Leitungen - TU Clausthal

Elektronik I, Foliensatz 9
3.2 Leitungen
G. Kemnitz
Institut für Informatik, TU-Clausthal (E1-F9)
27. Oktober 2015
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1/45
1. Leitungen
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
Leitungen
Wellengleichung
Wellenwiderstand
Reexion
Sprungantwort
Messen von Leitungsparametern
Aufgaben
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1. Leitungen
Leitungen
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1. Leitungen
Elektrisch lange Leitungen
Elektrische Signale breiten sich auf einer Leitung als elektromagnetische Wellen mit nahe Lichtgeschwindigkeit aus.
u(t, x) in V
2
t in ns
30
1
0
20
x1
10
ϕ(x2 ) − ϕ(x1 ) ≈ 4 V
-1
x2
-2
-3
0
0
20
40
60
x in cm
Eine Leitung mit messbaren Potenzialunterschieden zwischen
unterschiedlichen Punkten wird als elektrisch lang bezeichnet.
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1. Leitungen
Ersatzschaltung
i(x, t)
Sender
Empfänger
u(x, t)
x
∂x
du
∂x
i
L′ · ∂x
R′ · ∂x
i+
∂i
∂x
∂i
∂x
u
G′ · ∂x
C ′ · ∂x
u+
∂u
∂x
∂x
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1. Leitungen
Kette elektrisch kurzer Leitungsstücke aus Hin- und Rückleitung
der Länge ∂x → 0 mit:
einem Widerstand R0 · ∂x und
einer Induktivität L0 · ∂x
über denen die Spannung
∂i
∂u
= R0 · i + L0 ·
∂x
∂t
abfällt, und
einem Leitwert G0 · ∂x und
einer Kapazität C 0 · ∂x
durch die der Strom
∂u
∂i
= G0 · u + C 0 ·
∂x
∂t
ieÿt.
Die Gröÿen R0 , L0 , G0 und C 0 werden Leitungsbeläge genannt
und sind die Ableitungen von R, L, C und G nach dem Weg.
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1. Leitungen
1. Wellengleichung
Wellengleichung
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1. Leitungen
1. Wellengleichung
Die Wellengleichung
Beide Dierentialgleichungen sind linear und können im
Frequenzraum gelöst werden. Im Frequenzraum wird aus der
Ableitungen nach der Zeit eine Multiplikation mit jω :
∂U
∂x
∂I
∂x
=
(R0 + j · ω · L0 ) · I (x)
(1)
=
(G0 + j · ω · C 0 ) · U (x)
(2)
Die Ableiten von Gl. 1 nach dem Weg und Einsetzen von Gl. 2
ergibt eine lineare frequenzabhängige Dierentialgleichung 2.
Ordnung für die Ausbreitung komplexer Spannungswellen auf der
Leitung:
p
∂U 2
= γ 2 · U mit γ = (R0 + j · ω · L0 ) · (G0 + j · ω · C 0 )
2
∂ x
(γ Fortpanzungskonstante).
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1. Leitungen
1. Wellengleichung
Lösungen der Wellengleichung
Die Wellengleichung
p
∂U 2
= γ 2 · U mit γ = (R0 + j · ω · L0 ) · (G0 + j · ω · C 0 )
2
∂ x
hat zwei Lösungen, eine für die hinlaufende Welle:
L ·x
U H (x) = U H0 · e−γ·x = U H0 · e|−D
{z } ·
−j·ψ·x
|e {z }
Dämpfung Phasenverschiebung
und eine für die rücklaufende Welle:
U R (x) = U R0 · eγ·x = U R0 · e|D{zL ·x} ·
e|j·ψ·x
{z }
Dämpfung Phasenverschiebung
Der Realteil der Ausbreitungskonstanten γ ist die Dämpfung DF
und der Imaginärteil die Ortskreisfrequenz ψ .
Die Ortsfunktionen der komplexen Wellen sind Zeiger, die sich in
Wegrichtung auf einer Spiralbahn bewegen.
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1. Leitungen
1. Wellengleichung
Phase und Amplitude nehmen in Bewegungsrichtung ab:
RQ
...
U R0
...
U H0
UQ
−x
0
0
λ
x
Die zugehörige Zeitsignale sind die komplexen Amplituden
(Zeiger) multipliziert mit ejω·t :
uH (t, x, ω) = U H0 · e−γ(ω)·x · ejω·t ; uR (t, x, ω) = . . .
Praktisch lassen sich natürlich nur reelle Spannungs- und
Stromverläufe, d.h. die Summe der paarweise konjugiert
komplexen Wellen für ω und −ω erzeugen und messen:
uH (t, x, ω) + uH (t, x, −ω) = 2 · |U H0 | · e−DF ·x · cos (ω · t + Phase . . .)
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1. Leitungen
1. Wellengleichung
rücklaufende Welle
hinlaufende Welle
4
t in ns
3
2
1
0
-30
-20
10
-10
Einspeispunkt
des Signals
20
30
x in cm
Phase und Amplitude nehmen in Bewegungsrichtung ab:
rücklaufende Welle
Amplitude
Phase
eDL ·x
|U R0 | ·
Phase (U R0 ) + ψ · x
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hinlaufende Welle
|U H0 | · e−DL ·x
Phase (U H0 ) − ψ · x
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1. Leitungen
1. Wellengleichung
Ausbreitungsgeschwindigkeit
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist
das Verhältnis aus der Wellenlänge
und der Signalperiode:
t in ns
4
λ
v=
TP
Mit
3
TP
2·π
2·π
λ=
, TP =
ψ
ω
ist sie das Verhältnis aus der
Ortskreisfrequenz und der Kreisfrequenz:
v=
ω
ψ
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2
1
0
0
10
20
30
λ
x in cm
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1. Leitungen
1. Wellengleichung
Für verlustarme Leitungen:
R0
G
0
beträgt die Ortskreisfrequenz
ψ = Im
p
ω · L0
ω · C0
√
(R0 + j · ω · L0 ) · (G0 + j · ω · C 0 ) ≈ ω · L0 · C 0
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit beträgt in diesem Fall:
1
1
ω
v= =√
=√
ψ
ε·µ
L0 · C 0
Ohne Herleitung ist das die Lichtgeschwindigkeit in einem
Material mit derselben Dielektrizitätskonstante ε (Verhältnis aus
elektrischer Flussdichte zu elektrischer Feldstärke) und
Permeabilität (Verhältnis aus magnetischer Flussdichte und
magnetischer Feldstärke). (Licht-) Geschwindigkeit:
im Vakuum: ≈ 30 cm/ns
auf Leitungen: ≈ 5 . . . 20 cm/ns.
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1. Leitungen
2. Wellenwiderstand
Wellenwiderstand
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1. Leitungen
2. Wellenwiderstand
Denition des Wellenwiderstands
Denitionen 1
Der Wellenwiderstand Z (x) ist das Verhältnis aus der komplexen
Spannungswelle und der komplexen Stromwelle am Punkt x einer
Leitung.
Das ist weder der ohmsche Widerstand noch der komplexe
Widerstand der Leitung, sondern eine ortsabhängige Gröÿe mit
derselben Maÿeinheit, die auf eine andere, später dargelegte
Weise gemessen wird.
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1. Leitungen
2. Wellenwiderstand
∂U
Berechnung
I(x)
L′ · ∂x
R′ · ∂x
∂I
U = U H0 · e−λ·x
G′ · ∂x
C ′ · ∂x
∂x
I (x)
Z
mit
γ=
p
∂ (U H0 · e−γ·x )
γ · U H0 · e−γ·x
=
(R0 + j · ω · L0 ) · ∂x
(R0 + j · ω · L0 )
−γ·x
0
U
U ·e
R + j · ω · L0
= H0
=
I
I
γ
= −
=
(R0 + j · ω · L0 ) · (G0 + j · ω · C 0 )
Z=p
(R0
R0 + j · ω · L0
+j·ω·
L0 )
·
(G0
+j·ω·
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ergibt sich:
C 0)
=
s
R0 + j · ω · L0
G0 + j · ω · C 0
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1. Leitungen
2. Wellenwiderstand
Eigenschaften des Wellenwiderstands
Der Wellenwiderstand ist eine Funktion der Leitungsbeläge L0 ,
R0 , C 0 , G0 und damit der Geometrie der Hin- und der Rückleitung
und des Isolators dazwischen. Die weiteren Betrachtungen
beschränken sich auf homogene reellwertige Leitungen.
homogen: Konstanter Wellenwiderstand über die gesamte
Länge.
reellwertig: Reeller Wellenwiderstand:
s
R 0 + j · ω · L0
=
G0 + j · ω · C 0
r
R0
=
G0
r
L0
=Z
C0
Für hohe Frequenzen sind die meisten Leitungen wegen
R0 j · ω · L0 und G0 j · ω · C 0 reellwertig. Der Wellenwiderstand beträgt dann:
Z=
s
j · ω · L0
=
j · ω · C0
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r
L0
C0
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1. Leitungen
2. Wellenwiderstand
Wellenwiderstände standardisierter Datenkabel
Für die Informationsübertragung (Messdaten, Telefon, Fernsehen,
Rechnervernetzung) werden fast ausschlieÿlich homogene
reellwertige Leitungen verwendet. Beispiele:
Kabeltyp
Z
max.
Anwendung
Frequenz
RG 58
(Koaxialkabel)
RG 59
(Koaxialkabel)
UTP-3 (TwistedPair-Kabel)
UTP-5 (TwistedPair-Kabel)
50 Ω
10 MHz
Datenübertragung
75 Ω
10 MHz
Kabelfernsehen
100 Ω
16 MHz
Datenübertragung
100 Ω
100 MHz
Datenübertragung
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1. Leitungen
3. Reexion
Reexion
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1. Leitungen
3. Reexion
Änderung des Wellenwiderstands
Änderungen des Wellenwiderstands treten auf
beim Übergang zwischen unterschiedlichen Leitungen,
an Anschlussstellen von Signalquellen und Empfängern,
an Knicken und anderen geometrischen Änderungen1 .
Bei einer Änderung des Wellenwiderstands teilen sich die
ankommende Strom- und Spannungswelle in eine weiterlaufende
und eine reektierte Strom- und Spannungswelle.
I i−1
ZR
U i−1
U R.i
I W.i
I R.i K
M
U W.i
ZW
x0
1
Bei Wellenlängen im Zentimeterbereich sind bereits Leitungen auf
Leiterplatten elektrisch lang.
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1. Leitungen
3. Reexion
I i−1
ZR
U i−1
U R.i
I W.i
I R.i K
M
U W.i
ZW
x0
Auch am Änderungspunkt des Wellenwiderstands gelten
Maschen- und Knotensatz:
Maschengleichung:
U i−1 + U R.i = U W.i
(U i−1 , U W.i , U R.i ankommende, weiterlaufende und
reektierte Spannungswelle).
Knotengleichung:
I i−1 = I W.i + I R.i
(I i−1 , I W.i , I R.i ankommende, weiterlaufende und
reektierte Stromwelle).
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1. Leitungen
3. Reexion
Lösen des Gleichungssystems
I i−1
ZR
In der Knotengleichung Ströme
U i−1
U R.i
I W.i
I R.i K
M
durch Quotient aus Spannung
U W.i
ZW
x0
und Widerstand ersetzen:
I i−1 = I W.i + I R.i ⇒
U i−1
U
U
= W.i + R.i
ZR
ZW
ZR
Zusammen mit der Maschengleichung:
U i−1 + U R.i = U W.i
2 Gleichungen mit 3 Unbekannten. Umformung in eine Gleichung
für die weiterlaufende Welle:
U W.i = (1 + r) · U i−1
mit r =
ZW − ZR
ZW + ZR
(r Reexionsfaktor) und eine für die reektierte Welle:
U R.i = r · U i−1
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1. Leitungen
3. Reexion
I i−1
ZR
U i−1
U R.i
I W.i
I R.i K
M
U W.i
ZW
x0
Wegen der geänderten Zählrichtung ist für die weiterlaufende
Stromwelle die rücklaufende von der ankommenden Stromwelle
abzuziehen:
I W.i = (1 − r) · I i−1
I R.i = r · I i−1
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1. Leitungen
3. Reexion
Beispiel
Zwei unterschiedliche Koaxkabel
werden miteinander verbunden:
* RG58: Datenkabel Z = 50 Ω
* RG59: Fernsehkabel Z = 75 Ω
Wie groÿ ist der Reexionsfaktor?
Für eine Welle, die im 50 Ω-Kabel
ankommt (ZW = 75 Ω und ZR = 50 Ω):
75 Ω − 50 Ω
= 0,2
75 Ω + 50 Ω
Für eine Welle, die über das
75 Ω-Kabel zurückkommt (ZW = 50 Ω
und ZR = 75 Ω):
r=
50 Ω − 75 Ω
= −0,2
75
Ω + 50 Ω
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Spannungswelle
20%
120%
100%
Stromwelle
100%
80%
20%
Z = 50 Ω
Z = 75 Ω
Spannungswelle
80%
100%
-20%
Stromwelle
-20%
120%
100%
r=
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1. Leitungen
3. Reexion
Ankopplung eines Senders an eine Leitung
Modell
I H0
I R0
Ersatzschaltung
U RQ
I RQ
ZR
U R0 RQ
U RQ
U H0
RQ
ZH
UQ
UQ
I RQ K
I R0
I H0
ZR
ZH
M
U R0 = U H0
Eingespeiste Spannungswellen:
U H0 = U R0 =
ZH k ZR
· UQ
RQ + (Z H k Z R )
Eingespeiste Stromwellen:
U
I H0 = H0 ;
ZH
I R0 =
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U R0
ZR
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1. Leitungen
3. Reexion
Ankopplung eines Empfängers an eine Leitung
I i−1
ZR
U i−1
U R.i
I R.i K
I W.i
I RA
M1
RA
M2
U RA
U W.i
ZW
K:
I i−1 = I W.i + I R.i + I RA
M1 : UR.i + Ui−1 = U RA
M2 :
U RA = U W.i
U RA = U W.i = (1 + r) · U i−1
U R.i = r · U i−1
mit dem geänderten Reexionsfaktor ... (siehe nächste Folie)
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1. Leitungen
3. Reexion
r=
I i−1
ZR
U i−1
U R.i
(Z W k RA ) − Z R
(Z W k RA ) + Z R
I R.i K
I W.i
I RA
M1
RA
(3)
U RA
M2
U W.i
ZW
Der Reexionsfaktor am Ankopplungspunkt für einen Empfänger
ist gleich dem Reexionsfaktor am Übergang zwischen zwei
Leitungen, wenn der Wellenwiderstand für die weiterführende
Leitung durch die Parallelschaltung aus dem Eingangswiderstand
des Empfängers und dem Wellenwiderstand der weiterführenden
Leitung ersetzt wird.
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1. Leitungen
3. Reexion
Die reektierte Welle am Sender
Nach dem Überlagerungssatz können die Wellen, die von der
Signalquelle des Senders ausgestrahlt werden, und die
Wellen, die eine ankommende Welle verursacht, unabhängig
voneinander betrachtet und anschlieÿend addiert werden.
Ein Sender verursacht für eine ankommende Welle dieselben
Reexionen wie ein Empfänger, dessen Eingangswiderstand
gleich dem Innenwiderstand des Senders ist.
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1. Leitungen
4. Sprungantwort
Sprungantwort
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1. Leitungen
4. Sprungantwort
Die Sprungantwort verzerrungsfreier Leitungen
Die Sprungantwort ist die Systemreaktion auf den Einheitssprung
0 t<0
σ (t) =
1 t≥0
multipliziert mit einer Spannung oder einem Strom am
Systemeingang, hier als Sendesignal. Die bisher behandelten
Leitungen waren linear. Bei der Übertragung von Impulsfolgen
lässt sich das empfangene Signal aus der Sprungantwort
konstruieren.
Eine verzerrungsfreie Leitung ist eine reellwertige Leitung, deren
Verzögerung, Dämpfung und Wellenwiderstand für alle Frequenzen gleich sind. Gilt insbesondere für reellwertige Leitungen ohne
nennenswerte Dämpfung. Ein Sprung bewegt sich auf einer
verzerrungsfreien Leitung mit derselben Geschwindigkeit wie
jeder seiner Spektralanteile und wird genauso reektiert.
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1. Leitungen
4. Sprungantwort
Punkt-zu-Punkt-Verbindung
RQ
uQ = U0 · σ(t)
ue
Z; tLtg
0
RA
ua
l x
Eingespeiste Welle am Leitungsanfang:
Z
uH0 =
· U0 · σ (t)
Z + RQ
Reexion am Leitungsende:
uR1 = rE · uH0 = rE ·
Z
· U0 · σ (t − tLtg )
Z + RQ
Reexion am Leitungsanfang: ...
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1. Leitungen
4. Sprungantwort
Beispiel
RQ
uQ = U0 · σ(t)
Eingespeiste Welle:
ue
RA
Z; tLtg
0
l x
ua
Beispielwerte
U0 = 3 V
RQ = 75 Ω
Z = 50 Ω
tLtg = 2 ns
RA = 150 Ω
50 Ω
· 3 V · σ (t) = 1,2 V · σ (t)
50 Ω + 75 Ω
Reexionsfaktor am Leitungsende:
RA − Z
150 Ω − 50 Ω
1
rE =
=
=
RA + Z
150 Ω + 50 Ω
2
Reexionsfaktor am Leitungsanfang:
RQ − Z
75 Ω − 50 Ω
1
rA =
=
=
Z + RQ
50 Ω + 75 Ω
5
uH0 =
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1. Leitungen
Welle
H0
R1
H1
R2
H2
R3
4. Sprungantwort
Start- Richzeit
tung
→
←
→
←
→
←
0
2 ns
4 ns
6 ns
8 ns
10 ns
l
1,8 V
0V
x
1,99 V
l
2
1,2 V
0
0
2
1,92 V
4
6
2V
t in ns
Amplitude
t
ue (t)
ua (t)
1,2 V
600 mV
120 mV
60 mV
12 mV
6 mV
0
1 ns
2 ns
3 ns
4 ns
5 ns
1,2 V
1,2 V
1,92 V
1,92 V
1,99 V
2,00 V
0
1,8 V
1,8 V
1,98 V
1,98 V
1,99 V
2V
ua 1 V
0
2V
u 2l
1V
0
2V
ue 1 V
0
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0
2
4
6
t in ns
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1. Leitungen
4. Sprungantwort
Stationärer Zustand
RQ
uQ = U0 · σ(t)
ue
RA
Z; tLtg
0
l x
ua
Beispielwerte
U0 = 3 V
RQ = 75 Ω
Z = 50 Ω
tLtg = 2 ns
RA = 150 Ω
Die Leitung ist im Sinne der kirchhoschen Sätze ein Knoten.
Die Widerstände RQ und RA bilden einen Spannungsteiler:
ua (t tLtg ) =
RA
150 Ω
· 3V = 2V
· U0 =
RQ + RA
150 Ω + 75 Ω
Bei einer Punkt-zu-Punkt-Verbindung lassen sich störende
Reexionen auf zwei Arten unterbinden:
Quellwiderstand RQ = Z oder
Eingangswiderstand des Empfängers RA = Z
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1. Leitungen
4. Sprungantwort
Leitungen mit mehreren Sendern und Empfängern
Beim Anschluss von Sendern an Leitungs- zwischenpunkte gilt
für den Reexionsfaktor ankommender Wellen Gl. 3 mit
ZW = ZR = Z:
r=
(Z k RQ ) − Z
(Z k RQ ) + Z R
Die Unterbindung von Reexionen verlangt an den Leitungsenden Abschlusswiderstände mit RA = Z . Die Eingangs- bzw.
Ausgangswiderstände der Empfänger und Sender an Leitungszwischenpunkten müssen hochohmig sein RQ/E Z (Sender als
Stromquellen):
RA = Z
RE ≫ Z
Z
rücklaufende RQ ≫ Z
Welle
uQ
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hinlaufende
Welle
Z
RA = Z
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1. Leitungen
4. Sprungantwort
Impulsfahrplan bei Signaleinspeisung in der Mitte:
RA = Z
RE ≫ Z
−lr
rücklaufende RQ ≫ Z
Welle
uQ
Z
hinlaufende
Welle
0
x
0
x
0
−lr
x
lh
u(lh , t) = uE t −
lh
Ausbreitung von
Rechtecksignalen
RA = Z
Z
lh
v
u(0, t) = uQ
t
u(−lr , t) = uE t −
lr
v
Die ersten Rechnernetze mit Koax-Kabeln (Datenrate bis 10
MBit/s) waren elektrisch so aufgebaut, heute ersetzt durch
Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und Switches.
Heute ndet man diese Struktur noch bei Feldbussen, z.B.
dem CAN-Bus. Keine Funktion ohne Abschlusswiderstände.
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1. Leitungen
4. Sprungantwort
PCI-Bus
Beim PCI-Bus haben die Adress-, Daten- und Steuerleitungen
(auÿer dem Takt) keine Abschlusswiderstände. Aktive Signalquelle RQ ≈ Z . Empfänger und inaktive Signalquellen RE Z .
RE ≫ Z
−lr
rücklaufende
RQ = Z
Welle
uQ = U0 · σ(t)
Z
x
r=1 r≈0
0
hinlaufende
Welle
1−r ≈
2
3
r≈
r≈
1
3
1−r ≈
Z
0
1
3
2
3
lh
x
r=1
An den Leitungsenden beträgt der Reexionsfaktor 1 und am
Einspeispunkt für die reektierte Welle 0,33.
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27. Oktober 2015 36/45
1. Leitungen
4. Sprungantwort
Übertragung eines Rechtecksignals:
uQ
x
u(lh , t)
1V
0
lh
u(+dx, t)
0
−lr
u(−dx, t)
t
u(−lr , t)
1V
0
1V
0
1V
0
1V
0
t
Bei Übertragung eines Sprungs kommen am Empfänger an:
das erste Drittel auf direktem Wege,
das zweite Drittel als Reexion von dem Endes auf derselben
Seite des Senders und
4/9 mit der Reexion vom anderen Leitungsende. (1/3
reektiert das Leitungsende und davon kommen nur 2/3 am
Sender vorbei.)
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1. Leitungen
4. Sprungantwort
lh
x
uQ
0
−lr
ua
t
1V
0
1V
0
Der Sender muss nach jedem Signalwechsel warten, bis beide
Reexionen wieder vorbei gekommen sind, d.h.
Ausbreitungsgeschwindigkeit mal doppelte Länge der
Busleitung.
Die Längenbegrenzung der Busleitung begrenzt die maximale
Anzahl von PCI-Slots, die eine Rechner haben kann.
Der 66MHz-PCI-Bus ist nur halb so lang und hat nur halb
so viele Slots wie der 33MHz-PCI-Bus.
Neuere Bussysteme bevorzugen auch hier die schaltungstechnisch aufwändigere, aber wesentlich schnellere und elektrisch
einfachere Punkt-zu-Punkt-Struktur.
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1. Leitungen
5. Messen von Leitungsparametern
Messen von Leitungsparametern
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1. Leitungen
Messaufbau
5. Messen von Leitungsparametern
Messleitung
Testleitung
ZM = 50 Ω
ZT , tTLtg
Abschlusswiderstand
RA
Oszillogramm
RQ = Z M
RE ≫ Z
uQ = U0 · σ(t)
Signalgenerator
2
Oszilloskop
U0
U0 /2
0
2 · tTLtg
Der Generator speist 50% des Sprungs in die Messleitung.
Die Höhe des ersten Sprungs auf dem Oszi ist 1+r
2 · U0 .
Die Reexion am Leitungsende verursacht nach der
doppelten Leitungslaufzeit einen zweiten Sprung2 .
Zur Bestimmung von Z den Abschlusswiderstand RA so
einstellen, dass keine Reexionen auftreten und messen.
Die Sprungwelle läuft dann weiter mit abnehmender Amplitude zwischen
Oszi und
RA
hin und her und erzeugt weitere kleine Sprünge auf dem
Oszi-Bild. Die Leitungslaufzeit ist die Hälfte zwischen den Sprüngen.
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1. Leitungen
6. Aufgaben
Aufgaben
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1. Leitungen
6. Aufgaben
Elektrisch lang?
Auf einer Leitung der Länge l = 1 m mit einer
Ausbreitungsgeschwindigkeit von v = 10 cm
ns wird ein
Kosinussignal mit einer Frequenz von f = 1 MHz übertragen.
Wie groÿ ist die Wellenlänge?
Muss die Leitung als elektrisch lang modelliert werden?
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1. Leitungen
6. Aufgaben
Reexionsfaktor
Wie groÿ ist der Reexionsfaktor, wenn das Ende eines
50Ω-Kabels oen gelassen (RA → ∞) oder kurzgeschlossen
wird (RA = 0)?
Wie groÿ ist in beiden Fällen die reektierte
Spannungswellen im Verhältnis zur ankommenden
Spannungswelle?
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1. Leitungen
6. Aufgaben
Sprungantwort
A
uQ =
RQ
0t<0
U0 t ≥ 0
U0 = 4 V
RQ = 300 Ω
B
uA
Z1
tLtg1
Z1 = 100 Ω
Z2 = 50 Ω
R1
C
uB
tLtg1 = 2 ns
tLtg2 = 1 ns
Z2
tLtg2
R2
uC
R1 = 100 Ω
R2 = 33,3 Ω
An welchen der Punkte A bis C treten Reexionen auf und
in welchen Richtungen?
Was für Wellen löst der Sprung in den ersten 8 ns aus?
Startort, Startzeitpunkt,
Ausbreitungsrichtung und Amplitude.
Spannungsverlauf an den Punkten A bis D.
Spannungen im stationären Zustand nach dem Sprung.
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1. Leitungen
6. Aufgaben
Messen von Leitungsparametern
A
RQ
B
Z1
tLtg1
ue
uQ = U0 · σ(t)
C
uB
R1
Z2
tLtg2
R2
E
D
Z3
tLtg3
uC
R3
uD
Z4
tLtg4
R4
a)
gegeben: U0 = 2 V; RQ = 200 Ω
E
Ort
1
8
D
C
B
A
1
2
1V
3,2
ua
5
V
1
4
1
16
V
V
V
7,3
10,7
b)
t in ns
Bestimmen Sie die Wellenwiderstände und Laufzeiten aller
Leitungssegmente.
Bestimmen Sie die Widerstände R1 bis R4 .
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