Heuer wackelt die Lohnerhöhung

19.06.2015
Die Presse
Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 94.618 | Reichweite: 302.000 (4,2%) | Artikelumfang: 106.629 mm²
Seite: 1, 2, 2a, 31/10
Thema: Institut für höhere Studien IHS
Autor: MATTHIAS AUER
Heuer wackelt die Lohnerhöhung
Wirtschaft. Die Steuerreform wirke wie zwei Lohnrunden und führe zu einer Mini-Erholung, sagen
Ökonomen und Arbeitnehmervertreter. Sie bereiten die Beschäftigten bereits auf eine Nulllohnrunde vor.
VON MATTHIAS AUER
Wien. Nach sieben schwarzen Jahren malen
die heimischen Ökonomen wieder eine Wirtschaftsprognose in Blassrosa. Die frisch erwachte Konjunktur in der Eurozone und die
heimische Steuerreform sollen das Wachstum nach Österreich zurückbringen, sagen
Wifo und IHS voraus. Erstmals seit Jahren
kämen auf Österreichs Arbeitnehmer wieder
real höhere Nettolöhne zu. Landen diese wie
erhofft in den Geschäften, könne die Wirtschaft 2016 um 1,3 Prozent (Wifo) bis 1,8
Prozent (IHS) wachsen, so die Erwartung.
Österreich bliebe damit immer noch deutlich unter dem Schnitt der Euroländer. Eine
Mini-Erholung, aber immerhin.
Doch wirklich gut sind diese Nachrichten insbesondere für die heimischen Arbeitnehmer nicht. Sie dürfen sich zwar auf die
Lohnsteuersenkung freuen, müssen sich im
Gegenzug allerdings bei den kommenden
Lohnverhandlungen in Verzicht üben. Das
erwarten zumindest die Wirtschaftsforscher.
2016 werden die Bruttolöhne laut ihrer Prognose real stagnieren. Mehr als die Inflations-
rate dürfte bei der kommenden Lohnrunde
demnach nicht abgedeckt werden. Warum
aber könnten Österreichs Arbeitnehmer
einen Teil der Lohnsteuersenkung so rasch
wieder abgeben müssen?
übertrieben hohen
Nettoeinkommen der Beschäftigten liegt es nicht. Das Problem ist die hohe Inflation, die
in den Löhnen weitergegeben
fnfiation. Am
g4411111111111114.**
wurde", sagt IHS-Ökonom Helmut Hofer.
Auf den ersten Blick leuchtet dieses Argument nicht ein. Mit heuer 1,3 Prozent ist die
Inflation historisch eher niedrig. Verglichen
mit der erwarteten Inflation von 0,1 Prozent
in der Eurozone ist sie jedoch sehr hoch.
Da mit der Inflation auch die nominellen
Löhne steigen, verliert Österreich an Wettbewerbsfähigkeit. Das ist ein Problem, das wir
alle lang übersehen haben", sagt Wifo-Chef
Karl Aiginger. Der Großteil der Teuerung
kommt aus dem Dienstleistungsbereich oder
direkt vom Staat. Die Gebühren in Österreich
stiegen zuletzt deutlich schneller als die Inflationsrate - und deutlich schneller als etwa
in Detitschland. Die Wassergebühren legten
im vergangenen Jahrzehnt um 24 Prozent zu,
in Deutschland um zehn Prozent; die Müllgebühren um 19 Prozent, in Deutschland gar
nicht. Wir müssen zur Kenntnis nehmen,
dass wir im internationalen Vergleich in Europa relativ hohe Inflationsraten haben",
sagt selbst Arbeiterkammer-Direktor Werner
Muhm zur Presse" (Seiten 2, 3). Das bedeutet natürlich, dass auch die Lohnsteigerungen hoch sind."
Dieser Satz des Arbeitnehmervertreters
ist beachtlich, öffnet er doch dem Einfrieren
der Bruttolöhne Tür und Tor. Während IHS-
Experte Hofer höflich auf Spielräume bei
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Lohnverhandlungen" hofft, wird Muhm konkreter: Die Lohnsteuersenkung wirkt de facto wie zwei Lohnrunden." Der Boden für die
Nulllohnrunde ist also bereitet. Schon im
Vorjahr war die Inflation bei der Metaller-
lohnrunde ein Streitpunkt. Letztlich wurde
doch die höhere österreichische Teuerungsrate als Basis herangezogen statt der europäischen. Es gab nominell plus 2,1 Prozent.
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Schade nur, dass bei
den Arbeitnehmern davon
nichts angekommen ist. Trotz
INFLATION
teils krgtiger Lohnsteigerungen auf dem Papier schrumpften ihre Nettolhne nach Abzug der Inflation
in den vergangenen sechs Jahren um fnf
Prozent (inklusive 2015). Hofer verteidigt die
mogliche Nulllohnrunde dennoch: Arbeitge-
ber seien von der Steuerreform enttauscht,
da sie mitunter mehr statt weniger Lohnnebenkosten zu bezahlen haben. Sie brauchten
Signale, dass der Wirtschaftsstandort sterreich attraktiv bleibe. Da es die Politik nicht
schafft, sollen es nun offenbar die Sozialpartner richten.
3,3
Aber auch aus
Sicht der Arbeitnehmer gibt es
ein Argument fUr Lohnzuriick-
Arbeitslosigkeit.
1,7
e
haltung: Sie knnte ein Mittel
sein, um die hohe Arbeitslosig-
keit einzudammen. Die Arbeitslosenquote
drfte heuer mit 9,3 Prozent und im nkhsten Jahr mit 9,6 Prozent sehr hoch bleiben,
erwartet das Wifo. Da die Produktivitk der
heimischen Arbeitnehmer mit den nominellen Lohnsteigerungen nicht mithalten konnte, verlor das Land in seinen Exportmkkten
zuletzt stark an Boden. So greift etwa die
deutsche AutomobiIindustrie vermehrt auf
osteuropaische statt ësterreichische Zulieferer zuriick, warnte schon die Nationalbank.
Eine moderate .Lohnrunde wke aus Sicht
der Okonomen ein probates Mittel, um Boden gutzumachen. Das Problem der hohen
Arbeitslosigkeit wird so zwar nicht geliist dafr ist die Zuwanderung zu hoch und sterreichs Umgang mit ihr zu schlecht. Aber
mit wettbewerbsfahigeren Lhnen risse sich
1,2
AlleAngaben 2011-14 und Prognose 2015-16
jeweils zum Vorjahr in Prozent
Quelle: Wtio Grahic .D$P Presse GK
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das Land wenigstens keine neue Wunde auf.
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NETTOREALLÖHNE
2,4
4.
-03
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-1,8
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LEITARTIKEL
32th9e
VON JOSEF
URSCHITAi
Wir stecken ziemlich
tief im Konjunkturloch
Die Wirtschaftsforscher versprechen uns einen Mini-Wirtschaftsaufschwung.
Wir prophezeien, dass der ohne Strukturreformen ausbleiben wird.
Jahr kommt also endlich ein
Nächstes
(wenn auch kleiner) Konjunkturauf-
schwung, sagen Nationalbank und Wirtschaftsforscher. Fein, aber kühlen Sie den
Sekt lieber noch nicht ein. Der Aufschwung kommt nämlich seit gut vier Jahren im jeweils kommenden Jahr. Aber leider nur in den Prognosen.
Könnte auch diesmal so sein. Denn
man sieht den Impuls nicht, der diesen
prognostizierten Mini-Aufschwung (selbst
die optimistischen, bei 1,3 bis 1,9 Prozent
liegenden Wachstumsprognosen reichen
ja nicht einmal, um den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu stoppen) anstoßen könnte.
Von außen kommt er eher nicht: Die
EU steckt weiter im Wachstumsloch, wo-
rüber auch ein paar erfreuliche Turnaround-Storys von Krisenstaaten nicht
hinwegtäuschen können. In den USA trübt
sich die Konjunktur gerade zusehends ein.
Das scheint man hierzulande noch nicht
so recht registriert zu haben. Die jüngste
Wachstumsprognose der US-Notenbank
len: Die durch eine ungeschickte Konstruktion der Gemeinschaftswährung am
Laufen gehaltene Eurolandkrise, die
noch immer ungelösten Probleme in der
globalen Finanzwirtschaft, die viel zu
hohe Staatsverschuldung in allen wichtigen Wirtschaftsregionen, die verkrusteten Strukturen in vielen reformresistenten europäischen Ländern.
wir wieder in Österreich sind:
Womit
Da wird die Steuerreform im kommenden Jahr sicher einen kleinen Im-
puls liefern, indem sie den Konsum ankurbelt. Aber einen zu schwachen. Zumal die Steuerreform ja nur eine kleine
Teilkompensation für die teils beträchtlichen Reallohnverluste ist, die die Österreicher jetzt sechs Jahre in Folge unter
anderem durch die Gebührenorgien der
öffentlichen Hand erlitten haben.
Wenn das Ganze halbwegs zum
Selbstläufer werden soll, dann müssen
die verkrusteten Strukturen", wie das
Fed für das kommende Jahr liegt jedenfalls
Wifo-Chef Aiginger so richtig nennt, auf-
sehr deutlich unter den Werten, die die
heimischen Wirtschaftsforscher für das
gebrochen werden, dann müssen die bekannten Ineffizienzen in der Verwaltung
beseitigt werden, dann muss es zu einem
Gesinnungswandel in Sachen Wirtschaft
kommen. Wenn man, wie das derzeit in
großem Stil geschieht, durch Schikanen
Gewerbebetriebe aus der Stadt und Industrieunternehmen aus dem Land
ekelt, dann wird man auf den nächsten
Aufschwung vergeblich warten.
Wir haben in dieser Woche mit Er-
US-Wachstum zugrunde legen.
Und aus den Schwellenländern
kommt so gut wie gar nichts. Die Wachs-
tumsprognosen für das nicht unwichtige
China werden ständig nach unten revidiert. Jetzt schon auf deutlich unter sieben
Prozent. Klingt noch immer eindrucksvoll,
aber Daten aus diesen Ländern sollte man
grundsätzlich mit der nötigen Distanz be-
trachten. Sieben Prozent Wachstum bei
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überall noch viel zu viele offene Baustel-
1,2 Prozent Inflation, wie das die Chinesen
behaupten, passen jedenfalls in kein Ökonomielehrbuch.
Womit wir schon beim Kern der Sache
sind: Wer ausnahmsweise 100 Gramm
Hausverstand einsetzt, statt komplizierte
ökonometrische Prognosemodelle mit
freundlichen Annahmen zu füttern, sieht
schnell, dass die gesamte Weltwirtschaft
anhaltend im Jammertal steckt. Globaler
Energie- und Rohstoffpreisverfall, gepaart
mit deflationären Tendenzen trotz heiß
laufender Gelddruckmaschinen der Notenbanken in wichtigen Wirtschaftsregionen, ist eben kein Hinweis darauf, dass der
Boom unmittelbar vor der Tür steht. Jede
Krise geht zu Ende, aber derzeit gibt es
staunen mit angesehen, wie Bundeskanzler Fayrnann seinem griechischen
Kollegen Tsipras schlaue Reformtipps
gegeben hat. Vielleicht könnte er das in
der eigenen Stillstandsrepublik auch einmal versuchen.
Dazu könnte ein Blick nach Irland
hilfreich sein: Die Iren waren vor einigen
Jahren pleite, mussten unter den EURettungsschirm schlüpfen und haben
daraufhin eiserne und schmerzhafte Reformen durchgezogen. Mit dem Ergebnis, dass sie jetzt Österreich beim ProKopf-BIP überholt haben. So macht man
das, Abkupfern ist durchaus erlaubt.
Mehr zum Thema: Seite 1
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Thema: Institut für höhere Studien IHS
Autor: MATTHIAS AUER
Das Thema Arbeitszeitverkürzung muss entkrampfter diskutiert werden", sagt Arbeiterkammer-Direktor Muhm.
"Arbeitslosigkeit großteils importiert"
Interview. Österreich sei ein
Paradies für Arbeiter aus dem
Ausland, sagt AK-Chef Muhm.
Er mahnt den Staat, die
Inflation (und so die Löhne)
nicht in die Höhe zu treiben.
VON MATTHIAS AUER
Die Presse: Österreich hat sieben magere
Jahre hinter sich. Die Gründe dafür sind
auch hausgemacht, wie jüngst eine Stand-
ort-Studie gezeigt hat. Sie nannten sie
wertlos", man solle das Land nicht
schlechtreden. Ist wirklich alles in Ordnung?
Werner Muhm: Es ist nicht alles in Ordnung.
Wir haben Schwächen, und an denen müssen wir arbeiten. Aber ich sehe das Glas eben
halb voll und nicht halb leer. Österreich ist
wettbewerbsmäßig immer noch gut aufgestellt und zählt seit zwanzig Jahren zu den
wohlhabendsten Ländern in Europa. Wir habeli eine aktive Leistungsbilanz und eine der
niedrigsten Arbeitslosenraten.
Aber wie lange noch? Aktuell zählt Österreich zu den ökonomischen Schlusslich-
tern in der EU, die Exporte brechen ein,
die Arbeitslosigkeit steigt .. .
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Ja, aber Österreich ist auch ein Paradies für
Arbeiter aus dem Ausland. Die Arbeitslosigkeit hierzulande ist zu einem beträchtlichen
Ausmaß importiert. Es gab Zeiten, da arbeite-
ten zehnmal mehr Österreicher in Deutschland als umgekehrt. Heute kommen jährlich
netto 7000 Deutsche zu uns. Dazu kommen
all jene, die über die Grenze arbeiten. Sie verdienen in Österreich ihr Geld, geben es aber
in Ungarn und der Slowakei aus, wo sie leben.
Nach dem Auslaufen der Übergangsfristen
für Kroatien Mitte 2020 kommt noch einmal
dasselbe auf uns zu. Das steigert den Druck
auf den Arbeitsmarkt natürlich enorm.
Ist das nicht zuletzt auch Ihr Verdienst"?
Die Arbeiterkammer kämpft ja fiir ebendiese guten Arbeitsbedingungen, die nun
offenbar Probleme bereiten. Wie lässt sich
dieser Import an Arbeitslosigkeit verringern?
Die Antwort darauf ist nicht einfach. Klar ist
nur: Man muss etwas tun. Weitere Verschärfung der Regeln gegen Lohn- und Sozialdumping und die Einführung des Bestbieter- statt
Billigstbieterprinzips sind erste Schritte. Wir
werden uns auch die freien Gewerbe anse-
hen. Zehntausende sind bei der WKO als
freie Vergipser gemeldet. Gibt es da Umgehungen? Aber das Thema Arbeitszeitverkürzung muss entkrampfter diskutiert werden.
Das Modell Mehr Freizeit statt mehr Lohn"
kann ich mir auch im öffentlichen Dienst gut
vorstellen.
Mehr Wirtschaftswachstum wird das wohl
ebenso wenig schaffen wie Ihre Forderung
nach einer sechsten Urlaubswoche.
Wachstum ist notwendig und wird sicher
nicht über die sechste Urlaubswoche ermög-
licht, sondern über einen guten Industriestandort. Wir brauchen eine Industriepolitik,
und in Ansätzen haben wir sie auch wieder:
Wir haben die Forschungsprämie erhöht, die
Mittelstandsfinanzierung neu geregelt und
die Mitarbeiterkapitalbeteiligung angehoben.
Aber es braucht mehr öffentliche Infrastrukturinvestitionen, Verfahrensbeschleunigung
und eine Bundesstaatsreform zur Reduktion
des Faktors 10 bei der Gesetzgebung. Das
bringt uns wettbewerbsfähige Betriebe.
Die Notenbank hat jüngst gewarnt, dass
Österreich schon viel seiner Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Seit 2007 hat das
Land fünf Prozent Exportmarktanteile verloren, weil die Lohnstückkosten schneller
gestiegen sind als im Rest Europas.
Ich sehe das nicht.so. Wir sind kostenmäßig
noch wettbewerbsfähig. Wir müssen aber zur
Kenntnis nehmen, dass wir im internationa-
len Vergleich in Europa relativ hohe Inflationsraten haben. Das bedeutet natürlich,
dass auch die Lohnsteigerungen hoch sind.
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Thema: Institut für höhere Studien IHS
Autor: MATTHIAS AUER
Das mtissen wir im Auge behalten.
Sie pffidieren also fiir Lohnzuriickhaltung im Herbst?
Nein,
die Arbeitnehmer haben natrIich
einen Anspruch auf steigende Realeinkom-
men. Aber wir haben diesmal auch eine
Lohnsteuersenkung, die de facto wie zwei
Lohnrunden wirkt. Die Frage ist: Woher
kommt die Inflation im Land?
Ein groger Teil davon konunt iiber hiihere
Steuern und Gebiihren vom Staat.
Die /nflation war besonders hoch im Dienstleistungsbereich und bei den Lebensmittein aber auch bei den Gebhren. Die tiffentliche
Hand muss in der Gebiihrenpolitik wieder
AugenmaS entwickeln. Zum Beispiel bei den
Gerichtsgebhren. Sie sind heute so hoch,
dass sie das komplette Justizbudget mehr als
finanzieren.
Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller meint, dass (Isterreich seit 25 Ja)l-
ren an der Grenze der Steuer- und Abgabenbelastung kratze, um den Sozialstaat
zu finanzieren. Reicht diese Steuerreform
aus, um hier gegenzusteuern?
Es ist mit 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung
immerhin die grSte Lohnsteuersenkung seit
1975. Die Kaufkraft der Menschen wird eben-
so steigen wie das Wirtschaftswachstum,
auch das hat die Nationalbank besthtigt.
Wenn es nach mir geht, werden wir aber bald
auch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer
haben. Daftir ist in einer Leistungsgesellschaft schon Platz, wenn im Gegenzug der
Faktor Arbeit entlastet wird. Hier muss man
bei den Lohnnebenkosten ansetzen. Die
Wohnbaufrderung hat nur eine Berechtigung, wenn die Mittel filr den Wohnbau
zweckgewidmet werden.
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ZUR PERSON
Werner Muhm (65) ist Direktor der Wiener
Arbeiterkammer. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre (WU Wien) ging er in die AK,
wechselte spater in den OGB und kehrte 1990 in die
AK zurUck. Muhm sitzt im Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank sowie in den Aufsichtsraten
der Wiener Stadtwerke und Wiener Stadtische.
Werner Muhm gilt als einflussreichster wirtschaftspolitischer Berater von SPO-Bundeskanzler Werner
Faymann.
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Autor: MATTHIAS AUER
Wir haben uns für Sicherheit und
gegen Wachstum entschieden
Interview. Wer wachsen
will, müsse Risiko auf sich
nehmen, sagt der Ökonom
Bernhard Felderer. Dazu sei
unsere Gesellschaft nicht
mehr bereit.
VON GERHARD HOFER
Die Presse: Sieben Jahre Krise. Ist jetzt
endlich Schluss?
Bernhard Felderer: Wie kommen Sie auf
sieben Jahre? Das krisenhafte Szenario hat
eigentlich viel früher begonnen. Spätestens,
als sich in den Jahren ab 2002 der blinde
Optimismus überschlagen hat. Es wurde gigantisch investiert. Das gilt für Unternehmer und natürlich für Banken. Alle dachten, es geht so weiter wie -in den 1980erund 1990er-Jahren.
Und 2008 kam dann der große Knall namens Lehman Brothers.
Da wurde die Krise für alle sichtbar. Der
Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger
Robert J. Shiller hat schon 2007 davor gewarnt, dass die Immobilienpreise in den
USA viel zu hoch sind.
Seither sagen uns die Wirtschaftsforscher Jahr für Jahr, dass der Aufschwung
nächstes Jahr kommen wird. Doch er
kommt nicht. Warum soll es diesmal anders sein?
Ich glaube, dass wir wieder ein Wachstum
von zwei Prozent haben werden. Ich bezweifle aber, dass es schon nächstes Jahr
sein wird. Es wird noch ein paar Jahre dauern. Besonders bei uns in Österreich.
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Warum wächst die Wirtschaft nur mehr
langsam?
Für Wirtschaftswachstum braucht es zwei
Voraussetzungen: eine wachsende Bevölkerung und höhere Produktivität. Die Bevölkerung wird in Europa in den kommenden
Jahrzehnten nicht wachsen. Und auch die
Produktivität sinkt seit Jahrzehnten kontinuierlich und wächst nun in der Krise de
wahren.
Das Bedürfnis nach Sicherheit ist also
eine Wachstumsbremse?
Heute geht einer ein Risiko ein, wenn er
den Job wechselt. Selbst wenn er andernorts mehr verdienen würde, ist ihm das
Risiko zu groß, dort zu versagen und den
Job zu verlieren. Auch die Unternehmer
riskieren weniger, das heißt, sie investieren weniger. Aber die Marktwirtschaft
braucht Menschen, die Risiko nehmen
und Ideen haben.
Diese Entwicklung gilt für viele europäische Länder, nicht Jedoch für die USA.
Dort ist doch die Produktivität in den
vergangenen Jahren wieder gestiegen.
Wie denn das?
Damit sind wir beim europäischen Kernproblem. Hierzulande passen sich auch die
staatlichen Institutionen dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung an. Denken Sie
an den Ausbau des Sozialversicherungssystems, an all die Regulierungen - etwa bei
den Banken. Das gibt es in den USA nicht.
Dort gehen Unternehmen und sogar auch
Banken pleite, wenn die Performance nicht
passt. Aber: Jeder hat eine zweite Chance.
Na gut: Sollen die Amerikaner wachsen,
wir haben dafür einen besseren Sozialstaat, wir sind zufrieden, mit dem was
wir haben. Wieso müssen wir immer
wachsen?
Weil wir sonst unseren Wohlstand einbü-
ßen. Wir brauchen zwei Prozent Wachstum,
damit die Arbeitslosigkeit nicht weiter
steigt. Außerdem ist nicht nur der Staat verschuldet, sondern auch die privaten Haushalte. Ohne Wachstum können diese ihre
Schulden nicht zurückzahlen.
Wachstum ist also kein Fetisch von Managern und neoliberalen Professoren?
Und Wachstum heißt auch nicht, dass wir
alles zubetonieren müssen. Viele Menschen haben leider diese Befürchtung, dass
Wirtschaftswachstum die Umwelt zerstört.
Dabei ist gerade das Gegenteil der Fall.
Ökonomischer Fortschritt bedeutet höhere
facto nicht mehr.
Lebenserwartung, bedeutet bessere Ge-
Warum waren wir früher produktiver?
Weil früher niemand über Sicherheit ge-
Marktwirtschaft.
sprochen hat. Weil früher alle gierig danach
waren, ein besseres Leben zu haben. Doch
mit dem Wohlstand steigt das Sicherheitsbedürfnis. Und irgendwann will man nicht
mehr haben, sondern das, was man hat, be-
sundheit. Das alles verdanken wir der
Und trotzdem verliert unsere Marktwirtschaft samt eingebautem Sozial-Airbag
so an Fahrt. Steht quasi still.
Sicherheitsstreben und Umverteilung reduzieren die Wachstumsanreize,
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Aber aus einer sicheren Warte weniger
Sicherheit zu predigen - da macht man
es sich doch sehr einfach, oder?
Ja, ich kann das locker sagen. Aber wir werden diese Sicherheitskultur ohnehin nicht
abschütteln. Wir haben uns längst für Sicherheit und gegen Wachstum entschieden.
Interessant ist nur, dass trotz steigender
Sicherheit, trotz steigender Sozialleistungen die allgemeine Verunsicherung
zunimmt. Wir fürchten uns mehr denn
je. Vor den Ausländern, vor Arbeitslosigkeit, vor Terrorismus.
Je mehr wir haben, umso größer ist die
Angst, es zu verlieren. Wir fürchten, dass
uns der Ausländer etwas wegnimmt. Dabei
ist empirisch erwiesen, dass Zuwanderung
den Wohlstand aller steigert.
Dennis Meadows hatte also doch recht,
als er das Ende des Wachstums propagierte?
Meadows irrte. Ginge es nach ihm, hätten
wir seit Jahren kein Erdöl mehr. Wir werden
kein Wachstum wie in den 1970er- und
1980er-Jahren mehr 'sehen. Die Wirtschaft
wird nur noch moderat wachsen. Und das
über einen sehr langen Zeitraum.
ZUR PERSON
Wachstum heißt nicht, dass wir alles zubetonieren müssen", sagt Felderer.
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Bernhard Felderer wurde 1941 in Klagenfurt
geboren. Der Ökonom lehrte und forschte unter
anderem an den Universitäten Princeton, Köln und
Bochum. Von 1991 bis 2012 war Felderer Direktor
des Instituts für Höhere Studien. Er beriet als
Wirtschaftsforscher Regierungen in Österreich und
Deutschland. Felderer ist Präsident des
österreichischen Fiskalrats. Das Gremium berät
die Politik bei Fragen der Staatsfinanzen und des
Staatshaushaltes.
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+2,9 +5,0
Exporte
+0,7 +1,8
+3,0 +4,0
BIP-Wachstum real
+2,9 +5,0
+0,5 +1,3
Importe
INS
2015 2016
+2,5 +3,5
Wifo 2015 2016
Konjunkturprognose
+0,8 +1,7
jeweils zum Vorjahr in Prozent
Privater Konsum
-0,5 +1,3
+0,4 +1,3
Bauinvestitionen
-0,1 +2,0
Bruttoanlageinvestitionen
+0,5 +1,0
+0,5 +1,5
Quelle: IHS. Wifo Grafik ..Die Presse' GK
Österreichs Wachstumsbonus
war suspekt"
Konjunktur. Der Aufschwung im
Euroraum wird auch in Österreich
ankommen, erwarten Wifo und
MS. An eine echte Erholung
glauben die Unternehmen aber
offenbar nicht.
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Wien. Zwei Drittel des heimischen Wirtschaftswachstums wird jenseits der Grenzen
entschieden. Und da große Euroländer wie
Italien, Frankreich oder Spanien wieder zum
Wachstum zurückfinden und Österreich vom
Schwächeln der Schwellenländer nur wenig
betroffen ist, rechnen die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS für 2016 wieder mit einem kräftigeren Anstieg der Kon-
junktur. Spätestens ab 2017 soll auch die
Steuerreform ihr Scherflein zur Konjunktur-
belebung beitragen. Heuer bleibt die wirtschaftliche Dynamik in Österreich mit einem
prognostizierten BIP-Plus von 0,5 bis 0,7 Pro-
heimische Wirtschaft das zweite Jahr in Folge langsamer als der Euroraum.
Unsere Prognose ist nicht pessimistisch,
sondern realistisch", betonte Wifo-Chef Karl
Aiginger. Einen Grund für die schwächere
Entwicklung Österreichs im Vergleich zur
Eurozone sehen die Ökonomen auch darin,
dass das Land am Aufschwung beim wichtigsten Handelspartner Deutschland nicht
partizipieren kann wie gewohnt. Denn die
deutsche Erholung ist stark konsumgetrieben, Österreichs Exportunternehmen hingegen vor allem im industriellen Bereich stark.
Aber auch Soft Facts hemmen das heimi-
sche Wachstum, allen voran die düstere
Stimmung, in der sich die österreichischen
Unternehmer derzeit befinden.
Zurückhaltung bei Investitionen
Obwohl die konjunkturellen Signale aus vielen Industrieländern gut seien, stünden diese bei Investitionen weiter fest auf der Bremse. Das IHS erwartet im Jahresschnitt heuer
eine Stagnation (-0,1 Prozent) der Anlageinvestitionen. Das Wifo hat seine Prognosen
zent noch sehr schwach. Damit wächst die
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far die Bruttoanlage- und die Ausrastangsinvestitionen far heuer auf je 0,5 Prozent plus
reduziert.
Das ist deutlich weniger als bei fraheren
Aufschwiingen", sagt IHS-elkonom Helmut
Hofer. Die heimischen Unternehmen rech-
nen offenbar nicht damit, dass das Wirt- \
schaftswachstum
mittelfristig
wieder
Qber zwei Prozent steigen wird, erlQutert sein
Wifo-Kollege Aiginger. Erst ab dieser Schwelle warden nQmlich KapazitQten in den Fabriken tiblicherweise zu knapp und Investitionen in die Erweiterung von Anlagen notwendig. Und: Es ist gut mQglich, dass die Unternehmen hier recht behalten", sagt Aiginger
zur Presse".
Neue Zirkte in Osteuropa lassen aus
Der Grund dafQr: Osterreich habe es die
1Qngste Zeit verabsQumt, eine wirldich konkurrenzffihige Zukunftsindustrie aufzubauen. Der Wachstumsbonus", den Osterreich
lange Zeit gegenQber LQndern wie Deutschland genossen habe, sei ihm immer suspekt" gewesen.
Die ErklQrung ftir das fraher stQrkere
Wachstum sieht er einzig in der geschickten
ErschlieBung neuer MQrkte. Die OstQffnung
und spQter die EU-Osterweiterungen hQtten
die heimische Wirtschaft stark belebt. Nun
seien mit Russland, der Ukraine und dem ge-
samten Balkan jedoch drei der einstigen
HoffnungsmQrkte in wirtschaf-tlichen Turbulenzen. Die FlexibilitQt, sich nun einfach umzudrehen und die Waren eben in eine chine-
sische Provinz zu liefern, fehle der heimi(auer)
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