Empirie zur Reglementierung von Berufszugängen Dr. Klaus Müller, Geschäftsführer ifh Göttingen Dr. Matthias Lankau Berlin, 23.06.2015 Das ifh Göttingen als Forschungsstelle des Deutschen Handwerksinstituts e.V. wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages sowie von den Wirtschaftsministerien der Bundesländer und vom Deutschen Handwerkskammertag. Inhalt 1. 2. 3. 4. Vorbemerkung Theoretische Vorteile einer Deregulierung Relevante empirische Erkenntnisse Zusammenfassung und Fazit PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 2 1. Vorbemerkung • Auszug aus einem vom ZDH in Auftrag gegebenen Literaturgutachten zu den Auswirkungen von Reglementierung von Berufszugängen im Allgemeinen • Ziel ist kritische Hinterfragung der Argumentation der EU-Kommission (COM (2013), 676) • Rückbezug der Aussagekraft auf dt. Handwerk • Vortrag fokussiert auf empirische Erkenntnisse zu den Vorteilen von Deregulierungen PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 3 1. Verwendete empirische Studien 1. Canton, Eric ; Ciriaci, Daria; Solera, Irune (2014): The Economic Impact of Professional Service Liberalizations, EU-Kommission, Economic Papers 533, 2. Centre for Strategy and Evaluation Services (2012): Study to provide an Inventory of Reserves of Activities linked to professional qualifications requirements in 13 EU Member States & assessing their economic impact. EU Kommission: DG Internal Market and Services. 3. Forth, John; Bryson, Alex; Humphris, Amy; Koumenta, Maria; Kleiner, Morris (2011): A review of occupational regulation and its impact, UK Commission for Employment and Skills. 4. Kleiner, Morris (2006): Licensing Occupations – Ensuring Quality or Restricting Competition? W.E. Upjohn Employment Institute, Michigan 5. Kleiner, Morris M.; Krueger, Alan B. (2010): The Prevalence and Effects of Occupational Licensing. British Journal of Industrial Relations, 48:4, 676–687. 6. Koumenta, Maria; Humphris, Amy; Kleiner, Morris; Pagliero, Mario (2014): Occupational Regulation in the EU and UK: Prevalence and Labour Market Impacts. Queen Mary University of Londion. 7. Rostam-Afschar 2014: Entry regulation and entrepreneurship: a natural experiment in German craftsmanship, Empir Econ (2014) 47:1067–1101 8. Wambach, Achim (2015): Der Dienstleistungssektor in Deutschland Überblick und Deregulierungspotenziale. Studie des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln im Auftrag des UK Department for Business, Innovation and Skills PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 4 Inhalt 1. 2. 3. 4. Vorbemerkung Theoretische Vorteile einer Deregulierung Relevante empirische Erkenntnisse Zusammenfassung und Fazit PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 5 2. Theoretische Vorteile einer Deregulierung 1. Förderung der Beschäftigung Gründung Mobilität von Fachkräften in der EU 2. Stärkung der Wettbewerbsintensität Größere Auswahl Fallende Preise (Kosteneinsparungen, geringere Löhne) Verstärkte Innovationsanreize 3. Multiplikatoreffekte 4. Stärkung des Wachstums PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 6 Inhalt 1. 2. 3. 4. Vorbemerkung Theoretische Vorteile einer Deregulierung Relevante empirische Erkenntnisse Zusammenfassung und Fazit PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 7 3. Relevante empirische Studien I. Beschäftigungseffekte - USA Kleiner (2006): Regulierung & Beschäftigungswachstum • Berufe: Bibliotheksangestellte, Atemwegstherapeuten, Ernährungsberater • Daten und Zeitraum: Census, 1990-2000 • Methode: Vergleich gleicher Berufe in unterschiedlichen US-Bundesstaaten Ergebnis: Regulierung bremst das Beschäftigungswachstum Beschäftigtenzahl wuchs in regulierten Berufen ca. 20% langsamer als im gleichen deregulierten Beruf PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 8 3. Relevante empirische Studien I. Beschäftigungseffekte - EU CSES (2012): Regulierung & Beschäftigung (u.a.) • Bildung eines Regulierungsindex für Berufsgruppen in EU-Länder • Analyse des Einflusses von Indexvariationen auf Beschäftigung in den einzelnen Berufen keine schlüssigen Ergebnisse PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 9 3. Relevante empirische Studien I. Beschäftigungseffekte: Deutschland - Handwerk Rostam-Afschar 2014: Entry regulation and entrepreneurship: a natural experiment in German craftsmanship, Empir Econ (2014) 47:1067–1101 1. 2. 3. 4. Der Autor untersucht die Auswirkungen der HwO-Novelle im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeiten zur Selbständigkeit. Der Untersuchungszeitraum bezieht sich auf die Jahre 2002 – 2008 Die Studie basiert auf den Daten des Mikrozensus. Er definiert vier Vergleichsgruppen: a) b) c) d) Anlage A: Meisterbetriebe (AC), für die sich nach der Novelle nichts verändert hat Anlage A: Handwerkszweige, in denen man sich mit Hilfe der Altgesellenregelung selbstständig machen kann (A1) Anlage AeT: Handwerkszweige, in denen sich Altgesellenbetriebe mit einfachen Tätigkeiten selbstständig machen können (A2) Anlage B1: Keine Anforderungen (B1) PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 10 3. Relevante empirische Studien I. Beschäftigungseffekte: Rostam-Afschar (R-A) - Ergebnisse • Zwischen 2002 und 2008 ist die Anzahl der selbständigen Handwerker am stärksten in den B1-Handwerken gestiegen, aber auch in A1 (Altgesellen) sind Zuwächse zu verzeichnen. • Die Eintrittswahrscheinlichkeiten nach der Reform wurden vor allem von männlichen Handwerkern in den Gruppen B1 und A1 wahrgenommen. • Nicht- oder Geringqualifizierte haben innerhalb der B1-Berufe nach der Reform eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, eine Selbständigkeit zu starten. • Während die Eintrittswahrscheinlichkeiten vor allem in B1 und A1 stark gestiegen sind, seien die Austrittswahrscheinlichkeiten unverändert geblieben. PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 11 3. Relevante empirische Studien I. Beschäftigungseffekte: Rostam-Afschar (R-A) – Kritik (1) 1. Die Verwendung des Mikrozensus dürfte problematisch sein, vor allem, da hier die Differenzierung des Handwerks nach A- und B1-Handwerken nur sehr grob möglich ist. 2. R-A nimmt eine unsinnige und definitiv falsche Unterscheidung des Handwerks in A1 und A2 vor. Dies zeigt, dass er vom deutschen Handwerk nur wenig Ahnung hat. 3. R-A verwendet für seine Analyse den Difference-in-DifferenceAnsatz. Dieser ist jedoch problematisch, da die Kontrollgruppe sehr klein ist (nur 6 Handwerkszweige), die außerdem nicht den gleichen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterliegt. PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 12 3. Relevante empirische Studien I. Beschäftigungseffekte: Rostam-Afschar (R-A) – Kritik (2) 1. Seine Erkenntnisse sind nicht neu außer seiner Aussage, dass die exitRates in den B1-Handwerken nicht gestiegen sind. Hier sagt die Handwerksstatistik etwas anderes. Außerdem steht hier seine Argumentation auf schwachen Füßen (gibt er selbst zu). 2. Allein die Tatsache, dass die Zahl der Gründungen gestiegen ist, muss volkswirtschaftlich nicht positiv sein. Für die Beurteilung ist es wichtig zu wissen, ob hiermit ein Drehtüreffekt verbunden ist (dann keine Beschäftigungswirkungen) und ob die Gründer einen Preis- oder einen Qualitätswettbewerb führen. Ein Preiswettbewerb könnte volkswirtschaftlich problematisch sein, wenn es sich um Erfahrungs- und Vertrauensgüter handelt. 3. Die zentralen und volkswirtschaftlich wichtigen Auswirkungen der HwOReform (Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft, Beschäftigungseffekte, Bildung von Humankapital) werden von ihm nicht untersucht. PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 13 3. Relevante empirische Studien I. Beschäftigungseffekte – Mobilität im EU-Binnenmarkt Koumenta et al. (2014): 1. Migration innerhalb der EU Migranten arbeiten seltener in regulierten Berufen Die Gründe hierfür sind unbekannt 2. EU-Immigration in das Vereinigte Königreich EU-Immigranten arbeiten genauso häufig in regulierten wie in deregulierten Berufen Es existiert kein kausaler Zusammenhang zwischen Lizenzierungen und Immigration Berufsanerkennungsrichtlinie ist effektiv PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 14 3. Relevante empirische Studien II. Wettbewerbsintensität – Preise und Löhne • Vergleichsweise wenige aktuelle Studien zu den Effekten von Regulierungen auf Preise • Häufiger wird der Einfluss von Regulierungen auf Löhne untersucht • Bei einer Deregulierung müssten Löhne fallen, da • Verstärkter Konkurrenzkampf • Geringere Zahlungsbereitschaft der Kunden • Größeres Angebot an Arbeitskräften PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 15 3. Relevante empirische Studien II. Wettbewerbsintensität – Löhne USA Studie Kleiner, 2010 Kleiner, 2006 Datenbasis Nat. repräsentative Telefonumfrage, 2006 Census-Daten 1990-2000 Methode Multivariate Regression Kontrollvariablen für Berufe und Berufsgruppen Multivariate Regression Vergleich gleicher Berufe in unterschiedlichen USBundesstaaten Lohnunterschied 15% durch Lizenzierung PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 4% 16 3. Relevante empirische Studien II. Wettbewerbsintensität – Löhne UK Studie Koumenta et al. 2014 Fourth et al. 2011 Datenbasis Quarterly Labor Force Survey 2001-2013, Fallstudien Lizensierung Quarterly Labor Force Survey 2001-2010, Fallstudien Regulierung allgemein Methode Lohndifferenz zwischen lizenzierten und ähnlichen unlizenzierten Berufen Vergleich von Differenzen zwischen regulierten und unregulierten Berufen über die Zeit Wirtschaftsprüfer 19,1% Zahnärzte 13,7% Apotheker 9,5% Architekten 8,7% Sicherheitskräfte 1,7% Sicherheitskräfte 6% Sozialarbeiter, Klempner, Lehrer Pflegemanager, Pflegepersonal Kindererzieher, Automechaniker Lohnunterschied Keine Unterschied PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 17 3. Relevante empirische Studien II. Wettbewerbsintensität – Aggregierte Messungen in der EU Canton et al. (2014) • Einfluss von Regulierungen auf: 1. Ertragskraft 2. Allokative Effizienz: Überleben der effizientesten Firmen • Professionelle Dienstleister im Zeitraum 2008-2011 • Rechtsberatung, Wirtschaftsprüfung, Architektur, Ingenieurswesen • Basis: OECD Product Market Regulierungsindex (PMR) 1. Zugangsregulierung: Qualifikationsanforderungen 2. Verhaltensregulierung: Werbung, Preise und Gebühren PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 18 3. Relevante empirische Studien II. Wettbewerbsintensität – Aggregierte Messungen in der EU • Lockerung der Verhaltensregulierung intensiviert Wettbewerb • Mehr Gründungen, mehr Insolvenzen • Steigerung der Verteilungseffizienz der Ressourcen • Absenkung der Ertragskraft der Unternehmen • Aber: keine empirischer Beleg, dass Lockerung der Zugangsregulierungen den Wettbewerb intensiviert PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 19 3. Relevante empirische Studien II. Wettbewerbsintensität – Aggregierte Messungen in der EU Wambach, Achim (2015) • Einfluss der Regulierung von Dienstleistern auf nachgelagerte Sektoren zwischen 2008-2011 1. Bruttowertschöpfung in der Gesamtwirtschaft 2. Bruttowertschöpfung in der Industrie • Basis: OECD Product Market Regulierungsindex für Professionelle Dienstleistungen (PMR) • Rechtsberatung, Wirtschaftsprüfung, Architektur, Ingenieurswesen PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 20 3. Relevante empirische Studien II. Wettbewerbsintensität – Aggregierte Messungen in der EU Lockerung der Regulierung erhöht die Bruttowertschöpfung sowohl in der Industrie als auch in der Gesamtwirtschaft Senkung der Preise für Vorprodukte Stärkung der Wettbewerbsposition für International tätige Unternehmen Steigerung der Wirtschaftsleistung • Aber: unklar, ob Effekte aus der Regulierung des Zugangs oder des Geschäftsverhaltens stammen PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 21 3. Relevante empirische Studien II. Wettbewerbsintensität – Qualität und Innovationen • Zum Einfluss von Regulierungen auf Qualität existiert ein Literaturüberblick für die USA durch Kleiner (2006). Der Autor findet keinen Zusammenhang • Sowohl Qualität als auch Innovationen sind empirisch schwer zu messen • Aussagekraft von diesbezüglichen Studien ist momentan eher gering PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 22 Inhalt 1. 2. 3. 4. Vorbemerkung Theoretische Vorteile einer Deregulierung Relevante empirische Erkenntnisse Zusammenfassung und Fazit PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 23 4. Zusammenfassung und Fazit • Fokus des Vortrags: Vorteile einer Deregulierung von Berufszugängen • Einschlägige Studien vor allem in den USA • Förderung der Beschäftigung • Verringerung von Löhnen und Preisen • Empirie bzgl. der EU bisher eher gemischt, auch aufgrund einer schlechteren Datenlage • wenig positive Beschäftigungseffekte • gemischte Auswirkungen auf Löhne und Preise • indirekter Einfluss auf aggregierte Wettbewerbsintensität PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 24 4. Zusammenfassung und Fazit • Übertragbarkeit der bisherigen empirischen Befunde auf das Handwerk eher indirekt • Detaillierte empirische Betrachtung der Auswirkungen der HwO-Novellierung 2004 notwendig • Potenzielle Vorteile von Deregulierungen müssen zwingend den Vorteilen einer Regulierung gegenübergestellt werden • Humankapitalbildung durch die Ausbildung des Handwerks • Versagen des Marktes für hohe Qualität PG Qualifikationserfordernisse 23.6.15 25 Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit ! Dr. Klaus Müller [email protected] +49-551-39 17 4884 Dr. Matthias Lankau [email protected] +49-176-82066895 26
© Copyright 2024 ExpyDoc