Katholisches Rundfunkreferat beim WDR Wallrafplatz 7 50667 Köln Tel. 0221 / 91 29 781 Fax 0221 / 91 29 782 www.kirche-im-wdr.de e-mail: [email protected] Die Text-Rechte liegen bei den Autoren und beim Katholischen Rundfunkreferat. Verwendung nur zum privaten Gebrauch! Hörfunkgottesdienst –Übertragung Fronleichnam 2015 Predigt Kaplan Michael Berentzen Fazenda da Esperança, Xanten Liebe Gemeinde hier in der Klosterkapelle und an den Radiogeräten! Das Leben ist häufig so komplex, dass wir versuchen – wo wir eben können – es in feste Formen zu lenken, denn das ist entlastend. Ein einfaches Beispiel: Was haben Sie heute Morgen gefrühstückt? Wahrscheinlich im Großen und Ganzen das gleiche wie gestern und vorgestern. Menschen richten sich eben ein in Gewohnheiten. Jeden Morgen neu entscheiden zu müssen, wann ich aufstehe, das wäre doch zu anstrengend; genau wie immer wieder Uhrzeit und Bestandteile des Frühstücks festzulegen. Vom Tagesrhythmus über die Art und Weise, wie ich unterschiedliche Menschen begrüße: Der Alltag ist bestimmt von vielen kleinen Ritualen. Manches hat sich dabei eingespielt, manches sich bewusst festgesetzt. Die Suche nach festen Strukturen und vertrauten Rahmenbedingungen reicht hinein bis in die menschliche Seele und in zutiefst persönliche Fragen: Was kann mir helfen, damit Beziehungen gelingen? Und noch persönlicher gefragt: Wer oder was prägt mich? Bin ich überhaupt der, der ich sein möchte – oder jemand, den andere so gerne hätten? Möchte ich die Fragen nicht verdrängen, brauchen sie einen festen Ort, wo sie gestellt werden dürfen und einen Raum, wo ich Antworten erwarten kann. Von einem solchen Ort haben die beiden biblischen Texte gesprochen. Im Buch Exodus übermittelt Mose dem Volk Rechtsvorschriften – die Vorstellungen Gottes, wie Leben im Miteinander gelingen kann. Und was tut Mose danach? Er besiegelt die Übergabe mit einem Ritus. Er errichtet einen Altar, bringt ein Brandopfer dar und bestätigt mit dem Blut des Opfertieres das Einwilligen des Volkes, die göttlichen Vorschriften zu befolgen. Auch im Evangelium hören wir davon, wie ein Ritus entsteht: Die Feier der Eucharistie. Jesus knüpft dabei an den Ritus aus dem Buch Exodus an, in dem auch er mit Blut etwas besiegelt. Er bindet seine Hingabe für die Menschen an sein eigenes Blut, daran, 1 dass er alles für die Menschen gibt, dass er nichts zurückgehalten hat, selbst sein eigenes Leben nicht. Jesus weiß um die erhaltende und Halt gebende Wirkung von Riten. Aber er weiß auch um die Gefahr, dass Riten zur hohlen Form werden. Was nützt das Opfer eines Tieres, wenn ich selber nicht bereit bin etwas von mir für andere zu opfern? Was aber könnten Rituale – gerade religiöse Rituale – heute noch bedeuten? Stehen sie nicht immer in der Gefahr, ausgehöhlt zu sein? Andersherum gefragt: Haben sie die Kraft, mich persönlich herauszufordern, vielleicht sogar zu prägen? Wie steht es zum Beispiel um die Verehrung der Hostie, dem gegenwärtigen Gott in der Gestalt des Brotes am heutigen Fronleichnamsfest? Ist es willkommene Möglichkeit, meinen Glauben einmal groß zu zeigen, wo ich doch sonst im Alltag Jesus nicht so einen exponierten Platz einräume? Was ist in meinem Leben anders, weil ich an die Gegenwart Gottes darin glaube? Fronleichnam rückt den Ritus der Eucharistie in besonderer Weise in den Mittelpunkt und hält uns Christen vor Augen: Gott selber bleibt nicht teilnahmslos, er kommt mir nahe. Dieser Ritus möchte nicht Form bleiben, er möchte mich formen. Und wenn ich mich darauf einlasse, verändert das mein Leben. Welche Wirkkraft die Beziehung zu Jesus tatsächlich entfalten kann, wird hier auf der Fazenda da Esperança, dem „Landgut der Hoffnung“ sichtbar. Es ist eine franziskanische Lebensgemeinschaft, die vor über 30 Jahren in Brasilien aus dem Leben einiger engagierter Mitglieder einer katholischen Kirchengemeinde entstand und seit fast genau sechs Jahren hier in der Nähe von Xanten eine Niederlassung gefunden hat. Eine der Aufgaben ist es, Menschen aus Krisensituationen aufzufangen. Konkret leben einige Drogenabhängige hier auf dem Landgut zusammen mit Menschen die dieser geistlichen Gemeinschaft angehören. Im Miteinander gilt es, alte Gewohnheiten aufzugeben und neue Rituale zu finden. Die Erfahrung zeigt hier: Menschen können ihr Leben neu gestalten, selbst aus einer so starken Prägekraft wie der Droge, finden viele in ein selbstbestimmtes Leben zurück. Über die zwei Jahre, in denen ich hier immer wieder zu Gast sein darf, habe ich zu vielen der Menschen eine sehr persönliche Beziehung aufgebaut. Darin hat mich vor allem beeindruckt, in welcher Weise viele ihr Leben um-formen, manchmal sogar auf den Kopf stellen lassen und welch große Bereitschaft dazu sie selber mitbringen. Für mich wird hier in besonderer Weise sichtbar, wie wirksam und konkret Gottes verwandelnde Kraft sein kann, wenn ich sie wirken lasse. Denn solch eine Wandlung bis hinein in gefestigte Persönlichkeitsstrukturen kann keiner aus eigener Kraft leisten. Diese 2 Kraft wird hier geschenkt: In den festen Formen des Gebets und des täglichen Bibelteilens. In der neuen Art der Beziehung untereinander, die Misstrauen durchbricht und den Anderen ganz konkret zu lieben sucht. Und eben auch in der Messfeier, die hier regelmäßig gefeiert wird. Nicht als äußere oder hohle Form, sondern als Ausdruck und Fundament des alltäglichen Miteinanders. Für mich und viele andere Besucher des Landgutes sind die Bewohner daher echte Zeugen dafür, dass Gottes Kraft verwandeln kann. Sogar mich. 3
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