DGB-Positionen zur Arbeitsmarkteingliederung von Flüchtlingen 1. Vorbemerkung: Die Eingliederung von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeitsmarkt ist für die Schaffung gleicher gesellschaftlicher und ökonomischer Teilhabechancen von besonderer Bedeutung. Angesichts der massiv gestiegenen Zahl von Schutzsuchenden stehen die im Bereich von Ausbildung und Beschäftigung tätigen Akteure vor besonderen Herausforderungen. Erforderlich sind Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen und Maßnahmen zur Unterstützung der Flüchtlinge bei der Eingliederung in Ausbildung und Arbeitsmarkt sowie zum Schutz vor Ungleichbehandlung und Ausbeutung. Angesichts immer noch großer Zahl an Langzeitarbeitslosen (mit überproportionalen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund), einer großen Zahl an Heranwachsenden, die ohne Ausbildung geblieben sind und einer Vielzahl an prekären und nicht stabilen Beschäftigungsformen, müssen die auch kurzfristig notwendigen Maßnahmen für Flüchtlinge in Strategien zur Verbesserung der Teilhabechancen für alle Gruppen eingebettet sein. Damit kann auch ein Beitrag für die Willkommenskultur geleistet werden. Die Maßnahmen zur Eingliederung in Ausbildung und Arbeit erfordern erhebliche Mehrausgaben. Diese dürfen insbesondere nicht zu Lasten erforderlicher Maßnahmen z.B. zur individuellen Förderung und Arbeitsmarkteingliederung anderer Gruppen gehen. Das heißt, dass sie nicht durch Minderausgaben in anderen Bereichen gedeckt oder staatliche Aufgaben der Zivilgesellschaft übertragen dürfen. 2. Rechtliche Rahmenbedingungen für Eingliederung in Ausbildung und Beschäftigung von Schutz-suchenden verändern Zugang zu Ausbildung Betriebe und Unternehmen aber auch jugendliche und heranwachsende Ausbildungsbewerber brauchen eine aufenthaltsrechtliche Sicherheit für die Dauer der Ausbildung und eine anschließende Arbeitsplatzsuche. Die aufenthaltsrechtliche Unsicherheit bleibt auch nach der im Juli 2015 beschlossenen Ergänzung des § 60a Aufenthaltsgesetz erhalten. Gemeinsam mit den Kirchen und der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände ist der DGB der Auffassung, dass ein elternunabhängiger Aufenthaltsstatus für die gesamte Dauer der Ausbildung und eine anschließende Arbeitsplatzsuche für alle Asylsuchenden und Geduldeten unabhängig vom Herkunftsland erforderlich ist. DGB-Bundesvorstand Beauftragter für Migrations- und Antirassismuspolitik Verantwortlich: Annelie Buntenbach Berlin, 17.09.2015 Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin www.dgb.de DGB – Positionen zur Arbeitsmarkteingliederung von Flüchtlingen Verfahren zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis Das Verfahren zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis an Asylsuchende und Geduldete durch die Ausländerbehörden ist langwierig und intransparent. Unternehmen, die eine Person mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung einstellen wollen, sehen sich vielfältige Hürden im Verfahren selbst. Während die Verfahren zur Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich ihrer Dauer und der Entscheidungsgründe festgelegt sind, gibt es für die Ausländerbehörden keine zeitliche Vorgabe und sie können auch noch nach der Zustimmung der Bundesagentur die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis verweigern. Zudem bestehen in den Bundesländern unterschiedliche Weisungen zur Anwendung von § 33 Beschäftigungsverordnung (generelles Beschäftigungsverbot) bzw. hinsichtlich der Erteilung an Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Der DGB fordert eine bundeseinheitliche Regelung für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis mit einer Frist zur Bearbeitung der Anträge und der Ausstellung der Erlaubnis, auch nach Zustimmung der Bundesagentur. Klar gestellt werden muss dabei, dass Beschäftigungsverbote nicht als ausländerrechtliche Sanktionsinstrumente verhängt werden dürfen sondern alle Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die nicht vollziehbar ausreisepflichtig sind, eine Beschäftigungserlaubnis erhalten können. Aus seiner Sicht bedarf es auch an einer bundeseinheitlichen Erfassung der Anträge auf eine Beschäftigungserlaubnis und der Entscheidungen der Ausländerbehörden (einschließlich der Ablehnungsgründe). Vorrangprüfung und Prüfung der Arbeitsbedingungen Aus gewerkschaftlicher Sicht stellt die Vorrangprüfung und die Prüfung der Arbeitsbedingungen als Voraussetzung zur Zustimmung der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis an Asylbewerber mit Aufenthaltsgestattung und Geduldete kein wesentliches Hindernis für den Arbeitsmarktzugang dar. Erstens ist nach geltendem Recht eine Vorrang-prüfung als Voraussetzung zur Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nur in der Zeit zwischen dem 4. und 15. Monat des Aufenthalts und auch nur für bestimmte Berufe und Tätigkeiten erforderlich. Zweitens besteht eine Verpflichtung zur Vorrangprüfung und Prüfung der Arbeitsbedingungen innerhalb von 14 Tagen. Zudem zeigen die Daten der Bundesagentur (BA) aus dem letzten Jahr, dass die BA nur in 13.125 Fällen von den Ausländerbehörden um Zustimmung angefragt wurde. Den 10.487 Zustimmungen stehen 2.638 Ablehnungen gegenüber. Von daher hat die Vorrangprüfung aus unserer Sicht eine geringe Bedeutung für die Arbeitsmarkteingliederung von Asylsuchenden und Geduldeten, wohl aber für den Arbeitsmarkt in bestimmten von hoher Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Regionen und für bestimmte Tätigkeiten, die keiner Berufsausbildung bedürfen. Die Vorrangprüfung abzuschaffen würde zwar keinen Anreiz auf Zuwanderung von Asylsuchenden darstellen wohl aber mit einem deutlichen Signal an die Langzeitarbeitslosen (mit hohem Anteil an Personen mit Migrationshintergrund) und die Bevölkerung in den strukturschwachen Regionen verbunden sein. Aus gewerkschaftlicher Sicht könnten es in diesem Zusammenhang zwei miteinander verbundene Maßnahmen hilfreich sein: a) Die Lockerung der Wohnsitzauflagen, die eine Beschäftigungsaufnahme von Asylsuchenden in wirtschaftlich prosperierenden Regionen erschweren. b) Die Anwendung von globalen Prüfkriterien, wie Arbeitslosenquote in der Region und Beruf statt einer individuellen Prüfung unter der Voraussetzung, dass der aufnehmende Betrieb die Bundesagentur bei der Arbeitsvermittlung eingeschaltet hat. Auch die erforderliche Suchzeit kann verkürzt werden. 2 DGB – Positionen zur Arbeitsmarkteingliederung von Flüchtlingen c) Die Prüfung der Arbeitsbedingungen bei der erstmaligen Aufnahme einer Beschäftigung muss aus unserer Sicht – vor allem wegen der aufenthaltsrechtlichen Abhängigkeit von einem Arbeit-geber – muss in jedem Fall bestehen bleiben. Öffnung der Leiharbeit für Asylsuchende und Geduldete Der Zugang zur Beschäftigung in der Leiharbeit ist nur für Asylsuchende mit Aufenthaltsgestattung und Geduldete bis zum 48. Monat des Aufenthalts versperrt. Der Aufenthalt von Asylsuchenden und Geduldeten wird nur für kurze Zeiträume gewährt. Die Duldungszeiträume sollen nach der Entscheidung des Koalitionsausschusses noch weiter reduziert werden. Die Folge ist, dass Asylsuchende und Geduldete nur für kurze Zeiträume eingestellt werden können. Asylbewerber und Geduldete sind in besonderer Weise vor Ungleichbehandlung und Ausbeutung zu schützen. Die Leiharbeit führt in der Regel nicht in stabile Beschäftigung, deswegen ist nicht zu erwarten, dass hierdurch die Beschäftigungschancen langfristig verbessert werden. Leiharbeit ist für geringer Qualifizierte ein wichtiger Arbeitsmarkt, es droht aber das Risiko, dass hier benachteiligte Gruppen untereinander ausgespielt werden. Für Asylsuchende und Geduldete, deren Aufenthalt nur für kurze Zeiträume erlaubt ist, besteht ein hohes Risiko, dass sie ungleich behandelt bzw. ausgebeutet werden. Unabhängig von den weiteren erforderlichen Verbesserungen zur Gleichbehandlung von entliehenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit der Stammbelegschaft wäre es möglich, eine Reduzierung der Zeit des Verbots der Beschäftigung ausschließlich für die Gruppe der Geduldeten in der Leiharbeit zu erwirken. Geprüft werden könnte eine Reduzierung auf den 16. Monat nach Erhalt einer Duldung. Allerdings nur unter Beibehaltung der Vorrangprüfung und der Prüfung der Arbeitsbedingungen. 3. Erweiterung der Möglichkeiten zur Arbeitsmigration aus dem Westbalkan Aus gewerkschaftlicher Sicht ist zu betonen, dass hohe Asylantragszahlen kein Grund für eine Erweiterung der Liste sogenannter sicherer Herkunftsstaaten sein kann. Das Recht auf individuelle Prüfung der Asylgründe darf nicht weiter eingeschränkt werden. Zu bezweifeln ist zudem, dass mit den vorgeschlagenen Möglichkeiten zur Erwerbsmigration aus den Westbalkanstaaten die Asylverfahren entlastet werden. Auch für Angehörige aus den Westbalkanstaaten bestehen bereits legale Möglichkeiten zur Einwanderung zu Erwerbszwecken. Wegen der grundlegenden Ausrichtung des Zuwanderungsgesetzes in der Regel allerding nur für den Bereich von Ausbildung und qualifizierter Beschäftigung. Nicht genutzt werden dagegen die Möglichkeiten bilateraler Absprachen zwischen den Arbeitsagenturen z.B. im Hinblick auf eine Saisonbeschäftigung. Ebenfalls bestehen – auch ohne Vorrangprüfung – Möglichkeiten zum Aufenthalt zu Ausbildungszwecken. Der DGB und die Gewerkschaften fordern eine grundlegende Reform des Einwanderungsrechts, insbesondere des rechtlichen Rahmens zur Erwerbstätigenmigration. Dabei müssen die Regelungen nicht nur einfacher und transparenter gestaltet sondern auch Regelungen für temporäre und zirkuläre Aufenthalte sowie für die Entsendung neu geschaffen bzw. verändert werden. 3 DGB – Positionen zur Arbeitsmarkteingliederung von Flüchtlingen Die nun in der Diskussion befindlichen Vorschläge zielen auf eine kontingentierte Erwerbstätigenmigration in Beschäftigungen, die keine Berufsausbildung erfordern. Grundsätzlich sind wir überzeugt, dass das Aufenthaltsrecht unter bestimmten Bedingungen auch für Personen ohne in Deutschland anerkannte Berufsausbildung eine Möglichkeit für die Zuwanderung schaffen sollte. Zu den Bedingungen gehören die Durchführung einer „flexibilisierten“ Vorrangprüfung (wie unter 2. vorgeschlagen) und die Prüfung der Arbeitsbedingungen. Vermittlungsabsprachen in Verbindung mit Kontingenten wären eine Alternative zur Vorrangprüfung. Aufgrund der gewerkschaftlichen Erfahrungen im Rahmen unserer Beratungsarbeit müssen auch durch die Prüfung der Arbeitsbedingungen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse vermieden und Vermittlungsgebühren verhindert werden. Anders als vom Koalitionsausschuss vorgesehen, sehen die Gewerkschaften und der DGB die Notwendigkeit eines Zweck- oder Spurwechsels. Das heißt geduldete Flüchtlinge generell (nicht nur aus den Westbalkanstaaten) müssen auch ohne vorherige Ausreise einen Aufenthalt z.B. zu Erwerbszwecken ohne vorherige Ausreise (unter Einhaltung der Voraussetzungen) beantragen können. Eine solche Regelung kann auch die Zahl der langjährig Geduldeten reduzieren. 4. Maßnahmen zur Förderung der Eingliederung in Ausbildung und Arbeitsmarkt Unabhängig von einem sicher notwendigen Abbau rechtlicher Hemmnisse zur Arbeitsmarkteingliederung sind Maßnahmen zur Förderung des Arbeitsmarktzugangs von Asylsuchenden, Geduldeten und anerkannten Flüchtlingen erforderlich. Dabei geht es vor allem um die Sprachförderung von allen Gruppen unabhängig vom Herkunftsland, um Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung und Verbesserungen bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen sowie um eine frühzeitige Kompetenzfeststellung bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen und um Personalentwicklungsmaßnahmen im Bereich der Berufsorientierung und Arbeitsvermittlung. Sprachförderung Auch wenn die gesellschaftliche und ökonomische Eingliederung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, so dürfen staatliche Aufgaben nicht vermischt werden mit Aufgaben der Sozialversicherungen, insbesondere der Arbeitslosenversicherung. Der DGB ist überzeugt, dass die Versichertengemeinschaft mit dafür Sorge tragen kann, dass individuelle Förderbedarfe bei der Arbeitsvermittlung durch Qualifizierung ausgeglichen werden. Die allgemeinen Integrationssprachkurse jedoch müssen Aufgabe des Staates bleiben und durch Steuern finanziert werden. Weitergehende berufsbezogene Sprachkurse (jetzt ESF-BAMF) können im Rahmen von konkreten Eingliederungsmaßnahmen genutzt werden. Der DGB unterstützt in dieser Frage ausdrücklich die Vereinbarung der Koalitionsparteien vom 6. September 2015 nach der eine Öffnung der Integrationskurse für Asylbewerber und Geduldete vorgesehen ist und die Mittel entsprechend dem gestiegenen Bedarf aufgestockt werden sowie zusätzliche Bundesmittel für die berufsbezogene Sprach-förderung zur Verfügung gestellt werden. Ausbildung Unabhängig von erforderlichen rechtlichen Veränderungen bedarf es Fördermaßnahmen zur Eingliederung von jugendlichen und heranwachsenden Flüchtlingen, unabhängig vom jeweiligen Status. Neben Maßnahmen zur individuellen Berufsorientierung und der Anerkennung von Schulabschlüssen und Kompetenzen erforderlich sind auch Verbesserungen bei den Einstiegsqualifizierungen und den ausbildungsbegleitenden Hilfen sowie deren Nutzung. 4 DGB – Positionen zur Arbeitsmarkteingliederung von Flüchtlingen 5. Gesellschaftliche Spaltung verhindern – Langzeitarbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung abbauen Angriffe auf Flüchtlinge und Unterbringungseinrichtungen sind Straftaten, die entsprechend möglichst umgehend geahndet werden müssen. Gleichzeitig besteht die Sorge, dass Beschäftigte und Flüchtlinge gegeneinander ausgespielt und bestehende soziale Schutz- und Gestaltungsregelungen in der Arbeits- und Sozialordnung abgebaut werden. Aus gewerkschaftlicher Sicht muss Leitlinie sein, Perspektiven und Sicherheit am Arbeitsmarkt für alle, das heißt auch für Langzeitarbeitslose, zu schaffen und Verdrängungen zu verhindern. Flüchtlinge, mobile Beschäftigte und ausländische Erwerbstätige müssen vor Benachteiligung und Ausbeutung geschützt werden. Die Einhaltung von Tarifverträgen und des gesetzlichen Mindestlohns sind wesentliche Voraussetzungen, die auch kontrolliert werden müssen. Zentral ist, dass Flüchtlinge über die geltenden Arbeits- und Entlohnungsbedingungen informiert und bei deren Durchsetzung gestärkt werden müssen. Der DGB und die Gewerkschaften sind überzeugt, dass die Arbeitgeber auch eine besondere Verantwortung für die Verhinderung von Ungleichbehandlung tragen. Dazu gehört das konsequente Vorgehen gegen jegliche Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit genauso wie für die Einhaltung von Arbeits-und Beschäftigungsbedingungen. 5
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