RphZ Rechtsphilosophie - Repositorio Académico

1535
RphZ Rechtsphilosophie
Zeitschrift für Grundlagen des Rechts
3/2015
Sonderdruck
Juan Pablo Mañalich
Beiträge
Massimo La Torre:
Who's Afraid of the Constitutional Judge?
235
Decisionism and Legal Positivism
Janine Dumont:
Jurisprudenz und Überprüfbarkeit
251
Dietmar von der Pfordten:
Die „Stoffbestimmtheit der Rechtsidee“ und die „Natur der
Sache“ – Ontologie, konvention oder konstruktion?
261
Volker Haas:
einführende Überlegungen zur Bedeutung der Sprachphilosophie für die Rechtstheorie und Rechtsphilosophie 272
Juan Pablo Mañalich:
erlaubnisnormen und Duldungspflichten
288
Rezensionen
Stefan Schick:
Péter Csingár, Auswirkungen der erkenntnistheorie und
ethik kants auf seine Rechtsphilosophie, 2013
324
Daniel Matthias Klocke:
Marietta Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne,
2014
331
Milan Kuhli:
koch/kubiciel/Löhnig/Pawlik (Hrsg.), Feuerbachs
Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014 – zugleich einige
Anmerkungen zu Feuerbachs Rechtsverletzungslehre
343
Herausgegeben von
Alexander Aichele
Martin Borowski
Joachim Renzikowski
Simone Zurbuchen
Verlag C.H.BeCk
Q050201503
2015
V
Inhaltsverzeichnis
Beiträge
Massimo La Torre:
Who’s Afraid of the Constitutional Judge? Decisionism and Legal
Positivism........................................................................................................
235
Janine Dumont:
Jurisprudenz und Überprüfbarkeit ..................................................................
251
Dietmar von der Pfordten:
Die „Stoffbestimmtheit der Rechtsidee“ und die „Natur der Sache“ –
Ontologie, Konvention oder Konstruktion? ...................................................
261
Volker Haas:
Einführende Überlegungen zur Bedeutung der Sprachphilosophie für die
Rechtstheorie und Rechtsphilosophie .............................................................
272
Juan Pablo Mañalich:
Erlaubnisnormen und Duldungspflichten .......................................................
288
Rezensionen
Stefan Schick:
Péter Csingár: Auswirkungen der Erkenntnistheorie und Ethik Kants auf
seine Rechtsphilosophie, 2013........................................................................
324
Daniel Matthias Klocke:
Marietta Auer: Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014...................
331
Milan Kuhli:
Koch/Kubiciel/Löhnig/Pawlik (Hrsg.): Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014 – zugleich einige Anmerkungen zu Feuerbachs
Rechtsverletzungslehre ...................................................................................
343
288
Juan Pablo Mañalich
2015
Erlaubnisnormen und Duldungspflichten*
Juan Pablo Mañalich**
I. Einleitung
Im ersten Band seiner monumentalen Juristischen Prinzipienlehre schreibt Bierling:
„Insbesondere ist entschiedene Verwahrung gegen die Meinung einzulegen, jeder erlaubende
Rechtssatz sei schon deshalb mehr als blosse Negation eines Verbots, weil er ‚anderen (Personen)
die Hinderung der erlaubten Handlung verbiete‘. In Wahrheit liegt in der ‚Erlaubnis‘ zu einer
bestimmten Handlung an und für sich niemals ein solches Verbot für Andere. [...] Dagegen ist natürlich zuzugeben, dass neben den gedachten erlaubenden Rechtssätzen, die an sich nichts anderes thun
als entsprechende Verbote [...], die etwa früher bestanden haben oder doch vorausgesetzt werden
könnten, ausdrücklich zu verneinen, in denselben positiven Rechten auch Verbote bestehen, welche
sich gegen zahlreiche Handlungen richten, die eine Hinderung Anderer in Vornahme erlaubter
Handlungen in sich schliessen können. Und soweit dies im einzelnen Falle zutrifft, erscheint natürlich die Hinderung der erlaubten Handlung eines Anderen zweifellos als rechtswidrig; aber nicht
wegen eines in den betreffenden erlaubenden Rechtssätzen mitenthalten, sondern immer nur wegen
des daneben oder schon vor denselben bestehenden Verbots, gegen welches die hindernde Handlung
verstösst.“1
Diese Passage enthält die Fundamente für eine Klarstellung des Status von Erlaubnisnormen, die auf der These beruht, dass sie eine rein negative Funktion bei der
Bestimmung des Handlungsspielraumes haben,2 der durch eine beliebige Menge von
Verbotsnormen beschränkt wird. Die konsistente Entfaltung dieser These kann nun zur
genauen Identifizierung der deontischen Positionen beitragen, die der Diskurs strafrechtlicher Dogmatik in Bezug auf die Anerkennung einer Erlaubnisnorm als Rechtfertigungsgrund thematisiert. Im Folgenden sei zunächst ein allgemeines Modell der
Erlaubnisnormen skizziert, um dann die Möglichkeit einer rein normlogischen Rekonstruktion der Begründung von sog. „Duldungspflichten“ bezüglich der Ausführung
einer Handlung zu untersuchen, die unter eine als Rechtfertigungsgrund anerkannte
Erlaubnisnorm zu subsumieren ist.
1
*
Der vorliegende Aufsatz wurde während eines Forschungsaufenthalts an der Universität Bonn
geschrieben, der durch ein großzügiges Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung ermöglicht
wurde.
**
Universidad de Chile (Santiago), E-Mail: [email protected].
1
Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Bd. 1, 1894, 93 f.
2
Zum Begriff des Handlungsspielraums und dessen Bedeutung für die Normentheorie s. Philipps,
Der Handlungsspielraum, 1974, 15 ff.; auch Weinberger, Alternative Handlungstheorie, 1996, 104 ff.