was macht eigentlich ein bühnenbildner?

WAS MACHT EIGENTLICH EIN BÜHNENBILDNER?
Christian Kiehl arbeitet gerade an Leonce und Lena …
… und realisiert somit nach Die Glasmenagerie und Viel Lärm um Nichts
– auch diesmal wieder im Team mit
dem Regisseur Sebastian Schug,
der Kostümbildnerin Nico Zielke
und dem Musiker Johannes Winde –
inzwischen die dritte Produktion am
Nationaltheater.
»… Aber schreib’, dass der Schauspieler der Mittelpunkt der Arbeit
ist und dass ungefähr 300 Leute auf
eine Inszenierung hin arbeiten, ich
bin nicht das wichtigste Department
…« sagt er bescheiden. Je länger
man ihm zuhört, desto mehr merkt
man, dass diese Haltung geradezu
Programm ist, das Ausgehen vom
Schauspieler und den vielen Spuren,
die andere hinterlassen oder auslegen. Sie werden aufgegriffen, weiterentwickelt … »Theater findet statt,
wenn ein Schauspieler da ist und
Publikum, alles andere kann hilfreich
zur Vielschichtigkeit eines Abends
beitragen … Ich bin bei fast allen
Proben dabei, das liegt aber auch
an der Arbeitsweise des Regisseurs
Sebastian Schug, an der Tatsache, dass dem Schauspieler nicht einfach gesagt
wird, du kommst mit dem Satz von da und nimmst bei diesem Wort die Tasse
in die Hand und schüttelst den Kopf, wenn du das sagst … es wird erfunden,
entwickelt, erprobt, was den Abend trägt, nämlich der Schauspieler und eine
Haltung, seine Situation und das was er sagt natürlich … Und dem möchte ich
unterstützend beiwirken und das meine ich mit Vielschichtigkeit des Abends.
Natürlich sind bestimmte Dinge schon da, wenn’s los geht, aber ob die am Ende
der Proben noch genauso aussehen wie am Anfang und was damit angestellt
wird … Man kann sich was überlegen, aber manchmal passieren Dinge, die kann
man sich nicht ausdenken, sie passieren dem Schauspieler bei der Probe …«
Die Auseinandersetzung mit dem Stücktext beginnt dennoch lange vor den
Proben. Und Leonce und Lena hat Christian Kiehl sogar schon gelesen, lange
bevor er von der Mannheimer Produktion wusste. »Ich hatte sofort das Gefühl,
das ist doch irgendwie reichhaltig. Das liegt daran, dass Büchner viele Orte
beschreibt und auch diesen großen Unterschied, diesen Sprung, zwischen
dem, was Leonce und Lena zuhause in ihren Königreichen passiert und dem,
was passiert, wenn sie diese Orte einmal verlassen. Ich suche immer nach
Wendepunkten, wo ich die Maschinerie anwerfen kann, wo sich was dreht,
hebt, verändert, fällt oder oder oder … diese Sehnsuchtsorte und das Zuhause,
der private und der öffentliche Raum, das Daheim und das Fremde … Ich mag
immer gerne, wenn man nicht so schnell versteht, was gemeint ist, am liebsten
ist es mir, wenn in dem Moment, wo man verstanden hat: ach das soll es sein,
wenn da schon wieder etwas Neues ist, also wenn man überlegt, warum holen
sie jetzt diesen Scheinwerfer, es sollte doch in einem Schlafzimmer spielen
und jetzt steht da ein Scheinwerfer, was hat er da zu suchen … Wie kriegt man
LEONCE UND LENA
Christian Kiehl in den Werkstätten des NTM
das in Gang, den Kopf, die Augen, das Ohr … und das funktioniert eben gut mit
vielen Mitteln …«
Als Grund, immer wieder mit Sebastian Schug zu arbeiten gibt Christian
Kiehl an, es sei da nie eine einzige Stimmung, es sei traurig, lustig, manchmal
blöd, aber auch erotisch, es sei krankhaft, dann wieder poetisch, tiefgründig … Das habe ihn fasziniert an der Arbeit, zu einem Zeitpunkt als er noch
gar nicht beteiligt gewesen sei … die ganzen Ebenen, die man noch anspielen
könne… das sehe er auch im Kostüm von Nico Zielke oder in der Musik von
Johannes Winde, da werde selten nur eine Zeit zitiert … Und genau dieses
Fragmenthafte, Unfertige, Unklare sieht der Bühnenbildner auch bei Büchner:
»Kein komplettes Puzzle, das soll man auch gar nicht fertig zusammensetzen,
Genie und Wahnsinn liegen da nah beieinander, und es gibt Dinge, die man
nicht komplett erklären kann, aber das muss auch gar nicht sein…« Referenzen für Christian Kiehl sind Künstler wie der Fotograf Wolfgang Tillmans, die
Maler Daniel Richter oder Max Ernst. An ihnen schätzt er »so eine, ach, Brutalität in ihrer vielleicht oberflächlichen Unfertigkeit«. Er mag das Kaschieren
nicht: »So wird in meinen Bühnenbildern Farbe ungern flächig aufgetragen,
man kann immer Schrauben sehen, ich sage in der Werkstatt immer, ihr müsst
die nicht alle im gleichen Abstand setzen, setzt sie von Hand drauf, ihr müsst
auch nicht vorsichtig sein, damit ich sehe, hier war ein Tischler, Schlosser,
Maler dran, jetzt haben wir geprobt und deshalb sind Dreckflecken drauf und
man sieht Schuhstriemen am Boden … Ich möchte den Prozess sehen … Man
hat einen Fundus von Materialien, Ebenen, Zeiten, Text, Situationen … und
das Schönste ist, dass man im Theater nichts verkaufen muss … man darf …
mischen …!«
sg
von Georg Büchner
Premiere am Sa, 05. Dezember 2015 um 19.00 Uhr im Schauspielhaus · anschließend Premierenfeier in der Lobby Werkhaus
Inszenierung Sebastian Schug | Bühne Christian Kiehl | Kostüme Nico Zielke |
Musik Johannes Winde | Licht Wolfgang Schüle | Dramaturgie Stefanie Gottfried
Mit Carmen Witt; Julius Forster, Boris Koneczny, Jacques Malan, David Müller, Matthias Thömmes
Voraufführung Do, 03. Dezember, 19.30 Uhr im Schauspielhaus | Nächste Vorstellungen Fr, 11., Di, 12. und Do, 31. Dezember
Karten unter Tel. 0621 1680 150 | [email protected] oder unter www.nationaltheater-mannheim.de