Herzblut spielt in Familien- betrieben eine wichtige Rolle

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UNTERNEHMEN & MÄRKTE
Schwerpunkt: Round Table
wirtschaftsblatt.at
DIENSTAG, 29. SEPTEMBER 2015
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Diskussion
Fotos: Mayr π
Um ungehindert Fehler
machen zu können, ist
es für Familienmitglieder hilfreich, sich woanders die Sporen zu
verdienen.
Albin Hahn
Finanzvorstand Manner
Herzblut spielt
in Familienbetrieben eine
wichtige Rolle
Was zeichnet ein Familienunternehmen aus? Wie
gelingt der Übergang zur nächsten Generation?
Und welche Fallen liegen auf dem Weg? Antworten
geben erfolgreiche Unternehmer und Manager.
WIEN. Rund 150.000 Familienunternehmen gibt es in Österreich. Etwa 15.000 davon sind in
den kommenden zehn Jahren mit
einer kritischen Situation konfrontiert: Wenn es nämlich heißt,
die Übergabe in die nachfolgende Generation zu regeln. „Jede
Übergabe stellt einen Fall für
sich dar. Das lässt sich schwer
proben oder verallgemeinern.
Umso wichtiger ist es, sich
darauf rechtzeitig und so gut wie
möglich vorzubereiten“, sagt
Yann-Georg Hansa, Partner der
KPMG
Wirtschaftsprüfungsund Steuerberatungsgesellschaft.
Statistiken unterstreichen die
Problematik. Nur etwa der Hälfte der Unternehmen gelingt die
innerfamiliäre Übergabe, die andere Hälfte verkauft an Externe.
Keine 20 Prozent der Betriebe
schaffen es in die dritte Generation. Zu viele Gefahren und Stolpersteine, ob emotionaler, rechtlicher oder steuerlicher Natur,
lauern auf dem Weg. Beispiele,
wie stürmische Zeiten erfolgreich zu durchlaufen sind, gibt es
dennoch.
Wie zum Beispiel das Unternehmen Marzek Etiketten+Packaging aus Traiskirchen. Als Karl
Marzek I. die Geschichte des
Unternehmens Marzek begründete, schrieb man das Jahr 1879.
Groß geworden ist das Familienunternehmen nach dem Zweiten
Weltkrieg mit der Herstellung
von Weinetiketten. 2015, rund 135
Jahre nach dem Start in Wien,
liest sich die Kundendatei des
Etikettenspezialisten wie das
Who is who der Winzer sowie
der nationalen und internationa-
len Markenartikler. „Eine Erfolgsstory, auf die wir natürlich
stolz sind“, sagt CEO Michael
Wareka, Urenkel von Karl Marzek I. und vierte Generation der
Gründerfamilie.
Mehr als 600 Mitarbeiter sorgen heute für einen Jahresumsatz
von 55 Millionen €, der zur
Hälfte im Ausland erwirtschaftet
wird. Familiär ist das Unternehmen dennoch geblieben. Während mit Warekas Tante, Helga
Marzek, die dritte Generation
noch operativ tätig ist, bekunden
zwei der vier Kinder des Firmenchefs bereits Interesse, am Betrieb teilzunehmen, um ihn eines
Tages in die nächste Generation
zu führen. „Das alles funktioniert
nur, wenn es klare Regeln und
ein gelebtes Organigramm gibt.
Funktionalitäten müssen eindeutig zugeordnet werden können.
Gleichzeitig sollte man sich der
Erfahrung von außen niemals
verschließen. Für die Umsetzung
neuer Strategien und das Setzen
frischer Impulse sind familienexterne Fachleute in der Geschäftsleitung von großer Bedeutung“, sagt Wareka.
Teil eines großen Ganzen
Wie es ist, als „Externer“ bei
einem alteingesessenen Familienbetrieb anzudocken, weiß Albin Hahn aus eigener Erfahrung.
2007 wurde er von Carl Manner,
Enkel von Firmengründer Josef
Manner, kontaktiert, um zunächst auf ein Jahr Probe als Berater zu fungieren. Eine Aufwärmphase, in der sich eines
bald herausstellen sollte: Die
Chemie passt. 2008 zog sich Carl
Manner nach 52 Jahren operativer
Tätigkeit in dem österreichischen
Erfolgsunternehmen (Gründung
im Jahr 1890, 700 Mitarbeiter an
drei heimischen Standorten, Produktexporte in 50 Länder, Jahresumsatz rund 180 Millionen Euro)
auf den Posten des Aufsichtsratvorsitzenden zurück.
Albin Hahn avancierte zum
Finanzvorstand der Josef Manner
& Comp. AG: „Es war für mich
nicht schwer, hineinzuwachsen.
Wenn man Betriebsklima und
Firmenwerte erkennt und sich
damit identifizieren kann, klappt
die Eingliederung in solche Familienunternehmen tadellos.“ Das
habe mit der Vertrauenskultur zu
tun, die laut Hahn freilich nur
dann kraftvoll über eine lange
Zeit bestehen kann, wenn sie
regelmäßig gepflegt wird. Zweimal pro Jahr findet beispielsweise bei Manner ein Treffen
statt, bei dem 50 bis 60 Familienaktionäre
zusammenkommen.
„Es wird gemeinsam diskutiert,
Wünsche werden geäußert und
von uns gehört. Das schafft Verbundenheit und vermittelt allen
das Gefühl, Teil eines großen
Ganzen zu sein. Auch jenen, die
den Sprung in das Unternehmen
nicht anstreben oder schaffen.“
Professionelle Distanz
Der Übergang von Vater zu
Sohn, von der ersten zur zweiten
Generation, ist vor wenigen Jahren bei Delacon Biotechnik aus
Steyregg (OÖ) über die Bühne
gegangen. 1988 gründete Helmut
Dedl einen Betrieb, der rein
pflanzliche Futtermittelzusatzstoffe aus Kräutern, Gewürzen
und ätherischen Ölen für Wiederkäuer, Schweine und Geflügel
erforscht, entwickelt und produziert. Das Unternehmen prägte
dafür den Begriff der phytogenen Futtermittelzusatzstoffe und
ist auf diesem Gebiet nicht nur
Pionier, sondern mittlerweile
auch Weltmarktführer.
„Mein Vater hatte die Vision,
antibiotische Leistungsförderer
durch pflanzliche Futtermittelzusätze zu ersetzen und somit
eine nachhaltige Nutztierhaltung
und Lebensmittelsicherheit zu
gewährleisten“, erzählt Markus
Dedl von der Leitlinie der Unternehmensstrategie, der er sich bis
Es ist sehr wichtig,
Familie und Unternehmen in gewissen Phasen auch trennen zu
können. Das hat mit
Professionalität zu tun.
Blut ist dicker als Wasser. Die emotionale
Verbindung, die viele
Vorteile bringt, kann
auch zu einem Problem
werden.
Es funktioniert nur, wenn
es klare Regeln und ein
gelebtes Organigramm
gibt. Erfahrung von außen
sollte man sich nie verschließen.
Markus Dedl
CEO und Eigentümer Delacon
Yann-Georg Hansa
Partner KPMG Austria GmbH
Michael Wareka
CEO Marzek Etiketten+Packaging
heute verpflichtet fühlt. Nach
der HTL-Ausbildung zum Chemiker, einem Wirtschaftsstudium und einer einjährigen Tätigkeit in Spanien übernahm
Dedl 2010 als Chief Executive
Officer die Agenden des Vaters:
„Ich stehe seitdem als leitender
Geschäftsführer vorn in der ers-
Zur Person
Q Albin Hahn: Seit 2008 erster
familienexterner Finanzvorstand bei Manner (ursprünglich
Josef Manner & Comp. AG, gegründet 1890), wo die Eigentümerfamilien Manner, Riedl
und Andres bis heute über
einen Großteil des Aktienkapitals verfügen.
Q Michael Wareka: Group CEO
des seit 1879 bestehenden Etikettenspezialisten Marzek, Urenkel des Unternehmensgründer Karl Marzek I. und Vertreter der vierten Generation der
Gründerfamilie.
ten Reihe und treffe die Entscheidungen. Mein Vater kommt
nach wie vor täglich ins Unternehmen, hilft mit seinem Wissen
und Erfahrungsschatz und dient
mir als Sparringpartner.“ Die
erste familieninterne Übergabe
verlief problemlos, unter anderem dank eindeutiger Regelungen in Sachen Governance. „Es
ist meines Erachtens sehr wichtig, Familie und Unternehmen in
gewissen Phasen auch trennen
zu können. Das hat etwas mit
Professionalität zu tun.“
Nicht immer klappt die Übergabe von Vater zu Sohn so reibungslos wie bei Helmut und
Markus Dedl. „Blut ist dicker als
Wasser. Die emotionale Verbindung, die viele Vorteile bringt,
kann auch zu einem Problem
werden. Etwa wenn der Unternehmensführer Familienmitgliedern klar machen muss, dass er
ihre Qualifikationen und Kompetenzen nicht als ausreichend für
eine tragende Rolle im Betrieb
erachtet“, kennt Wirtschaftsberater Hansa die Tücken des
Familiengeschäfts. Der Geburts-
schein allein berechtigt eben
nicht zur Führungsposition im
Unternehmen.
Eine Erkenntnis, die nicht von
allen Betroffenen gleich gut verarbeitet wird. „Das Geheimnis
der Problembewältigung liegt in
der richtigen Kanalisierung der
Emotionen
und
Bindungen.
Schließlich soll die Energie der
Gefühle nicht für Querelen verbraucht, sondern für gemeinsame Ziele verwendet werden“,
meint Marzek-CEO Wareka. Ein
externes Assessment-Center
könne wertvolle Hilfestellung
leisten, um abträgliche Emotionen aus dem Spiel zu nehmen.
„So wichtig das Herzblut als
positiver Treiber des Geschäfts
ist, so konfliktreich kann es
sein“, bestätigt Manner-Vorstand
Hahn. „Tut mir leid, aber ich
sehe dein Potenzial in diesem
Bereich nicht“, lautet ein Satz,
mit dem er Personen aus der
Unternehmerfamilie schon öfters konfrontieren musste – verbunden mit dem Tipp, sich zunächst in anderen Unternehmen
zu entwickeln. Den direkten Weg
von der Universität in den Betrieb der eigenen Familie hält
Hahn nicht unbedingt für zielführend: „Ein Familienmitglied
wird nun einmal anders – oft
strenger – gesehen und beurteilt.
Um ungefährdet Fehler machen
zu können, ist es hilfreich, sich
woanders die Sporen zu verdienen.“ Nach dem Motto: Wer sich
die Hörner in fremden Unternehmen abstößt, kann später im
eigenen besser reüssieren.
Heil und Unheil der Stiftung
Geht es um die dauerhafte Verankerung von Wertestrukturen
in Familienunternehmen, kommt
oftmals die Privatstiftung ins
Spiel. Rund 3500 Unternehmen,
die meisten davon klassische
Familienbetriebe, haben hierzulande Privatstiftungen als Eigentümer. Nirgendwo auf der Welt
ist der Einfluss von Stiftungen
auf Familienunternehmen so
groß wie in Österreich.
Aus gutem Grund: So kann
etwa im Rahmen einer Stiftung
die Übergabe von Vermögen
exakt geplant werden. Zudem
Credit
Chief Executive Officer bei Delacon Biotechnik, Pionier und Weltmarktführer auf dem Gebiet
der phytogenen Futtermittelzusatzstoffe. Markus Dedl trat
im Jahr 2010 die Nachfolge
seines Vaters Helmut Dedl an,
der das Unternehmen 1988 gegründet hatte.
Q Markus Dedl:
Q Yann-Georg Hansa: Der
Partner bei der KPMG Austria
GmbH ist Experte für Familienunternehmen. KPMG ist ein
internationales Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen und mit acht Standorten in Österreich vertreten.
definiert sich die Stiftung darüber, dass sie einen bestimmten
(Unternehmens-)Zweck
nachhaltig verfolgt. „Die Stiftung ist
grundsätzlich ein wunderbares
Instrument. Schließlich geht es
Familienunternehmen mehr als
allen anderen um Nachhaltigkeit.
Man achtet nicht nur auf den
augenblicklichen
wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch darauf, etwas langfristig aufzubauen, um es gesund an die nächste
Generation weitergeben zu können“, betont Wareka.
„Die ursprüngliche Intention
des Gesetzgebers, mit Privatstiftungen Arbeitsplätze und Kapital
in Österreich zu halten, ist zu begrüßen. Von den Steuervorteilen
der 1990er-Jahre ist heute allerdings wenig übrig geblieben“,
schränkt KPMG-Partner Hansa
ein. Vielfache Gesetzesänderungen der letzten Jahre hätten zu
steuerrechtlichen Schlechterstellungen geführt. Die Folge: der
sogenannte
Mausefalleneffekt.
Würde man aufgrund der veränderten
Rahmenbedingungen
heute entscheiden, die Stiftung
aufzulösen, müsste für die Vermögenswerte der aktuelle Verkehrswert ermittelt und mit 25
Prozent KESt versteuert werden –
nur dass eine Stiftungsauflösung
keinen Verkauf darstellt und damit auch kein Ertrag vorhanden
ist, aus dem man die Steuerschuld begleichen könnte.
Denn Vermögenswerte in Stiftungen bestehen in der Regel
kaum aus Bareinlagen. „Wir
wurden durch günstige Regelungen in die Privatstiftung gelockt.
Und danach hat man die Spielregeln neu definiert. Jetzt sind
die Vorteile weg, aber hinaus
kommt man auch nicht mehr
wirklich“, bestätigt Wareka.
sind sich die Diskutanten – allen
rechtlichen und steuerlichen
Hürden zum Trotz – freilich
einig. „Das Denken in Generationen und die Lust an der nachhaltigen Substanzerhaltung prägen im positiven Sinne unser
Handeln“, sagt Manner-CEO
Hahn.
Umso wichtiger sei es, anstehende Übergaben von langer
Hand zu planen. „Ich rate dazu,
sich früh mit dem Thema der
Nachfolge auseinanderzusetzen.
Wenn es soweit ist, können viele
Personen dabei helfen, vom
Rechtsanwalt über den Steuerberater bis hin zum Unternehmensbewerter oder AssessmentCenter“, betont Hansa.
„Es geht im Grunde darum,
nachhaltige Strukturen aufzubauen und Personen heranzuziehen, die bereitstehen, um das
Unternehmen in der gleichen
Qualität weiterzuführen, wenn
man selbst ausfällt oder sich einmal zurückziehen will“, meint
dazu Delacon-CEO Dedl. Natürlich lasse sich nicht alles planen.
Zudem
müssten
eventuelle
Nachkommen die Aufgabe von
Herzen erfüllen wollen.
Eine Frage des Herzbluts, das
aber auch Nichtfamilienmitglieder haben können – sofern die
Unternehmenswerte verinnerlicht wurden. „Das besondere
Charakteristikum eines Familienunternehmens ist der Werteverbund. Wobei der Begriff Wert
weit über rein ökonomische
Kennziffern hinausgeht“, bringt
es Michael Wareka auf den
Punkt. „Ein Familienunternehmen ist fraglos ein kompliziertes
soziales System – aber im Erfolgsfall auch eines, das besonders schön und glücksbringend
ist.“
Nachfolge früh planen
Zu Gast beim WirtschaftsBlatt – Unternehmer diskutieren über die Stärke von Familienunternehmen (v. l.):
Yann-Georg Hansa, Albin Hahn, Michael Wareka und Markus Dedl. Moderation: Hans Pleininger, WirtschaftsBlatt
Dass Familienunternehmen eine
wertvolle Wirtschaftsinstitution
sind und bleiben sollten, darüber
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