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PRESSEINFORMATION
23.02.2016 | C³ Chemnitzer Veranstaltungszentren GmbH
Refugees Welcome! – Die Geschichte einer gelungenen Integration
Mathis Oberhof liest am 3. März 2016 in der Stadthalle Chemnitz aus seinem Buch
„Refugees Welcome!“ und zeigt am Beispiel des kleinen Ortes Wandlitz in Brandenburg,
dass ein friedliches Miteinander gelingen kann.
Etwa 60 Millionen Menschen befinden sich derzeit laut UN-Flüchtlingsrat weltweit auf der
Flucht. In Deutschland hat sich in 2015 bisher knapp 1 Million von ihnen registriert – eine
enorme Herausforderung, die viele Menschen verunsichert. Auch in Wandlitz war die
Verunsicherung groß, nachdem die Einrichtung eines Flüchtlingsheims beschlossen wurde.
Doch aus anfänglicher Ablehnung wurde schnell ein freundschaftliches Miteinander. Wie das
gelang, erzählt Mathis Oberhof in einer Lesung aus seinem Buch „Refugees Welcome“.
Mathis Oberhof, geboren 1950, war von 2012 bis 2013 Koordinator des Runden Tisches
Wandlitz, der die Willkommenskultur für Flüchtlinge organisierte. Für diese Arbeit wurde er
mit verschiedenen Ehrungen ausgezeichnet, zuletzt mit der Ehrenmedaille des Landes
Brandenburg.
5 Fragen an Mathis Oberhof
Die aktuelle Flüchtlingssituation stellt Deutschland vor eine große Herausforderung. Viele
Menschen zweifeln daran, dass Kanzlerin Angela Merkels Worte „Wir schaffen das!“ wirklich
umsetzbar sind. Wie sehen Sie die Situation?
Nach 3 Jahren Flüchtlingshilfen Wandlitz bin ich der festen Überzeugung, dass wir das nicht
nur schaffen müssen, sondern, dass wir das auch schaffen können. Und ich gehe einen
Schritt weiter, dass es diesem Land gut tun wird, wie wir es gemeinsam mit den Newcomern
verändern. Offener, toleranter, pluralistischer, in Richtung einer "Globalisierung der Herzen"
und auch, in den Worten von Angela Merkel: neben „deutsche Gründlichkeit“ einen
Riesenschritt vorwärts in Richtung „deutsche Flexibilität“.
Ihr Buch „Refguees Welcome“ soll Mut machen statt zu verunsichern. Empfinden Sie die
aktuell geführte Flüchtlingsdebatte als zu negativ?
Na, es ist ja nicht so, dass sich für mich nicht auch unbeantwortete Fragen stellen. Aber es
kann doch jetzt nicht darum gehen, immer nur neue Probleme aufzulisten, sondern
Lösungen. Und da leisten die ca. 2000 Willkommensinitiativen, die in den letzten Monaten
entstanden sind Unglaubliches. Ja, ich finde die Debatte derzeit zu negativ, weil von dem
Wirken dieser kreativen, sich selbst steuernden Graswurzelinitiativen (trotz aller Fortschritte)
noch viel zu wenig in die öffentliche Meinung gerät. Dem soll mein Buch abhelfen!
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So schrecklich es ist, dass wir derzeit mehrmals in der Woche einen Brandanschlag auf eine
Flüchtlingsunterkunft erleben. In all diesen Orten gibt es meist auch Willkommensinitiativen.
Für einen Brandanschlag brauche ich einen Verbrecher, 5 l Benzin und ein Streichholz. Für
die Willkommensinitiative brauche ich 50-100 Menschen, die monatelang (in Wandlitz und
anderswo oft schon jahrelang) einen Großteil ihrer Freizeit spenden für fantasievolle,
ausdauernde, empathische Integrationsinitiativen. Die Brandanschläge machen Angst, die
Willkommens-Kultur macht Mut - diesen Aspekt in den Vordergrund zu stellen, ist das
Hauptziel meines Mutmacherbuches!
In ihrem Buch erzählen Sie, wie die gelebte Willkommens-Kultur einiger engagierter
Wandlitzer zu einem Stimmungswandel in der ganzen Stadt geführt hat. Was hat Sie dazu
bewegt, sich aktiv den Gegnern des Flüchtlingsheims entgegenzustellen und sich für die
Flüchtlinge vor Ort einzusetzen?
Als ich auf der größten Bürgerversammlung seit der Wende, die gegen die Einrichtung eines
Flüchtlingsheims gerichtet war vor 3 Jahren das Wort ergriff, habe ich mir nichts gedacht,
sondern einfach meinem Herzen gefolgt , und ich habe schon gar nicht geglaubt, dass so eine
großartige Welle der Solidarität und Kreativität in unserem Provinzstädtchen über uns
hereinbricht.
Von meiner Mutter, die aus Ostpreußen flüchten musste und meinem Vater, dessen
Schwester von den Nazis im Rahmen der Euthanasie-Operation ermordet wurde, im Geist der
Toleranz, des Pluralismus und des Widerstands gegen jede neue Spielart der Diktatur
erzogen, hatte ich mir einfach nur vorgenommen, um Solidarität für die Flüchtlinge zu
werben. Dass dann so viele Menschen nach einer zunächst scheußlich verlaufenen
Versammlung sich in so vielen verschiedenen Bereichen engagieren würden, ob
Deutschunterricht, ob Ausflüge mit Kindern, ob Integration Sportvereine oder die
Fahrradwerkstatt, ob Begegnungsfeste oder die Öffentlichkeitsarbeit in den sozialen Medien,
das hätte ich nie zu hoffen gewagt. Das war die direkte Reaktion auf den Schock der
Ausländerfeindlichkeit einer kleinen Minderheit. Eine Minderheit allerdings, die so laut und
aggressiv auftrat, dass man zunächst glauben konnte, es sei die Mehrheit.
Wie ist die Situation in Wandlitz heute?
Vor 3 Jahren ging es um 50 Flüchtlinge, heute sind es knapp 300. Und es würde mich nicht
wundern, wenn es am Ende des nächsten Jahres 600 sind. Bei 23.000 Einwohnern! Kein
Wandlitzer muss den Gürtel irgendwie enger schnallen! Integration wird immer normaler.
Nicht mehr nur Bürgerbegegnungsfeste zwischen den Flüchtlingen und den Einheimischen,
sondern selbstverständliche Beteiligung der Flüchtlinge an den Adventsmärkten, an den
Stadtteilfesten, in den Sportvereinen, in den Schulen sowieso, in den Kirchengemeinden. In
Wandlitz spürt man kaum mehr „Angst vor Ausländern“. Deshalb brauchen Ausländer keine
Angst mehr vor den Wandlitzern haben. Und das ist der Hintergrund, warum wir heute in
Wandlitz eine No-Go-Area für Neonazis geworden sind.
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Sie sind überzeugt, dass die Erfolgsgeschichte von Wandlitz sich auch an anderen Orten
wiederholen kann. Was braucht es damit das auch gelingt?
Ich war immer der Meinung, dass die Wandlitzerinnen und Wandlitzer nicht anders ticken wie
die Oldenburger, die Greifswalder, die Passauer oder die Menschen aus Ludwigshafen.
Wer unseren Adressen-Anhang des Buches studiert, kann sich davon überzeugen, dass das,
was vor 3 Jahren noch singulär als der "Wandel von Wandlitz“ bezeichnet wurde, heute in
ganz, ganz vielen Ortschaften, Städten und Dörfern Realität ist und wird. Ich sage nicht, dass
es leicht ist, aber ich bin der festen Überzeugung, es lohnt sich. Und weil "aller Anfang
schwer ist“, hier 5 Vorschläge für den einfachen und schnellen Einstieg, ganz individuell und
ganz persönlich zu handeln nach dem Motto „Refugees Welcome – Willkommen Fremde in
meiner Stadt, in unserer Umgebung!
3. März 2016 | 19.30 Uhr | Stadthalle Chemnitz | Kleiner Saal
Tickets ab 5,00 € erhalten Sie im Ticket-Service MARKT 1, Tel. 0371 4508-722 sowie unter
www.stadthalle-chemnitz.de
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