Knallköppe am Kriegerdenkmal oder mit dem Verursacherprinzip zurück in die Zukunft? Es ist ja sicher was dran, wenn sich Neu-Bürgermeister Schulte nach dem Verursacherprinzip über die Böllerrückstände ärgert, und natürlich sind die Stadtsoldaten nicht die Saubermänner der Knallköppe am Wieden. Diese Sichtweise teile ich. Zu meiner Jugendzeit (ca. 1968-1974) wurde das Kriegerdenkmal am Wieden als Erektionssymbol der imperialistischen Kriegspolitik des Wilhelminismus und derzugehörigen Fremdenfeindlichkeit (deshalb) zum Treffpunkt der damals tapferen Jungalternativbürger im wehrerziehungsfähigen Alter. Vielen waren oder wurden Kriegsdienstverweigerer. Sie strebten nach Emanzipation vom autoritären Erziehungs- und Lebensstil ihrer elterlichen Kriegsgeneration. Obwohl die Jungbürger damals eine sehr heterogene Gruppe waren, angereichert durchumherschweifende Haschrebellen, die schlimmstenfalls mal mit der Lambruscobombe um sich warfen, blieben nach meiner Erinnerung meistens keine Müllhaufen auf dem Wieden zurück. Einmal wurde das Denkmal eingesprayt, um seinen reaktionären politischen Gehalt zu markieren. U.a. deshalb stand die elterliche Weltkriegsteilnehmergeneration (und wie immer die politisch reaktionäre Heimatzeitung) Kopf, weil der Untergang des Abendlandes befürchtet wurde. Vergeblich versuchte man Töchter und Söhne zu schulmeistern. Der Untergang des Abendlandes ist damals bekanntlich ausgefallen, aus den meisten Haschrebellen wurde was. Die emanzipativen Ideen der damaligen 68er haben kulturpolitisch auf ganzer Linie gesiegt (von der Bürgerbewegung, über die Friedensbewegung bis zur Frauenbewegung, der Homo-Ehe u.v.a.m.). Leider haben die damaligen Ideen einer Veränderung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung auf ganzer Linie verloren. Als eine Folge davon hat sich der Seven-Sisters-Komplex gebildet (Neoliberalismus, Postdemokratie, Governance, Mediokratie, Privatisierung, Lobbyismus, Big Data). Ein Komplex, der heute das Abendland und die Biosphäre schon etwas mehr bedroht, als die damaligen Haschwölkchen und Lambruscobömbchen am Kriegerdenkmal des Wiedens. Heute proklamiert und reklamiert die etablierte Politik als einen Ausweg aus dem politisch gewollten Seven-Sisters-Komplex eine erweiterte Selbstverantwortung und Selbst(vor)sorge der Bürger von den Renten bis zur individuellen Verantwortung bei Gesundheits- und Umweltrisiken u.v.a.m.. Gleichzeitig zerlegt Politik den Wohlfahrtsstaat gezielt in Richtung einer asozialen Marktwirtschaft aus Ego-Shootern. Auf dem Weg von der Risiko- zur Weltrisikogesellschaft werden die kollektiven von der Politik- und den Industriekonzernen verursachten Risiken auf die Einzelbürger abgewälzt. VW, ADAC, DFB, FIFA und viele andere grüßen ‘herzlich‘ aus dem Raubtierkapitalismus mit eingebautem Korruptions- und Betrugsmodul. Hier werden mit politischer Hilfe die Gewinne der Wenigen individualisiert, während deren Verluste für die Vielen kollektiviert werden. Von den Wirtschafts- und Währungskrisen, bis zu Umweltrisiken verletzt der Staat damit den gesellschaftlichen Grundvertrag: Staatlicher Schutz des Bürgers gegen Gewaltverzicht und Steuerpflicht des Bürgers. Das ist das krasse Gegenteil von Aufräumen. Wenn nun Hr. Schulte wegen ein paar Böllerresten, Pappkartons und Holzstäbchen gleich wieder die Bürger schulmeistert, lässt das darauf schließen, mit welchem Kopf der Aufrichtigen, Saubermänner und kleinbürgernahen Tugendbolde wir es da zu tun haben. Gleichwohl sind sehr viele Plettenberger mit dem Bürgermeister der Meinung, dass es in Plettenberg viele sehr ernste und gravierende Probleme aufzuräumen gilt. Denn, was sind die paar neujährlichen Pappkartons auf dem Wieden im Vergleich zu den selbstverursachten Schutt- und Trümmerhaufen einer finanziellen und inhaltlichen Fiasko-Politik (bisher verantwortlich u.a. Alt-Kämmerer und zukünftig Neu-Bürgermeister Schulte). Diese Politbilanz wurde von der repräsentativen Minderheit im Rathaus zum Schaden der Plettenberger Steuerzahler in den letzten Jahren erzeugt. Sie gammelt und stinkt bisher ungesäubertvor sich hin. Dieses politische Armutszeugnis (im wahrsten Sinne des Wortes) ist ein sehr fragwürdiges Fundament zur Selbstermächtigung einer schwarzen (Bürgererziehungs-)Pädagogik nach dem Verursacherprinzip und erinnert eher an das „Leben des vergnügten Schulmeisterlein Wutz“ von Jean-Paul, denn an seriöse Versuche ernsthafter Bürgerbeteiligung. Im Sinn des von U. Schulte reklamierten Verursacherprinzips beim Aufräumen sollte die repräsentative Minderheit der Plettenberger Rathäusler im wahrsten Sinne des Wortes vor der eigenen Haustüre kehren, sobald sie ihre angejahrten Politdickschädel etwas aufgelockert und flexibilisiert hätten. Darauf scheint zur Zeit aber weniger Hoffnung zu bestehen, stattdessen weiterer, emotionalisierter, aber unverdaulicher Convenience-Politbrei aus: Politainment, Infotainment, Particitainment und nun auch noch der Edutainment Böllerblödmänneraufräumappell vom NeuBürgermeister. Das lässt zumindest auf ein harsches politisches 2016 hoffen. Die Headline Ihrer Neujahrsansprache Hr. Schulte ging schon in die richtige Richtung, aber sie war eben nur wieder unvollständig und beschönigend: „Die hausgemachten wilden Winde werden uns 2016 aus verschiedenen Richtungen sehr scharf entgegenwehen,“ wäre etwas realitätsgerechter gewesen. Da Sie uns, Herr Schulte, im Bürgermeisterwahlkampf von Ihren häuslich-handwerklichen Fähigkeiten überzeugt haben, packen Sie doch zukünftig bitte vor ärgergeschwängerten Aufrufen tatkräftig selber an. Mit Rückgriff auf das Verursacherprinzip misten Sie 2016 doch bitte zuerst den Klüngelsklub auf EgoTrip im festüberdachten Bereich des Wiedens aus! Beschränken Sie Ihre Aufräumaufrufe in den sozialen Medien nicht nur auf den Bereich vor, sondern erweitern Sie ihren Willen zum Aufräumen in erster Linie auf den Bereich hinter der eigenen Rathaustür beim Denkmal für die tapferen Opfer aus der Bürgerschaft! Das wäre genau der Unterschied zwischen glaubwürdiger Partizipation auf Augenhöhe mit den Bürgern und Politainment-Appellen! Ps.: Und achten Sie doch bitte 2016 auch ganz genau und tatkräftig darauf, dass die nicht-sichtbaren giftigen Rückstände auf dem Mylaeusgelände fachgerecht und rückstandslos entsorgt werden. Und geben Sie doch darüber den Bürgern in den sozialen Medien durch Veröffentlichung der Unterlagen transparente Auskunft und ziehen Sie doch Zeugen für die Sanierungsarbeiten, (insbesondere) aus der (kritischen) Bürgerschaft zu, das wäre ein erstes lichtes Zeichen einer politischen Wende im Sinne von ernstgemeinter Bürgerpartizipation. Die dbzgl. erste Nagelprobe 2016 ist eine partizipativglaubwürdige Umgestaltung der Bürgerfragestunde, die in der weiteren Entwicklung in Entscheidungspartizipation der Bürger münden muss!
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