„Bei uns stapelt auch der Macho sein Geschirr“

Samstag
MANNHEIM
28. NOVEMBER 2015
MORGEN
Dr. Joachim Belz, Vorsitzender des Vereins Mannheimer Platte, kennt die meisten gut, die sich in der Einrichtung in H7 ein leckeres
Essen schmecken lassen.
BILD: PROSSWITZ
Benefiz: Platte feiert 20. Geburtstag mit Gala im Capitol / Tickets kommen Einrichtung zugute
„Bei uns stapelt auch der
Macho sein Geschirr“
Von unserem Redaktionsmitglied
Meena Stavesand
Die Kenner wissen genau, wann sie
zur Mannheimer Platte kommen
müssen. „Wer spät isst“, verrät Dr.
Joachim Belz, „hat eine größere
Chance, etwas vom übrig gebliebenen Essen mitnehmen zu können.
Die Spezis kommen also meistens
erst gegen 13.30 Uhr.“ Die Platte ist
für viele in den vergangenen 20 Jahren zu einer Institution unter den sozialen Einrichtungen in Mannheim
geworden. Bedürftige bekommen in
H 7, 26 dreimal in der Woche eine
warme Mahlzeit. „Wir kontrollieren
nicht, ob jemand bedürftig ist, das
entscheidet jeder für sich selbst, indem er einfach vorbeikommt“, erklärt Bernd Oehler, der vor zwei Jahrzehnten die Idee zur Mannheimer
Platte hatte – und immer noch mit
dabei ist. Gerade ist er voll damit beschäftigt, das Benefizkonzert zu managen. Am Dienstag, 1. Dezember,
steigt nämlich im Capitol die große
Sause zum 20. Geburtstag.
In diesen zwei Dekaden ist viel
passiert – „und doch einiges gleich
geblieben“, sagt Dr. Joachim Belz,
der Vorsitzendes des Platte-Vereins.
Bei Kaffee und belegten Brötchen
lässt er die vielen Jahre Revue passieren und erzählt, was für ihn den
Charme der Einrichtung ausmacht.
Es sind vor allem die Menschen, die
die Platte formen. Die Geschichten,
die Schicksale und „die Eigenarten,
die man mit der Zeit einfach kennt“,
sagt auch die ehrenamtliche Mitarbeiterin Petra Heitzmann.
Ein paar Stunden Ruhe
In der Platte sitzen viele verschiedene Menschen zusammen. Es sei
wirklich so, wie in einem Film – der
gescheiterte Professor neben dem
Anwalt neben dem Senior mit der
kleinen Rente neben der wohnsitzlosen Prostituierten. Gerade Prostituierte, die kein festes Zuhause haben, fühlen sich in der Platte für ein
paar Stunden sicher. „Ich wurde einmal von einer Frau gefragt, ob es
okay wäre, wenn sie hier ein paar
Stündchen schlafen oder zumindest
dösen könnte. Natürlich war es okay,
nur nicht mit dem Kopf auf dem
Tisch – der Hygiene wegen“, erinnert
sich Joachim Belz an eine Situation.
Gerade Wohnsitzlose müssten
nachts immer mit Überfällen und
Gewalt rechnen, weshalb dann an
Schlaf kaum zu denken sei.
Geburtstag der „Platte“
쮿 Die Mannheimer „Platte“ feiert am
Dienstag, 1. Dezember, ab 19 Uhr ihren
20. Geburtstag mit einem Benefizkonzert.
쮿 „Das Programm ist so vielfältig wie
die Menschen, die in die Platte kommen“, sagt Organisator Bernd Oehler.
쮿 Mit dabei sind: Thomas Siffling &
Daniel Prandl (Jazz), Mitglieder des
Kevin O’Day Ballets am NTM (Tanz),
Bernd Köhler und das kleine elektronische Weltorchester ewo2 (Subversive Klangwelten), Cobody: Kosho/
Bartmes/Ditzner (Indie Jazz), Philippe Huguet (Chansons), JeanMichel Räber und Michael Fuchs
(Literatur), Edan Pine (Folk-Pop),
Madeleine Sauveur & Clemens
Maria Kitchen (Chanson-Kabarett).
쮿 Alle Künstlerinnen und Künstler
sind gerne ohne Gage dabei, das
Capitol spendiert die Miete, die Eintrittsgelder werden komplett in den
Spendentopf für die Platte fließen.
쮿 Der Vorsitzende der „Platte“, Dr.
Joachim Belz, weist darauf hin, dass
die Einrichtung immer auf Spenden
angewiesen ist. Zurzeit muss die
„Platte“ das Samstagsessen selbst
finanzieren. „Ein Sponsor dafür wäre
ein Segen“, sagt Belz.
쮿 Ein Sitzplatz kostet 25 Euro. Die
Tickets sind über Telefon 0621/
3 36 73 33 oder online auf
www.plattefiz.de/tickets zu bekommen.
쮿 Weitere Informationen gibt es im
Internet auf www.plattefiz.de
Früher hatte die Mannheimer
Platte sogar jeden Tag in der Woche
auf. Doch Kosten und Aufwand waren zu hoch, so dass das Team alles
auf drei Tage – Dienstag, Mittwoch
und Samstag – reduzieren musste.
„Wir sind immer auf Spenden angewiesen“, sagt Joachim Belz, der als
Arzt auch hin und wieder medizinische Fragen seiner Gäste beantworten muss.
Aber das macht er gerne – genauso wie an der Kasse der Einrichtung
zu stehen oder Essen zu servieren.
Ein Drei-Gänge-Menü kostet die Bedürftigen 1,50 Euro, manche haben
auch schon bezahlte Bons dabei, die
die Kirchen spendieren. „Die muss
man sich im Pfarramt vorher besorgen, um sie dann hier einzulösen“,
erklärt Belz.
Dennoch muss der Verein immer
genau rechnen. Das Essen am
Dienstag und Mittwoch spendiert
die MVV Energie, die Miete übernimmt die Gemeinnützige Baugesellschaft (GBG). Alles andere wie
Nebenkosten und das Essen am
Samstag wird durch Spenden finanziert. „Wir haben zwei Probleme:
zum einen die Bezahlung des Essens, zum anderen die fehlenden ehrenamtlichen Helfer“, erklärt der
Vorsitzende. „Es wäre schön, wenn
sich vor allem mehr junge Leute finden würden, die uns unterstützen.“
Respekt vor den Gästen
Die Arbeit sei immer spannend, aber
man dürfe eines auf keinen Fall verkennen, sagt Belz: „Man muss auch
Grenzen setzen können und es mit
dem Gutmenschen-Dasein nicht
übertreiben.“ Er habe mal einem
Gast ein Essen ausgeben, weil dieser
kein Geld dabei hatte. Ein anderer
Gast fragte ihn dann gleich, warum
er nicht auch ihm das Essen spendiere. „Das war eine völlig berechtigte
Frage“, sagt Belz im Nachhinein.
„Aber wir respektieren unsere Gäste
und darum respektieren sie uns.“
Doch manchmal müssen die Ehrenamtlichen bei Diskussionen auch
einschreiten. Belz: „Wenn es extreme Ansichten in politische Richtungen gibt, sagen wir deutlich, dass
nun Schluss ist.“ Aber Stress gebe es
eigentlich nie. „Bei uns stapelt sogar
der Macho sein Geschirr aufeinander“, erklärt der Vorsitzende lachend, was klare Regeln alles bewirken können.
In zwanzig Jahren passiert viel,
das soll auch die Benefiz-Gala am
Dienstag, 1. Dezember, zeigen. Doch
der Start der Konzert-Organisation
war holperig. „Die Stadt hatte wenig
Interesse für unsere Veranstaltung,
auch die Alte Feuerwache, die wir als
Location angesprochen hatten, sagte ab“, erzählt Bernd Oehler. Ganz
anders war das dann beim Capitol:
„Die Verantwortlichen haben sofort
gesagt: ,Wir sind dabei!’“, freut sich
Oehler noch im Nachhinein. „Die
Miete für den Abend haben sie uns
geschenkt.“
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Benefiz-Gala am Dienstag, 1.12.,
ab 19 Uhr im Capitol
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