FEHLING INSTRUMENTS GmbH

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FEHLING
INSTRUMENTS
PRODUKTINFORMATION
3 CERAMO® Scheren
3.1
Zweck
Der Zweck von Scheren ist das Trennen.
Im Bereich der Chirurgie erstreckt sich das Trennen hauptsächlich auf
• das Durchtrennen von Hilfsstoffen, z. B. Fäden, Tupfer, Gefäßprothesen, Verbandsstoff,
Gips,
• das Durchtrennen von Geweben, z. B. Haut, Gefäße, Bindegewebe, Knochen,
• das Auseinandertrennen verschiedener Gewebearten an ihren Grenzflächen, z. B. Gefäße von Bindegewebe, Muskeln von Knochen.
Es gibt zwei Arten des Trennens:
•
Scharfes Trennen
Als scharfes Trennen ist das Trennen von Gewebe mit Hilfe der Scherkanten zu verstehen. Mechanisch läuft folgender Vorgang ab:
Beim Schließen einer geöffneten Schere wird der Scherpunkt von proximal nach distal
über die gesamte Blattlänge entwickelt. Scheren findet jeweils nur am jeweiligen Scherpunkt statt. Vor Erreichen des Scherpunkts wird durch die sich zunehmend schließenden
Blätter das Schergut komprimiert. Bei Erreichen des Scherpunkts wird die Gewebestruktur durch den zunehmenden Druck zerrissen. In diesem Augenblick sind die inneren Gewebekräfte schwächer geworden als die von den Scherenblättern ausgehenden äußeren
Kräfte.
•
Stumpfes Trennen
Beim stumpfen Trennen werden nicht die Scherkanten für den Trennvorgang verwendet,
sondern die stumpfen Außenseiten der Blätter. Dies kann entweder durch Ausübung einseitigen Drucks oder durch Aufspreizen der Scherenblätter, d. h. durch zweiseitigen
Druck, geschehen.
Stumpfes Trennen eignet sich am besten für das Auseinandertrennen verschiedener
Gewebearten.
Präparierscheren dienen der Vorbereitung des OP-Felds für den eigentlichen Zwecks des
Eingriffs. Der Vielfalt möglicher OP-Felder entsprechend unterscheiden sich auch die Präparierscheren in ihren spezifischen Eigenschaften. Außerdem gibt es einen fließenden Übergang der Anwendung zu den chirurgischen Scheren.
Chirurgische Scheren dienen dem Durchtrennen von Geweben im Zuge eines Eingriffs. Entsprechend dem Eingriffsbereich und den dafür erforderlichen Sonderformen chirurgischer
Scheren wird unterschieden zwischen einer Vielzahl von Scherenfamilien wie z.B. Gefäßscheren, Augenscheren, Knochenscheren etc.
3.2
Zweckabhängige Eigenschaften
Die Eigenschaften der Scheren sind jeweils eine Funktion der Zwecke. Je besser die Eigenschaften den Zwecken angepaßt sind, desto vollkommener können die Zwecke erfüllt werden und desto geringer wird das Risiko instrumentenbedingter Komplikationen. Die wichtigsten Gruppen von Eigenschaften sind die folgenden:
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3.2.1
PRODUKTINFORMATION
Design
3.2.1.1 Scherenform
Gemeinsames Merkmal aller Scheren sind zwei Scherbacken oder -blätter, die beim Schervorgang - im Idealfall mit Abstand 0 - aneinander entlang geführt werden.
Den in der Chirurgie vorkommenden handgeführten Scheren ist darüber hinaus gemeinsam,
daß der Schervorgang mittels zweier Hebel (Branchen) über einen Hebelansatzpunkt
(Schluß) kontinuierlich vom Schluß zum Blattende geführt wird.
In der Chirurgie werden folgende Scherenformen vorzugsweise verwendet:
3.2.1.1.1 Ringscheren
Namensgebendes Merkmal der Ringscheren sind zwei Ringe am proximalen Ende der Branchen zur Aufnahme von üblicherweise je einem Finger. Die Kraft des Anwenders kann somit
nur über 2 Finger eingeleitet werden. Dadurch wird der Anwendungsbereich von Ringscheren eingeschränkt auf Trennvorgänge, für die nur kleine Kräfte erforderlich sind.
3.2.1.1.2 Federscheren
Bei Federscheren werden die beiden Branchen über eine meist am proximalen Ende der
Branchen liegende Blattfeder geöffnet und offengehalten. Über diese Federverbindung ergibt
sich eine Zwangssteuerung der Branchenführung, die sehr kleine Abmessungen der Scherenkomponenten zuläßt.
Federscheren sind deshalb die klassischen Scherenformen für die Mikropräparation.
3.2.1.1.3 Rundschaftscheren
Bei Rundschaftscheren wird die Bewegung der Scherenblätter über ein Geschiebe bewirkt,
das zwischen Branchen und Blätter montiert ist.
Der Schaft kann entweder aus einem Rohr mit einem darin laufenden Schieber (Rohrschaft)
oder aus zwei halbrunden Vollprofilen (Vollschaft) bestehen, wobei der meist oben liegende
Schieber an der unten liegenden Schaftbasis entlang geschoben wird.
Rundschaftscheren eignen sich besonders für die Überbrückung von Entfernungen zwischen
Operateur und Operationsfeld bei kleinen Zugängen (Minimalinvasive Chirurgie).
3.2.1.1.4 Hebelarmscheren
Hebelarmscheren entsprechen prinzipiell den Ringscheren, besitzen jedoch an ihrem proximalen Ende keine Ringe. Anstelle der Ringe treten Handgriffe, die entweder für ein- oder
zweihändigen Gebrauch konstruiert sind.
Hebelarmscheren lassen deshalb eine erheblich größere Krafteinwirkung zu, die durch eine
Übersetzung in der Schlußmechanik noch vervielfacht werden kann. Hebelarmscheren eignen sich deshalb vorzugsweise für das Trennen von Hilfsstoffen mit hohem Trennwiderstand, wie z. B. Gips- oder Kunststoffverbände.
3.2.1.2 Blattform
Sowohl die Blätter als auch die Branchen können lineare und nicht-lineare Formen aufweisen. Bei linear verlaufenden Blättern spricht man von geraden Scheren, bei nicht-linear verlaufenden Blättern von gebogenen Scheren. Die Biegung von Scherenblättern und branchen dient hauptsächlich der Verbesserung der Sicht des Chirurgen auf das OP-Feld.
Eine andere Formvariante ist die Winkelung von Scherenblättern. Man unterscheidet die
kniegewinkelten Scheren, bei denen der Winkel der Scherlinie in der Branchenebene von 0°
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abweicht, und die aufgewinkelten Scheren, bei denen die Scherlinie senkrecht zur Branchenebene von 0° abweicht.
Bei den Blattformen unterscheidet man volle Blätter (z. B. Metzenbaum) und eingeschliffene
Blätter (z. B. chirurgische Schere).
3.2.2
Material
3.2.2.1 Materialart
Auf Scheren wirken relativ hohe äußere Kräfte ein. Diesen äußeren Kräften müssen entsprechende innere Kräfte gegenüber stehen.
Die inneren Kräfte entsprechen im wesentlichen den verschiedenen Parametern der Materialfestigkeit. Die für chirurgische Zwecke erforderliche Festigkeit wird fast ausschließlich
durch Stähle gewährleistet, deren Zusammensetzung jeweils differiert nach den zweckbezogenen Ansprüchen auf Festigkeit gegen Schlag, Zug, Druck, Biegung, Knick, Schub, Verdrehen und dies alles unter Gesichtspunkten von statischen und dynamischen Belastungen.
Die Schwachstellen von Scheren sind die Scherkanten. Um deren Festigkeit zu erhöhen,
werden häufig Hartmetalleinsätze, z. B. Wolfram-Carbid in die Blätter eingelötet oder eingeschweißt. Die dabei gewählte Verbindungstechnik beeinflußt in erheblichem Umfang die Elastizität der Blätter. Lot, das wie ein Kleber zwei verschiedenartige Metalle verbindet, ist im
Vergleich zu den verbundenen Metallen sehr spröde und porös und mindert dadurch die Elastizität der Blätter beträchtlich. Blätter mit eingelöteten Hartmetalleinsätzen können deshalb
nach dem Einlöten nur noch in sehr begrenztem Umfang gerichtet werden. Dadurch wird die
durchschnittliche Ganggenauigkeit beeinträchtigt.
Beim Einschweißen von Hartmetalleinsätzen findet dagegen eine Verschmelzung von verschiedenen Metallen statt, die Elastizität der Metalle bleibt erhalten. Die Scherenblätter können nach dem Einschweißen zu einem optimalen Gang gerichtet werden.
3.2.2.2 Materialzustand
Die für Scheren verwendeten Stähle sind grundsätzlich gehärtet und weisen eine Mindesthärte von 540 - 550 HV (entsprechend etwa 52 Rockwell) auf. Im Bereich der Hartmetalleinsätze erhöht sich die Härte nach Maßgabe des gewählten Werkstoffs um den Faktor 1,3 bis
1,5.
3.2.3 Mechanik
In ihrer mechanischen Gestaltung unterliegen Scheren den Anforderungen der konstruktiven
und der funktionellen Mechanik.
Die konstruktive Mechanik zielt auf die Einhaltung des Grundgesetzes der Statik ab, demzufolge die Summe der inneren Kräfte gleich sein muß der Summe der äußeren Kräfte. Dabei
gilt immer die Voraussetzung, daß die Scheren vom Anwender dem jeweiligen vorgegebenen Zweck entsprechend verwendet werden. Die konstruktiven Parameter sind in den Kapiteln 3.2.1 Geometrie und 3.2.2 Material beschrieben.
Die funktionelle Mechanik stellt auf die zielgerichtete Zusammenstellung der Scherenkomponenten ab. Im Ergebnis muß der Schereffekt unter den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen erreicht werden. Auch hierzu wird in den beiden vorangegangenen Kapiteln das Potential an gestalterischen Mitteln dargestellt.
3.3
Das Besondere an FEHLING Scheren
Scheren mit CERAMO®-Oberfläche haben besondere Eigenschaften und bieten gegenüber
den konstruktiv gleichen Instrumenten mit blanker Stahloberfläche folgende Vorteile:
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•
Die dunkle Bronzefarbe minimiert störende Lichtreflexe, was vor allem beim Operieren
unter dem Mikroskop die Arbeitsbedingungen verbessert.
•
Die dicht geschlossene keramische Oberfläche ist unter den üblichen klinischen Bedingungen inert, d.h. chemisch inaktiv, schützt damit gegen Oxidation und erleichtert die
Reinigung.
•
Die extreme Härte der keramischen Oberfläche verlängert die Standzeit der Scheren um
ein Vielfaches:
Die Qualität von Schnitt- und Scherfunktionen hängt bei sonst gleichen mechanischen
Bedingungen hauptsächlich vom Radius der Schnitt- und Scherkanten ab. Je kleiner dieser Radius ist, desto schnitt- und schertauglicher ist das Instrument. Bei jedem Schnittund Schervorgang wird durch die Reibung mit dem Schnittgut Material von den Schnittund Scherkanten abgetragen. Da alle Schnitt- und Scherwerkzeuge eine konische Form
haben, wird durch diesen abrasiven Verschleiß (Abrieb) der Radius der Schnitt- und
Scherkanten sukzessive vergrößert. Je weiter diese Verrundung fortschreitet, desto geringer wird die Fähigkeit der Kanten zum Aufspalten und Trennen des Schnittguts. Das
Instrument ist "stumpf".
Als praktischer Nachweis wurde ein Scherentest durchgeführt:
In einem Vergleichstest wurden je 5 gebogene MAYO Präparierscheren mit eingeschweißten Hartmetalleinsätzen ohne Keramikoberfläche und 5 dieser Scheren mit CERAMO® Oberfläche in einen Bewegungsautomaten gespannt und darin zyklisch geöffnet
und geschlossen. Beim Schließen wurde mit den Scherenblättern ein Baumwoll-LatexBand geschnitten.
Dieses Vorgehen wurde bis zur Zerstörung der Scheren fortgesetzt. Als zerstört galten
die Scheren dann, wenn keine Trennung, sondern nur noch ein Verquetschen des Prüfstreifens erfolgte.
Im Durchschnitt waren die Scheren ohne CERAMO® Beschichtung nach 10.200 Schnitten, die Scheren mit CERAMO® Beschichtung erst nach 152.000 Schnitten zerstört.
3.4
Vergleich mit dem Stand der Technik
Stand der Technik sind in der Chirurgie noch immer Scheren aus gehärtetem Stahl mit oder
ohne Hartmetalleinsatz. In jüngster Zeit sind auch Scheren mit PVD-Oberflächen im Markt
aufgetaucht, deren Oberflächeneigenschaften die Qualität der CERAMO® Oberfläche nicht
erreichen. Außerhalb Deutschlands bietet die Firma Lawton Scheren mit gleichartiger Oberfläche an: sie ist von FEHLING gefertigt.
In anderen Anwendungsfeldern sind Scheren mit CERAMO®-gleichen Eigenschaften seit
längerer Zeit Stand der Technik. Zu verweisen ist hier z. B. auf Frisörscheren, Textilscheren
etc.
3.5
Wartung und Pflege
3.5.1 Aufbereitung
Scheren haben geringe Ansprüche an die Pflege. Die Reinigung nach Gebrauch ist in der
Regel ausreichend. Die Reinigung muß jedoch im geöffneten Zustand erfolgen, damit alle
Grenzflächen von Rückständen befreit werden können. Die gelegentliche Verwendung eines
kleinen Tropfens Öl oder ein Instrumentenmilch-Zusatz im Spülmittel verringert die Abriebrisiken im Schlußbereich.
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3.5.2 Reparatur
Scheren sind dann gererell in Stand zu setzen, wenn der bestimmungsgemäße Zweck nicht
mehr oder nicht mehr ausreichend erreicht wird.
Mögliche Ursachen für eine Reparatur können sein:
• Die Scheren werden stumpf.
Der Abstumpfungsprozeß ist physikalisch gesehen eine Verrundung der Scherkanten. Sie
resultiert aus dem physikalisch unvermeidlichen Abrieb. Die Geschwindigkeit dieses Abriebprozesses hängt von der Art des Materials der Scherkanten und von der Art des
Scherguts ab. Je größer die inneren Kräfte des Scherguts im Vergleich zu den inneren
Kräften der Scherkanten sind, desto schneller findet Abrieb statt.
• Die Scherenblätter sind verbogen.
Physikalisch gesehen ist dies eine plastische Verformung, die dadurch entsteht, daß die
Schere über ihre materialbedingte Elastizitätsgrenze hinaus durch äußere Kräfte verformt
worden ist. Soweit kein fertigungsbedingter Qualitätsmangel vorgelegen hat, sind plastische Verformungen in der Regel die Folge von nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch
der Scheren.
• Die Scheren brechen.
Physikalisch gesehen ist der Bruch die äußerste Form der plastischen Verformung. Scherenbrüche sind praktisch nicht reparabel.
• Die Scheren korrodieren (rosten).
Chemisch gesehen ist dies Folge einer Reaktion der Scherengrenzflächen mit Sauerstoff.
Soweit ein Nachschliff erforderlich wird oder andere Reparaturen anfallen, soll dies ausschließlich von FEHLING durchgeführt werden.
3.6
Warnhinweise
3.6.1 Ersteinsatz
Alle FEHLING Scheren werden unsteril geliefert und müssen vor dem Erstgebrauch vom
Anwender gereinigt und sterilisiert werden.
3.6.2 Sicherheitsüberprüfung
Vor und nach jedem Einsatz im OP sollten die Schnittkanten der Scheren hinsichtlich Scharten oder Verformungen untersucht werden. Sollten Mängel entdeckt werden darf das Instrument nicht mehr eingesetzt werden, da die einwandfreie Funktion nicht mehr gewährleistet
ist.
3.6.3 Anwendung
Um Scheren vor Schäden zu bewahren sind die folgenden Dinge zu beachten:
-
Nur zum Trennen verwenden! Sowohl scharfes (mit den Scherkanten) als auch stumpfes
(mit dem Scherblattrücken) Trennen ist zulässig.
-
Nur zur Trennung von Gewebe oder Material verwenden, dessen Volumen und Festigkeit
der Scherenkonstruktion angemessen ist! Überlastung kann die Blätter plastisch verformen und dadurch den zum Trennen erforderlichen Scherschluß verhindern.
-
Mit Präparierscheren kein Material (z. B. Fäden) schneiden! Merke CERAMO®Oberfläche schützen gegen Abrieb, nicht aber gegen plastische Verformung. Das Trennen harter Materialien verursacht regelmäßig Scharten. Das in der Scharte seitwärts ver-
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lagerte Material wirkt wie ein Distanzhalter zwischen den Scherkanten und verhindert den
zum Trennen erforderlichen Scherschluß.
-
Die Scherkanten möglichst orthograd zum Schergut führen!