NMR-Spektroskopie

Spektroskopische Methoden
UV-Spektroskopie
IR-Spektroskopie
NMR-Spektroskopie
Massenspektrometrie
Röntgenstrukturanalysen
1
Was ist Spektroskopie?
Ausnutzung der charakteristischen Wechselwirkung
einer Substanz mit elektromagnetischer Strahlung
unterschiedlicher Wellenlänge, beobachtbar sind:
Absorption, Emission und Streuung.
2
UV (VIS)-Spektroskopie
Findet breite Anwendung in der qualitativen und
quantitativen
Analyse
(Medizin:
Bestimmung
verschiedener Substanzen im Blut)
UV (oder auch sichtbares) Licht wird durch eine Lösung
des zu untersuchenden Stoffes geschickt, die
Intensitätsänderung wird gemessen
3
UV (VIS)-Spektroskopie
LAMBERT-BEER-Gesetz beschreibt die Intensitätsabnahme:
I0
E  lg    c  d
I
E
c
d
ε
I0
I
I/I0
Extinktion oder Verminderung der Intensität oder Absorption (Streuung
und Beugung in der Analytik meist unbedeutend)
Konzentration
Schichtdicke der Messzelle
molare Extinktionskoeffizient
Intensität des eingestrahlten Lichts
Intensität des austretenden Lichts
Transmission
Wie hoch ist die Extinktion, wenn die Durchlässigkeit einer Lösung 30% beträgt?
E  lg
I0
1
 lg
 lg 3,33  0,52
I
0,3
4
UV (VIS)-Spektroskopie
Umformung des LAMBERT-BEER-Gesetzes:
I0
I
E  lg   lg    c  d
I
I0
I/I0 – Transmission, -lg I/Io auch Absorption
Bei einer photometrischen Messung zeigt in einer 1-cm-Küvette bei 340 nm eine
Lösung von NADH eine Absorption (=-log(I/Io)) von 0,311.
Wie hoch ist die NADH-Konzentration der Lösung, wenn der Absorptionskoeffizient
von NADH hierbei 6,22 L/cm∙mmol beträgt?
(ohne Angabe der Formel!!!, M1 Herbst 2013)
A)
B)
C)
D)
E)
50 μmol/L
2 mmol/L
5 mmol/L
20 mmol/L
50 mmol/L
L
E  0,311    c  d  6,22
 x 1cm
cm  mmol
0,311 mmol
mmol
mol
 0,05
 50
6,22 L
L
L
5
UV (VIS)-Spektroskopie
Variation der Wellenlänge zwischen 200 und 800 nm und
Erfassung der jeweiligen Extinktion ergibt das UV-Spektrum
es enthält Absorptionsmaxima, die für Teilstrukturen im Molekül
charakteristisch sind
es
entstehen
keine
scharfen
Banden,
da
sowohl
Elektronenübergänge als auch Schwingungen von Bindungen und
Rotationen des Moleküls angeregt werden.
6
Chromophore
UV-Spektrum klärt nicht die gesamte Struktur
die für das Auftreten von Absorptionsmaxima verantwortlichen
Teilstrukturen heißen CHROMOPHORE (enthalten oft konjugierte
Doppelbindungen)
Liegt das Absorptionsmaximum einer Struktur im sichtbaren
Bereich, erscheint die Verbindung farbig. Man sieht die
Komplementärfarbe des jeweils absorbierten Lichtes (Absorption
von Blau führt zu einer gelb/orangen Verbindung)
Häufig erfolgt bei mehreren Wellenlängen eine Absorption (wenn
Hämoglobin tatsächlich nur bei 413 nm absorbieren würde, wäre
es gelb!).
7
UV-Spektrum von Hämoglobin (a) und
Chlorophyll (b)
Sieben Spektralfarbbereiche des
Lichtes
Farbe
Wellenlänge
Frequenzbereich
rot
≈ 700–
630 nm
≈ 430–
480 THz
orange
≈ 630–
590 nm
≈ 480–
510 THz
gelb
≈ 590–
560 nm
≈ 510–
540 THz
grün
≈ 560–
490 nm
≈ 540–
610 THz
blau /
indigo
≈ 490–
450 nm
≈ 610–
670 THz
violett
≈ 450–
400 nm
≈ 670–
750 THz
8
UV-Spektrum von NAD+ und NADH
9
NAD+ und NADH
H
H
O
NH2
N
10
Photometrie
Anwendung der UV-Spektroskopie für die quantitative Analyse von
Stoffen, Grundlage Lambert-Beer´sches Gesetz
funktioniert auch bei farblosen Stoffen, diese müssen aber durch
Zusätze in farbige Verbindungen überführt werden
Anwendung bei der Bestimmung von Blutwerten (Hämoglobin oder
Glucose), Konzentrationsbestimmungen von aromatischen AS in
Proteinen oder bei Untersuchungen der Veränderung der NADHKonzentration
11
Photometrie
Konzentration bestimmen bei bekanntem d und ε und experimentell
ermitteltem E
dazu nutzt man eine Eichgerade (Extinktion von Lösungen bekannter
Konzentration untersuchen, zu jeder weiteren Extinktion kann man die
Konzentration ablesen)
Quelle: Prof.
Blumes
Bildunsgserver
Chemie
man misst die Extinktion einer Lösung bekannter Konzentration und vergleicht
mit der Extinktion einer unbekannten Lösung:
E Analyse  0,7
ES tan dard  0,450
EA
x
0,7


ES 9mg / ml 0,45
x  14mg / ml
cS tan dard  9mg / ml
12
IR-Spektroskopie
• erlaubt die Unterscheidung einzelner funktioneller
Gruppen und damit die Zuordnung zu Stoffklassen
• durch Absorption des IR-Lichtes werden
Schwingungen angeregt
• diese kann beobachtet werden, wenn sich das
Dipolmoment dabei ändert.
13
IR-Spektroskopie
• Variation der Wellenlänge der Strahlung
• Messung der Änderung der Strahlungsintensität beim
Durchtritt durch die Probe
• IR-Spektrum: Auftragung der Transmission (nicht
absorbierter Teil der Strahlung) gegen die Wellenzahl
(reziproker Wert der Wellenlänge)
• wenn zwei IR-Spektren in allen Banden
übereinstimmen, sind die untersuchten Stoffe
identisch
• oberhalb von 1500 cm-1 befinden sich
Absorptionsbanden, die einzelnen funktionellen
Gruppen zugeordnet werden können
14
Valenzschwingungen
Bindung
Funktionelle Gruppe
Wellenzahl [cm-1]
C-H
Aliphatische CH3-Gruppe
2850-2960
O-H
Alkohol (nicht assoziiert)
3590-3600
C=O
Aliphatischer Ester
1735-1750
Keton
1705-1725
Aromatische Carbonsäure
1680-1700
C=C
Alken
1620-1680
C-O
Alkohol
040-1150
15
IR-Spektrum von Acetylsalicylsäure in
KBr
16
NMR-Spektroskopie
• ermöglicht Aufklärung der 3-D-Struktur von Proteinen,
Untersuchung der Ligand-Protein-WW oder den Ablauf von
Stoffwechselprozessen
• man erhält Informationen über die Atomkerne und deren
Umgebung
• Voraussetzung ist das Vorliegen eines Kernspins, das ist
gegeben, wenn die Ordnungszahl und die Massenzahl beide
(oder auch nur eine davon) ungerade sind.
• ungeeignet für 12C,16O und 32S wegen I=0
• geeignet sind 1H, 13C, 31P, 19F,2H
17
NMR-Spektroskopie
• beruht auf der WW von Radiowellen mit den Atomkernen einer
Verbindung, die sich in einem starken Magnetfeld befinden muss
• im Magnetfeld richten sich die Atomkerne mit einem Spin wie
kleine Magnete parallel bzw. antiparallel zum Magnetfeld aus
• diese beiden Einstellungen unterscheiden sich im Energiegehalt
18
NMR-Spektroskopie
• Beim Einstrahlen von Radiowellen werden Übergänge zwischen
beiden Energieniveaus angeregt.
• Die jeweilige Energieaufnahme (Kernresonanz) kann gemessen
werden, durch Variation der eingestrahlten Frequenz können
sämtliche Kerne einer Atomsorte angeregt werden.
• Aus der Lage des Resonanzsignals (chemische Verschiebung)
erhält man eine Information über die chemische Umgebung des
Kerns.
• Bei supraleitenden Magneten benötigt man Frequenzen von 100
bis 900 MHz zur 1H-Anregung.
19
NMR-Spektroskopie
• Durch Induktionswirkung der Elektronen und durch die Felder
benachbarter Kerne wird das äußere Magnetfeld abgeschwächt
(Abschirmung).
• Atomkerne gleicher Sorte, aber unterschiedlicher chemischer
Umgebung
zeigen
Kernresonanz
bei
geringfügig
unterschiedlichen Frequenzen.
• Unterschied werden in ppm der eingestrahlten Frequenz
gemessen und auf eine Eichsubstanz bezogen.
• Aus der Fläche unter dem Signal kann man eine Information
über die Anzahl der Kerne erhalten, die das jeweilige Signal
hervorrufen, die Aufspaltung der Signale steht im
Zusammenhang mit benachbarten Kernen.
20
1H-NMR-Spektrum
von Essigsäureethylester
in CDCl3 bei 300 MHz
21
13C-NMR-Spektrum
von
Essigsäureethylester in CDCl3 bei 125,7 MHz
22
Magnetresonanztomographie (MRT)
= NMR am Menschen
• Messsignale liefern die Protonen, die als Bausteine des
Wassers sehr häufig vorkommen
• Wasserreiche Gewebe geben ein starkes, wasserarme ein
schwaches Signal
• jeweilige Einbindung des Wassers in das Gewebe verändert die
Signale (Möglichkeit zur Erkennung pathologischer
Veränderungen)
• Vorteil im Vergleich zur Röntgenaufnahme und zum
Computertomographen – Belastung durch energiereiche
Strahlung entfällt (Magnetfeld könnte sich sogar positiv
auswirken)
23
Ganzkörperscanner
• machen Kunststoffgegenstände und Sprengstoffe sichtbar, auch die
Körperoberfläche wird detailreich abgebildet
• Röntgenrückstreu-Scanner arbeiten mit Röntgenstrahlen, die an freien oder
schwach gebundenen Elektronen gestreut werden (bei H, O und C), Metalle
absorbieren die Strahlung, rückgestreute Strahlung wird von Scannern
erfasst, die ein dreidimensionales Bild erzeugen, Strahlenbelastung
geringer als bei konventionellen Röntgenuntersuchungen, ist aber in
Deutschland verboten (in den USA waren im Herbst 2010 310 Geräte an 68
von 450 Flughäfen im Einsatz)
• Terahertz-Scanner nutzen Strahlung zwischen MW und IR, durchdringt
Papier, trockenen Textilien, trockenes Holz, viele Kunststoffe, hohe
Sensitivität gegenüber Wasser
• aktive Methode: vom Scanner werden Terahertz-Strahlungen ausgesandt, die
von den Materialien unterschiedlich reflektiert werden, diese werden analysiert;
Eindringtiefe ist gering, gesundheitliche Risiken nicht erfasst
• passive Methode: jedes Lebewesen sendet Wärmestrahlung aus (auch im
Terahertz-Bereich), diese wird erfasst
24
Massenspektrometrie
• liefert Daten zur Molekülmasse, zur Summenformel und zur
Struktur einer Verbindung
• ist geeignet zur Kopplung mit chromatographischen Verfahren
• Substanzprobe wird in gasförmige Ionen überführt, die nach
dem Verhältnis Masse-Ladung aufgetrennt werden (keine echte
Spektroskopie!)
• Schlüsselschritt ist die Ionisation (Elektronenstoß oder
Beschuss mit schnellen Atomen oder Ionen), es erfolgt parallel
eine Fragmentierung
25
EI-Massenspektrum von
Acetylsalicylsäure (M=180)
26
Röntgenstrukturanalyse
(Diffraktometrie)
• geeignet zur Bestimmung der Atomanordnung in Kristallen, man
erhält Bindungswinkel und –längen
• Grundlage: monochromatische Röntgenstrahlung (Wellenlänge
entspricht etwa den Atomabständen im Kristallgitter 10-10 nm)
wird an den Elektronen der Gitteratome gebeugt, Elektronen
werden zum Emitter von Kugelwellen, es ergeben sich
Interferenzen, die aufgezeichnet werden
• Voraussetzung sind Einkristalle, in dem das Kristallgitter überall
dieselbe Orientierung aufweist
27
Struktur der Acetylsalicylsäure im
Kristall
28
Biomaterialien
Alles ist Chemie!
29
Einführung
• Aufbau des menschlichen Körpers ist komplex, eine vollständige
funktionelle Substitution mit künstlichen Werkstoffen und
Bauteilen ist unwahrscheinlich
• derzeit ersetzen Implantate überwiegend noch einfache
mechanische oder andere physikalische Funktionen des
menschlichen Körpers, die auf Grund eines singulären Defektes
im Gewebe oder als Ergebnis einer chronischen Erkrankung
substituiert werden müssen.
• Gelenkprothesen übertragen Lasten
• intraokulare Linsen ermöglichen die Lichttransmission
• künstliche Arterien sichern die Aufrechterhaltung der
Blutversorgung
• Werkstoffe müssen gewünschte Funktion erfüllen und den
Anforderungen der Körperverträglichkeit genügen
30
Einführung
• Biokompatibilität = erwünschte Verträglichkeit zwischen einem
technischen und einem biologischen System
• erste Generation von Werkstoffen ursprünglich zu anderen Zwecken
entwickelt, zahlreiche Fremdkörper- und Entzündungsreaktionen, deshalb
heute kaum noch für Implantate
• zweite Generation soll möglichst inert sein, sich im Körper neutral verhalten,
keine Abbaureaktionen durchführen und keinen Einfluss auf den Stoffwechsel
haben
• bei der dritten Generation wird angestrebt, dass Gewebe zum Wachsen
angeregt und bestimmte Stoffwechselleistungen hervorgerufen werden =
bioaktiv oder metabolisch induktiv
• Werkstoffe der vierten Generation sind Zell-Werkstoff-Verbunde, z. B.
Zelltransplantationssysteme, insbesondere Transplantationswerkstoffe für
Leberzellen, um Lebertransplantationen zu ergänzen oder zu ersetzen
• Tissue Engineering – gezielte Unterstützung von Gewebefunktionen
mittels geeigneter biokompatibler Werkstoffe und Züchtung von Gewebe
aus kultivierten und co-kultivierten Zellen
31
Werkstoffe in der Biomedizintechnik
•
•
•
•
•
biokompatible Metalle
biokompatible Polymere und Polykondensate
biokompatible keramische Werkstoffe
Faserverbundwerkstoffe
textilverstärkte Kunststoffbauteile in funktionsintegrierender
Leichtbauweise
• radioaktive Biomaterialien
Für den Erfolg eines Implantatwerkstoffes sind relevant:
seine Biokompatibilität, der Gesundheitszustand des Patienten
sowie der Verlauf der OP und die nachfolgende Therapie
z. B. bei einer allergischen Sensibilisierung gegenüber Metallionen
(Nickel) oder bei Osteoporose hohe Anforderung an die Verankerung
von Hüftprothesen
32
Anwendungsbeispiele
Anwendungen
Osteosynthese,
Gelenkersatz
Dentalchirurgie
Werkstoffe
Metalle
Polymere/Polykonden- Keramische Werkstoffe
sate
Rostfreie Stähle; Titan und TiPolyethylen (UHMWPE), Aluminiumoxid,
Legierungen, Co-CrPolymethylmethacrylat
Zirkonoxid,
Legierungen
Calciumphosphate
Titan und Ti-Legierungen, CoPolymethylmethacrylat
Aluminiumoxid,
Cr-Legierungen, Amalgam (HgZirkonoxid,
Ag-Sn), Goldlegierungen
Calciumphosphate,
Porzellan
Gefäßchirurgie
Co-Cr-Legierungen, Ni-TiLegierungen
Chirurgische
Instrumente
Ophthalmologie
Rostfreie Stähle,
Titanlegierungen
Polyester,
Polytetrafluorethylen,
Polysiloxane,
Polyurethane
Polymethylmethacrylat,
Polysiloxane, Hydrogele
33
Rückblick
Jahr
1565
Entdecker/Verfasser
Petronius
Bemerkungen
Behandlung einer angeborenen Gaumenspalte mit einer Goldplatte
17. Jh.
Hieronymus Fabricius
Verwendung von Eisen-, Gold- und Bronzedrähten bei der Wundnaht
1775
Lapeyode/Sicre
Erster Nachweis über den Gebrauch von Knochendrähten
1829
Levert
Wissenschaftliche Arbeit über die Verträglichkeit von Metallen im Körper.
In dieser Arbeit wird gezeigt, dass Platin am wenigsten Irritationen
verursacht, zudem wurde die Toxizität von Blei nachgewiesen.
186083
J. Lister
Entwicklung der Antisepsis. Erfolgreiche Durchführung von Operationen
mit Silberdraht zur Fixation von gebrochenen Kniescheiben.
1886
H. Hansmann
18931912
1909
1912
W. A. Lane
Entwicklung der ersten Knochenplatte aus Stahl mit einem
Nickelüberzug
Entwicklung von Stahlschrauben und -platten für die
Knochenbruchbehandlung
Entwicklung von Platten aus Al, Ag und Cu
Entwicklung einer Knochenplatte aus mit Vanadium legiertem Stahl
hoher Festigkeit und Zähigkeit
A. Lambotte
W. O´Neil Sherman
34
Rückblick
Jahr
Ab 1920
Entdecker/Verfasser
Krupp
1930
Erdle
1936
C. S. Venable, W. G. Stuck
1938
1940-1950
P. Wiles
Leventhal
1946
J. und R. Judet
Ab 1946
J. Cotton
1960
Charnley
Bemerkungen
Herstellung von CrNi-Stählen (CrNi188) und CrNiMo-Stählen (CrNiMo1810) brachte entscheidende
Verbesserungen der Korrosionsbeständigkeit
Entwicklung einer CoCr-Legierung (Vitallium) und
erste Anwendung als Gussprothese
Entwicklung einer Gusslegierung auf Kobalt- und
Chrombasis, die erstmals im Dentalsektor unter dem
Namen Vitallium® eingeführt wurde.
Erste Prothese für den totalen Hüftgelenkersatz
Untersuchung von Tantal, Titan sowie von
kaltverformbaren wolfram- und nickelhaltigen
Kobaltlegierungen als Implantatwerkstoffen
Erste unter biomechanischen Gesichtspunkten
konzeptionierte Hüftprothese
Kommerzielle Herstellung von Titan und
Titanlegierungen
Entwicklung von modularen
Hüftgelenkendoprothesen
35
Metalle
• Hauptanwendungen: Prothesen des totalen Gelenkersatzes
(Hüfte, Knie, Schulter) und Fixationselemente zur Stabilisierung
von Frakturen (Osteosyntheseplatten, Marknägel, Schrauben,
Drähte und Stents)
• bereits im frühen 19. Jh. bekannt, dass Gold, Silber und Platin
korrosionsbeständig und körperverträglich sind (geringe
Reizungen im menschlichen Körper), mechanische
Eigenschaften sind schlecht, Messing, Kupfer und Eisen waren
mechanisch besser, aber wenig korrosionsbeständig und
biokompatibel
• Anforderungen: mechanische Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit, Biokompatibilität
36
Korrosion
• Essentielle metallische Spurenelemente sind Cr, Co, Cu, Mn,
Mo, Ni, V; Abwesenheit und ein Zu-Viel sind problematisch.
• Anodische Teilreaktion:
• Kathodische Teilreaktion:
Wasserstoffreduktion
Sauerstoffreduktion
Me  Me n   ne 
2H   2e   H 2
O2  2H 2 O  4e   4OH 
• Die Metallionen können zu schwerlöslichen Hydroxiden und
Oxiden reagieren oder Komplexe mit Proteinen bilden.
37
Korrosion
Folgen:
• Metallionen können zu schwerlöslichen Hydroxiden und Oxiden
reagieren oder Komplexe mit Proteinen bilden
• elektrische Ströme können das Verhalten von Zellen
beeinflussen
• pH und Sauerstoffpartialdruck können während des
Korrosionsprozesses variieren, was zu einer Änderung der
chemischen Umgebung führt
• die Freisetzung metallischer Ionen kann eine Veränderung des
Zellmetabolismus zur Folge haben
38
Korrosion
• wenn die Löslichkeit eines Korrosionsproduktes größer als die
Toxizitätsgrenze ist, können toxische Gewebereaktionen
auftreten, für Metallchloride wurden toxische Reaktionen ab
einer Konzentration von 10-3 mol/l festgestellt
• bei pH 7,3 haben die Korrosionsprodukte von V, Ni, Co eine
relative hohe Löslichkeit, Löslichkeit von TiO2 weit unter der
Toxizitätsgrenze
• über den exakten Mechanismus der Bildung, Akkumulation und
des Abtransportes von Korrosionsprodukten im menschlichen
Körper ist noch relativ wenig bekannt
39
Biokompatible Polymere und
Polykondensate
• Einsatz begann in den 1960er Jahren mit Einwegartikeln wie
Spritzen und Kathetern (nicht nur aus ökonomischen, sondern
auch aus hygienischen Gründen)
• steigende Verbreitung hängt mit einfacher und preisgünstiger
Verarbeitbarkeit in eine Vielzahl von Formen und Geometrien
sowie mit dem breiten Eigenschaftsspektrum zusammen
• Polymere sollten frei von Additiven sein (Weichmacher,
Antioxidantien, Stabilisatoren)
• „medical grade“ Polymere können Additiva haben, diese
müssen medizinische Bedingungen erfüllen,
Werkstoffverarbeitung musste bei reinen Bedingungen erfolgen
40
Biokompatible Polyverbb. - Beispiele
Polyethylen (PE)
Gelenkpfanne für Hüftgelenkendoprothese,
künstliche Knieprothesen, Sehnen- und
Bänderersatz, Spritzen, Katheterschläuche,
Verpackungsmaterial, großer Nachteil bei
Hüftgelenk-OP ist die limitierte
Lebensdauer (Komplikationen nach 11
Jahren)
Polypropylen (PP)
Komponenten für Blutoxygenatoren und
Nierendialyse, Fingergelenk-Prothesen,
Herzklappen, Nahtmaterial, EinwegSpritzen, Verpackungsmaterial
Künstliche Blutgefäße, Sehnen- und
Bänderersatz, Nahtmaterial
Abbau durch Esterasen und Papin wurde
beobachtet
Polyethylenterephthalat (PET)
Monomere sind Therephthalsäure
und Ethylenglycol (Ethan-1,2-diol)
Polyvinylchlorid
(PVC)
Extrakorporale Blutschläuche, Blutbeutel
und Beutel für Lösungen für intravenöse
Anwendungen, Einwegartikel
Für Langzeitanwendungen im Körper nicht
geeignet wegen hohem Weichmacheranteil
und seiner Anfälligkeit auf Versprödung
Biokompatible Polyverbindungen Beispiele
Polycarbonat
(PC)
Polyamide
(PA)
formal Diester der Kohlensäure und
Dihydroxyverbindungen, am
verbreitetesten sind die aus
Bisphenol A und Phosgen
Komponenten für Dialysegeräte, unzerbrechliche,
sterile Flaschen, Spritzen, Schläuche,
Verpackungsmaterial
Nahtmaterial, Katheterschläuche, Komponenten für
Dialysegeräte, Spritzen, Herzmitralklappen
nach längerer Zeit im Körper Degradation (erste
Fasern waren Nylon, Dederon und Perlon)
42
Biokompatible Polyverbindungen Beispiele
Polytetrafluorethylen
(PTFE)
Polyurethan
(PUR)
Gefäßimplantate, für lasttragende Anwendungen
weniger geeignet (deshalb nicht mehr für
Acetabulumpfannen)
I – Polyalkohol; II Diisocyanat
künstliche Blutgefäße und Blutgefäßbeschichtungen,
Hautimplantate, künstliche Herzklappen,
Dialysemembranen, Infusionsschläuche,
Schlauchpumpen, einige Urethane sind stark
hydrolyseempfindlich
43
Biokompatible Polyverbindungen Beispiele
Polymethyl
methacrylat
(PMMA)
Umgangssprachlich:
Acryl- oder
Plexiglas
Monomer: Methacrylsäuremethylester
Knochenzement (Antibiotika und
Kontrastmittel können zugesetzt
werden), Intraokulare Linsen und harte
Kontaktlinsen, künstliche Zähne,
Zahnfüllmaterial
Aushärtung innerhalb von 10-12
Minuten während der OP,
Monomerflüssigkeit ist gewebetoxisch,
soll also erst 4-5 Minuten nach dem
Mischen der Komponenten auf den
Knochen aufgebracht werden
Polymerisation ist exotherm, bis 124°C
44
Biokompatible Polymere - Beispiele
Brustimplantate, künstliche Sehnen,
kosmetische Chirurgie, künstliche Herzen und
Herzklappen, Beatmungsbälge,
heisssterilisierbare Bluttransfusionsschläuche,
Dialyseschläuche, Dichtungen in
medizinischen Geräten, Katheter und
Schlauchsonden, künstliche Haut,
Blasenprothesen
Polysiloxane
Monomere: Dimethylund Trimethylchlorsilane
Polyhydroxyethylmethacrylat
(PHEMA)
Kontaktlinsen,
Harnblasenkatheter,
Nahtmaterialbeschichtung
Monomere: Ethylenglykol
und Methacrylsäure
45
Natürliche Polymere
z. B. Chitin
(aus Garnelenschalen, die 15-20% Chitin enthalten, wird mit HCl
CaCO3 entfernt, mit NaOH wird der Proteinanteil gelöst. Zurück
bleibt Chitin, das durch NaOH deacetyliert werden kann (Chitosan))
46
Einsatz von Chitin bzw. Chitosan
Einsatzgebiete
Medizin
Kosmetik
Biotechnologie
Lebensmittelindustrie
Mögliche Anwendungen
Hämostatische Mittel (Chirurgie, Wundabdeckung),
künstliche Blutgefäße, Blutdialysemembran, künstliche
Haut bei Brandwunden, Kontaktlinsen, bioabbaubares
Nahtnmaterial
Zusätze für Haarconditioner, Feuchtigkeitscreme und
Nagellack
Immobilisierung von Zellen und Enzymen, Träger für
Affinitätschromatografie und Proteintrennung,
Biosensoren
Schutzmittel für Früchte und Gemüse, Zusätze bei
Tierfutter, Klärmittel für Säfte
47
Biodegradable Polyverbindungen
• In Chirurgie als Nahtfäden, temporäre Klebstoffe, temporäre
Membranen oder in der Pharmazie als Trägerwerkstoffe für
kontrollierte therapeutische Systeme
• Degradationsprodukte sollen möglichst in den biologischen Kreislauf
aufgenommen werden
• Degradationswege:
•
•
•
•
Polymerauflösung
unspezifische Hydrolyse
Enzymatische Degradation
Dissoziation von Polymer-Polymer-Produkten
• Molekulargewicht der Degradationsprodukte zwischen 40 000 und
50 000 g/mol, dann ist Elimination auf normalem Ausscheidungsweg
möglich
•
hydrolytische Degradation bei Ester- und Amidgruppen, katalysiert durch
Säuren, Basen und Enzyme
48
Biodegradable Polyverbindungen Beispiele
Polymer
Struktur
Polyglykolsäure, Polyglykolid
(PGA)
Polymilchsäure, Polylactid
(PLA)
Unterschiede durch D- bzw. LMilchsäure
49
Biokompatible
keramische Werkstoffe
Werkstoffe
Aluminiumoxid
Zirkonoxid
Hydroxylapatit
Bioaktive Gläser und
Glaskeramiken
Mögliche Anwendungen
Hüftgelenkskugeln, Dentalimplantate,
gesichtschirurgie, Mittelohrimplantate
Hüftgelenkskugeln
Orthopädische Implantate, Knochenersatz,
Dentalimplantate, Ohrimplantate, Wirbelersatz
Implantate für die Gesichtschirurgie,
Dentalimplantate, Knochenersatz, Wirbelersatz,
Orthopädische Implantate
50
Apatite
Apatit: M10(XO)6Z2 mit M2+=Ca2+ und Ba2+ ; X= P, V, Cr, Mn; Z-= F-,
OHHydroxylapatit kommt natürlich vor und kann synthetisch
hergestellt werden
Vorteile:
• keine Bildung von fibrillärem Bindegewebe
• rasches Anwachsen von Knochengewebe
• Ausbildung einer Verbindung zwischen Implantat und Gewebe
mit hoher Festigkeit
• kürzere Heilungsphase als bei Implantaten mit metallischer
Oberfläche
• reduzierte bis verhinderte Ionenfreisetzung der metallischen
Substrate
51
Apatite
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Herstellung aus Ammoniumphosphat und Calciumnitrat bei pH=1112
Stöchiometrischer Hydroxylapatit enthält 39,9 % Ca, 18,5% P und
3,4% OH (Masseprozent)  Ca : P  1,67
biologischer Hydroxylapatit ist nicht stöchiometrisch:  Ca : P  1,67
zusätzliche Bestandteile: Natrium-, Magnesium-, Carbonat-, Fluoridund Chlorid-Ionen
Löslichkeit sinkt mit steigendem pH
mit zunehmender Oberfläche nimmt die Löslichkeit zu
Defekte wie Verunreinigungen oder Leerstellen im Kristall können
das Lösungsverhalten durch Änderung der diffusionskontrollierten
Austauschvorgänge beeinflussen
die Substitution der OH-Ionen durch F-Ionen verringert die
Löslichkeit
Biomineralisation ist noch nicht bis ins letzte Detail verstanden!
52
Forschungsfragen
Individuelle Implantate bei Schädeloperationen
• CT-daten mit Computer aided Manufacturing und Computer Aided
Design zum Implantat
• ursprünglich auf Titan optimiert
• biostabiles Material verbessert die körperliche und psychische
Sicherheit,
hat
aber
Nachteile,
Metall
hat
hohe
Temperaturempfindlichkeit, manche empfinden es als belastend,
ein Leben lang ein Implantat zu tragen
• bei Kindern nicht einsetzbar
• Suche nach einem biologisch abbaubaren Werkstoff, der allmählich
durch körpereigen Knochen ersetzt wird
53
Quelle: Rubin 2/01
Forschungsfragen
• abbaubar: Polylactide und Glycolide, beim Abbau sinkt der pHWert, alkalische Füllstoffe notwendig, z. B. amorphes
Calciumphosphat (hohe Löslichkeit, wird gut resorbiert und fördert
Knochenwachstum)
• nicht poröses PLLA-ACP- auf der Außenseite des Implantats und
ein PDLLA-ACP-Kompositmaterial an der Seite zur Hirnhaut
• poröses Material wird schneller abgebaut, soll Einwachsen von
Knochenzellen und die Knochenneubildung ermöglichen, das
nicht poröse, mechanisch belastbare und sich langsam
auflösende Material schützt die Innenseite
• es kann auch kein Bindegewebe von außen einwachsen, weil das
die Knochenbildung verhindert
54
Die erfolgreichste
(umweltfreundlichste) Prothese
Prof. D. Behrend
Das Holzbein
•
•
•
•
•
•
•
•
•
biokompatibel
nachwachsender Rohstoff
Strukturkompatibilität zum Knochen
individuell anpassbar
kompostierbar (stoffliches Recycling)
vererbbar (Produktrecycling)
CO2-Nullbilanz (energetisches Recycling)
ohne Zweiteingriffsrisiko austauschbar
mit Autogramm = Wertananlage
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Das bisher erfolgreichste
(folgenloseste) Implantat
Prof. Dr. D. Behrend
Die Schrotkugel
• Implantation (leider) strafrechtlich relevant
• Biofunktionalität = völlig nutzlos
• absolut toxische Legierung (PbAsSb) – jedoch problemlose
Einheilung
• Lebenserwartung mit Implantat > 70 Jahre
• förderlich für gesellschaftlichen Aufstieg (Diplomatenjagd)
• augmentierend bei Rollkuren
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