Die letzte Entscheidung

Die letzte Entscheidung
Die aktive Sterbehilfe gibt uns die Möglichkeit, ein Haustier von seinem Leiden zu erlösen.
Ihre Anwendung erfordert vom Tierarzt ein hohes Mass an Ethik und Verantwortungsbewusstsein
Das Haustier, ein Familienmitglied
Hunde und Katzen, ja auch kleine Nagetiere und Ziervögel sind beseelte Geschöpfe. Wer Tiere hält,
weiss wie differenziert sie in ihren Ausdrucksformen sind, wie gross ihre Lernfreude und
Anpassungsfähigkeit ist und wie sensibel sie auf unsere Stimmungen wie Freude, Angst, Wut oder
Trauer reagieren. Geradezu sprichwörtlich ist ihre Treue und Anhänglichkeit. So entsteht in den
meisten Fällen eine enge Beziehung zwischen Haustier und Mensch, deren Ende durch die
unterschiedliche Lebenserwartung abrupt und allzu früh eintreten kann.
Der schwarze Tag
Wichtig ist, dass Sie zu ihrem Tierarzt ein Vertrauensverhältnis haben. Es kann ja sein, dass der
Moment, in dem über Leben und Tod entschieden werden muss, ganz plötzlich eintritt, zum
Beispiel durch einen Unfall. In andern Fällen zieht sich die Entscheidung über Monate hin. Die
Behandlungsmöglichkeiten in der modernen Kleintiermedizin haben sich in den letzten Jahren
stetig verbessert. Operationen am Herzen werden ebenso durchgeführt wie das Einsetzen von
Gelenkprothesen bei schwerer Arthrose oder eine Chemotherapie bei einem Krebsleiden. So ist die
Frage, ob die Lebensqualität oder das Leiden überwiegt, in vielen Fällen nur schwer zu
beantworten. Ein Tierarzt, der seine Patienten und ihre Gebresten über Jahre kennt, kann Ihnen
die Entscheidung über Leben und Tod nicht abnehmen, aber Sie dabei kompetent beraten. Er
weiss, welche Therapiemöglichkeiten bestehen und Sinn machen, was alles versucht werden kann
und wann es Zeit ist, das Tier zu erlösen.
Der Patient
Tiere leben im Augenblick, sie denken nicht an den bevorstehenden Tod und können deshalb auch
keine Angst davor haben. Ihr Verhalten ist unbewusst, bestimmt durch Instinkt, Erfahrung und
Lernprozesse. Insbesondere Hunde spüren aber sehr wohl, dass ihr Mensch sich in der sehr
belastenden Situation des Einschläferns ungewohnt verhält
und suchen dann speziell seine Nähe.
Der Tierhalter
Für ihn ist der letzte Gang zum Tierarzt am schwersten. Er
weiss ja, dass sein vierbeiniger Freund nun sterben wird, ein
Freund, der ihn über Jahre begleitet hat. Mit ihm stirbt ein
eigenes Stück Leben. Dieser letzte Schritt benötigt deshalb
Zeit, damit er auch mit dem Herzen und nicht nur mit dem
Verstand getan werden kann. Wer sein Haustier wirklich gern
hat, lässt es nicht unnötig leiden bei unheilbaren Krankheiten oder nicht kontrollierbaren
Dauerschmerzen. Wie schon erwähnt, ist der Entscheid zwischen dem, was in der heutigen
Kleintiermedizin machbar ist und dem, was einem Patienten zugemutet werden kann, in vielen
Fällen für Besitzer und Tierarzt sehr schwierig zu fällen. Schuldgefühle kommen auf, man will nicht
wahrhaben, was sein muss. Gegenseitiges Vertrauen und ein gemeinsames Tragen des gewählten
Weges helfen allen Beteiligten in dieser Ausnahmesituation.
Der Tierarzt
Er allein muss den definitiven Entscheid über Leben und Tod fällen. Die Euthanasie darf nur von
einem Tierarzt durchgeführt werden. Dies verlangt von ihm ein hohes Mass an Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Tier und Einfühlungsvermögen und Sensibilität für die Situation des
Tierhalters. Das ihm anvertraute Lebewesen soll ja ohne Angst und Schmerzen, umgeben von den
Personen, die es kennt, sanft und ruhig einschlafen. Dazu wird der Patient am besten in eine
Kurznarkose gelegt. Die eigentliche Euthanasie besteht in der intravenösen Gabe eines tödlich
wirkenden Barbiturates. Es führt zu einem totalen Bewusstseinsverlust, danach kommt es zu einem
Atem- und Herzstillstand, das Tier ist klinisch tot. Der Tierarzt überprüft den Todeseintritt und
bestätigt ihn.
Euthanasie zu Hause?
Viele Tierbesitzer, insbesondere Hundehalter, äussern den Wunsch, den geliebten Vierbeiner
zuhause einschläfern zu lassen. Dieses Bedürfnis ist sehr verständlich, können doch so alle
Familienmitglieder und insbesondere auch weitere Haustiere vom toten Patienten Abschied
nehmen. Gerade Hunde und Katzen vermissen einen Spielgefährten über Wochen, wenn sie nicht
realisieren können, dass er verstorben ist. Ein kurzes Schnuppern an ihm genügt ihnen um zu
wissen, was geschehen ist.
Für den Tierarzt stellt sich die Frage, ob er zuhause, ohne die Infrastruktur der Praxis, das Tier
schonend und schmerzlos sterben lassen kann. Meist ist dazu die Mithilfe eine Praxisassistentin
notwendig. Wenn eine Euthanasie in den Praxisalltag eingeplant werden kann, ist dies sicher in den
meisten Fällen machbar. In Notfällen wird man das Tier wohl eher in die Praxis bringen müssen.
Was dann?
Was mit dem toten Tierkörper geschehen soll, kann jeder Tierbesitzer im Rahmen der gesetzlichen
Vorschriften selbst entscheiden. Der Tierarzt informiert ihn über die verschiedenen Möglichkeiten
und ihre Kosten. Tiere bis zehn Kilogramm Körpergewicht dürfen im eigenen Garten begraben
werden. Es gibt in der Schweiz auch einige wenige Tierfriedhöfe, wo eine Erdbestattung möglich
ist. Ansonsten müssen die Toten entweder eingeäschert oder in die Tierkörpersammelstelle der
Gemeinde gebracht werden. Bei einer Sammelkremation verbleibt die Asche in einem
Gemeinschaftsgrab des Krematoriums, bei einer Einzelkremation geht sie zurück zum Tierhalter. Er
darf dann frei darüber verfügen, kann sie an einem Lieblingsplatz aufstellen, begraben oder
verstreuen. Heute werden die sterblichen Überreste der meisten Hunde und Katzen als Zeichen
der Wertschätzung eingeäschert.