geld aus der Streikkasse noch haben sie bei Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber Anspruch auf den gewerkschaftlichen Rechtsschutz. Grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmer wegen der Teilnahme an einem Streik weder abgemahnt noch gekündigt werden dürfen. Dennoch gibt es in der Rechtsprechung immer wieder Grauzonen, wo die Rechtslage nicht eindeutig geklärt ist. Dies gilt beispielsweise für sogenannte Sympathiestreiks, also Streiks zur Unterstützung anderer Arbeitnehmer im selben Tarifbereich. Lange Zeit waren solche Streiks verboten, doch nach neuer Rechtsprechung sind sie erlaubt, solange sie verhältnismäßig sind, wobei nirgendwo genau definiert ist, was verhältnismäßig bedeutet. Ärzte der Uniklinik Heidelberg bilden den Schriftug „Streik“ Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 5 Streikrecht in Deutschland Ganz anders sieht es bei Beamten, also Angestellten des Staates aus. Sie dürfen laut deutschem Recht grundsätzlich nicht streiken. Allerdings ist dies nicht unumstritten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat beispielsweise entschieden, das das Streikverbot nur für bestimmte Beamte gelten solle und zwar für jene mit hoheitlichen Tätigkeiten wie beispielsweise Soldaten und Polizisten. Demnach dürften beispielsweise Lehrer streiken. In der Realität hat die Menschenrechtskonvention jedoch nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes und muss sich so am Grundgesetz messen. Und dieses besagt, dass Beamte der Treuepflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber unterliegen und von daher kein Streikrecht haben. Aber nicht nur die Beamten sondern auch die Kirchen haben ihr eigenes Arbeitsrecht. Im kirchlichen Bereich werden Löhne und grundlegende Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeiten und Sonderzahlungen von innerkirchlichen Gremien erarbeitet. Kommt es zu keiner Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern folgt ein Schlichtungsverfahren. Erst seit 2012 ist es Mitarbeitern in kirchlichen Einrichtungen unter gewissen Umständen erlaubt, zu streiken. Hallo ich bin Hans. In meinem Betrieb wollen sie streiken. Ich bin nicht in der Gewerkschaft. Darf ich trotzdem mitmachen? Sehr geehrter Herr, wir gehören der Gewerkschaft Bildung und Wissenschaft an und würden gerne Wissen, ob wir als Lehrer streiken dürfen? Hey, ich bin Sabine. Mein Betrieb wird seit 10 Tagen bestreikt. Ich bin nicht in der Gewerkschaft. Habe ich Anspruch auf Streikgeld? Hallo, ich bin Fabian und Student der Rechtswissenschaft. Mich interessiert, wie das heutige Streikrecht zustande gekommen ist. Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 6 Quiz rund um Tarifvertrag und Streik Aufgabe: Finde die richtige Lösung. 1 Schneidet einen Satz der Karten aus. 2 Nun nimmt sich jeder eine Karte, egal ob mit einem Begriff oder einer Erklärung. 3 Verteilt euch nun im Klassenraum oder auf dem Schulhof und findet euren Partner. Wilder Streik Friedenspflicht Schlichtung Tarifpartner Streik Tarifverhandlungen Tarifvertrag Urabstimmung Warnstreik Generalstreik Streikbrecher Streikposten Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 7 Quiz rund um Tarifvertrag und Streik Verpflichtet die Arbeitnehmer während der Laufzeit eines Tarifvertrages nicht zu streiken oder andere Arbeitskampfmaßnahmen durchzuführen. Sie ist ein Instrument zur Lösung von Tarifkonflikten und zum Abschluss von Tarifverträgen. Sie kann angerufen werden, wenn die regulären Verhandlungen zu keiner Einigung führen. Der Begriff steht für die Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Kollektive Arbeitsniederlegung um beispielsweise höhere Löhne durchzusetzen. Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und den Arbeitgebern. Schriftliche Vereinbarung zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern. Er regelt die Rechte und Pflichten beider Parteien. Dient der Befragung der Gewerkschaftsmitglieder vor einem Streik. Nur, wenn 75 % der Mitglieder zustimmen, darf gestreikt werden. Kurze Arbeitsniederlegung, um Druck auf die Arbeitgeber auszuüben. Eine Streik, an dem alle Arbeiter eines Landes oder einer Region teilnehmen. Arbeitnehmer, die trotz eines Streiks ihrer Arbeit nachgehen. Arbeitnehmer, die vor dem bestreikten Betrieb stehen, um auf den Streik aufmerksam zu machen und über ihre Forderungen aufzuklären. Ein Streik, der nicht von der Gewerkschaft getragen wird. Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 8 Rollenspiel: Ein neuer Tarifvertrag entsteht (1) Aufgabe: Handelt einen neuen Tarifvertrag für das kommende Jahr aus. 1 Bildet drei Gruppen und verteilt die Rollenkarten (Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Presse). 2 Lest euch die Ausgangslage aufmerksam durch und macht euch erste Stichworte. 3 Schneidet euch die jeweilige Spielsituation aus und bereitet euch in der Gruppe auf den Tarifstreit vor. Die Ausgangslage Die Müller AG gehört zu den größten Arbeitgebern in der Region. Während viele Betriebe ihre Produktion ganz oder teilweise ins Ausland verlagert haben, um Lohnkosten zu sparen, hält die Müller AG am Standort fest. Sie bietet jährlich vielen Schulabgängern einen Ausbildungsplatz und auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann sie sich behaupten. Dafür verlangt sie ihren Mitarbeitern aber auch einiges ab. Während beispielsweise die 38 Stundenwoche und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in anderen Betrieben schon seit Jahren Gang und Gebe sind arbeiten die Mitarbeiter der Müller AG immer noch 40 Stunden. Auch eine Anpassung der Löhne an die gestiegenen Lebenshaltungskosten steht seit Jahren aus. Dafür hat die Müller AG einen Betriebskindergarten und einen Sportplatz. Doch trotz aller Sympathie für die Geschäftsleitung wollen sich die Arbeitnehmer diesen Zustand nicht länger gefallen lassen. Rollenkarten PRESSE 1 Teilt euch in zwei Gruppen. Eine Gruppe repräsentiert die bürgerliche Presse und die andere die Boulevardpresse. 2 Überlegt euch jeweils, was eure Leser besonders interessieren könnte. 3 Wo müsst ihr zugegen sein und mit wem müsst ihr sprechen, um den Bedürfnissen eurer Leser gerecht zu werden? ARBEITGEBER 1 Wählt einen Sprecher für die Verhandlungen. 2 Überlegt euch, was ihr den Arbeitnehmern anbieten könnt und welche Kompromisse möglich sind. 3 Sammelt Argumente für eure Position. ARBEITNEHMER 1 Wählt einen Sprecher für die Verhandlungen 2 Überlegt euch, was ihr von den Arbeitgebern fordert und auf welche Kompromisse ihr euch einlassen wollt. 3 Sammelt Argumente für eure Position Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 9 Rollenspiel: Ein neuer Tarifvertrag entsteht (2) Spielsituationen 1 Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. ihre Sprecher treffen aufeinander und tauschen ihre Forderungen aus. Auch die Presse ist zugegen. Zusätzlich zu den Informationen von dem Treffen erhält die Presse von beiden Konfliktparteien eine Presseerklärung. Schnell werden erste Meldungen über das Verhandlungsergebnis verfasst. 2 Am nächsten Tag wird zunächst die Presse studiert. Da die Arbeitnehmer mit dem Verhandlungsergebnis nicht einverstanden sind, kommt es zur Urabstimmung. Gespannt wartet die Presse auf das Ergebnis und berichtet über den anstehenden Streik. Sowohl Arbeitgeberverband als auch die Gewerkschaft geben eine Presseerklärung heraus. 3 Die Verhandlungen werden wieder aufgenommen. Die Journalisten stehen vor verschlossener Tür und können nur spekulieren. Umso mehr wenden sie sich den Streikenden zu. 4 Endlich ist es so weit. Die Verhandlungen wurden wieder aufgenommen und ein Kompromiss scheint gefunden. Die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern geben eine Presseerklärung heraus. 5 Die Streikenden verfolgen gespannt die Pressemitteilungen, denn gleich steht die 2. Urabstimmung an. 6 Der Tarifvertrag wird unterzeichnet und die Presse lässt die letzten Tage Revue passieren. Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 10 Material zum Rollenspiel: Ein neuer Tarifvertrag entsteht Stimmzettel 1. Urabstimmung ¨ Ich stimme gegen einen Streik ¨ Ich stimme für einen Streik Stimmzettel 1. Urabstimmung ¨ Ich stimme gegen einen Streik ¨ Ich stimme für einen Streik Stimmzettel 1. Urabstimmung ¨ Ich stimme gegen einen Streik ¨ Ich stimme für einen Streik Stimmzettel 1. Urabstimmung ¨ Ich stimme gegen einen Streik ¨ Ich stimme für einen Streik Stimmzettel 1. Urabstimmung ¨ Ich stimme gegen einen Streik ¨ Ich stimme für einen Streik Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag Stimmzettel 2. Urabstimmung ¨ Ich stimme gegen einen Streik ¨ Ich stimme für einen Streik Stimmzettel 2. Urabstimmung ¨ Ich stimme gegen einen Streik ¨ Ich stimme für einen Streik Stimmzettel 2. Urabstimmung ¨ Ich stimme gegen einen Streik ¨ Ich stimme für einen Streik Stimmzettel 2. Urabstimmung ¨ Ich stimme gegen einen Streik ¨ Ich stimme für einen Streik Stimmzettel 2. Urabstimmung ¨ Ich stimme gegen einen Streik ¨ Ich stimme für einen Streik 11 Material zum Rollenspiel: Ein neuer Tarifvertrag entsteht Presseerklärung Offizielle Stellungnahme der Unterschrift: Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 12 Material zum Rollenspiel: Ein neuer Tarifvertrag entsteht +SONDERMELDUNG+++SONDERMELDUNG+++SONDERMELDUNG+ Ort, Datum: Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 13 Material zum Rollenspiel: Ein neuer Tarifvertrag entsteht TARIFVERTRAG Zum wurde zwischen der der und folgender Tarifvertrag geschlossen: Die Bestimmungen im Einzelnen: • • • • • Sonstiges: Die Laufzeit des Vertrages beträgt Monate. (Unterschrift Arbeitgeber)(Unterschrift Gewerkschaftsfunktionär) Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 14 Lösungen Seite 1: 1156 v. Chr Streik von Theben 14. Jahrhundert Arbeitskräftemangel durch die Pest, Entstehung von Gilden 1329 Streiks in Breslau und Speyer 1844Weberaufstand 1865 1. Gewerkschaft wird gegründet. 1867 Buchdruckergewerkschaft wird gegründet. 1918 Streikrecht, Gewerkschaften werden als legitime Vertreter der Arbeiter anerkannt. 1933 Verbot der freien Gewerkschaften 1949Streikrecht wird im Grundgesetz festgeschrieben, Wiederaufbau der freien Gewerkschaften Seite 3: • Was legen Tarifverträge fest? Sie legen die Arbeits- und Einkommensbedingungen fest. • W er schließt Tarifverträge ab? Tarifverträge werden zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden geschlossen. • W ie viele Tarifverträge gibt es etwa in Deutschland? In Deutschland gibt es etwa 50.000 unterschiedliche Tarifverträge. • W em nutzen die Tarifverträge? Die Tarifverträge haben eine Schutzfunktion für die Beschäftigten und schaffen für die Arbeitgeber einheitliche Wettbewerbsbedingungen. • W orüber wird bei der 1. Urabstimmung abgestimmt? Bei der 1. Urabstimmung wird darüber abgestimmt, ob gestreikt wird oder nicht. • W ie viele Arbeitnehmer arbeiten in Betrieben mit Tarifbindung? In Deutschland arbeiten ca. 70 % der Arbeitnehmer in Betrieben mit Tarifbindung Seite 4: Tarifverhandlungen werden als gescheitert erklärt. Erneute Tarifverhandlungen ohne Einigung Ä Urabstimmung Verhandlungen werden wieder aufgenommen Ä Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag ï ï Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis ð Warnstreiks Schlichtungsverfahren ð Streikbeginn à Streik ð à Streikende 15 Lösungen Seite 6: • J a, allerdings hast du keinen Anspruch auf Geld aus der Streikkasse oder den Rechtsschutz der Gewerkschaft. • W enn Sie verbeamtet sind, dürfen Sie nicht streiken, auch wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dies anders sieht. • Nein, Anspruch auf Streikgeld haben nur Gewerkschaftsmitglieder. • D as Streikrecht ist im Grundgesetz festgeschrieben. Die genauen Ausformungen haben sich im Laufe der Jahre durch Gerichtsurteile herausgebildet. Seite 7 – 8 Friedenspflicht = Verpflichtet die Arbeitnehmer während der Laufzeit eines Tarifvertrages nicht zu streiken oder andere Arbeitskampfmaßnahmen durchzuführen. Schlichtung = Sie ist ein Instrument zur Lösung von Tarifkonflikten und zum Abschluss von Tarifverträgen. Sie kann angerufen werden, wenn die regulären Verhandlungen zu keiner Einigung führen. Tarifpartner = Der Begriff steht für die Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Streik = Kollektive Arbeitsniederlegung um beispielsweise höhere Löhne durchzusetzen. Tarifverhandlungen = Sind die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und den Arbeitgebern. Tarifvertrag = Schriftliche Abmachung zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern. Er regelt die Rechte und Pflichten beider Parteien. Urabstimmung = Dient der Befragung der Gewerkschaftsmitglieder vor einem Streik. Nur, wenn 75% der Mitglieder zustimmen darf, gestreikt werden. Warnstreik = Kurze Arbeitsniederlegung, um Druck auf die Arbeitgeber auszuüben. Generalstreik = Eine Streik an dem alle Arbeiter eines Landes oder einer Region teilnehmen. Streikbrecher= Arbeitnehmer, die trotz eines Streiks ihrer Arbeit nachgehen. Streikposten = Arbeitnehmer, die vor dem bestreikten betrieb stehen, um auf den Streik aufmerksam zu machen und über ihre Forderungen aufzuklären. Wilder Streik =E in Streik, der nicht von der Gewerkschaft getragen wird. Anja Joest: Streik und Streikrecht © Persen Verlag 16 Weitere Downloads, E-Books und Print-Titel des umfangreichen Persen-Verlagsprogramms finden Sie unter www.persen.de Hat Ihnen dieser Download gefallen? Dann geben Sie jetzt auf www.persen.de direkt bei dem Produkt Ihre Bewertung ab und teilen Sie anderen Kunden Ihre Erfahrungen mit. Bildquellen: Cover und Kopfzeile: Streik-Schild © Style-Photography – Fotolia.com Seite 2: Streik der Hamburger Hafenarbeiter 1896/97, Handzettel. Gemeinfrei. URL: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hamburger_Hafenarbeiterstreik_1896_97_Handzettel.jpg?uselang=de Seite 3: Streik-Barrikade in Berlin © Bundesarchiv, Bild 102-13994. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“ lizenziert. URL: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_102-13994,_Berlin,_BVG-Streik,_Barrikaden.jpg?uselang=de Seite 8: Ärztestreik © Philipp Rothe. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert. URL: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Streik-HD-Luftbild.jpg?uselang=de © 2015 Persen Verlag, Hamburg AAP Lehrerfachverlage GmbH Alle Rechte vorbehalten. 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