So ticken die Kandidaten politisch

Donnerstag, 18. Februar 2016 / Nr. 40
Nidwalden
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21
So ticken die Kandidaten politisch
NIDWALDEN Was hält der linke Kandidat von der Katar-Reise der Regierung? Wie denken
die bürgerlichen Konkurrenten über die Durchsetzungsinitiative? Vor dem Podiumsgespräch
unserer Zeitung von heute (19.30 Uhr, Kollegi Stans) beziehen die vier Regierungsratskandidaten
zu Vorlagen vom 28. Februar und weiteren politischen Brennpunkten Stellung.
MARKUS VON ROTZ
[email protected]
Sepp Durrer,
Gastronom,
Landrat,
FDP,
Wolfenschiessen
Josef Niederberger,
Unternehmer,
alt Landrat,
CVP,
Oberdorf
Walter Odermatt,
Landwirt,
Land-/Gemeinderat,
SVP,
Stans
Conrad Wagner,
Mobilitätsfachmann,
Landratspräsident,
Grüne,
Stans
Stimmen Sie am 28. Februar für oder
gegen die zweite Gotthardröhre und
warum?
Dafür. Sicherheit geht vor. 2,5, Milliarden
für ein Provisorium ist zu teuer. Für 2,8
Milliarden haben wir eine Lösung, die
auch in 40 Jahren eine Sanierung zu
vernünftigen Kosten erlaubt. Eine Kapazitätserweiterung ist ausgeschlossen.
Die nur einspurige Befahrung der beiden
Tunnelröhren ist in Verfassung und
Gesetz verankert.
Ich bin für den Bau einer zweiten Gotthardröhre. So können wir die Sicherheit
in Zukunft erhöhen. Langfristig ist das
die günstigere Lösung und volkswirtschaftlich gesehen die bessere Variante
für unser Land.
Die Gotthardröhre ist ein Nadelöhr,
welches ein Sicherheitsrisiko bietet.
Für die Sanierung braucht es eine
Verladestation mit Kosten von 2 Milliarden Franken. Ich bin für eine zweite Gotthardröhre, erwarte aber von der
Politik, dass der Vorstoss von Nationalrat Leo Müller mit der Maut-Einführung unterstützt wird.
Nein. Der Gotthardtunnel kann und soll
ohne den Bau einer zweiten Röhre saniert werden. Moderne Fahrzeug- und
Verkehrstechnologien werden bis in 20
Jahren anstelle weiterer teurer Tunnelbauten treten und zusätzlich mehr Sicherheit bringen. Und bloss mehr Kapazität für ausländische Lastwagen zu
schaffen, kann nicht unsere Absicht sein.
Stimmen Sie am 28. Februar für oder
gegen die Durchsetzungsinitiative
und warum?
Dagegen. Das Bundesparlament hat auf
die Ausschaffungsinitiative ein äusserst
hartes Gesetz verabschiedet. Wegen der
Durchsetzungsinitiative konnte es noch
nicht in Kraft gesetzt werden. Die Initiative ist unschweizerisch und unnötig.
Sie ist ein unverantwortlicher Angriff auf
unser bewährtes Rechtssystem.
Ich stimme gegen diese Initiative, weil
sie die Arbeit des Parlamentes umgeht
und im Konflikt mit den Grundrechten
steht. Die Initiative ist unnötig, da das
Parlament die Ausschaffungspraxis bereits verschärft hat.
Fakt ist, dass die Schweizer 2010 der
Ausschaffungsinitiative zugestimmt
haben. Was ist dann passiert? Das
Parlament versuchte, den Volkswillen
zu unterlaufen, indem es mit der Härtefallklausel einen Täterschutz eingebaut hat. Wer an die Opfer denkt und
mehr Sicherheit für alle will, stimmt
der Durchsetzungsinitiative zu.
Bei vollem Verständnis für die Sorgen
unserer Bürger im aktuellen Umfeld bin
ich überzeugt, dass die bestehenden
Rechtsgrundlagen ausreichen, um mögliche Probleme zu bewältigen. Die Initiative ist unverhältnismässig, verstösst
gegen klare staatspolitische Prinzipien
der Gewaltentrennung und hebelt das
unteilbare Recht auf eine gerichtliche
Beurteilung im Einzelfall aus.
Die Ständeratswahl war zumindest
im Fall eines Kandidaten mehr ein
Polittheater, weil sich dieser selber
nominieren konnte. Parteien forderten teilweise eine Korrektur des Gesetzes. Was schwebt Ihnen vor und
warum?
Ich finde es übertrieben, auf jede unvorhergesehene Situation ein Gesetz zu
ändern, oder gar ein neues zu machen.
Wir können die Gesetze nie so machen,
dass alle unerfreulichen Ausnahmen
geregelt sind. Auch Unfälle auf den
Strassen lassen sich mit noch so rigorosen Gesetzen nicht verhindern.
In unserem Kanton steht es jedem frei,
für ein Amt zu kandidieren. Jedoch
sollte es aus meiner Sicht eine gewisse
Hürde mit Anzahl Unterschriften geben.
Bei einer Landratskandidatur müssen
beispielsweise fünf Personen die Kandidatur unterschreiben. So kann man
einen Wiederholungsfall vielleicht abwenden.
Solange ich mich erinnern kann, gab
es noch nie eine Kandidatur, die für
ähnliche Diskussionen sorgte. Persönlich finde ich, man sollte zurückhaltend
sein und nicht wegen eines Einzelfalls
gleich ein ganzes Gesetz umschreiben.
Wahlvorschläge, auch für die anderen
Wahlen, können gemäss Gesetz «von
jeder Person eingereicht werden, die
das Aktivbürgerrecht» besitzt. Ein obligatorisches Quorum besteht nicht. Ich
empfehle ein Quorum wie es der Halbkanton Baselland kennt. Dort muss eine
Kandidatur von weiteren 15 Stimmberechtigten unterstützt werden, damit er
auf den amtlichen Wahlvorschlägen
aufgeführt wird.
Der Kanton muss massiv sparen. Die
einen sehen das als logische Folge
der Steuersenkungen der letzten Jahre, den anderen kommt es gerade
recht, weil sie ohnehin für einen
schlanken Staat sind. Wie erklären
Sie dem Wähler diese Ausgangslage
und würden Sie unterschreiben, dass
ein Staat wie ein Unternehmen geführt werden sollte?
Mehrbeträge wegen dem Finanzausgleich und ausbleibende Nationalbankzahlungen haben unseren Finanzhaushalt negativ beeinflusst. Unsere Steuerstrategien 2007, 2009 und 2011 haben
die Ertragserwartungen erfüllt. Nidwalden ist ein attraktiver Kanton geblieben.
In der Politik herrschen naturgemäss
unterschiedliche Auffassungen zu den
nötigen und wünschbaren Staatsaufgaben. Die Führung eines Staatswesens
ist komplexer und verfolgt andere Ziele
als die Führung eines Unternehmens.
Dennoch dürfen und sollen auch beim
Staat unternehmerische Überlegungen
vor allem zur Effizienz eine Rolle spielen.
Die bisherige Steuerstrategie verteidige
ich und hat unserem Kanton viel gebracht. Ein Grund für die aktuelle finanzielle Lage ist die massive Steigerung
beim Nationalen Finanzausgleich, bei
dem Nidwalden wieder 10 Millionen
mehr einbezahlen muss. Deswegen sind
wir auch in nächster Zeit gefordert, die
Finanzen ins Lot zu bringen und auch
über eine allfällige Steuererhöhung zu
diskutieren. Ein Staat soll mehrheitlich
wie ein Unternehmen geführt werden.
Es gibt aber gerade im Gesundheitswesen Aufgaben, über die wir nicht
betriebswirtschaftlich entscheiden können.
Die Steuergesetzrevisionen sind ein
Erfolg und waren ausgewogen. Nicht
nur die hohen Einkommen profitierten, sondern auch die Familien, der
Mittelstand, die Unternehmen. Nidwalden hat nicht weniger Steuereinnahmen als vorher. Im Gegenteil:
Wenn man die Bürger entlastet, gibt
es positive Wirkungen, die sogar zu
Mehreinnahmen führen. Die roten
Zahlen haben andere Gründe: Die
Sozialkosten steigen enorm. Das hat
mit der Pflegefinanzierung des Bundes
zu tun, die die Kantone nun ausbaden
müssen. Aber auch das Asylwesen ist
eine tickende Bombe: Unterbringung,
Integration, Sozialhilfe kosten uns Millionen. Dann braucht es Korrekturen
beim NFA: Es kann nicht sein, dass
erfolgreiche Kantone wie Nidwalden
bestraft werden.
Der Staat muss mit dem Geld seiner
Steuerzahler ganz klar effizient und
sparsam arbeiten. Aber der Staat ist
keine Marktwirtschaft, sondern eine
Solidargemeinschaft. Der Staat nimmt
viele Aufgaben wahr, die finanziell nicht
rentieren. Ohne staatliche Unterstützung
würde es beispielsweise für unseren
Alten, Invaliden, Minderbemittelten
aber auch für Bereiche wie die Landwirtschaft, Justiz und Sicherheit (Polizei), Spital, Energie und Verkehr schlecht
aussehen.
Über 25 Jahre verteilt sollen für die
Wiesenbergstrasse rund 40 Millionen
Franken investiert werden. Finden
Sie das richtig und würden Sie sich
auch im Fall von Kehrsiten gleich
grosszügig geben?
Ich bezeichne keine dieser Strassen als
«grosszügig». Man hätte zwar noch zuwarten können, wäre aber gezwungen
gewesen, jährliche Reparaturen in Millionenhöhe auszuführen. Also ist es
klüger, eine nachhaltige Planung zu
beginnen und auszuführen. Auch eine
bessere Erschliessung von Kehrsiten
wird gelöst werden müssen.
Ich finde den Ausbau der Wiesenbergstrasse wichtig und nötig. Bereits im
Landrat habe ich mich dafür eingesetzt.
Die Verbindungen zwischen den Gemeinden sollen gut ausgebaut sein und
da gehört auch die Kehrsitenstrasse
dazu. Hier soll der Kanton Lösungsvorschläge für die Entscheidung präsentieren.
Die Wiesenbergstrasse befindet sich in
einem Rutschgebiet und das Bauen ist
dort sehr anspruchsvoll. Deshalb die
hohen Kosten. Ich bin für eine richtige Sanierung, welche den heutigen
Bedürfnissen entspricht. Kehrsiten und
Wiesenberg sind nicht vergleichbar.
Bei der Kehrsitenstrasse besteht dringender Handlungsbedarf. Dort geht es
vor allem um den Schutz vor Steinschlag.
Wiesenberg ist klar ein besonderer Fall.
Doch der Entscheid des Landrats mit
der Sanierung ist richtig. Den Fall Kehrsiten müssen wir konkret anschauen,
wenn er aktuell wird. Im Gegensatz zum
Wiesenberg, wo immer noch eine Ausweichroute über das Ächerli bestünde,
gibt es eine solche für Kehrsiten nicht.
Eine Verkehrserschliessung muss immer
im Verhältnis zum örtlichen Raum- und
Siedlungskonzept bleiben.
Die geplante Reise der Nidwaldner
Regierung nach Katar gibt im Volk
sehr viel zu reden. Finden Sie diese
Mission auch richtig, darf sie 30 000
Franken kosten und freuen Sie sich
allenfalls darauf, nach einer Wahl
selber mitreisen zu können?
Als Unternehmer weiss ich, wie man
mit einem grossen Auftraggeber umgeht,
der uns so viel Nutzen bringt. Im Parlament sahen das 43 Landräte auch so.
Auf dem Bürgenstock werden rund 600
Millionen verbaut. Es entstehen 800
Arbeitsplätze. Der Kanton Nidwalden
profitiert also erheblich. Schade, dass
gewisse Kreise die geplante Reise für
weltanschauliche Kritik missbrauchen.
Den Austausch mit den Investoren für
den Bürgenstock ist für Nidwalden sehr
wichtig. Allerdings wäre eine Einladung
der Investoren nach Nidwalden sinnvoller und auch zweckmässiger. Bei einer
solchen Begegnung in Nidwalden wäre
ich gerne dabei.
Ich werde sicher nicht nach Katar reisen, nur schon weil ich bei den bisherigen Verhandlungen nicht dabei
war. Der grösste Anteil der Reisekosten
hat mit den Sicherheitsauflagen Katars
zu tun. Die Erschliessung des Bürgenstocks ist ein wichtiges Thema und es
stehen noch weitere grosse Investitionen im Raum. Aus diesen Überlegungen habe ich dem Kredit zugestimmt.
Ich finde die Reise deplatziert und
werde im Fall einer Wahl nicht an dieser teilnehmen. Es ist nicht Sache einer
Kantonsregierung, im Ausland auf nationaler Ebene auf Staatsbesuch zu gehen. Ich begrüsse die Investitionen der
Katari ins Bürgenstock-Resort. Ich habe
aber klare Vorbehalte zur Achtung der
Menschenrechte und der demokratischen Grundrechte in diesem Land.
Ist die aktuelle Lösung für den Flugplatz Buochs aus Ihrer Sicht richtig
oder müsste dieser nicht noch mehr
für zivile Fliegerei geöffnet werden?
Ich finde, die beteiligten Parteien (Kanton, Korporationen etc.) haben gute
Arbeit geleistet. Jetzt liegt ein sinnvolles
Konzept vor, das einen angemessenen
Betrieb für zivile Flugzeuge zulässt. Die
geplante Anzahl von 20 000 Flugbewegungen sollte genügen. Natürlich gibt
es immer wieder einzelne Punkte, die
verhandelt werden müssen.
Der Flugplatz ist für uns Nidwaldner,
für die Aviatikfirmen als Werkflugplatz
sowie für die private Fliegerei sehr
wichtig. Er soll sich nicht zu einem
Regionalflugplatz entwickeln und ich
bin auch dafür, dass wir die Flugbewegungen klar festlegen
Für mich steht im Vordergrund, dass
unser grösster Arbeitgeber im Kanton,
die Pilatus Flugzeugwerke, den Flugplatz nutzen kann. Das genaue Benutzerreglement muss sicher noch definiert werden. Mehr zivile Nutzung sehe
ich nur im Zusammenhang mit
Arbeitsplätzen und Unternehmen.
Die zivile Nutzung des Flugplatzes ist
für Nidwalden eine Chance und für die
Pilatuswerke von zentraler Bedeutung.
Die Rahmenbedingungen mit beschränkten Flugbewegungen sind ziemlich abgesteckt und richtig. Ein Ausbau
mit dem Lärm von kommerziellen Linienflügen würde von der Mehrheit der
Bevölkerung nicht akzeptiert.