II. Überprüfung der Zulassung/Nichtzulassung

II. Überprüfung der Zulassung/Nichtzulassung
Bedarf es der Einführung einer Nichtzulassungsbeschwerde?
1.1 Nach geltendem Recht ist das Revisionsgericht nach § 546
Abs. 1 Satz 2 ZPO an die Zulassung durch das Berufungsgericht
gebunden. Auch wenn das Berufungsgericht die
Zulassungsvoraussetzungen zu Unrecht angenommen hat,
bleibt die Revision statthaft. Die Bindung des Berufungsgerichts
folgt aus § 318 ZPO. An dieser Rechtslage soll nach der
Neukonzeption nichts verändert werden.
1.2 Im Gegensatz zur Zivilprozeßordnung sehen die anderen
Prozeßordnungen (§ .72 a ArbGG, § 133 VwG0, § 160 a SGG, §
115 Abs. 3 - 6 FGO) vor, daß das Revisionsgericht die
Nichtzulassung der Revision nach zulässiger Beschwerde eines
Beteiligten überprüft und bei Vorliegen der Voraussetzungen
selbst zuläßt. Für und Wider der Einführung einer
Nichtzulassungsbeschwerde wurden in den früheren
Reformdiskussionen ausführlich erörtert.
1.2.1 Die Kommission zur Vorbereitung einer Reform der
Zivilgerichtsbarkeit (Bericht 1961 S. 159) hatte sich gegen eine
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
ausgesprochen. Zwar könne die Handhabung der Zulassung
durch die Senate der Oberlandesgerichte nicht so gleichmäßig
sein, wie durch die Senate des Bundesgerichtshofes. Auch
könne im Einzelfall dem Berufungsgericht von einem falschen
rechtlichen Ausgangspunkt aus die Erkenntnis verborgen
bleiben, daß über eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu
entscheiden gewesen wäre. Diese Nachteile könnten jedoch in
Kauf genommen werden, um eine Belastung des
Bundesgerichtshofes mit Nichtzulassungsbeschwerden zu
vermeiden.
Aus denselben Gründen sprach sich die Kommission für das
Zivilprozeßrecht (Bericht 1977 S. 168 f.) gegen die Erweiterung
der Zulassungsrevision und die Einführung einer
Nichtzulassungsbeschwerde aus.
1.2.2 Die vom Bundesgerichtshof vorgeschlagenen Modelle
einer Reform des Zugangsrechts zum Revisionsgericht sehen
eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht, vor. Nach dem
Vorschlag eines Übergangs zur Grundsatzrevision aus dem Jahr
.l990 sollte die Zulassungszuständigkeit zwischen
Berufungsgericht und Revisionsgericht aufgesparten werden (s.
o. C.1). Dieser Vorschlag hat Eingang in den BundesratsEntwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vorn
27. September 1991 (BT-Drs. 1211217) gefunden, wurde dann
aber vom Rechtsausschuß des Bundestages nicht übernommen,
weil darüber nicht im Rahmen eines Entlastungsgesetzes
entschieden werden sollte (BT-Drs. 12/3832 S. 38, 39).
Der 1998 vom Bundesgerichtshof zur Diskussion gestellte - mit
den Rechtsanwälten beim BGH abgestimmte - Lösungsansatz,
mit dem bewußt nur eine .kleine Reform' des
Revisionszugangsrechts angestrebt worden war, sieht vor, die
beschwerdefreie Zulassungsrevision im bisherigen Umfang
beizubehalten, das (Nicht-) Annahmeverfahren aber durch eine
positive Annahmeentscheidung bei grundsätzlicher Bedeutung
oder einer Rechtsverletzung von besonderem Gewicht zu
ersetzen. Gegen die Einführung einer
Nichtzulassungsbeschwerde wird. angeführt, sie verbiete sich
maßgeblich schon aus Kapazitätsgründen, da der
Bundesgerichtshof der Masse der zu erwartenden
Nichtzulassungsbeschwerden schlechterdings nicht gewachsen
sei.
1.2.3 In seinem Gutachten zum 61. Deutschen Juristentag führt
Prof. Dr. Gottwald aus, daß nur ein objektives
Zulassungsverfahren geeignet sei, die Anzahl der vom
Revisionsgericht zu bearbeitenden Fälle sachgerecht
einzugrenzen, ohne einzelne Parteien oder
Gesellschaftsgruppen zu bevorzugen. An der allgemeinen
Zulassungsrevision führe daher letztlich kein Weg vorbei
(Gutachten S. A 78 f.). Ein befriedigendes Zulassungssystem
bestehe jedoch nur dann, wenn das Berufungsgericht zwar
primär über die Zulassung entscheide, der Partei aber eine
Nichtzulassungsbeschwerde an das Revisionsgericht zur
Verfügung stehe (S. A 81).
1.3. Ob das hauptsächlich gegen die Einführung einer
Nichtzulassungsbeschwerde ins Feld geführte Argument
durchgreift, der. Bundesgerichtshof sei aus Kapazitätsgründen
der Masse der zu erwartenden Nichtzulassungsbeschwerden
nicht gewachsen, läßt sich nur beurteilen, wenn die
Ausgestaltung der Nichtzulassungsbeschwerde geklärt ist. Denn
letztlich hängt davor ab, ob die Umgestaltung des
Revisionszugangs zu einer allgemeinen Zulassungsrevision mit
Nichtzulassungsbeschwerde gegenüber anderen
Zugangsmodellen ein größeres Maß an Chancengleichheit und
zugleich eine spürbare Entlastung gewährleisten kann.
1.3.1 Zwingende verfassungsrechtliche Gründe machen die
Einführung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht erforderlich,
weil das Rechtsstaatsprinzip nicht verlangt, daß gegen jede
richterliche Entscheidung - auch soweit die Eröffnung einer
neuen Instanz von ihr abhängt - ein Rechtsmittel gegeben sein
muß. Dennoch wäre ein umfassender Ausschluß der
Nichtzulassungsbeschwerde - beim Bundesgerichtshof gibt es
sie bereits in Entschädigungssachen gem. §§ 219, 220 BEG
sowie bei der Rechtsbeschwerde in Kartellverwaltungssachen
(§§ 741 75 GWB) - rechtssystematisch nur schwer vertretbar
und rechtspolitisch kaum wünschenswert. Denn er widerspräche
der Kontrollfunktion des Revisionsgerichts im System der
Grundsatzrevision, Wie auch seiner Aufgabe, darüber zu
wachen, daß das Recht gleichmäßig angewendet Wird.
Rechtsvereinheitlichung und Rechtsfortbildung können nur
gewährleistet werden, wenn in für diese Aufgaben bedeutsamen
Sachen eine Einflußmöglichkeit des Revisionsgericht durch
Kontrolle besteht. Hängt die Chancengleichheit beim einheitlich
geregelten Revisionszugang von einer gleichmäßigen
Anwendung der Zulassungskriterien ab, erfordert die Erarbeitung
allgemein gültiger Auslegungsregeln die Mitverantwortung des
Revisionsgerichts für die Zulassung.
1.3.2 Ein Teil der Belastung des Revisionsgerichts durch
Nichtzulassungsbeschwerden könnte dadurch entfallen, daß
dem Berufungsgericht eine, Abhilfemöglichkeit eingeräumt wird.
Das Wiederum würde voraussetzen, daß die Beschwerde beim
judex a quo anzubringen wäre. Solche Regelungen enthalten §
133 Abs. 2 und 5 VwG0 und § 11 5 Abs. 3 und 5 FGO, während
§ 72 a Abs. 2 ArbGG und § 160 a Abs. 1 SGG die
Beschwerdeeinlegung beim Revisionsgericht vorsehen und eine
Abhilfe ausschließen.
Für die Abhilfemöglichkeit könnte sprechen, daß sie das
Verfahren beschleunigen und das Revisionsgericht entlasten
kann.
Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des zivilrechtlichen
Revisionsverfahrens erscheint es jedoch fraglich, ob die
Abhilfemöglichkeit die genannten Effekte eher gewährleistet, als
die Einlegung der Beschwerde beim judex ad quem. Zum einen
ist zu berücksichtigen, daß vor der Entscheidung über die Abhilfe
die Beteiligten zu hören wären, da sich der Anspruch auf
rechtliches Gehör auch auf diesen Verfahrensabschnitt erstreckt.
Gegenüber den anderen Verfahrensordnungen sind die
Fallzahlen in zivilrechtlichen Berufungsverfahren weitaus größer,
was dafür spricht, die Oberlandesgerichte gegenüber dem
Bundesgerichtshof nicht weiter zu belasten. Hinzu kommt, daß
bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beim
Bundesgerichtshof ein den anderen Verfahrensordnungen
unbekannter Filter vorgeschaltet wäre, dem erhebliche
entlastende Wirkung beizumessen ist. Bei der Einlegung der
Nichtzulassungsbeschwerde beim judex ad quem würde diese
den beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten
übertragen, die aufgrund ihrer Erfahrung in Revisionssachen zu
einer sachgerechteren Beurteilung der Erfolgschancen der
Beschwerde in der Lage sind und deshalb eher von
aussichtslosen Nichtzulassungsbeschwerden abraten werden.
Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sollte daher -
ohne Abhilfemöglichkeit des judex a quo - beim judex ad quem
vorgesehen werden. '
1.3.3 Durch die Beschränkung der Zulassungsgründe auf die
Fälle von grundsätzlicher Bedeutung und der Divergenz wird der
Prüfungsumfang des Revisionsgerichts im Rahmen der
Nichtzulassungsbeschwerde begrenzt. Deshalb empfiehlt es
sich, zwischen Zulassungsverfahren und Revisionsverfahren zu
unterscheiden. Nach § 72 a Abs. 5 Satz 7 ArbGG, § 115 Abs. 5
Satz 4 FGO, § 160 Abs. 4 Satz 5 SGG, § 220 Abs. 3 Satz 3 BEG
und § 74 Abs.. 5 Satz 2 GWB setzt zwar die Zulassung die
Revisionsfrist in Gang, die Revision muß aber anschließend
selbständig beim Revisionsgericht eingelegt werden.
Abweichend davon bestimmt § 139 Abs. 2 Satz 1 VwG0 ebenso § 120 Abs. 2 Satz 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung der Finanzgerichtsordnung -, daß bei einer Zulassung
erst im Beschwerdeverfahren Nichtzulassungsbeschwerde und
Revision miteinander verbunden sind. Das Beschwerdeverfahren
wird automatisch als Revisionsverfahren fortgesetzt; die
Revision muß aber innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Zulassungsbeschlusses besonders begründet werden.
Der Prüfungsumfang im Revisions- und
Nichtzulassungsverfahren ist nicht identisch. In letzterem kann
es bei der Frage, ob die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
hat, nur um eine prognostische Bewertung gehen. Es sollte
deshalb davon abgesehen werden, beide Verfahren schon in
den Begründungserfordernissen miteinander zu verknüpfen. Nur
durch die Trennung kann gewährleistet werden, daß der
Begründungsaufwand für die Parteien sich in jeweils dem
Verfahrensstadium angepaßtem Rahmen hält. Durch die
Trennung von Revisionsbegründun,9 und Begründung der
Nichtzulassungsbeschwerde wird vermieden, daß den Parteien,
schon vor der Entscheidung über die Zulassung
Begründungspflichten zugemutet werden die nur im Rahmen der
Vollprüfung der Revision gerechtfertigt wären, sich aber bei
endgültiger Nichtzulassung als überflüssig erweisen würden.
Hingegen kann, da der Beschwerdeführer mit der Einlegung der
Nichtzulassungsbeschwerde eine Änderung des
Berufungsurteils anstrebt, die Beschwerde als bedingt eingelegte
Revision angesehen werden, so daß das
Nichtzulassungsverfahren bei Erfolg ins Revisionsverfahren
übergehen kann.
1.3.4 Mit der Bindung des Revisionsgerichts an die
Zulassungskriterien der grundsätzlichen Bedeutung und der
Divergenz wird es dem Bundesgerichtshof ermöglicht, im
Zulassungsverfahren in den Fällen den Weg zum
Revisionsgericht zu verschließen, deren Entscheidung zur
Aufgabe der Fortbildung des Rechts und der Wahrung der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung nichts beitragen kann. Von
4.188 vom Bundesgerichtshof erledigten Revisionen wurden
1998 mehr als 50 0/o '(2.141) durch Ablehnungsbeschlüsse und
nur etwa 15 % (607) durch Urteil erledigt. Das belegt, daß nur
stringente Zugangsfilter die notwendige Entlastung des
Revisionsgerichts bewirken können.
1.3.4.1 Ob die vom Bundesgerichtshof zur Diskussion gestellte
"kleine Reform" ( s. .oben 1.2.2) geeignet wäre, die angestrebte
"Rückführung des Prüfungsumfangs" zu erreichen, erscheint
nicht sicher.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 54, 277 ff.) hatte eine
Auslegung des 554b ZPO, noch der die Annahme einer Revision
wegen Fehlens einer grundsätzlichen Bedeutung auch dann
abgelehnt werden könne, wenn 'die Revision aus einem anderen
Grunde Aussicht auf Erfolg hätte, als mit dem
Rechtsstaatsprinzip und dem Gleichheitssatz nicht vereinbar
bezeichnet. Daraus resultiere eine Annahmepflicht des BGH bei
jedweder Aussicht auf Erfolg im Ergebnis. Begründet wurde dies
mit dem Gesetzeszweck der Einzelfallgerechtigkeit. Woraus der
Zweck der Einzelfallgerechtigkeit, der die Notwendigkeit der
Annahme alter im Ergebnis erfolgversprechenden Revisionen
bedingt, sich allerdings ergibt, hat das
Bundesverfassungsgericht nicht eindeutig erkennen lassen. Der
BGH sieht das entscheidende Kriterium offenbar darin, daß nach
dem geltenden § 554b ZPO dem Revisionsgericht nur eine
Befugnis zur Ablehnung von Revisionen zukommt. Dem
Plenarbeschluß des BVerfG lassen sich aber auch Argumente
dafür entnehmen; daß der Gesetzeszweck der
Einzelfallgerechtigkeit und damit die Notwendigkeit zur Annahme
erfolgversprechender Revisionen nicht nur daraus folgt, daß das
Revisionsgericht keine Annahmebefugnis hat.
So wird in der Entscheidung darauf abgestellt, daß die Revision
als "Rechtsmittel der Parteien im Dienste der Entscheidung ihres
Falles" ausgestattet ist. Ohne Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG
könne dann nicht mehr nach dem Gewicht des geltend
gemachten Rechtsfehlers oder danach differenziert werden, ob
die Partei aus außerrechtlichen Gründen in der Lage sei, das
Fehlurteil zu ertragen (BVerfGE aaO. S. 296). Vielmehr wäre
durch eine Differenzierung "der Sinn der Gewährleistung von
Recht durch Gerichtsbarkeit im Kern getroffen", wenn der
Gesetzgeber einer Partei einmal die Möglichkeit eröffnet habe,
"mit einem an sich statthaften und zulässigen Rechtsmittel ihr
Recht vor dem Richter zu suchen". Es fragt sich, ob diese
Voraussetzung nicht auch gegeben wäre, wenn die Revision der
Annahme durch den BGH bedürfte.
Auch bezeichnet es das Bundesverfassungsgericht als
"entscheidenden Unterschied" (zur Zulassungsrevision nach §
546 ZPO), daß "die Ausübung des Ablehnungsermessens eine
Vorprüfung der Rechtssache durch das Revisionsgericht
erfordert und sich zufolge dieser Vorprüfung die - sicherlich nur
vorläufige Erkenntnis ergeben haben muß, daß das
angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler beruht und das
Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg im Endergebnis besitzt. An
dieser Erkenntnis fehlt es.. bei den Urteilen der Vordergerichte,
gegen die eine Revision von vornherein nicht eröffnet ist" (a.a.O.
S. 297). Die Frage liegt nahe, ob sich eine solche, Erkenntnis
nicht ebenso dann ergeben würde, wenn das Revisionsgericht
anstelle einer Ablehnungs- eine Annahmeprüfung vorzunehmen
hätte.
Zusätzliche Bedenken ergeben sich daraus, daß auch der
Vorschlag des BGH dem Gesichtspunkt der
Einzelfallgerechtigkeit maßgebliches Gewicht beimißt. Die
Revision ist ihm zufolge anzunehmen, wenn "die
Rechtsverletzung besonderes Gewicht hat". Da aber insoweit
nach der Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
nicht danach differenziert werden darf, "ob der sachliche
Rechtsfehler, auf dem das angefochtene Urteil beruht, schwerer
oder minderschwerer Art ist" (a.a.O., S. 295) könnte gerade aus
diesem Annahmegrund die - fortbestehende - Notwendigkeit
gefolgert werden, über eine Revision immer dann zu
entscheiden, wenn "Aussicht auf Erfolg im Endergebnis" besteht.
Damit würde die vom BGH erstrebte Einschränkung des
Prüfungsumfangs eben gerade nicht erreicht werden.
Daneben bestehen auch Bedenken tatsächlicher Art. Die
Formulierung "wenn die Rechtsverletzung besonderes Gewicht
hat", ist ein noch unbekannter unbestimmter Rechtsbegriff, der
erst durch eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen inhaltlich
gefüllt werden könnte.
Schließlich ergäbe sich durch die Beibehaltung der Kombination
von Zulassungs- und Annahmerevision die Ungereimtheit, daß
die Zulassungsentscheidung beim Oberlandesgericht als
kostenfreie Nebenentscheidung ergeht, während im
Annahmeverfahren vor dem BGH nicht unerhebliche Gerichtsund Anwaltskosten anfallen. Nur schwer erklärbar dürfte zudem
sein, warum ein "besonders schwerer Rechtsfehler" die
Annahme der Revision bei Beschwerdewerten über 60.000 DM,
nicht aber den Zugang bei Beschwerdewerten unter 60.000 DM
und in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten rechtfertigen
soll.
Berücksichtigt man zudem, daß in weniger als 20 % aller
erstinstanzlichen Urteile überhaupt eine Zugangschance zum
BGH eröffnet ist, zeigt sich die sozial unerwünschte und dem
Prinzip der Gerechtigkeit zuwiderlaufende Konsequenz, daß der
Bundesgerichtshof im wesentlichen nur in Sachen mit hohen
Streitwerten, also in Streitigkeiten "wirtschaftlich potenter
Parteien" zur Entscheidung berufen ist, ganze Rechtsbereiche
aber vom Zugang zu höchstrichterlicher Entscheidung
ausgenommen sind.
1.3.4.2 Eine Rückkehr zur annahmefreien Wertrevision und die
Einführung der Kontrolle der Revisionszulassung des
Berufungsgerichts durch den Bundesgerichtshof, (vgl. Kroitzsch,
AnwBl. 1991, 8, 9 f) würde dieser Zielstellung diametral
zuwiderlaufen.
Die gegen die Beschränkung der Zulassungsgründe
vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht. Weder wird die
Revision als Parteirechtsmittel abgeschafft, noch besteht die
begründete Gefahr, der Bundesgerichtshof werde in seiner
Leitfunktion für die zivilrechtliche Rechtsprechung beeinträchtigt
(s. dazu C. I). Die vorliegenden Zählen belegen das Gegenteil.
Die Bedeutung des Bundesgerichtshofs für die
Rechtsentwicklung folgt nicht aus der Quantität der
Entscheidungen, sondern aus ihrer Qualität. Werden nur etwa 15
der beim Bundesgerichtshof zu erledigenden Fälle durch Urteil
entschieden, mehr als 50 % aber wegen des Fehlens
grundsätzlicher Bedeutung ausgesondert, ergibt sich das
Erfordernis, durch andere Zugangsregelungen die eigentlichen
Aufgaben des Bundesgerichtshofes zu stärken.
1.3.5 Die mit der Umgestaltung der Berufungsinstanz
verbundene Verbreiterung der Zugangsmöglichkeiten zum
Revisionsgericht und die angespannte derzeitige
Belastungssituation beim Bundesgerichtshof machen es
erforderlich, bei der Frage der Einführung einer
Nichtzulassungsbeschwerde auch die Auswirkungen auf das
Revisionsgericht ins Blickfeld zu nehmen.
Derzeit wird der Bundesgerichtshof mit mehr als. 4.000 nach
dem Wert der Beschwer statthaften Revisionen belastet, in
denen eine Annahmeentscheidung zu treffen ist. Erhöht sich die
Zahl der mit der Revision anfechtbaren Entscheidungen der
Berufungsgerichte, läßt sich derzeit nicht sicher vorhersagen, in
welchem' Umfang Nichtzulassungsbeschwerden den
Bundesgerichtshof erreichen würden. Anhaltspunkte können die
nachfolgenden Überlegungen geben:
Derzeit werden von den Landgerichten und den
Oberlandesgerichten (Zahlen für das Jahr 1997) rund 82.000
streitige Urteile in zweiter Instanz erlassen. Durch die
Umgestaltung des Berufungsverfahrens (s. oben Abschnitt B)
wird sich diese Zahl durch das Annahmeverfahrens grob
geschätzt auf - die Hälfte, also etwa 41.000 Urteile reduzieren,
bei denen - abzüglich der zugelassenen Revisionen eine
Nichtzulassungsbeschwerde theoretisch in Betracht käme. Diese
Zahlen lassen sich auf der Grundlage der
verfahrensspezifischen Erledigungsstatistik ermitteln. Geht man
von der bisherigen Revisionsquote von rund 50 0/0 (Gesamtzahl
der nach dem Beschwerdewert zulässigen Revisionen im
Verhältnis zur Zahl der tatsächlich eingelegten Revisionen) aus,
wäre mit rund 20.500 Nichtzulassungsbeschwerden zu rechnen.
Geht man von einer Quote von 30 "/o aus (vgl. Meyer-Ladewig
NJW 1985, 1985, 1990 für das Verfahren vor dem BFH) - im
Verfahren der Finanzgerichtsbarkeit hat der Übergang von der
Streitwert - zur Zulassungsrevision mit
Nichtzulassungsbeschwerde eine faktische Entlastung gebracht
- wären rund 12.300 Nichtzulassungsbeschwerden
einzukalkulieren. Tatsächlich dürften die Zahlen aber niedriger
liegen, weil bei den genannten Berechnungen nicht ausreichend
berücksichtigt, ist, daß bei Streitwerten bis zu 30.000 DM allein
die in zwei Instanzen angefallenen Prozeßkosten, die in etwa
dem Streitwert entsprechen, den Parteien erhebliche
Zurückhaltung bei der Einlegung der
Nichtzulassungsbeschwerde auferlegen werden.
Um bestehende Unwägbarkeiten steuern zu können, bietet es
sich an, für eine Übergangszeit, in der die Entwicklung
beobachtet werden kann, die Nichtzulassungsbeschwerde
streitwertabhängig zu begrenzen. Eine solche Regelung hatte
Art. 6 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts
der Revision in Zivilsachen und in Verfahren vor Gerichten der
Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (BT-Drs. VI/3252 S. 9,
19 e vorgesehen. Danach war die Nichtzulassungsbeschwerde
in Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, in
denen der Wert des Beschwerdegegenstandes die. seinerzeitige
Revisionssumme nicht überstieg, für die Dauer von 12 Jahren
ausgeschlossen.
Auf der Grundlage einer Übergangsregelung, die allerdings
wesentlich kürzere Fristen vorsehen sollte, wäre mit einer
spürbaren Entlastung des Bundesgerichtshofes zu rechnen,
ohne die generelle Möglichkeit zu beeinträchtigen, in
Grundsatzfragen höchstrichterliche Entscheidungen
herbeizuführen. Während derzeit Nichtannahmeentscheidungen
wegen der notwendigen Prüfung einer "Erfolgsaussicht im
Ergebnis" einen größeren Aufwand erfordern, führt die
Beschränkung des Prüfungsumfangs im Rahmen der
Nichtzulassungsbeschwerde zu einer geringeren Belastung.
Realistisch dürfte davon auszugehen sein, daß der
Prüfungsaufwand für die Erledigung einer
Nichtzulassungsbeschwerde etwa halb so groß sein wird, wie
der Prüfungsaufwand für eine Annahmeentscheidung. Diese
Einschätzung beruht auf dem Vergleich mit dem Aufwand in
Prozeßkostenhilfesachen.
Würde der Ausschluß der Nichtzulassungsbeschwerde - ohne
Berücksichtigung der Filterwirkung des Annahmeverfahrens in
der Berufungsinstanz - an die bisherige Revisionssumme von
60.000 DM anknüpfen, wäre damit - im Vergleich zur Belastung
des Bundesgerichtshofes durch das Annahmeverfahren mit einer
Entlastung von 50 % zu rechnen.
Eher systemimmanent im Sinne der Schlüssigkeit des
Gesamtkonzepts erscheint es, bei der Wertgrenze für die
vorläufige Beschränkung der Zulassungsbeschwerde entsprechend dem Vorschlag zur Herabsetzung der
Berufungssumme (vgl. B. VI) - die Wertgrenze vorläufig bei
40.000 DM anzusiedeln und damit die Wertgrenzenerhöhung
des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember
1990 (BGBl. 1 S. 2847) wieder auf den davor geltenden Wert
zurückzuführen.
Bei rund 12.800 streitigen Berufungsurteilen im Jahr 1997 mit
einem Streitwert über 40.000 DM wäre bei einer Quote von 50 %
mit höchstens rund 6.400 Nichtzulassungsbeschwerden zu
rechnen. Unter Zugrundelegung des geringeren
Prüfungsaufwands für die Entscheidung über die
Nichtzulassungsbeschwerde ergäbe sich damit im Vergleich zum
bisherigen Annahmeverfahren eine Entlastung des
Bundesgerichtshofes um etwa ein Viertel.
Damit wird gewährleistet, daß in der Übergangszeit Gelegenheit
besteht, Grundsätze zur Zulassung der Revision zu entwickeln,
die sich auch, auf die Zulassungspraxis der Oberlandesgerichte
auswirken werden. Es ist zu erwarten, daß hierdurch längerfristig
die Zahl der Nichtzulassungsbeschwerden rückläufig sein wird.
Davon wird es letztlich abhängen, ob und ggf. wann die
Beschränkungen für die Zulässigkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde - was angestrebt wird eingeschränkt oder aufgehoben werden können.
Die Übergangszeit sollte allerdings deutlich kürzer bemessen
werden als im Entwurf 1975. Die Dauer der Übergangszeit hatte
seinerzeit der Bundesrat (BR-Drs. 31173) für unangemessen
gehalten. eine Übergangszeit von 5 Jahren dürfte ausreichend
sein.
1.3.6 Die deutliche Unterscheidung zwischen
Zulassungsentscheidung ohne Überprüfung der Erfolgsaussicht
und Revisionsentscheidung führt zu der Erwägung, ob das
Revisionsgericht über Nichtzulassungsbeschwerden in der
bisher vorgesehenen Besetzung, mit fünf Richtern entscheiden
muß. Angesichts der vorgesehenen Zulassungskriterien
erscheint es -. auch unter Berücksichtigung des Ziels,
Beschränkungen der Nichtzulassungsbeschwerde baldmöglichst
wieder aufzugeben und den chanc4ngleichen Revisionszugang
für alle Berufungsverfahren zu öffnen - denkbar, einen
Dreipersonen-Spruchkörper für Nichtzulassungsbeschwerden
einzuführen (vgl. Kullmann DRIZ 1973, 184, 187; Gottwald,
Gutachten 61. DJT S. A 83). Damit könnte gewährleistet werden,
daß der Personaleinsatz beim Bundesgerichtshof auf der Ebene
unterhalb der Urteile effektiver gestaltet wird.
Gegen eine Einschränkung der Senatsbesetzung könnte
sprechen, daß die Akzeptanz von Entscheidungen Ober
Nichtzulassungsbeschwerden größer sein würde, wenn darüber
in' der bisherigen Besetzung entschieden wird. Zudem müßte,
anders als beim Kammersystem des
Bundesverfassungsgerichts, der Senatsvorsitzende in jedem Fall
an der Entscheidung mitwirken, was wegen der erhöhten
Belastung zu einer Verzögerung der Entscheidungen führen
könnte, die den Vorteil der geringeren Besetzung in Frage
stellen würde. Eine gespaltene Entscheidungszuständigkeit,
etwa danach ob die zu überprüfende Entscheidung von einem
Einzelrichter oder einem OLG-Senat getroffen wurde, sollte im
Interesse der Übersichtlichkeit der Verfahrensregeln nicht
erwogen werden. Auch der Gesichtspunkt der
Verfahrensvereinheitlichung - die übrigen Verfahrensordnungen
kennen auf der Ebene der obersten Bundesgerichte
unterschiedlich besetzte Spruchkörper für die
Nichtzulassungsbeschwerde nicht - spricht gegen eine
abweichende Regelung für das Zivilverfahren.
Sollte sich während. der Übergangsphase erweisen, daß durch
die Zahl der Nichtzulassungsbeschwerden das Ziel der
Entlastung des Bundesgerichtshofes nicht erreicht wird, könnte ggf. unter Wegfall der sonstigen Beschränkungen der
Nichtzulassungsbeschwerde - eine Änderung der
Spruchkörperbesetzung erneut erwogen werden.
1.3.7 Zum Verfahren für die Nichtzulassungsbeschwerde
erscheint es empfehlenswert, hinsichtlich Form und Fristen auf
die allgemeinen Regelungen zurückzugreifen (vgl. C. 1). Für die
Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist vorzusehen,
daß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen
ist oder die Entscheidung, von der das angefochtene Urteil
abweicht, bezeichnet werden muß.
Die Entscheidung des Revisionsgerichts ergeht ohne mündliche
Verhandlung durch Beschluß.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der
Revision in Zivilsachen und in Verfahren vor Gerichten der
Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (BT-Drs. VI/3252 S. 2,
32) hatte vorgesehen, auf eine Begründung der Entscheidung
über die Nichtzulassungsbeschwerde zu verzichten. Der Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Revisionsverfahrens nach der
Finanzgerichtsordnung sieht als Regelfall eine (kurze)
Begründung vor, es sei denn, sie wäre nicht geeignet, zur
Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen die
Revision zuzulassen ist (§ 116 Abs. 5 Satz 2 E-FGO). Er
entspricht der Regelung des 133 Abs. 5 Satz 2 VwG0.
Von dem generellen Verzicht auf eine Begründung sollte im
berechtigten Informationsinteresse der Prozeßbeteiligten, aber
auch im Interesse einer einheitlichen Zulassungspraxis durch die
Oberlandesgerichte, die auf diese Weise Ober die vom
Bundesgerichtshof entwickelten Leitlinien unterrichtet werden,
abgesehen werden.
2. Diskussionsvorschlag des Bundesministeriums der Justiz
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Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist eine
Nichtzulassungsbeschwerde einzuführen.
Diese ist beim judex ad quem einzulegen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß das
Berufungsgericht in den Fragen der grundsätzlichen Bedeutung oder der
Divergenz fehlerhaft entschieden habe.
Bei Zulassung der Revision im Beschwerdeverfahren, geht das
Nichtzulassungsverfahren in das Revisionsverfahren über. Mit Zustellung des
Zulassungsbeschlusses wird die Revisionsbegründungsfrist in Lauf gesetzt.
Zur Vermeidung einer Überlastung des Bundesgerichtshofes ist eine vom
Wert der Beschwer abhängige Beschränkung der Nichtzulassungsbeschwerde
für eine Übergangszeit vorzusehen.
3. Haltung der Länder
Baden-Württemberg und Bayern sprechen sich für einen dauerhaften
Ausschluß der Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls unterhalb der
Grenze von 40. 000 DM aus, weit die unbeschränkte Einführung der
Nichtzulassungsbeschwerde erhebliche Auswirkungen auf die bisher
geübte Form der Urteilsbegründung bei nach geltendem Recht
nichtrevisiblen Sachen hätte.
Rheinland-Pfalz weist ergänzend darauf hin, daß ohne eine dauerhafte
Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde auch in allen anderen
bisher vom Landgericht, nach dem. Entwurf aber künftig vom
Oberlandesgericht zu erledigenden Berufungssachen, die Möglichkeit
einer vereinfachten Urteilsabfassung - entfiele. Die dauerhafte
Wertgrenze sollte in Anlehnung an die geltende Revisionssumme bei
60.000 DM angesiedelt werden.
III. Sprungrevision
Ist die Sprungrevision beizubehalten und gegebenenfalls zu erweitern?
1.1 Nach geltendem Recht ist die Sprungrevision (§ 566a ZPO)
gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile der
Landgerichte zulässig. Allerdings kann die Annahme der
Revision vom Revisionsgericht abgelehnt werden , wenn die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 566a Abs. 3
Satz 1 ZPO). Vergleichbare Regelungen , enthalten § 76 ArbGG,
§ 134 VwGO und § 161 SGG.
Eine besondere Art der Sprungrevision sieht § 135 VwG0 für den
Fall vor, daß die Berufung durch Bundesgesetz ausgeschlossen
ist. Wird die Revision zugelassen, ist damit auch für diese Fälle
ein zweiter Rechtszug eröffnet. Vergleichbare "Ersatzrevisionen"
sehen § 122 Abs. 3 InsO, § 79 Abs. 3 OWiG und §§ 74 und 84
GWB vor.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege
1991 (BT-Drs. 12/1217) wollte die Sprungrevision bei
zugelassener Berufung in eine Zulassungsrevision mit
Zulassung durch das Revisionsgericht umgestalten.
In der Praxis wird von der Möglichkeit der Sprungrevision nur
selten Gebrauch gemacht. In den Jahren 1997 und 19,98 gingen
beim BGH jeweils 6 Sprungrevisionen ein.
1.2 In Fällen von grundsätzlicher Bedeutung, in denen die
Parteien übereinstimmend eine höchstrichterliche Entscheidung
unter Umgehung der Berufungsinstanz anstreben, soll auch
künftig aus prozeßökonomischen Gründen und im Interesse der
Verfahrensbeschleunigung die Möglichkeit der Sprungrevision
zur Verfügung stehen. Die Umgestaltung des Zugangs zur
Revision von einem Mischsystem zu einer allgemeinen
Zulassungsrevision hat allerdings Veränderungen auch bei der
Sprungrevision zur Folge, weil die Sprungrevision den
allgemeinen Beschränkungen unterliegen muß. Anpassungen
sind zudem im Hinblick darauf notwendig, daß die Berufung zum
Oberlandesgericht künftig auch gegen Urteile des Amtsgerichts,
soweit die Berufung ohne Zulassung statthaft ist, offen steht.
Zwar entfällt mit der Umgestaltung der Berufungsinstanz von
einer zweiten Tatsacheninstanz zu einem Instrument der
Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung die ursprüngliche
gesetzgeberische Rechtfertigung teilweise, da die
Sprungrevision in solchen Fällen der Beschleunigung des
Verfahrens dienen soll, in denen eine weitere Tatsacheninstanz
nicht mehr erforderlich ist, weil z. B. die festgestellten Tatsachen
unbestritten sind und keiner Ergänzung bedürfen. Dennoch kann
sie nicht entfallen, weit durch die geänderte Funktion der
Berufung die Sprungrevision weitergehende Bedeutung erlangen
könnte. Da im Annahmeverfahren in de r Berufungsinstanz (vgl.
B.XII) die grundsätzliche Bedeutung einer Sache - unabhängig
von der hinreichenden Erfolgsaussicht - als Annahmegrund
vorgesehen ist, wird es vermehrt Fälle geben, in denen die
Parteien eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes
anstreben, ohne daß zuvor eine Entscheidung in der
Berufungsinstanz ergehen muß. Der Zugang zum
Revisionsgericht Und eine beschleunigte höchstrichterliche
Entscheidung von Grundsatzfragen wird dadurch gefördert.
1.,2.1 Mit der Eröffnung der Berufungszuständigkeit der
Oberlandesgerichte für Berufungen gegen Endurteile der
Amtsgerichte bedarf es der Erweiterung der Sprungrevision auf
Urteile der Amtsgerichte, die ohne Zulassung mit der Berufung
anfechtbar sind. Da Gründe für eine sachliche Differenzierung
nur in den Wertgrenzen der Zuständigkeitsverteilung zwischen
Amts- und Landgericht gesehen werden könnten, andererseits
aber die Zugangschancen zur höchstrichterlichen
Rechtsprechung auf eine breitere Basis gestellt werden sollen,
ist die Unterscheidung nach dem Ausgangsgericht der
angefochtenen Entscheidung aufzugeben.
1.2.2 Die Umgestaltung von einer gemischten Zulassungs/Annahmerevision in eine allgemeine Zulassungsrevision
erfordert es aus rechtssystematischen Gründen, auch die
Sprungrevision von einer Zulassung abhängig zu. machen, die
an dieselben Zulassungskriterien wie die Revision (vgl. C.1)
anknüpfen muß. Gegen die bisherige (Nicht- )
Annahmeentscheidung sprechen die unter C. II. 1.3 dargelegten
Gründe. Abweichend von der Zulassungsentscheidung im
Berufungsverfahren sollte jedoch bei der Sprungrevision die
Zulassung dem Revisionsgericht übertragen werden, um im
Hinblick auf die sonst bestehende Zuständigkeit der. Gerichte
der ersten Instanz eine einheitliche Zulassungspraxis
sicherzustellen. Zudem würde dadurch die in jedem Verfahren'
bestehende Notwendigkeit vermieden, eine Entscheidung
darüber zu treffen, ob die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Im übrigen bleiben die bestehenden Regelungen unverändert.
2. Diskussionsvorschlag des Bundesministeriums der Justiz
Die Sprungrevision ist auf alte Entscheidungen, bei denen die Berufung
ohne Zulassung statthaft ist, auszudehnen.
Die Sprungrevision bedarf der Zulassung durch das Revisionsgericht.
3. Haltung der Länder
Die Länder erheben keine Bedenken.