„Ambulante Hilfen zur Erziehung in geflüchteten Familien

AspE e. V.
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Vortrag zum Fachtag am 7.Oktober 2015 / sfbb Nr. 6038/15 , Andrea Walter-Gröger, AspE e.V.
„Ambulante Hilfen zur Erziehung in geflüchteten Familien –
Qualitätsentwicklung in den Hilfen zur Erziehung“
Vortragsgliederung anhand des Titels:
1.) Ambulante Hilfen zur Erziehung – 2.) geflüchtete Familien – 3.) Qualitätsentwicklung 4.) Ausblick auf den Aspekt des Kinderschutzes
1.) Ambulante Hilfen zur Erziehung
§ 31 SGB VIII Sozialpädagogische Familienhilfe
Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien
in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung
von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen
unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben.
(Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der
Familie.)
Was macht in der praktischen Arbeit die Besonderheit im Hinblick auf die
sozialpädagogische Familienhilfe in geflüchteten Familien aus?
Die Familie befindet sich in einer existenziellen Krise, sie muss den Alltag mit seinen
besonderen Problemlagen bewältigen. Dieser Alltag ist durch einen intensiven Kontakt
zu Ämtern und Institutionen geprägt. Wir erfahren in unserer Arbeit bei Familien in der
Regel das Bestreben nach Unabhängigkeit und das Bestreben selbstaktiv und
selbstbestimmt ihre Lebenssituation (besonders für ihre Kinder) zu verbessern, also den
Wunsch nach Hilfe zur Selbsthilfe. Den Wunsch sich versorgen und verwalten zu lassen
können wir eher nicht erkennen.
Andrea Walter-Gröger
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Fazit: Grundlegende Aspekte in der Arbeit mit geflüchteten Familien finden sich in der
sozialpädagogischen Arbeit einer Familienhelfer/in wieder.
Die Mitarbeit der Familie ist in der Regel durch den Wunsch nach eigener Aktivität und
Steuerung in natürlicher Weise gegeben. Da Flucht einhergeht mit Entwurzelung und so
mit großer Verunsicherung in völlig unbekannter Umgebung ist in der Regel auch eine
längere Dauer einer Begleitung, die einhergeht mit einem notwendigen Vertrauensaufbau
sinnvoll.
Die Eltern in ihren Erziehungsaufgaben zu unterstützen und zu stärken, tritt zunächst in
den Hintergrund.
Existentielle Notwendigkeiten zum Erhalt der Familie und zum Schutz ihrer Kinder stehen
davor und nehmen den ganzen Raum ein. Sie liegen vordringlich in der Verantwortung der
Eltern. Gleichzeitig werden die Eltern durch eine mehr als prekäre Lebenssituation in ihrer
Erziehungsrolle geschwächt. Rollenverteilungen ändern sich oft dramatisch. Eltern können
ihren Kindern wenig Orientierung geben, da sie sich selbst bei ihrer Ankunft in
Deutschland neu orientieren müssen.
Thomas Berthold sagt in einer Studie des deutschen Komitees für Unicef / 2014 hierzu: „
(Die Kinder) erleben ihre Eltern als Hilfeempfänger, als hilfesuchend und als hilfsbedürftig.
Das Bild der starken, schützenden Eltern, die die familiären Belange selbst regeln können,
wird in vielen Situationen erschüttert.“
Fazit: Der Fokus in der ambulanten Familienhilfe in geflüchteten Familien liegt auf der
Stärkung der Eltern/Sorgeberechtigten Bezugspersonen, der Unterstützung ihre prekäre
Lebenssituation zu verbessern, Hilfe bei der Befähigung Zugang zu dieser Gesellschaft zu
finden um ihrer Erziehungsverantwortung im Sinne von Orientierung, Förderung und
Schutz ihrer Kinder nachkommen zu können.
Für die unmittelbare Arbeit der FamilienhelferInnen bedeutet dies Begleitung und
Vermittlung zu Ämtern und Institutionen zu Sprachkursen und Integrationskursen zu
Beratungsstellen, Vermittlung von Schulplätzen und Kitaplätzen, Vermittlung zu
Leistungen der Grundversorgung und Gesundheitsversorgung und vieles mehr.
Und bei alledem die Bedürfnisse der Kinder nicht aus dem Blick verlieren, denn der Schutz
und die Förderung der Kinder ist der eigentliche Jugendhilfeauftrag.
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Das bedeutet auch, dass den Familien durch ein bloßen Fallmanagement nicht geholfen
ist. Die Familie, ihre Bedürfnisse und ihre Ressourcen müssen erkannt werden.
Gleichzeitig sind Familiensysteme durch Flucht- und Gewalterfahrungen zutiefst
erschüttert, aus den Fugen geraten. Sie reagieren mit Verunsicherung, Angst, Misstrauen
und versuchen das Familiengefüge durch enge Bindungen und den Ausschluss Anderer
zu schützen.
Fazit: Vertrauensaufbau und Beziehungsarbeit ist in der Arbeit mit geflüchteten Familien
unerlässlich. Vertrauensaufbau braucht Zeit und Geduld und stellt im Kontext von
Traumatisierungen hohe Anforderungen an die Kompetenz der Fachkräfte.
Also eine Hochkomplexe Aufgabe!
Setzen wir diese Tätigkeit der Fachkräfte nun in ihrer Mittlerfunktion zu den Systemen in
dieser Gesellschaft, d.h. zum Umfeld der geflüchteten Familien, in welches Sie im Sinne
ihrer Kinder gut hineinwachsen sollen – ich meine damit z.B. Systeme der
Gesundheitsversorgung, der Erwerbsfähigkeit bzw.- erlaubnis, des Arbeitsmarktes, des
Wohnungsmarktes, der Bildungssysteme, der Kultursysteme in einer diversen
Gesellschaft- in Bezug, so wird die Aufgabe in ihrer Vielschichtigkeit für die Fachkräfte
noch um einige notwendige Perspektiven komplexer.
Dies möchte ich in folgender Betrachtungsweise des Begriffs „geflüchtete Familien“
deutlich machen:
2.) Geflüchtete Familien
Wer oder Was sind „geflüchtete Familien“?
Zunächst eine Menge von Menschen, die wir durch die Medien als eine homogene Gruppe
oder gar eine Bewegung beschrieben bekommen. Es ist die Rede von einer „Flut“, einer
Flüchtlings“welle“, die Menschen werden in Zahlen in Flüchtlings“strömen“ beschrieben.
Auch Einzelschicksale werden beschrieben, die dann allerdings stellvertretend für eine
Beschreibung der Gruppe der Geflüchteten steht.
Was sind die gemeinsamen Kennzeichen der Gruppe „geflüchtete Familien“? Mir fallen
zunächst mal nur zwei Gemeinsamkeiten ein:
Es sind Menschen und sie begreifen sich selber als Flüchtlinge.
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In unserer Arbeit begegnen uns aber zahlreiche Kriterien, die für eine große Heterogenität
dieser Gruppe „geflüchtete Familien“ steht. Die Menschen unterscheiden sich aufgrund
Ihrer Herkunftsländer und ihrer Lebenssituation in ihren Herkunftsländern, der
Fluchtgründe, der Fluchtwege, der Gewalterfahrungen, des Status im
Asylanerkennungsverfahren, bzw. des Aufenthaltsstatus und den damit verbundenen
Zugängen zu Leistungen, durch Religionszugehörigkeiten und, Traditionen, durch
Minderheitenzugehörigkeiten, Muttersprachen, Zweitsprachen, Alter, Geschlecht,
Bildungsgrad, Familienstruktur, …. Ich könnte wahrscheinlich noch lange so weiter
machen. Ich glaube es wird deutlich, dass es auch und besonders einer individuellen
Betrachtungsweise und Umgangs in der praktischen Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe in
geflüchteten Familien bedarf.
Fazit: Fachkräfte der ambulanten Erziehungshilfe in geflüchteten Familien müssen ein
hohes Komplexitätsverständnis haben und über interkulturelle Kompetenz verfügen.
Bestandteil von interkultureller Kompetenz im Kontext von ambulanter Hilfe zur Erziehung
muss hier sein:
-
Es sind immer multidimensionale Handlungsansätze notwendig
-
Es ist immer ein kontextualisierter Umgang mit den Familien notwendig
-
Es ist immer eine Herangehensweise, an den individuellen Bedürfnissen der
einzelnen Familienmitgliedern orientiert, notwendig.
-
Es sind gleichzeitig individualisierende und kollektive Perspektiven
erforderlich.
3.) Qualitätsentwicklung in einem komplexen Feld steuern
(oder: Woher weiß ich wohin ich segeln soll, wenn es stürmt und schaukelt?)
Um der komplexen Verantwortung in der Arbeit der Jugendhilfe gerecht zu werden,
muss die Steuerung der Qualitätsentwicklung nicht nur prozesshaft, sondern
auch mehrdimensional in ihrer Struktur, partizipativ und mit inklusiver
Haltung angelegt sein.
Gesundheit Berlin e.V. und die Forschungsgruppe Public Health des
Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung gGmbH beschreiben auf ihrer
Homepage eine Partizipative Qualitätsentwicklung für das Feld ihrer
Projektarbeit in folgenden Worten:
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„Partizipative Qualitätsentwicklung meint die ständige Verbesserung von
Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention durch die gleichberechtigte
Zusammenarbeit zwischen Projekt, Zielgruppe, Geldgeber und eventuell anderen
wichtigen Akteuren. Ein Kennzeichen dieser Zusammenarbeit ist eine möglichst
starke Teilnahme und Teilhabe (Partizipation) der Projektmitarbeiter/innen und vor
allem der Zielgruppe an den vier Phasen der Entwicklung von Maßnahmen:
Bedarfsbestimmung, Interventionsplanung, Umsetzung und Evaluation/Auswertung.
Die Partizipative Qualitätsentwicklung lebt maßgeblich vom lokalen Wissen der
Beteiligten und hilft ihnen dieses Wissen zu nutzen, zu reflektieren und zu
erweitern.“
Wenn wir diesen Ansatz (aus der Projektarbeit) nun für das Feld der ambulanten
Erziehungshilfen in geflüchteten Familien nutzen wollen, einem Feld in welchem
individuelle Bedarfe und Perspektiven von Bedeutung sind und sehr heterogene
Systeme aufeinandertreffen, wird deutlich, dass sich dieser Prozess in mehreren
Ebenen, bzw. Dimensionen entwickeln muss:
Dimensionsebenen wären hier:
-
Ebene der Familie und Ihre/r Beraterin/spFh Fachkraft
-
Ebene der Fachkraft (mit ihren Beratungsfällen) und ihrer Einbindung in die
Organisation
-
Ebene der Fachkraft (mit ihrer Beratungsebene und Organisationsebene) und ihrer
Kooperationspartner und anderen Akteuren (Auftraggeber Jugendamt,
Verwaltungs- und Dienstleistungsorganisationen, andere Beratungseinrichtungen,
Soziales Umfeld)
Diese Mehrdimensionale Aufgabe ist in prozesshaft angelegten Strukturen leistbar,
die in diversen Arbeitsgruppenformaten (auch Bereichsübergreifend) umgesetzt
und in Ihrer Zusammenführung in Form von Netzwerken gesteuert werden können.
Hinzu kommt, dass Strukturen in diesem Feld (gerade in Zeiten von Krisen) der
Anforderung von Flexibilität und Durchlässigkeit genügen müssen. D.h. die
Organisation/ der Träger muss Strukturen vorhalten, die nicht nur Partizipation
fördern, sondern auch Engagement und Kreativität fördern.
Flexibles, zügiges Reflektieren und der eventuelle Umbau von Strukturen in
Krisensituationen muss möglich sein.
Mit anderen Worten: Es ist uns wichtig und hilfreich, Qualitätsentwicklung durch
multiprofessionelle und multikulturelle Zusammentreffen von Fachkräften unter
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Beteiligung von Hilfeadressatinnen zu steuern. Ein ganzheitlicher Ansatz und eine
enge interne Vernetzung aller Fachbereiche hilft auch Qualitätszirkel inklusiv zu
denken. So haben sich bei unserem Träger aus dem Bedürfnis und mit
Eigeninitiative der Mitarbeiter/innen verschiedene Arbeitsgruppen/Qualitätszirkel
fachbereichsübergreifend und offen installiert,
z.B.:
- interkultureller Fachaustausch (moderierte Möglichkeit in einen offenen
Erfahrungsaustausch zu aktuellen Bedarfen und Netzwerkmöglichkeiten zu gehen,
trifft sich in unregelmäßigen Abständen und auf Anfrage von Fachkräften)
- Qualitätszirkel Flexible Erziehungshilfe im Kontext Südosteuropa/Roma
(Recherchiert Netzwerke und Kontaktpersonen, erstellt Arbeitshilfen für Fachkräfte
in den ambulanten Hilfen, trifft sich regelmäßig einmal im Monat)
- Qualitätszirkel Kinderschutz im Feld der flexiblen Erziehungshilfe (reflektiert
aktuelle Bedarfe und erarbeitet strukturelle und individuelle
Handlungsmöglichkeiten, trifft sich regelmäßig einmal im Monat)
- Trägerübergreifende Austauschmöglichkeiten werden aktiv in Netzwerken gesucht
und durch Veranstaltungen installiert wie z.B. das regelmäßige Angebot des AfterWork-Fachaustausch für Fachkräfte und Akteure, Fachtage und Foren sind weitere
Möglichkeiten.
Zwischen allen Formaten ist Rückkoppelung, Informationsfluss und Beteiligung
gesichert.
-
Die Anforderung durch hohe Komplexität, Flexibilität und Kreativität und die
daraus erwachsende Belastung für die Fachkräfte muß gesicherte Unterstützung
und Entlastung erfahren. D.h. es müssen Strukturen vorhanden sein, die zur
Entlastung und gleichzeitig zur Sicherung von Qualitätsstandards der Fachkräfte
führen. Wir haben hierfür Formate installiert, wie: regelmäßige gesicherte
Supervision und die Möglichkeit für zusätzliche Supervision in besonderen
Belastungsmomenten, Fortbildung und Schulungen im Themenfeld interkulturelles
und vorurteilbewusstes Handeln, Rückzugsmöglichkeiten und die Möglichkeit des
Teilens und Abgebens durch Co-Teams und/oder MitarbeiterInnen im Hintergrund.
Es braucht nicht nur ein gutes Netzwerk für Anlauf- und Beratungsstellen und
Spezialdienste, es braucht auch ein gutes Beziehungsnetzwerk für die emotionale
und mentale Gesundheit der Fachkräfte.
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Um eine gute Zusammenarbeit aller Akteure im Bereich der ambulanten Hilfen zur
Erziehung für geflüchtete Familien zu sichern sind mehrere Aspekte zu
berücksichtigen:
-
Eine vorurteilsbewusste Haltung als Voraussetzung
-
Kenntnisse um – und Verständnis für die Lebensbedingungen und häufige
Belastungsfaktoren der Familien
-
Intensive Beziehungsarbeit und Vertrauensaufbau
-
Gute Vernetzung und regelmäßige Zusammenarbeit der Fachkräfte zu passenden
Unterstützungsangeboten
-
Nutzbarmachung der familiären Ressourcen
-
Lebenspraktische Unterstützung und konkrete Hilfestellung
-
Sicherung der Kommunikationssprache für alle Beteiligten durch Einsatz von
muttersprachlichen Fachkräften und Sprachmittlern und den Einsatz von
multikulturellen (Co-)Teams um Akzeptanz auf Seiten der Familien und der
Fachkräfte zu schaffen und den Integrationsprozess zu befördern.
4.) Welche Möglichkeiten bieten ambulante Hilfen für geflüchtete Familien im Kontext
von Kinderschutz?
Kinderschutz als Aufgabe der Kinder und Jugendhilfe in Bezug auf geflüchtete
Familien zu gewährleisten, stellt aktuell eine besondere Herausforderung für alle
Akteure dar. Geflüchtete Familien leben per se schon in Kindeswohlgefährdenden
Lebenslagen, meist ohne Verschulden der Eltern und ohne Handlungsmöglichkeiten
der Eltern diese Situation für ihre Kinder maßgeblich zu verändern.
Allem voran sind prekäre Wohnsituationen bis hin zur Obdachlosigkeit deutlich
sichtbar. In den Unterkünften gibt es für die Familien und die Kinder und
Jugendlichen oft keinerlei Privatsphäre. Durch die Unterbringung in beengten
Verhältnissen haben die Flüchtlingskinder faktisch keine Räume, in denen sie für
sich sein können. Besonders belastet das oft Jugendliche, die in der Pubertät nach
mehr Autonomie streben. Aber auch kleineren Kindern fehlt ihr eigener Raum. Es
gibt zudem oft keinen Platz, um z.B. innerfamiliäre Konflikte ohne Beisein von
Dritten zu bearbeiten. Der Schulbesuch, wie auch die Förderung durch
Kindertagesstätten ist oft aus einem Mangel an freien Plätzen nicht gewährleistet.
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Die Gesundheitsversorgung ist oft durch unklare Verhältnisse im Leistungsanspruch
nicht gesichert, oft ist nur eine Notversorgung möglich.
Da die Eltern in diesen Fällen gar nicht die Möglichkeit haben eigenständig und
alleine die kindeswohlgefährdenden Situationen in denen sich ihre Kinder befinden
zu verändern, macht es wohl auch wenig Sinn hierbei Forderungen an die Eltern zu
stellen im Sinne ihrer Elternverantwortung aktiv zu werden.
Vielmehr brauchen Eltern in diesen Situationen stärkere Lebenspraktische
Unterstützung und konkrete Hilfestellung (Unterstützung bei der Wohnungssuche
oder eines Wohnheimplatzes, bei der Durchsetzung von gesetzlichen Ansprüchen,
bei der Durchsetzung des Anspruchs auf gesundheitliche Versorgung usw.) bis hin
zu zeitlich begrenzten kompensatorischen Hilfen.
Wird eine Inobhutnahme als letztes Mittel zum Schutze des Kindes in Erwägung
gezogen, sind die Bedürfnisse des Kindes zu berücksichtigen. Für Kinder aus
geflüchteten Familien hat die Familie als einziges sicheres System, als das was Sie
kennen und was sie vormals als sichere Bindung erfahren haben eine besondere
Bedeutung.
Es gilt immer und individuell abzuwägen zwischen notwendigem Schutz des Kindes
und neuerlicher Traumatisierung durch eine Herausnahme des Kindes.
Hier bietet der Einsatz von einer ambulanten Hilfeform mit passgenauem
Schutzkonzept die Möglichkeit das Familiensystem im Sinne des Kindes zu stützen.
Besonders für Menschen, die unter Ausgrenzung, Diskriminierung und rassistischen
Übergriffen sowie unter existenzgefährdender Armut und/oder traumatisierenden
Flüchtlingserfahrungen leiden, müssen ihre Sicherheit, ihr Selbstbewusstsein und
ihre Selbstachtung in den Fokus genommen werden, um die Sicherheit des Kindes
und sein Wohlbefinden positiv zu beeinflussen. Viele Verhaltensweisen und
momentane Notlagen (z.B. Obdachlosigkeit) sind per se keine Gefährdung, sondern
ein Risiko für ein Kind und individuell zu betrachten.
Checklisten sind Hilfsmittel, die lediglich der Orientierung dienen. Wenn wir die
Qualitätsentwicklung im Kinderschutz im Kontext von geflüchteten Familien in den
Fokus nehmen, kommen wir nicht darum herum, jeder einzelnen Familie mit viel
Interesse und Wertschätzung zu begegnen. Und gemeinsam mit der Familie
Zugangsmöglichkeiten und Unterstützungsmöglichkeiten für jedes einzelne
Familienmitglied und die Familie als Gesamtes individuell zu erarbeiten.
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5.) Zu guter Letzt:
Das ist viel Arbeit und eine komplexe Arbeit. Das braucht Zeit und Geduld.
Das braucht kein Pauschalrezept aber viel Unterstützung von Akteuren und
Fachkräften.
Um den Worten von Frau Apfelbacher für das heutige World Cafe vorwegzugreifen:
Wir brauchen kein Pauschalrezept – gut strukturiertes Networking kann eine
hilfreiche Unterstützung für passgenaue Hilfen sein.
-
Vielen Dank -
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