Sachverhalt 2015-06-26

Examensklausurenkurs SS 2015
Prof. Dr. Brian Valerius
Examensklausurenkurs Sommersemester 2015
A u f g a b e v o m 2 6. J u n i 2 0 1 5
(Arbeitszeit: 5 Stunden)
Teil I:
Das frisch vermählte Ehepaar Franziska und Matthias verbringt einen Grillabend in
der Wohnung der Eltern von Matthias. Während des Abends geraten beide in einen
heftigen Ehestreit, so dass Franziska wütend das Zimmer verlässt. Matthias folgt ihr
in die Küche, wo es zu einer weiteren lautstarken verbalen Auseinandersetzung
kommt, an deren Ende Matthias Franziska eine einzelne heftige Ohrfeige verabreichen will. Franziska dreht sich jedoch behände weg, so dass Matthias durch den eigenen Schwung das Gleichgewicht verliert und mit dem Hinterkopf auf den Boden
fällt. Franziska schlägt nunmehr auf den am Boden liegenden und gerade wehrlosen
Matthias ein. Als der schon deutlich benommene Matthias Franziska weder mit Worten noch durch die Androhung, sein Klappmesser mit 10 cm langer Klinge, das er
stets bei sich trägt, einzusetzen, von weiteren Schlägen abbringen kann, zieht er tatsächlich mit letzter Kraft sein Klappmesser aus der Hosentasche und sticht blindlings
Richtung Franziska zu. Matthias nimmt hierbei billigend in Kauf, Franziska tödlich zu
verletzen. Tatsächlich trifft er sie mit seinem Messer derart in den Oberkörper, dass
sie stark blutend auf der Stelle zusammenbricht. Matthias bemerkt zutreffend, dass
Franziska lebensgefährlich verletzt ist. Er geht vor die Küchentür, vor der seine Eltern den gesamten Streit über gewartet und auf ein friedliches Ende gehofft haben,
und bittet sie eindringlich, sofort einen Arzt zu rufen, bevor er Hals über Kopf die
Wohnung verlässt. Allerdings haben bereits die Nachbarn den Streit mitbekommen
und die Polizei informiert, die neben einer Streife auch Rettungskräfte vorbeischickt,
die das Leben von Franziska retten können, bevor der von den Eltern verständigte
Notarzt eintrifft.
Matthias lässt sich unterdessen von Taxifahrer Tizian in eine Kneipe fahren, in der er
das Geschehene vergessen will. Als Tizian am Straßenrand gegenüber der Kneipe
bei laufendem Motor anhält und seine Geldbörse zückt, um das Entgelt für die Fahrt
zu kassieren, bemerkt Matthias, sein Portemonnaie in der Wohnung seiner Eltern
vergessen zu haben. Um nicht zu zahlen, schlägt er Tizian kurzerhand mit einem
kräftigen Fausthieb bewusstlos, steigt aus und läuft von dannen. Matthias hat nun
endgültig genug von dem Abend und will nur noch nach Hause. Wenige Meter später
fällt ihm aber ein, nach wie vor kein Geld bei sich zu tragen. Er geht daher zurück
zum Taxi von Tizian, nimmt aus dessen Geldbörse 100 €, steckt das Geld ein und
sucht den nächsten Taxistand auf. Tizian erlangt erst wenige Minuten später das
Bewusstsein wieder.
Teil II:
Matthias wird wegen der Geschehnisse in der Wohnung seiner Eltern vor dem Landgericht angeklagt. Franziska hatte einst deswegen nach ordnungsgemäßer Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht vor dem Ermittlungsrichter Emil ausgesagt
und Matthias dadurch schwer belastet. Nachdem sich beide zwischenzeitlich wieder
versöhnt haben, verweigert Franziska in der Hauptverhandlung aber die Aussage
und gestattet ebenso wenig die Verwertung ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung. Der Vorsitzende Richter will daher den Ermittlungsrichter Emil als Zeugen
über die damalige Vernehmung der Franziska vernehmen. Der Verteidiger von
Matthias, Viktor, hält dies indessen für unzulässig. Schließlich habe Ermittlungsrichter Emil die Franziska bei deren Vernehmung nur über ihr Zeugnisverweigerungsrecht als solches belehrt, nicht jedoch darüber aufgeklärt, dass ihre Aussage durch
die Vernehmung der richterlichen Verhörsperson selbst dann verwertbar bliebe,
wenn sie sich in der Hauptverhandlung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht beriefe.
Vermerk für die Bearbeiter:
Beide Teile der Aufgabe sind zu bearbeiten. In einem Gutachten, das auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen eingeht, sind in der vorgegebenen Reihenfolge folgende
Fragen zu beantworten:
Zu Teil I:
Wie hat sich Matthias nach dem Strafgesetzbuch (StGB) strafbar gemacht? Eventuell
erforderliche Strafanträge sind gestellt.
Zu Teil II:
1. Darf Ermittlungsrichter Emil als Zeuge über die Vernehmung der Franziska im
Vorverfahren vernommen werden?
2. Falls Ermittlungsrichter Emil sich bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung
nicht mehr an den Inhalt der Aussage von Franziska erinnern kann: Darf das Protokoll über die Vernehmung von Franziska ergänzend als Urkundsbeweis verlesen werden?
Ausarbeitungen der Klausur können bis zum 29. Juni 2015, 12.00 Uhr, vor bzw. im
Sekretariat des Lehrstuhls für Strafrecht II (RW II, Raum 2.61) abgegeben werden.
Vermerken Sie bitte auf der Klausur, wenn Sie die Klausur am Freitag im Hörsaal angefertigt haben sollten.
Die Rückgabe und Besprechung der Klausur erfolgt am 15. Juli 2015 von 14.00–16.00 Uhr im H 22 (RW II).
Nicht abgeholte Klausuren können im Sekretariat des Lehrstuhls für Strafrecht II entgegengenommen werden.