Ein Foul mit Konsequenzen

Gemeinsame Pressestelle für das
Landgericht Coburg und das Amtsgericht Coburg
Pressemitteilung
PM Nr. 2/2016
15.01.2016
Ein Foul mit Konsequenzen?
Zum Haftungsmaßstab im Rahmen eines Fußballspiels
Die Klage eines beim Fußballspiel verletzten Torhüters gegen den
gegnerischen Feldspieler auf Schadensersatz blieb ohne Erfolg. Der Kläger
hat den Nachweis eines vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen
Regelverstoßes durch den Gegner nicht führen können.
Der Kläger verlangt Schmerzensgeld in mittlerer vierstelliger Höhe für Verletzungen
und den Ersatz weiterer Schäden, die er im Rahmen eines Fußballspiels bei einem
Zusammentreffen mit dem in der gegnerischen Mannschaft spielenden Beklagten
erlitten hatte. Kurz vor dem Abpfiff des Verbandsjuniorenspiels hatte der Kläger
hierbei einen doppelten Kieferbruch erlitten, weshalb er u. a. auch operiert werden
musste. Eine Ahndung des Vorfalles durch den Schiedsrichter war nicht erfolgt.
Der Beklagte soll den Kläger, nachdem dieser als Torhüter den Ball mit beiden
Armen sicher vor der Brust gehalten und mit dem Oberkörper darauf gelegen habe,
aus Frust mit voller Wucht gegen den Kopf getreten haben. Dies sei keine im Spiel
gerechtfertigte Härte mehr, sondern eine vorsätzliche Körperverletzung, jedenfalls
aber ein grob fahrlässiger Regelverstoß gewesen.
Aus Sicht des Beklagten lag schon gar kein Regelverstoß vor. Der Kläger habe den
Ball nämlich keineswegs sicher gehalten. Er soll vielmehr mit Oberkörper, Kopf und
Händen voraus in Richtung Ball gesprungen, der jedoch etwa 1 m vor dem Kläger
gelegen haben soll. Der im gleichen Abstand zum Ball stehende Beklagte sei jedoch
schneller am Ball gewesen und zu Schuss gekommen. Unglücklicherweise sei
hierbei der Kläger getroffen worden, ob nun vom Fuß des Feldspielers oder vom Ball,
sei unklar.
Fußball ist ein Kampfspiel mit erhöhtem Gefährdungspotential, bei dem es nicht
selten beim gemeinsamen Kampf um den Ball zu Verletzungen kommt. Für die
Verletzungen eines Mitspielers haftet der Gegner deshalb nur dann, wenn er
schuldhaft gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstößt. Weil sich die
Spieler aber der erhöhten Verletzungsgefahr beim kämpferisch ausgetragenen
Leiter der Pressestelle:
Daniel Kolk, Richter am Landgericht
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Fußballspiel bewusst sind, können sie für Verletzungen im Zusammenhang mit
regelgerechten und sportlich fairem Einsatz des Gegners keinen Schadensersatz
verlangen. Auch nur ganz geringfügige Regelverstöße bleiben in diesem
Zusammenhang folgenlos.
Zur Abgrenzung werden hierbei die Regeln des Deutschen Fußballbundes
herangezogen.
Der Verletzte muss also beweisen, dass sich sein Gegner im Spiel schuldhaft nicht
regelgerecht verhalten hat. Die Hektik und Eigenart des Fußballspiels ist hierbei
besonders zu berücksichtigen. Es reicht deshalb auch nicht aus, dass der Gegner
den Regelverstoß mit einfacher Fahrlässigkeit begangen hat. Ein
Schadensersatzanspruch kann vielmehr nur dann erfolgreich geltend gemacht
werden, wenn die Regeln vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden sind.
Trotz der Anhörung der Parteien und der Vernehmung mehrerer Zeugen konnte das
Gericht nicht genau klären, was in den letzten Sekunden des Spiels tatsächlich
geschah. Den Nachweis des erforderlichen Regelverstoßes konnte der Kläger damit
nicht erfolgreich führen. Darüber hinaus sah das Gericht auch keine hinreichenden
Anhaltspunkte für ein grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten des
beklagten Gegenspielers, selbst wenn ein regelwidriges Verhalten vorgelegen haben
sollte.
Die Klage blieb deshalb ohne Erfolg.
Die Entscheidung des Landgerichts zeigt, dass auch schwerwiegende Verletzungen
im Rahmen eines kämpferisch ausgetragenen Fußballspiels nicht notwendig zu
einem Schadensersatzanspruch des verletzten Spielers führen. Unabhängig davon,
dass der Kläger hier seiner Beweispflicht nicht ausreichend nachkommen konnte,
macht das Urteil deutlich, dass der typische Einsatz von Kampf und Geschicklichkeit
beim Fußballspiel nicht selten zu unvermeidbaren Verletzungen führen kann. Es
gelten deshalb weitgehende Haftungsfreistellungen zwischen den Spielern, die dazu
führen, dass nicht jede im Spiel erlittene Verletzung eine Auseinandersetzung über
Schadensersatzansprüche nach sich ziehen können soll.
(Landgericht Coburg, Urteil vom 27.10.2015, Aktenzeichen 23 O 58/15; rechtskräftig)
Kolk
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Richter am Landgericht
Leiter der Pressestelle