10 l SPECIAL l LASERMIKROBEARBEITUNG UKP-Laser überwinden konventionelle Barrieren Die ›kalte‹ Materialbearbeitung mit ihren hohen Strahlungsleistungsspitzen hebt Ultrakurzpulslaser mit Pulsdauern von weniger als einer Pikosekunde von bisherigen Lasersystemen ab. Bei hoher ZUVERLÄSSIGKEIT lassen sich dadurch Präzision und eine hohe Abtragsrate miteinander verbinden. MAX KAHMANN I n den vergangenen zehn Jahren haben sich Pikosekundenlaser in zahlreichen Anwendungen als vielseitiges Werkzeug für die Mikrobearbeitung und die Laserablation mit höchster Qualität etabliert. Neben den bestehenden Märkten erschließen Pikosekundenlaser aber auch völlig neue Felder der Mikrobearbeitung. Grundlage für das zunehmende Interesse sind ihre besonderen Eigenschaften bei industrietauglicher Zuverlässigkeit. Energiereiche Ultrakurzpulslaser zeichnen sich durch zwei Vorteile aus, die nicht nur neue Einsatzfelder für die Laserbearbeitung erschließen, sondern auch eine neue Stufe hinsichtlich Präzision und Qualität erklimmen. Erstens: Pulsdauern in der Größenordnung von einer Pikosekunde überwinden die unerwünschten thermischen Effekte, die bei herkömmlichen Lasersystemen die Präzision – etwa durch Mikrorisse und Schmelzreste – begrenzen. Zweitens: Die hohen Spitzenleistungen, wie sie bislang nicht erreichbar waren, ermöglichen neuartige Laseranwendungen – unabhängig von der Transparenz oder Brüchigkeit des Materials, beispielsweise bei Halbleitern, Saphirglas oder Keramik. Kalte Bearbeitung für hohe Präzision Ultrakurzpulslasersysteme sind zudem sehr genau, beispielsweise beim Bohren, Abtragen und Schneiden. Dabei vermeiden Ultrakurzpulslaser eines der bislang größten Probleme der Laserbearbeitung – die thermische Beeinträchtigung des Werkstücks. Das liegt an der ultrakurzen Pulsdauer dieser Systeme. Wissenschaftlich ausgedrückt: Die Pulse sind etwa eine Größenordnung kürzer als die Dauer der – mit dem Prozess verbundenen – Elektronen-Relaxation, die die abgegebene thermische Energie in das umgebende Material überträgt. Oder anders gesagt: Ohne in die Schmelzephase übergehen zu können, wird das Material sofort verdampft. Das auf diese Weise abgetragene Material enthält auch die thermische Energie, und das verbleibende Material bleibt kühl. Allgemein spricht man hier deshalb auch von ›kalter‹ Bearbeitung. Ultrakurze Pulsdauern für hohe Spitzenleistung Bei den meisten Werkstoffen sind die idealen Pulsdauern für die kalte Bearbeitung kürzer als 10 ps. Bild 1 zeigt anhand eines Streichholzkopfs ein Beispiel für die kalte Mikrobearbeitung mit einem Ultrakurzpulslaser. Das zweite Charakteristikum der ultrakurzen Pulse ist ihre extrem hohe Leistung. Diese entsteht durch die zeitliche Konzentration der verfügbaren Strahlungsleistung auf eine sehr kurze Pulsdauer. Dabei hängt die erforderliche Spitzenleistung für die Ablation stark vom Material und vom Prozess ab. Scheibenförmige Verstärker für hohe Pulsenergien Bei vielen Anwendungen, etwa dem SchwarzMarkieren von Metallen, der Glasinnengravur mit Spektralfarbeneffekt oder dem Schneiden von Metallfolien, sind Pulsenergien von bis zu 10 µJ ausreichend. Für Pulsenergien in dieser Größenordnung eignen sich am besten Ultrakurzpuls-Faserlaser, da sie ultrakurze Pulse mit hoher Strahlqualität und – dank einer vereinfachten Anordnung – hoher Zuverlässigkeit kombinieren. Andere Anwendungen, beispielsweise das Schneiden, Bohren oder Abtragen von Glas, erfordern deutlich energiereichere Pulse. Da die geringe Querschnittsfläche einer Faser für so hohe Energien > KONTAKT HERSTELLER TRUMPF GmbH + Co. KG 71254 Ditzingen Tel. +49 7156 303-0 www.trumpf.com LASER World of Photonics: Halle A2, Stand 233 © MIKROvent, Mainburg MIKROPRODUKTION 3/15 Bilder: TRUMPF Lasertechnik, Deutschland Bild 1. ›Kalte‹ Bearbeitung am Beispiel eines Streichholzkopfs – die Entzündungstemperatur des Streichholzkopf-Materials liegt nur bei etwa 80 °C l SPECIAL l 11 Bild 2. Lokale Veränderungen der Beugungswinkel im Glas erzeugen zerstörungsfrei einen Spektralfarbeneffekt nicht ausreicht, ist ein größerer Festkörperverstärker notwendig. Für Festkörperlaser kommen entweder stab- oder scheibenförmige Verstärker zum Einsatz. Stablaserverstärker haben bei hohen Pulsenergien ein parabolartiges Temperaturprofil, was zu unerwünschten Effekten führt, beispielsweise einer thermischen Linse. Diese wirken sich negativ auf die Strahlqualität und die Stabilität des Systems aus. Scheibenlaserverstärker dagegen lassen sich aufgrund der größeren Oberfläche effektiver kühlen, was sich in einem flacheren Temperaturprofil niederschlägt. In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass die am besten geeignete Bauform für industrielle Ultrakurzpulsanwendungen bei hohen Pulsenergien der Scheibenlaser ist. Das liegt zum einen an der erreichbaren Präzision und zum anderen an der Stabilität des Lasers. Diese Stabilität macht die industriell geforderte Zuverlässigkeit erst möglich. Die extrem hohen Pulsenergien von ultrakurzen Pulsen gestatten Aerotech Nanopositionierer Lineartische • Rotationstische Vertikale Hubtische und Z-Achsen • Goniometer 왘 Unsere Nanopositionierer bieten genau die technischen Eigenschaften auf Nanometer-Ebene, die heute für führende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie für Produktionsanforderungen benötigt werden. Unsere linearen Nanopositionierer: Unsere rotativen Nanopositionierer: • 1 nm Auflösung • 0,01 Winkelsek. Auflösung • <1 nm Positionsstabilität • 0,005 Winkelsek. Positionsstabilität • ±75 nm Wiederholbarkeit • ±250 nm Genauigkeit • Bis zu 160 mm Verfahrweg erhältlich, zusammen mit Steuerung und Antrieben von Aerotech verbessern Sie Ihren Prozess • 1,5 Winkelsek. Wiederholbarkeit • 3 Winkelsek. Genauigkeit • 360° unbegrenzte oder begrenzte Rotation erhältlich, schlüsselfertige Systeme speziell an Ihre Spezifikationen angepasst 11 10 Accuracy Error (µm) 9 Position (nm) 8 7 6 5 4 3 2 1 80 40 40 0 0 0 -40 1 0 5 10 15 20 Time (s) 25 30 ANT95-L 1 nm Step-Plot Dedicated to the Science of Motion 3 2 1 0 -1 -2 -3 80 Position (mm) -40 -80 -80 Position (mm) ANT95-XY-ULTRA 2D Genauigkeits-Plot Tel.: +49(0)911-967 937 0 Email: [email protected] www.aerotechgmbh.de AH1114G-RAD 12 l SPECIAL l LASERMIKROBEARBEITUNG Bild 3. Simulation eines sich ausbreitenden Laserstrahls, der durch ein refraktives, lichtbrechendes optisches Element geformt wird Ultrakurzpulslasersystem für Glasinnengravur Die kalte Bearbeitung durch Ultrakurzpulse führt dazu, dass die Auswirkungen auf das Material örtlich sehr begrenzt bleiben. Für Glasinnengravuren wird dadurch der Weg für eine neue Generation von Lasern frei. Konventionelle Laser für die Markierung im Glasinneren verursachen Schäden im MillimeterMaßstab, was sowohl die Mindestdicke des Glassubstrats als auch die Auflösung der einzelnen Materialschädigungen begrenzt. Ultrakurzpuls-Laser ermöglichen dank ihrer Mikrobearbeitungsfähigkeiten das Markieren innerhalb von Glas mit einer Dicke von nur wenigen Hundert Mikrometern. Jede einzelne Modifikation ist mindestens eine Größenordnung kleiner als bei konventionellen Lasermarkierungen, sodass diese so eng nebeneinander angeordnet werden können, dass das menschliche Auge die einzelnen Punkte nicht mehr Bild 4. Einzelne refraktiv geformte Pulse im Glasinneren mit einer Vorschubgeschwindigkeit in der Größenordnung von 1 m/s unterscheiden kann. Damit ist es möglich, statt einzelner Punkte ganze Flächen im Substrat entstehen zu lassen. Durch die sorgfältige Parameterauswahl des Ultrakurzpulslasersystems ist es möglich, eine neue Art der Glasinnengravur mit Spektralfarbeneffekt zu erzeugen (Bild 2). Bei dieser Methode wird das Glas nicht beschädigt, sondern nur dessen Beugungsverhalten lokal verändert. Das Glasgefüge wird nicht wesentlich beeinflusst. Longitudinale Strahlformung für transparente Materialien Ein weiteres Beispiel für die hohe Bearbeitungsgeschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit beim Glasschneiden ist die longitudinale Strahlformung. Die Anwendungsentwicklung des Laserspezialisten Trumpf hat damit die dritte Dimension der Strahlformung erschlossen. Sie ermöglicht die Anpassung der Laserstrahlparameter in drei Dimensionen, einschließlich der Längsachse des Strahls. Die spezifische Anpassung des Laserstrahls auch in Ausbreitungsrichtung wird durch refraktive, also lichtbrechende optische Elemente erreicht. Diese Elemente führen zu lokalen Phasenverschiebungen im Querschnitt des durch sie hindurchgehenden Laserstrahls. Dieser Prozess reagiert empfindlich auf die Position der Elemente im Verhältnis zum sich ausbreitenden Laserstrahl und erfordert daher eine sehr stabile Strahllage. Der Scheibenlaser verbindet hohe Strahlqualität und Stabilität mit hohen Pulsleistungen, wie sie für die Bearbeitung von transparenten Materialien erforderlich sind. Bei einem konventionellen, nicht modifizierten Laserstrahl liegt die höchste Intensität im Fokus oberhalb der Bearbeitungsschwelle, sodass Energie vergeudet wird. Der grund© MIKROvent, Mainburg MIKROPRODUKTION 03/15 Bilder: TRUMPF Lasertechnik, Deutschland sogar die Bearbeitung transparenter Materialien durch nichtlineare Absorption. LASERMIKROBEARBEITUNG l SPECIAL Bild 5. Bohrloch in Edelstahl: Gebohrt wurde mit einer Trepanieroptik ›GFH GL.trepan‹ mit dem Trumpf UltrakurzpulsLasersystem ›TruMicro 5050 FemtoEdition‹ legende Zweck der Strahlformung besteht darin, eine räumlich optimierte Verteilung der Strahlintensität zu finden, um die Effektivität jedes einzelnen Pulses zu verbessern. Bild 3 zeigt die Simulation eines sich ausbreitenden Laserstrahls, der mit einem refraktiven, lichtbrechenden Element geformt wurde. Anstatt alle Energie in einer sehr begrenzten Fläche eines einzelnen Fokus zu konzentrieren, wird die Energie in diesem Fall relativ homogen entlang der Strahlachse verteilt. Die maximale Wirksamkeit findet sich etwas oberhalb der Bearbeitungsschwelle. Bild 4 zeigt eine Serie von strahlgeformten Pulsen mit einer Wiederholungsrate von 200 kHz nebeneinander in Glas. Anstatt wie bei einem konventionell fokussierten Laserstrahl Zeile für Zeile vorzugehen, lässt sich die gesamte Fläche in einem Durchgang bearbeiten, weil jeder Puls über einen erweiterten Bereich entlang der optischen Achse einen Schaden verursacht. Auf diese Weise wird die Vorschubgeschwindigkeit – und damit auch die Wirtschaftlichkeit – um mehrere Größenordnungen auf etwa 1 m/s verbessert. Bild: GFH GmbH 900 fs als optimale Pulsdauer bei der Metallbearbeitung Der zweite Vorteil von ultrakurzen Pulsen besteht in der kalten Materialbearbeitung. Da es hierbei keine thermischen Schädigungen gibt, sind ultrakurze Laserpulse für Mikroanwendungen geeignet. Die REMAufnahme in Bild 5 veranschaulicht die mögliche Präzision anhand einer Bohrlochkante. Während sich Pulsdauern in der Größenordnung von wenigen Pikosekunden für zahlreiche Werkstoffe eignen, hat sich gezeigt, dass für Metalle eine Pulsdauer von einer Pikosekunde oder weniger vorteilhafter ist. Wissenschaftliche Untersuchungen zu Metallen belegen, dass die Ablationsrate und somit die Wirtschaftlichkeit erheblich steigt, wenn MIKROPRODUKTION 03/15 die Pulsdauer weniger als mehrere Pikosekunden beträgt und im oberen Femtosekundenbereich liegt. Bei Versuchen mit Pulsdauern von 900 fs und unterschiedlichen Metallen konnten Ablationsraten erreicht werden, die um ein Mehrfaches über denen der Pikosekundenlaser lagen. Nach den jüngsten wissenschaftlichen Veröffentlichungen lassen sich bei den meisten Metallen, einschließlich Molybdän und Aluminium, im Falle von noch kürzeren Pulsdauern von bis zu 400 fs allerdings Sättigungseffekte bei den Ablationsraten beobachten. Bei zahlreichen anderen Metallen, etwa Edelstahl und Kupfer, nehmen die Ablationsraten und auch die Prozessgeschwindigkeit bei Pulsdauern von weniger als 900 fs sogar ab. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gelten daher 900 fs als die optimale Pulsdauer. ■ MI110362 AUTOR Dr. MAX KAHMANN ist im Produktmanagement TruMicro bei Trumpf in Ditzingen tätig; [email protected] LITERATUR 1 Kumkar, M. et al.: Comparison of different processes for separation of glass and crystals using ultrashort pulsed lasers, Proc. SPIE 8972, Frontiers in Ultrafast Optics: Biomedical, Scientific, and Industrial Applications XIV, 897214 (2014) 2 Lopez, J. et al.: Laser Applications in Microelectronic and Optoelectronic Manufacturing (LAMOM) XVII, Proc. SPIE Vol. 8243, 82430O (2012) 3 Neuenschwander, B.: Laser Applications in Microelectronic and Optoelectronic Manufacturing (LAMOM) XVII, Proc. SPIE Vol. 8243, 824307 (2012) l 13
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