Vortrag Industrie 4.0

Industrie 4.0 – Ist Ihr betrieblicher Prozess startklar?
Wie werden Schnittstellen zu Nahtstellen?
Jürg Schuhmacher, unitepeople GmbH Heidelberg - Vortrag auf der MOTEK 6. Oktober 2015
Inhalt
1. Einführung
2. Was ist Industrie 4.0?
3. Historie und Vorläufer
4. Technische und organisatorische Anforderungen an ein Unternehmen
5. Aktueller Stand in den Unternehmen
6. Lösungsansätze - Auswege aus dem Dilemma
7. Zusammenfassung und Ausblick
1. Einführung
In der Vorbereitung für diesen Vortrag habe ich in den vergangenen Wochen versucht, meine
Erfahrungen der letzten 20 Jahre gedanklich zu strukturieren und habe recherchiert, ob andere dem
Thema ähnlich kritisch gegenüberstehen wie ich. Ich war überrascht zu erfahren, wie explizit und
kritisch genau diejenigen Themen bereits beleuchtet werden, die ich ebenfalls als größte
Notwendigkeit für einen erfolgreichen Einsatz von Industrie 4.0 sehe.
Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, zu glauben, bei Industrie 4.0 handle es sich um ein
technisches Thema.1 (Wahrscheinlich mache ich mir unter meinen Technikkollegen gerade eine
Menge Freunde …) Fakt ist jedoch, dass in der Wirklichkeit der Mensch im Vordergrund stehen muss.
Ich sehe heute zu viele technische Ansätze, wo ich lieber strukturelle oder prozessorientierte
Ansätze sehen würde. Die Anforderungen sind nicht aufeinander abgestimmt und daher laufen wir
Gefahr, dass es uns wie mit unseren hochmotorisierten Fahrzeugen im Sommer geht, dass wir auf
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Industrie 4.0 ist am Menschen vorbeientwickelt, Produktion Interview mit Prof. Syska, 09. Juli 2015
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den vierspurigen Autobahnen nur 80 fahren dürfen, weil durch die Hitze der Belag geplatzt ist. Der
Schuss droht nach hinten loszugehen.
2. Was ist Industrie 4.0?
Wenn wir von Industrie 4.0 reden, was verstehen wir eigentlich darunter? Vereinfacht gesagt soll der
Begriff die vierte industrielle Revolution bezeichnen. Dahinter steckt die Vernetzung von
intelligenten Produkten mit Lieferketten und Fabriken. Industrie 4.0 ist sozusagen ein Sammelbegriff
für nächste große industrielle Innovationen.
3. Historie und Vorläufer
Industrie 4.0 hat sich in den letzten Jahren aus der steigenden Vernetzung einzelner Arbeitsbereiche
und internet-basierter Informationsflüsse entwickelt. Die Anfänge computer-unterstützter Fertigung
reichen bis in die 60er Jahre zurück und das Konzept des Computer Integrated Manufacturing (CIM)
gibt es seit Anfang der 70er. Damals ging es noch hauptsächlich um Insellösungen, aber mit den
Jahren wurde versucht, die vernetzten Bereiche zu erweitern.
Ich hatte meine ersten Berührungen mit CIM Mitte der 80er als Auszubildender und meine –bereits
angemerkten – schlechten Erfahrungen kommen auch aus dieser Zeit. Den Computern fehlte die
Leistung, die Software war eher rudimentär und ein Informationsfluss fand eher nicht statt. Das
Scheitern dieses Konzeptes ist am Ende auf die fehlende Leistungsfähigkeit der Systeme
zurückzuführen. Was aber hat sich seither geändert? An der Hard- und Software liegt es heute nicht
mehr, denn diese hat in den letzten 20 Jahren einen dramatischen Leistungsschub erfahren.
Allerdings darf man sich von der reinen Technik nicht blenden lassen, denn zu einem
funktionierenden und ausgewogenen System gehört mehr.
4. Technische und organisatorische Anforderungen an ein Unternehmen
Die Unternehmen haben heute in der Regel eine gute bis sehr gute Ausstattung an Hardware. Bei
der Software – vor allem im administrativen Bereich – finden wir hauptsächlich natürlich MicrosoftProdukte und oft SAP. (Das Thema Datensicherheit, das in diesem Zusammenhang ebenfalls eine
herausragende Bedeutung hat, kann ich in diesem Rahmen nicht betrachten.)
Wie schaut es nun mit den Voraussetzungen für eine Vernetzung von der Qualität eines Konzeptes
wie Industrie 4.0 aus? Aufgrund des hohen Technikbezugs in den meisten deutschen Unternehmen
sind Investitionen in technische Systeme oft schnell getätigt. Da viele deutsche Unternehmen von
technischen Innovationen leben, ist diese Entscheidung auch scheinbar naheliegend, doch zu oft
handelt es sich nach wie vor um Insel- oder Abteilungslösungen, die keine bereichsübergreifende
Auswirkung haben.
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Für die Umsetzung eines übergreifenden Konzeptes benötigen wir allerdings mehr. Wir haben es
hier mit einem System zu tun, das alle betrieblichen Bereiche durchdringt und das über die
technischen Anforderungen hinaus auch große organisatorische Anforderungen stellt und –
realistisch betrachtet – eine echte Herausforderung für die meisten bestehenden betrieblichen
Prozesse darstellt.
Während sich technische Neuerungen oft problemlos in die betriebliche Struktur einbinden lassen,
da Schulungen sehr zielführend eingesetzt werden können und Übung bekanntlich den Meister
macht, ist dies bei organisatorischen Veränderungen nicht ganz so einfach.
Bei einem komplexen System wie Industrie 4.0 handelt es sich eben nicht nur um die Einführung
einer neuen Software oder einer technischen Anlage, sondern um einen massiven Eingriff in die
betrieblichen Prozesse, der nicht durch simplen Schulungsaufwand an den Mitarbeiter gebracht
werden kann.
Industrie 4.0 bedeutet, dass sich ganze Informationsströme verändern und dass zum Funktionieren
des Systems diese Informationen in der richtigen Form, an der richtigen Stelle und zum richtigen
Zeitpunkt zur Verfügung stehen müssen. Wir reden vom Übergang von Abteilungsprozessen zu
einem in sich kompatiblen Betriebsprozess. Die Voraussetzung hierfür ist eine funktionierende
vertikale und horizontale Kommunikation bzw. Datenaustausch, der Informationen
schnittstellenübergreifend, transparent und in Echtzeit transportiert.
5. Aktueller Stand in den Unternehmen
Technisch wäre dieser Informationsfluss heute kein echtes Problem mehr, aber er wird in den
meisten Firmen so nicht gelebt und es fehlen meist auch einige Voraussetzungen.
Zum Einen die Pflege der Stamm- und Bewegungsdaten; wahrscheinlich die wichtigste technische
Voraussetzung überhaupt. Wer heute unterschiedliche Unternehmen besucht – und dabei spielt die
Firmengröße keine Rolle – ist erschüttert über die Qualität der Daten in den Systemen. Wenn man
sich auf der einen Seite die Möglichkeiten einer modernen ERP-Software anschaut und auf der
anderen die Art und Weise, wie sie genutzt wird, dann stimmt einen das schon sehr traurig. Aber
ungeachtet persönlicher Sentimentalität ist dies eine große und reelle Gefahr für die Einführung und
Umsetzung von Konzepten wie Industrie 4.0. Diese leben einzig und allein vom Datenstamm und
seiner Qualität. Da in den meisten Firmen die Pflege dieser Daten nicht von Anfang an konsequent
durchgeführt wurde, steht man heute vor einem riesigen Berg Arbeit, der parallel zum Tagesgeschäft
abgearbeitet werden muss, damit die Voraussetzung für einen funktionierenden Datenaustausch
gegeben ist.
Viele schrecken natürlich davor zurück, dies anzugehen. Keine verfügbaren personellen Ressourcen,
zu viel Arbeit pro Kopf und vielleicht auch mangelnde Methodenkompetenz und fehlende
Datenverfügbarkeit sind die häufigsten Ursachen, warum eine der wichtigsten betrieblichen
Aufgaben nicht angegangen wird. Wer im Informationszeitalter lebt, kommt aber um die Schaffung
der Voraussetzungen dafür nicht umhin.
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Weiterhin stellen wir fest, dass eine transparente und bereichsübergreifende Kommunikation in den
meisten Firmen nicht existiert. Cross-funktionale Informationsflüsse entlang der gesamten
Lieferkette sind auch heute noch eher selten anzutreffen. Dies hat im Allgemeinen mehrere
Ursachen. Wenn wir von Kommunikation im Unternehmen reden, meinen wir sowohl vertikale, also
vom Vorgesetzten zum Mitarbeiter und zurück, als auch die horizontale Kommunikation, also die
zwischen den Abteilungen untereinander bzw. zum Kunden und Lieferanten. Warum aber
funktioniert dies meistens nicht?
Von oben nach unten klappt meist nicht, weil das Management die Mitarbeiter zu spät und/oder
unvollständig informiert. Von unten nach oben ist das Problem meist im Reporting begründet, da auf
jeder Reportingebene ein Stück Wahrheit auf der Strecke bleibt und in der direkten Ansprache selten
die Wahrheit ans Licht kommt.
Zwischen den Abteilungen sieht es selten besser aus. Dies ist oft in den Persönlichkeiten der
Manager begründet und wird leider durch die Art der zur Anwendung kommenden
Zielvereinbarungen verstärkt. Zielvereinbarungen beinhalten heute meist zu viele persönlichen Ziele
und zu wenige Unternehmensziele. Die Folge daraus ist, dass die Geheimniskrämerei überhand
nimmt und Durchsetzung der eigenen Abteilungs- oder persönlichen Ziele Vorrang vor den
Unternehmenszielen hat. Auf das effiziente Funktionieren eines komplexen Systems wie ein
Unternehmen wirkt sich dies leider oft sehr negativ aus. Was aber sind die Auswege aus dem
Dilemma?
6. Lösungsansätze
Unser Ziel ist es, ein Unternehmen zu erhalten, dessen betriebliche Prozesse in der Lage sind, den
Voraussetzungen für ein funktionierendes Konzept Industrie 4.0 zu genügen und dadurch unsere
Zukunftsfähigkeit zu gewährleisten.
Bisher haben wir gesehen, dass die bestehenden Probleme geradezu omnipräsent sind und dadurch
auch das ganze Unternehmen durchziehen und alle betrieblichen Bereiche beeinflussen. Auf den
ersten Blick wirkt dies wahrscheinlich unlösbar und für den einen oder anderen vielleicht auch etwas
am Thema vorbei, da – wir erinnern uns - das Ziel ja eigentlich war, ein technisches System namens
Industrie 4.0 einzuführen.
Den Grund dieser Abhandlung haben Sie mittlerweile aber wahrscheinlich erraten. Ich versuche, ein
Bewusstsein dafür zu wecken, dass, um besagtes technisches System einzuführen und vor allem
erfolgreich zu betreiben, hauptsächlich organisatorische Probleme gelöst werden müssen. Das mag
für Sie klingen, als wäre dies nur der alte Wein in neuen Schläuchen – was genau genommen auch
stimmt – nur mit dem Unterschied, wenn wir über ein derart komplex vernetztes System reden,
bekommen die Missstände, die wir seit zehn Jahren vor uns herschieben eine ganz andere Qualität.
Jetzt werden sie nämlich erfolgskritisch und entscheiden über „klappt“ oder „klappt nicht“.
Seit vielen Jahren haben wir in unseren Imagebroschüren Werte stehen wie „Der Mensch im
Mittelpunkt“ oder ähnliches. Aber sind wir mal ehrlich; danach arbeitet praktisch niemand. Im
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Endeffekt zählen die harten Fakten und die Ergebnisse und wer nicht mitzieht, der ist schneller
draußen, als er sich umsehen kann. Diese Art der Führungskultur wird es definitiv erschweren, ein
System einzuführen, für das nicht nur die Beherrschung der Technologie wichtig ist, sondern auch
die richtige Einstellung zum Thema. Schlussendlich heißt dies nichts anderes, als dass wir den
Menschen tatsächlich in den Mittelpunkt stellen müssen, wenn wir Industrie 4.0 erfolgreich
einsetzen wollen. Was bedeutet dies aber konkret?
An den bisher beschriebenen Problemen haben Sie vielleicht bereits erkannt, dass es schwierig
werden wird, mithilfe eines Kochrezeptes oder einer Checkliste vorzugehen und einfach eine
Standardagenda abzuarbeiten. Jede Firma hat ihre individuellen Voraussetzungen und Probleme.
Daher ist eine ehrliche Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes ein erster und wichtiger Schritt. Die
Frage muss lauten: Wie fließen die Informationen in meinem Betrieb und genügt dies den
Anforderungen?
Im Untertitel zu diesem Vortrag stelle ich die Frage, wie aus Schnittstellen Nahtstellen werden. Diese
Fragestellung ist mir erstmals während meiner Diplomarbeit am Fraunhofer-Institut in Stuttgart
begegnet und treibt mich die letzten 25 Jahre um. Wir reden immer von Schnittstellen, aber dabei
sagt ja bereits das Wort, dass wir dies gar nicht möchten. Denn es wird etwas getrennt und wir
wollen eigentlich etwas zusammenfügen. Daher muss es unser Ziel sein, einen Informationsfluss zu
schaffen, der die einzelnen Abteilungen nicht trennt, sondern zusammenbringt.
In vielen Unternehmen werden Softwaresysteme eingesetzt, die, wenn man sie richtig nutzt, dieser
Anforderung tatsächlich genügen. Derartige Software bildet meist einen Prozess ab, der das
Unternehmen in die Lage versetzt, an den Schnittstellen einen Informationsaustausch zu
gewährleisten, wie er für eine Philosophie wie Industrie 4.0 lebensnotwendig ist. Entscheidend ist,
dass eine Kommunikation zustande kommt, die die gesamte Lieferkette erfasst. Vom Kunden bis
zum Lieferanten und wieder zurück; diese Kette muss zum Funktionieren gebracht werden und die
Informationen zum Fließen. Vom Kunden müssen z.B. die richtigen Bedarfe kommen, diese müssen
intern korrekt und zeitnah verarbeitet und an den Lieferanten weitergeleitet werden. So kann die
Fertigung effizient produzieren und die Warenströme können optimiert bzw. Bestände minimiert
werden.
Die Software ist das Eine, wie aber schaut es mit der menschlichen Komponente dahinter aus? Allein
die Technik wird es nicht richten. Für die Umsetzung eines Konzeptes wie Industrie 4.0 benötigen wir
den Menschen als aktiven Kommunikator und Prozessteilnehmer. Entscheidend wird daher sein, wie
gut es Ihnen gelingt, vor der Einführung Ihre Mitarbeiter abzuholen. Die Vermittlung der Vision und
die Beteiligung der Mitarbeiter am Gestaltungsprozess haben einen erheblichen Einfluss auf die
Akzeptanz. Industrie 4.0 ist – wie jede große Veränderung - eine Führungsaufgabe. Das (Top-)
Management muss sich die Vermittlung dieser Vision zur Aufgabe machen und so den Mitarbeitern
die Angst vor der Veränderung nehmen.
Speziell beim Thema Industrie 4.0 ist bei den Menschen eine große Verunsicherung zu spüren, da
niemand genau weiß, was auf ihn zukommt und ob die eigene Existenz dadurch bedroht wird. Daher
ist es sinnvoll und notwendig die nachhaltige Integration solcher Neuerungen ins Unternehmen
mithilfe eines professionellen Change Managements durchzuführen.
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Andererseits muss aber auch sichergestellt sein, dass das Mittelmanagement, welches das System
nachher mit Leben füllen muss, das Ganze auch mitträgt. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten, aber
alle benötigen ein Umdenken. Die bereits vorhin angesprochenen Zielvereinbarungen sind
beispielsweise ein Thema. Geben Sie mehr Unternehmensziele und weniger Performance-Ziele vor,
machen Sie Führungskultur zum persönlichen Ziel. In Zusammenarbeit mit den Personalabteilungen
ist dies möglich und hat den Vorteil, dass wahrscheinlich auch die Mitarbeiterzufriedenheit wächst.
Ich möchte an dieser Stelle auch ein etwas heikleres Thema ansprechen, das aber ebenfalls sehr
großen Einfluss auf unsere Unternehmen hat. Haben wir die richtigen Führungskräfte? Ich möchte
das Thema nicht zu sehr strapazieren, aber wir alle wissen, dass Beförderungen schon immer
hauptsächlich auf Basis von Fachkompetenz und nicht von Führungskompetenz geschehen. Dies hat
zur Folge, dass die Mitarbeiterführung bei uns im Wesentlichen ebenfalls auf fachlicher Basis beruht
und geschieht. Bei der Integration eines Systems wie Industrie 4.0, das aber – wie wir gesehen haben
– hauptsächlich durch Kommunikation und Information funktioniert, gerät solch ein Modell bzw.
geraten die Personen oft schnell an ihre Grenzen. Um den Erfolg einer Organisation sicherzustellen,
schlage ich vor, dass wir bei der Auswahl der Führungskräfte vorher öfter in uns gehen und fragen,
ob der beste Experte tatsächlich auch die beste Führungskraft ist. Und ob der beste Experte die
Führungsverantwortung überhaupt möchte. Am Ende sollte jedenfalls die richtige Person auf der
richtigen Stelle sitzen.
Alles in allem gilt, die Umsetzung einer Philosophie wie Industrie 4.0 hängt schlussendlich am
Mittelmanagement und es muss sichergestellt werden, dass die handelnden Personen das Konzept
überzeugend vermitteln können, weshalb sie auch persönlich vom Erfolg profitieren sollten und
nicht nachher schlechter gestellt sind als vorher.
Das Management ist aber nur die halbe Miete. Auch die Mitarbeiter müssen das Konzept mittragen,
damit es Erfolg haben kann. Dies bedeutet aber, dass es nicht einfach übergestülpt werden kann.
Wie bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass viele Menschen die Idee hinter Industrie 4.0 nur
unvollständig kennen und die Bedenken enorm sind, was die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes
angeht. Diese Bedenken müssen durch das Management zuerst und vollständig ausgeräumt werden.
Im Speziellen bedeutet dies aber auch, die Mitarbeiter müssen in die Entscheidungsprozesse
eingebunden werden, denn nur so gelingt es, Vorbehalte auszuräumen. Eine Entscheidung, bei der
sich der Mensch fühlt, als geschehe sie von oben herab, wird nie denselben Unterstützungsgrad
erfahren, wie eine, bei der er an der Entscheidung beteiligt war. Machen Sie Betroffene zu
Beteiligten.
Des Weiteren müssen die Mitarbeiter aber auch befähigt werden, die neuen Herausforderungen
meistern zu können. Hier steht an erster Stelle der Schulungsbedarf. Mit zumeist externer Hilfe wird
es Ihnen sicherlich gelingen, die Menschen so auf die neuen Systeme zu schulen, dass eine effiziente
Nutzung möglich ist.
Wie bereits erwähnt, ist eine der Zielsetzungen die Optimierung der Schnittstellen durch
Vernetzung. Da es aber gleichzeitig unser Ziel ist, die Lieferkette zu verbessern, sollte sich jedes
Unternehmen die grundsätzliche Frage stellen, ob ein System wie Industrie 4.0 überhaupt der
richtige Ansatz ist oder ob hier der zweite Schritt vor dem ersten gemacht wird. Ohne ein
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funktionierendes Lean Management wird es fast nicht möglich sein, ein erweitertes IT-Konzept
effizient zu betreiben. Auch bei Lean Management handelt es sich um eine Philosophie, die durch
eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt wird. Einzelne Methoden mit vielen Abhängigkeiten, die
nicht isoliert voneinander betrachtet werden dürfen, werden in ein gesamtbetriebliches
Wertstromkonzept integriert. Lean Management ist jedoch fast nirgends wirklich umgesetzt. Von
dort wäre es dann auch kein großer Schritt mehr zu Industrie 4.0.
Was wir doch letztendlich wollen und brauchen sind bessere Produkte, mehr Marktfähigkeit und
höhere Kundenzufriedenheit. Dazu benötigen wir aber keine komplexen internetbasierten ITLösungen. Cloud-Computing & Co werden erst dann nötig, wenn es um die Beseitigung von
Schnittstellen mit externen Geschäftspartnern geht; solange wir uns in der Optimierung des eigenen
Unternehmens befinden, ist deren Nutzen eher fragwürdig. Ich stelle oft fest, dass zwar viel über
Industrie 4.0 geredet wird, aber was es wirklich bedeutet und welche Auswirkungen es hat, darüber
sind sich recht wenige im Klaren.
Entscheidend für eine funktionierende Lieferkette bzw. Wertstrom ist aber, dass alle dasselbe
Verständnis haben. Vor allem für kleinere Unternehmen kann dies kritisch werden, da weniger
Ressourcen vorhanden sind und jede Investition genau überlegt sein will. Der erste Schuss muss
sitzen und daher sollte ich mir als Geschäftsführer sehr genau im Klaren darüber sein, wie ich mein
Unternehmen für die nächsten Jahren aufstellen will, bevor ich mich an die Umsetzung einer neuen
Vision wage. Es ist richtig, dass Unternehmen, die sich langfristig nicht an neuen
Kommunikationslösungen mit Ihren (Groß-)Kunden beteiligen, wenige Chancen auf Berücksichtigung
haben werden. Einige Großkonzerne haben dies bereits angekündigt und wenn auch nicht alles so
heiß gegessen wird, wie es gekocht wird, ist es sicher ein Wettbewerbsnachteil.
Dennoch muss sich jedes KMU die Frage stellen, ob nicht andere Hausaufgaben zuerst gemacht
werden müssen, bevor man sich mit allem was man hat, ans Internet hängt.
7. Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass es unser oberstes Ziel sein sollte, die Fehler der
Vergangenheit zu vermeiden und zu verhindern, dass wir uns von den technischen Möglichkeiten
blenden und überrollen lassen. Mehr Technik und Internetanbindung im Unternehmen heißt nicht
automatisch mehr Zukunftsfähigkeit. Stattdessen sollten wir unseren Blick auf die Prozesse richten
und den Menschen mit seinen Anforderungen und Möglichkeiten in den Fokus stellen.
Konzepte wie Industrie 4.0 oder Lean Management sind Führungsaufgabe. Sie müssen vom TopManagement getragen sein. Darüber hinaus müssen die Mitarbeiter am Entscheidungsprozess
beteiligt werden und die richtigen Personen müssen am richtigen Platz eingesetzt werden.
Zielvereinbarungen sollten überdacht und den neuen Gegebenheiten angepasst werden.
Wir benötigen ein Change Management, das unsere Unternehmen befähigt, die Mitarbeiter in die
Veränderungsprozesse mit einzubeziehen. Die Mitarbeiter müssen darüber hinaus angemessen
geschult werden.
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Aus Abteilungsprozessen müssen gesamtbetriebliche Prozesse werden. Schnittstellen müssen
beseitigt werden durch den Einsatz geeigneter Systeme und einer vollständigen und dauerhaften
Pflege der Stamm- und Bewegungsdaten.
Wenn es uns gelingt, diese Anforderungen ganz oder zum großen Teil umzusetzen, gelingt es uns
auch ein Konzept wie Industrie 4.0 umzusetzen.
Industrie 4.0 als vernetzte moderne Produktion darf auch nicht der alleinige Fokus sein. Eine
Unternehmensstrategie zur Stärkung der Wettbewerbsposition greift weiter und bezieht sich auch
auf Bereiche, die nicht direkt entlang der Wertschöpfungskette liegen. Diese dürfen nicht
vernachlässigt werden.
Egal welche Publikation Sie heute lesen, Zusammenarbeit ist das A und O bei der Einführung von
Industrie 4.0. Anfang Juli erschien in der Wirtschaftswoche zu diesem Thema ein Artikel mit dem
Titel „Zwischen Technologie und Teamwork“2. Ich finde, dass dies sehr gut die Situation beschreibt,
in der sich die Umsetzung von Industrie 4.0 heute befindet. Wir befinden uns erst in einem
Zwischenstadium, in dem wir zwar bereits die technologischen Voraussetzungen haben, um ein
derart komplexes System zu betreiben, aber die organisatorischen Strukturen sich noch im Aufbau
befinden. Das ist – wie fast immer – Chance und Risiko zugleich. Risiko, weil das Fehlen der
notwendigen Infrastruktur erfolgskritisch ist; Chance, weil es uns aber die Möglichkeit bietet, unsere
Organisation auf das nächste Level zu heben. Diese Chance sollten wir nicht ungenutzt lassen.
Industrie 4.0, Smart Factory, egal wie wir es nennen wollen, es wird kommen, aber wenn wir es mit
unserem organisatorischen Status Quo umsetzen, wird es unter seinen Möglichkeiten laufen und uns
mehr kosten als es bringt.
Ich möchte an dieser Stelle daher auch die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, auf die
Möglichkeiten von externer Unterstützung hinweisen. Die angesprochenen notwendigen
Veränderungen bringen es meist mit sich, dass ein Blick von außen auf die Prozesse sinnvoll ist.
Firmen wie unitepeople, die Ihre Kernkompetenz in der Optimierung betrieblicher Prozesse haben,
leisten bei solchen Problemstellungen wertvolle Hilfe. Der Übergang vom Produkt zum Prozess
bereitet bekanntermaßen oft Kopfzerbrechen und wir sind gerne bereit, Ihnen hierbei unter die
Arme zu greifen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Industrie 4.0 Arbeiten zwischen Technologie und Teamwork, Wirtschaftswoche, 03. Juli 2015
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Sie haben noch Fragen? Für weitergehende Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.
Quellenverzeichnis
-
Industrie 4.0 ist am Menschen vorbeientwickelt, Interview mit Prof. Andreas Syska,
Produktion, 09. Juli 2015
-
Industrie 4.0 Arbeiten zwischen Technologie und Teamwork, Dr. Frank Kühn und Michael
Kempf, Wirtschaftswoche, 03. Juli 2015
-
Industrie 4.0: Die Systematik fehlt, Produktion Interview mit Professor Werner Bick, 07. Juli
2015
-
Industrie 4.0 scheitert am Mensch, Wirtschaftswoche, 03. März 2015
-
Kein einheitliches Verständnis von Industrie 4.0, Gunnar Knüpfer, Produktion, 26.Juni 2015
-
Kleine Zulieferer, die Verlierer der Digitalisierung, Anke Henrich Wirtschaftswoche, 14. April
2015.
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Zur Zukunft von Industrie 4.0, Arthur D. Little, Frankfurt - 14. November 2013
-
Mythen der Arbeit: Roboter machen uns arbeitslos - stimmt's? Joachim Möller, Der Spiegel,
06. August 2015.
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Lean Management, Pawel Gorecki und Peter Pautsch, Pocket Power 3. Auflage, Carl Hanser
Verlag, München 2013.
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