12 BRANCHEN Gefrorener Eis ist nicht gleich Eis. Bei „GelatoMio“ in C produziere keine Süßigkeiten, sondern gesu Der gute Ruf dieser zart schmelzenden Handwerkskunst schallt bis in den Vatikan – als Komposition aus Ziegenmilch, Boskoop-Äpfeln, Mandeln und Zimt eroberte das Bioeis „manufaktum im Münsterland“ schon den Gaumen des Papstes. Offenbar ein Genuss für Franziskus: Denn über seinen Konvent ließ das Kirchenoberhaupt den westfälischen Eismeistern telefonisch ausrichten, dass ihm die Kostprobe aus Coesfeld gemundet hat. Trotzdem soll dieser gefrorene Gourmet-Gipfelsturm aus Schafsjoghurt mit leichter Minzenote ein schnödes Lebensmittel sein? S Stilechter Werbeträger: Den fabrikneuen Piaggio-Ape nutzen Rosie und Toni Manusé auch, um die Einkäufe bei den Bio-Bauern der Region zu erledigen. . Fotos: Maike Harhues o recht nimmt das Rosie Manusé keiner ab. Zumindest keiner, der ihr Ergebnis von Können und italienischer Kreativität gekostet hat. Doch der lebenslustigen Sizilianerin ist es eine Herzensangelegenheit: „Ich produziere keine Süßigkei- ten, sondern gesunde Nahr mit Rohrzucker, die gut tun.“ ihrem Eis finden sich nur rein Bio-Zutaten aus der Region, k liches Aroma, kein Milchpu Pflanzenfette, keine Gesch stärker. „Es ist wie beim Ka Der kommt bei uns auch aus e toffeln und nicht aus Pfanni den Tisch“, verdeutlicht die Und wenn die Konditorin un terin nur an blaues Schlump verzieht sie gar gequält das G No-Go an ihren nostalgischen in Coesfeld, Rosendahl, Bille Münster und dem Eis-Fahrra Bio-Markt am Domplatz in M demnächst mit einem Franch nehmer sogar in Stuttgart. „W mit Anfragen für weitere De von Cafés und Restaurants bombardiert – aber es muss Konzept passen. Sprich: We cker mit 30 Filialen unser Eis will, aber nicht ein Bio-Brot i hat, dann passt das nicht zu Toni Manusé klar. Eigentlich Ehemann Rechtsanwalt: „Ab Eissaison, da bin ich nur ein Woche in meiner Kanzlei in schmunzelt der 42-Jährige. Der Sizilianer selbst stammt a ten Eisdynastie, sein heute Vater, ebenfalls mit Vorname men aus der Region. herstellt, italienisch sind: Die Zutaten stam Eis ihr susé Man e Rosi n dene nach n die Rezepte, Handwerkskunst im Eislabor: Auch wen Branche fehlt der Nachwuchs OFFEN GESAGT Im Münsterland sind nur noch 81 Gelaterien Mitglied der Handwerkskammer E D ie Zahlen geben zu denken: Nur noch 81 Gelaterien sind Mitglied der Handwerkskammer Münster für 78 Städte und Gemeinden des Münsterlandes, 2013 waren es noch 83 und 2003 sogar noch 114. Trotzdem bietet eigentlich jede Stadt mehr als eine Eisdiele und manchmal schon eine Gemeinde mit bloß 15 000 Einwohnern sogar zwei. Die Fassade könnte aber täuschen: „Nicht an jedem Eiscafé mit schönem italienischem Ladenlogo und Eismaschine in der Küche wird das Eis auch nach italienischer Machart handwerklich hergestellt“, stellt Dr. Annalisa Carnio klar. Die Pressesprecherin von Uniteis (Union italienischer Speiseeishersteller in Deutschland) gibt zu bedenken: „Viele Betreiber sind Filialisten, kaufen also von Handwerksbetrieben zu.“ Die kostengünstigere und schnelle Alternative: „Basismix+Ihre Geschmackspaste+Eismaschine = Ihr Eis in nur acht Minuten, große Volumenzunahme, deklarationsfrei für Ihre 200 Sorten“ lautet das Angebot der Privatmolkei Naarmann aus Neuenkirchen bei Rheine an Großkunden. Viele Betriebe stellten das Speiseeis in dieser Art her, das sei dem Verband bekannt, dessen Mitglieder sich hingegen für eine Qualitätsoffensive starkmachten. Denn wer bei Uniteis sei, füge seinem Fruchteis selbstverpflichtend mindestens 20 Prozent frisches Obst hinzu, dem Milcheis 70 Prozent Milch. Von den von Uniteis geschätzten 9000 Eisdielen Deutschlands sind allerdings nur 3300 Mitglied im Qualitätsverbund. Nicht ausschließlich Italiener: „Als Berufsverband müssen wir uns anderen Nationalitäten öffnen“, weiß Carnio. Denn die Branche plagten Nachwuchssorgen: Die in Deutschland aufgewachsenen Bambini der Gelatieri hätten oft einen akademischen Abschluss . Diese Generation habe längst nicht immer Lust, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Deshalb lautet die Devise: Mit einem exquisiten Produkt bei den Kunden punkten. Beispiel: „Unser Eis des Jahres 2015, Erdbeere mit Balsamico, vereint ein Sym- bol Italiens mit einer deutschen Frucht – und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Qualität italienischen Speiseeises“, glaubt Carnio. Gourmetanspruch im Zeichen der Schnecke: „Die Philosophie der Coesfelder Eismanufaktur, keine Süßigkeit herzustellen, passt gut in unser Konzept“, betont Manfred Wöstmann. Zusammen mit Gleichgesinnten hat der Vorsitzende des Conviviums Münster, das Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft. „Die Slow-Food-Unterstützung ist aber eine unternehmerische Selbstverpflichtung, wir kontrollieren nicht regelmäßig, ob noch alles so schön läuft wie bei der Erstpräsentation“, schiebt der Havixbecker hinterher. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den Beruf auch für die Jugend außerhalb der italienischen Gelatieri-Familie attraktiv zu machen, ist der seit 2008 in Deutschland anerkannte Ausbildungsberuf des Speiseeisherstellers. Zehn Lehrlinge wurden seitdem im Münsterland ausgebildet. Gebüffelt wird in den Wintermonaten, um die Schüler in der Saison nicht von den Betrieben fernzuhalten. ma Kein Einheitsschleck ine Kugel schlecken beim Shopping, einen Becher vertilgen beim Bummeln, eine kühle Erfrischung beim Familienausflug – Eis beschert schnellen Spaß. Genuss mit zumindest einer Garantie: In der Waffel landet der allgemein erwartete Einheitsgeschmack. Die Frage nach Herkunft und Qualität der Rohstoffe kommt dabei meist gar nicht erst auf. Wer sie (sich) dennoch stellt, der merkt rasch, dass eine italienisch anmutende Fassade und traditionelle Handwerkskunst aus der StiefelHalbinsel längst nicht immer zusammentreffen. Schade, denn der Markt für Schmelz mit Anspruch ist da, wie die steile Nachfragekurve belegt, die die Coesfelder Manufaktur erlebt. Doch die Zahl der Betriebe, die diese Nische nutzt, bleibt vorerst winzig. Sie verpassen eine Chance: Ihr Profil zu schärfen, indem sie sich von dem Eiscafé abzusetzen, das sich beim Flanieren durch Innenstädte allenthalben findet. Der höhere Preis pro „Bällchen“ dürfte viele Kunden nicht abschrecken. Denn die Bereitschaft, weniger oft oder weniger viel zu naschen, dafür aber den Gaumen nachhaltig zu kitzeln und echte Zutaten zu erschmecken, setzt sich ebenso immer mehr durch wie die Erkenntnis, dass wertvolle Lebensmittel schlichtweg ihren Preis haben. Maike Harhues & BETRIEBE 13 Gourmet-Gipfelsturm Coesfeld wird dieser Satz gelebt. Dort kommen nur Bio-Zutaten in die Eismaschine. „Ich nde Nahrungsmittel“, sagt Inhaberin Rosie Manusé. Und die schmecken sogar dem Papst. rungsmittel “ Sprich: In ne saisonale kein künstulver, keine hmacksverartoffelbrei: echten Kar-Pulver auf e Gelatiere. nd Eismeispfeis denkt, Gesicht. Ein n Eistheken erbeck und ad auf dem Münster und hise-UnterWir werden pendancen s praktisch s schon ins enn ein Bäs verkaufen im Angebot uns“, stellt h ist Rosies ber jetzt ist nmal in der n Münster“, italienisches Eis sogar schon in Australien zubereitet und verkauft. Der Senior unterstützt die beiden Bio-Eispioniere immer noch tatkräftig. „Natürlich gibt es schon Bio-Eismanufakturen in Deutschland, aber wir sind die ersten, die Bioeis nach original italienischen Rezepten herstellen“, darauf pocht Manusé junior. Das Rezept des Erfolges ist einfach: „Das Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt. Unsere Küche ist praktisch gläsern.“ Mit einem augenzwinkernden Seitenhieb auf die Altvorderen ihrer Branche, die viel Wind um jahrhundertealte Familienrezepturen machten und sich nicht in die Eisküchen gucken lassen wollen. „Um dann unter diesem Deckmantel das Eis mit Aromen, Wasser, Milchpulver und Farbstoffen zuzubereiten“, moniert die zweifache Mutter. Während sie dabei die Aromen-Kataloge zückt, die sie zur Abschreckung und als Ansporn, dass die wahren Handwerker es viel besser können, ebenfalls in ihren Eisseminaren präsentiert. Der Lackmus-Test ist im Grunde simpel: „Wenn im Vanilleeis keine dunklen Stücke des Markes und im Zitroneneis keine Zitronenstückchen sind, dann ist beides nicht drin, und wenn das Erdbeereis aus einer al- knallpink leuchtet, liegt das an den Farb85-jähriger stoffen.“ Das Erdbeereis von „Gelatoen Toni, hat Mio“ feiert gerade den Saisonstart – „denn seit wenigen Wochen sind die ersten Bio-Erdbeeren im Münsterland reif“ – und der Schmelz kommt zartrosa mit deutlich erkennbaren Erdbeerstückchen daher. Leider ein Genuss für wenige Monate, denn außer frisch und saisonal kommt bei den Manusés nichts in die nagelneuen Eismaschinen. „Das Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt. Unsere Küche ist praktisch gläsern.“ Toni Manusé Zum Glück sprudelt Rosie förmlich vor Ideen: Wildfenchel-, Spargel-, Rosenund Lavendeleis, Sorten mit gerösteten Pinienkernen oder Lakritze oder Rhabarber, Muskatnuss, Maronen oder Safran, Fruchtsorbets und viele Geschmacksrichtungen mit dem Vorzeichen „vegan“. Manchmal kommen die Ideen extrem spontan: „Zum Abendessen wollte ich Artischocken dünsten – schwupp, hat meine Frau sich das Gemüse geschnappt und bis in die Nacht hinein im Eislabor Artischocken-Eis kreiert“, kramt Toni Manusé eine der vielen Unternehmensanekdoten hervor. Was gewaltig gewöhnungsbedürftig klingt, soll mit Crema di balsamico ein Hochgenuss sein. „Kann ich mir auch in einem mehrgängigen Menü gut als Zwischengang vorstellen“, schwärmt der Gourmet. Doch nicht nur kulinarisch sind die Manusés sehr anspruchsvoll: Ihre Rezepturen sind italienisch, doch die Bio-Zutaten nicht weit gereist. Milch und Sahne von Söbbeke, Eier aus Gescher, die Früchte aus Gelmer und Tecklenburg. Rigorose Regionalität mit klitzekleinen Ausnahmen: Bei Pistazien und Zitronen, da gibt es keine, in denen mehr Aroma schlummert, als die aus der Heimat Sizilien. Die Qualität hat seinen Preis: „Die Pistazien aus Bronte sind in diesem Jahr 40 Euro pro Kilo teurer, auf einen Preis von 130 € geklettert“, stöhnt Toni Manusé. Trotzdem hat er nicht vor, den Preis von 1,60 € pro Kugel noch zu erhöhen. Stattdessen produziert er einige Zutaten selbst: Auf Sizilien baut der Jurist jetzt seine Bio-Mandeln an, die Kräuter wachsen zum Glück im Garten neben dem Offizierskasino – vis-à-vis zu 30 grasenden Schafen des Naturschutzzentrums Coesfeld. Doch nicht nur Schafe und Ziegen sind der Eismanufaktur als Zutatenlieferanten ans Herz gewachsen: Unter dem Zeichen der Schnecke brüstet sie sich als Slow-Food-Unterstützer. Und schrieb hier besondere Erfolgsgeschichte: Die Jury des „Feinschmecker“-Magazins hat sich auf der letzten Slow-Food-Messe nicht nur durch außergewöhnliche Sorten wie Quitte und Hokkaido-Kürbis und Wildstachelbeere geschleckt und die Qualität gecheckt: Nein, die Fachleute – beim Test selbstverständlich inkognito – haben die Handwerkskunst aus der Coesfelder Manufaktur sogar zum „Feinschmeeck ker-E Eis 2015“ gek kürtt. Ein großer Meilenstein in der noch jung gen Unternehmensgesch hichte der Familie Man nusé und Motivation n zugleich, sicch auf das zu besinnen, worau uf es der Chefin ankommt: „W Was ich hier seit vergangeneem Jahr tägllich mache, hat einen ho ohen Wert, auch wenn er uns nich ht reich macht“, unterstreicht diee gebürtige Sizilianerin n in der Küche des ehema aligen Offizierskasinos der alten Kaserne Coesfeld. Konversion im Zeichen der Kulinarik: Jetzt umfunktioniert zum kreativen Eislabor, in dem Manusé ausbilden darf und der jüngere Sohn Nicholas mit seinen elf Jahren gern in die Eiseimer schaut. Als besonderes Kompliment für ihre Arbeit empfindet sie, dass ihr älterer Sohn Christian Ökotrophologie studieren und in die Eismanufaktur mit einsteigen will. Maike Harhues Alles im Eimer: Joghurt, Eier, Rohrzucker und Minze für den perfekten Schmelz. Sparkasse ist, wenn man tut, was man versteht. Und versteht, was man tut. Fokusthema: generationenübergreifende Beratung Erfahren Sie mehr über Vertrauen ohne Verfallsdatum und über die PE.WE. Erfolgsstory auf www.sparkassen-mittelstand.de
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