Richtlinie Amtsträger und Dirigenten

Bernd Koberstein
2. November 2015
Anlage 2 zu V 21/15
An alle Amtsträger und Dirigenten
Umgang mit sexuellen Übergriffen in der Seelsorge
Liebe Brüder und Schwestern,
die Neuapostolische Kirche International hat nach einem Beschluss der Bezirksapostelversammlung und einer Anordnung des Stammapostels eine Richtlinie zum Umgang mit sexuellen
Übergriffen, insbesondere im Bereich der Seelsorge, herausgegeben. Sie liegt seit 2009 in einer überarbeiteten Fassung vor. Wir wollen damit den Standpunkt der Kirche nach innen und
außen klar dokumentieren.
Der Begriff sexuelle Übergriffe umfasst sowohl sexuelle Belästigung als auch sexuellen Missbrauch. Sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern werden grundsätzlich als
Missbrauch gesehen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dies auch für sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Jugendlichen unter 18 Jahren gelten. Das Strafgesetzbuch
definiert in den §§ 174 bis 184 verschiedene weitere Sachverhalte (z.B. Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen). Sexuelle Belästigungen sind beispielsweise anzügliche sexuelle Bemerkungen und Gesten, die Zusendung oder Vorführung
von pornografischem Bild- und Tonmaterial und bewusst herbeigeführte Berührungen sexueller
Art.
Zu weiteren Einzelheiten verweise ich auf das anhängende Dokument „Umgang mit
sexuellen Übergriffen in der Seelsorge“, das euch mit diesem Schreiben durch den
Gemeindevorsteher ausgehändigt wird. Macht euch bitte mit dem Inhalt vertraut.
Die Erfahrung und vorliegende Veröffentlichungen zeigen, dass Probleme mit sexuellen Übergriffen bis hin zu schwerwiegenden Straftatbeständen in allen Bevölkerungsgruppen und allen
sozialen Schichten eine ernst zu nehmende Rolle spielen und leider nicht selten sind. Deshalb
sind auch die Kirchen davon nicht ausgenommen. Die Neuapostolische Kirche und ihre Mitglieder haben für diesen Risikobereich keine Sonderstellung.
Grundhaltung der Kirche
Die Neuapostolische Kirche verurteilt sexuelle Übergriffe aller Art aufs Schärfste. Solche
Vorfälle können bei weiblichen und männlichen Personen aller Altersklassen vorkommen,
überwiegend sind jedoch Kinder und Jugendlichen betroffen. Alle sexuellen Übergriffe verletzen
die Persönlichkeit und die Würde des Menschen und können zu langfristigen Folgeschäden
führen.
Übergriffe durch kirchliche Funktionsträger (Amtsträger und Glaubensgeschwister mit Beauftragungen), die normalerweise hohes Vertrauen und Ansehen seitens der Glaubensgeschwister
erfahren, sind überaus schwerwiegend und schmerzhaft. Besonders verwerflich ist es, wenn
das Vertrauen für eigene Bedürfnisse ausgenutzt wird. Deshalb sieht es die Kirche als ihre
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Pflicht an, derartige Vorkommnisse aufzuklären, besser noch: sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch präventive Maßnahmen zu verhindern.
Durch Bagatellisieren oder gar Vertuschen würde die Kirche sich schuldig machen und in Misskredit kommen. Weitere Schädigungen der Opfer wären möglich. Deshalb müssen Führungsverantwortliche jeglichem Versuch einer Verharmlosung und Verheimlichung entgegenwirken.
Getroffene Entscheidungen
Zur konkreten Umsetzung des Konzeptes wurde für jeden Arbeitsbereich unserer Apostel ein
Prüf- und Beratungsgremium eingerichtet. Die Mitglieder wurden auf der Grundlage der Freiwilligkeit, der Unabhängigkeit und Ehrenamtlichkeit berufen und zur umfassenden Verschwiegenheit ausdrücklich verpflichtet. Potentielle Befangenheitssituationen wurden durch klare Regelungen ausgeschlossen.
Schwerpunktaufgabe der Gremien ist die sachgerechte Bearbeitung von konkret bekannt gewordenen Fällen. Dabei ist es Beratungsziel, einen Beitrag für qualifizierte und angemessene
Entscheidungen zu leisten, eventuell eingetretene Schäden zu minimieren und gegebenenfalls
Hinweise für eine fachgerechte Weiterversorgung und Betreuung Betroffener zu geben.
Die Gremien sind nicht für die (oft langfristige) Therapie von Opfern solcher Delikte zuständig, ebenso wenig für die Klärung strafrechtlicher Fragen.
Die Gremien beraten mich und die Apostel außerdem in allen allgemeinen Fragen sexueller
Übergriffe, aber auch im Hinblick auf die Möglichkeiten der Prävention.
Zusammensetzung des Gremiums
Vorsitzender des Gremiums ist der für das jeweilige Arbeitsgebiet zuständige Apostel.
Weitere (auch weibliche) Mitglieder kommen aus der Medizin (Psychiatrie / Neurologie) und aus
dem Kreis im Sexualstrafrecht erfahrener Juristen.
Zuständigkeiten und Informationswege
Für alle Fälle sexueller Übergriffe im Bereich der Seelsorge ist an erster Stelle der örtlich zuständige Apostel Ansprechpartner. Die jeweiligen Adressen sind euch bekannt bzw. den Aushängen in den Gemeinden oder der Homepage unserer Gebietskirche zu entnehmen.
Wenn Eile geboten ist und der zuständige Apostel nicht erreicht werden kann oder anderweitige
Vorbehalte gegeben sind, können Gemeindemitglieder und Amtsträger sich an einen der beiden anderen Apostel wenden.
Sollte dies nicht möglich sein, ist auch die direkte Kontaktaufnahme mit mir möglich.
Jedes Gemeindemitglied hat das Recht, sich in solchen Angelegenheiten ohne Einhaltung einer
Kirchenhierarchie unmittelbar an seinen Apostel zu wenden. Kindern oder Jugendlichen, die
davor eine verständliche Hemmschwelle haben, sollte die notwendige Unterstützung gewährt
werden.
Amtsträger sind angewiesen, bei gegebener Veranlassung direkt und unverzüglich den zuständigen Apostel zu informieren. Es widerspricht dem Schutzbedürfnis der Betroffenen und führt
zu unnötigem Zeitverlust, die Stufen der Amtshierarchie einzuhalten. Diese Regelung entspricht
der Vorgehensweise bei der Weitergabe von Beichtgeheimnissen (siehe „Richtlinien für Amtsträger“). Dies gilt auch für alle in der Kinder- oder Jugendseelsorge Tätigen.
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Innerkirchlich bekannt gewordene Fälle von sexuellen Übergriffen - vor allem, wenn sie
den Amts- oder Lehrkörper der Neuapostolischen Kirche betreffen - dürfen keinesfalls
von Amtsträgern der Kirche örtlich in den Gemeinden oder den Bezirken in eigener Verantwortung in den Einzelheiten bearbeitet werden. Der Apostel ist in jedem Fall unverzüglich zu informieren. Er sorgt für die weitere Bearbeitung und die Einberufung des
Gremiums zur individuellen Klärung des Sachverhaltes.
Diese Regelung betrifft auch ungeklärte Verdachtsfälle.
Hinweise zur Prävention
Ein alter Sinnspruch lautet: Vorbeugen ist besser als heilen.
In diesem Sinne wollen wir unsere Möglichkeiten verantwortungsbewusst wahrnehmen. Ich
erinnere an die alte, unverändert gültige Regel aus den Richtlinien für Amtsträger, dass Besuche bei alleinstehenden Schwestern nicht von einem einzelnen Amtsträger ausgeführt werden
sollen. Dies gilt ebenso für Besuche von Jugendbetreuern bei Jugendlichen. Diese Grundsätze
sind auch im Bereich gleichgeschlechtlicher Neigungen zu beachten.
Kirchlicher Unterricht darf nicht einem einzelnen Kind erteilt werden. Ggf. ist die Zusammenfassung des Unterrichtes mit Nachbargemeinden zu prüfen. Dies dient auch der Lebendigkeit des
Unterrichtes.
Auch bei Jugendveranstaltungen mit Übernachtungen ist dem Gesichtspunkt der Prävention in
angemessener Weise und mit kritischer Sorgfalt Rechnung zu tragen.
Kirchliche Funktionsträger aller Art müssen hinsichtlich ihrer Eignung im Umgang mit Kindern,
Jugendlichen, Brüdern und Schwestern sorgfältig ausgewählt werden. Sie dürfen keine Anzeichen sexuellen Fehlverhaltens aufweisen.
Nicht zuletzt dienen die erwähnten Maßnahmen auch dem Schutz der Amtsträger und Lehrkräfte gegenüber gelegentlich vorkommenden unberechtigten Anschuldigungen.
Schlussbemerkungen
Jeder Fall eines sexuellen Übergriffs ist ein Fall zu viel.
Es ist mein besonderer Wunsch, dass dies jedem in unserer Kirche bewusst ist.
Wenn sich aber ein Fall ereignet hat, steht die Kirche in ihrer Fürsorge seelsorgerisch helfend
zur Verfügung. Sie will in ihrem Teil mit dazu beitragen, die oftmals schweren Schäden zu mildern.
Mit herzlichen Grüßen
euer
(Bernd Koberstein)
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Anhang:
Neuapostolische Kirche International - PG Gegenwartsfragen
Umgang mit sexuellen Übergriffen in der Seelsorge
Inhalte:
1.
Einleitung
2.
Schweigepflicht
3.
Begriffserläuterung: Sexueller Übergriff
3.1
Sexuelle Belästigung
3.2
Sexueller Missbrauch
4.
Folgen sexueller Übergriffe
5.
Verantwortungen
6.
Prävention
7.
Zuständigkeit zur Aufklärung von Verdachtsfällen
8.
Vorgehen im Verdachtsfall
8.1
Verdacht ist unbegründet
8.2
Verdacht wird bestätigt
8.3
Verdacht zweifelhaft
9.
Einbeziehung von Nothilfe-Organisationen
10.
Anlage I Verteiler
11.
Anlage II lnternetadressen/Notrufnummern
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1.
Einleitung
Sexuelle Übergriffe, darunter fallen sexuelle Belästigung und sexueller Missbrauch, sind
Vergehen, die die Neuapostolische Kirche aufs Schärfste verurteilt. Solche Vergehen können bei weiblichen und männlichen Mitgliedern aller Altersklassen vorkommen. Sie verletzen die Persönlichkeit und die Würde des Menschen.
Übergriffe durch kirchliche Funktionsträger1, die normalerweise hohes Vertrauen und Ansehen seitens der Mitglieder erfahren, sind besonders schwerwiegend und schmerzhaft.
Sehr verwerflich ist es, wenn das Vertrauen für eigene Bedürfnisse ausgenutzt wird. Deshalb sieht die Kirche es als ihre Pflicht an, derartige Vergehen im Rahmen ihrer Möglichkeiten aufzuklären und zu verhindern.
Durch Bagatellisieren oder gar Vertuschen machte sich die Kirche schuldig und käme in
Misskredit. Deshalb müssen Führungsverantwortliche durch Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit
der Täuschung und Verheimlichung entgegenwirken.2 Gemäß ihrem Auftrag bietet die Kirche den Opfern und Tätern Seelsorge an und verweist an qualifizierte Personen und Institutionen.
Nachstehende Ausführungen geben Hinweise, wie die Neuapostolische Kirche bei Fällen
von sexuellen Übergriffen in der Seelsorge verfährt.
2.
Schweigepflicht
Informationen, die der Schweigepflicht unterliegen, können nur mit Einwilligung des Betroffenen an den Apostel weitergegeben werden.
Eine Weitergabe von Informationen ohne eine Einwilligung ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen erlaubt.
3.
Begriffserläuterung: Sexueller Übergriff
Sexuelle Übergriffe gliedern sich in:
3.1
Sexuelle Belästigung
Sexuelle Belästigung ist jedes unangebrachte Verhalten sexueller Art durch Wort und Tat,
das die betroffene Person herabwürdigt. Sexuelle Belästigungen sind ein Ausdruck von
Respektlosigkeit gegenüber der anderen Person. Auch bei einer vermeintlichen oder geäußerten Zustimmung des Opfers kann der Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllt
sein.
1
Funktionsträger sind Amtsträger und Mitglieder mit Beauftragungen.
Siehe Leitbild „Dienen und Führen in der Neuapostolischen Kirche“, Kapitel „Anforderungen an
Führungsverantwortliche“ und „Führungsverhalten“
2
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Sexuelle Belästigungen sind beispielsweise:





3.2
Beleidigende anzügliche und erniedrigende Bemerkungen und Gesten,
Behelligung Dritter mit sexuellen Schriften oder sexuellem Bildmaterial oder entsprechenden Tonprodukten,
bewusst herbeigeführte Berührungen sexueller Art,
Annäherungsversuche mit sexuellen Hintergedanken und entsprechende Einladungen, die mit Versprechen von Vorteilen einhergehen oder die bei Ablehnung Entzug
von Anerkennung und Unterstützung, oder das Androhen von Nachteilen zur Folge
haben,
Exhibitionismus.
Sexueller Missbrauch
Sexueller Missbrauch ist eine nicht zufällige, bewusste oder unbewusste, psychische und
gewaltsame physische Schädigung.
Unter sexuellen Missbrauch fallen beispielsweise3:
•
Vergewaltigung,
•
Sexuelle Ausbeutung,
•
Sexuelle Gewaltanwendung,
•
Kinderpornografie.
Sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern werden in jedem Fall als
„sexueller Missbrauch“ eingestuft, „unabhängig von der Art und Weise dieser Kontakte,
von deren Intensität und Dauer und vom Geschlecht“4.
4.
Folgen sexueller Übergriffe
„Sexuelle Übergriffe in seelsorgerlichen Beziehungen stellen eine krasse Verfehlung der
psychischen, spirituellen und physischen Integrität der Ratsuchenden dar und sind eine
klare Missachtung ihres unbedingten Anspruchs auf Schutz, Hilfe und Verständnis. Die
Erfahrung sexueller Übergriffe löst eine ganze Palette von Gefühlen aus. Sie kann von
Schock, Verwirrung, Ambivalenz, Ohnmacht, Angst, Wut, Hass, Trauer bis zu Schuld,
Scham oder tiefen Glaubenskrisen reichen.
3
Auszugsweise entnommen: Wohin gehst du?, Hg. Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und
des Bundes, Zentrale Geschäftsstelle Stuttgart
4
M. Dannecker, Sexueller Missbrauch und Pädosexualität, in: V. Sigusch, Hg., Sexuelle Störungen und ihre
Behandlung, 3. Auflage, Stuttgart 2001, S. 465
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Schwerwiegende psychische und psychosomatische Symptome können die Folge sein.
Gravierend wirkt sich ein Übergriff für Ratsuchende aus, die bereits früher Opfer sexueller
Gewalt oder Ausbeutung wurden. Sie erleben eine weitere Grenzüberschreitung an einem
Ort, wo sie sich sicher glaubten."5
5.
Verantwortungen
Jeder Einzelne ist für sein Tun und Lassen selbst verantwortlich. Den Führungsverantwortlichen der Kirche obliegt eine hohe Sorgfaltspflicht bei der Auswahl der Funktionsträger.
Sie haben eine Aufsichtsfunktion über die Art und Weise deren Aufgabenerfüllung.
Der Funktionsträger muss verantwortungsvoll mit den sexuellen Gefühlen und Bedürfnissen, die in der Ausführung seines Auftrages entstehen können, umzugehen lernen. So ist
auch der äußere Rahmen für die jeweilige „Tätigkeit so zu bestimmen, dass sexuelle Übergriffe möglichst ausgeschlossen werden. Das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse und
die selbstkritische Reflexion der in der seelsorgerlichen Beziehung entstehenden Gefühle
sind unabdingbare Voraussetzungen für das Gelingen der kirchlichen Tätigkeit."6
„Das seelsorgerliche Prinzip wird verletzt, wenn:




Seelsorgende (Funktionsträger) die Bedürfnisse nach Zuwendung und Zärtlichkeit
oder auch Sexualität der Ratsuchenden ausnutzen,
in der Seelsorge nicht mehr die Nöte und Sorgen der Ratsuchenden, sondern die
Nöte und Sorgen des Seelsorgenden zum Thema werden,
Seelsorgende ihre eigenen Bedürfnisse nach Zuwendung, Zärtlichkeit und Sexualität in die seelsorgerliche Beziehung tragen, sei es im Gespräch oder durch Handlungen und
Seelsorgende auf sexualisierte Weise das Machtgefälle in der Beziehung missbrauchen."
In solchen Fällen steht nicht mehr das Wohl der Ratsuchenden im Vordergrund.7
6.
Prävention
Kirchliche Funktionsträger müssen hinsichtlich ihrer Eignung im Umgang mit Kindern, Jugendlichen, Brüdern und Schwestern sorgfältig ausgewählt werden. Sie dürfen keine Anzeichen sexuellen Fehlverhaltens aufweisen.
5
Sexuelle Übergriffe im Arbeitsfeld Kirche, Ein gemeinsamer Leitfaden der Evangelisch-reformierten Kirche
des Kantons Basel-Landschaft und der Römisch-katholischen Kirche des Kantons Basel-Landschaft, S. 22
6
Sexuelle Übergriffe im Arbeitsfeld Kirche, Ein gemeinsamer Leitfaden der Evangelisch-reformierten Kirche
des Kantons Basel-Landschaft und der Römisch-katholischen Kirche des Kantons Basel-Landschaft, S. 24
7
Sexuelle Übergriffe im Arbeitsfeld Kirche, Ein gemeinsamer Leitfaden der Evangelisch-reformierten Kirche
des Kantons Basel-Landschaft und der Römisch-katholischen Kirche des Kantons Basel-Landschaft, S. 24
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„Sexuelles Fehlverhalten beginnt meist als schleichender Prozess, der von scheinbar
harmlosen Grenzverletzungen bis zu massiven Übergriffen führt. Wichtig ist es, der eigenen Wahrnehmung und den eigenen Gefühlen zu trauen."8 8
Konkrete präventive Maßnahmen werden in die Unterweisung der Funktionsträger integriert. Diese beinhalten beispielsweise:
•
•
•
•
•
Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit,
Förderung der Konfliktfähigkeit,
beratende Fachpersonen,
Weiterbildung, Begleitung und Supervision
Informationen und Aufklärung durch Publikationen und im Rahmen von Vorträgen,
die für alle Ratsuchende offen sind.
Kirchliche Unterrichte sollten … nicht mit einer Einzelperson durchgeführt werden (gemeinsamer Unterricht mehrerer Gemeinden, Anwesenheit einer weiteren Person). Auffällige
Verhaltensweisen kirchlicher Funktionsträger müssen vom Führungsverantwortlichen abgeklärt werden. Dabei ist auf jedes Überschreiten allgemein gültiger Umgangsformen ein
besonderes Augenmerk zu richten, da es Vorbote eines sexuellen Übergriffs sein kann.
Die Kirche rät den Mitgliedern, die Gefahren auf diesem Gebiet ernst zu nehmen. Hinweise
aus dem Kreis der Mitglieder sind sorgfältig zu prüfen.
7.
Zuständigkeit zur Aufklärung von Verdachtsfällen
Jeder Verdachtsfall und jeder sexuelle Übergriff bedarf einer sorgfältigen und individuellen
Prüfung. Diese soll durch folgende Maßnahmen gewährleistet werden:





8
Die Zuständigkeit und Verantwortung für die Behandlung eines jeden sexuellen
Übergriffs in der Seelsorge liegt bei der Gebietskirche. Der Bezirksapostel kann
diese Aufgabe selbst wahrnehmen oder auch delegieren.
Ferner etabliert der Bezirksapostel zentral oder pro Land bzw. Region ein Prüf- und
Beratergremium, dessen Mitglieder unbefangen sein müssen. In dieses Gremium
beruft der Bezirksapostel einen Apostel oder Bischof als Vorsitzenden, der verantwortlich ist, dass der Vorwurf des sexuellen Übergriffs im Gremium geprüft wird.
Notwendige weitere Mitglieder beruft der Bezirksapostel in Abstimmung mit dem
Vorsitzenden. In diesem Gremium sollten unbedingt ein Jurist/in, ein Psychotherapeut/in und ein Arzt/in mitwirken, unter denen mindestens eine Schwester sein soll.
Über alle Beratungen und Gespräche sind Protokolle anzufertigen.
Alle Mitglieder des Gremiums unterliegen der Schweigepflicht.
Sexuelle Übergriffe im Arbeitsfeld Kirche, Ein gemeinsamer Leitfaden der Evangelisch-reformierten Kirche
des Kantons Basel-Landschaft und der Römisch-katholischen Kirche des Kantons Basel-Landschaft, S. 27
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8. Vorgehen im Verdachtsfall
Der Apostel informiert den Bezirksapostel über den sexuellen Übergriff unter Wahrung der
Schweigepflicht.
Wurde ein gerichtliches Verfahren eröffnet, so wird ein Funktionsträger bis zum Vorliegen
des Urteils beurlaubt. Nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens wird im Einzelfall entschieden.
Gibt es kein strafrechtliches Verfahren und wird das Vergehen gegenüber dem Apostel
eingestanden, ist nach Ziffer 8.2 zu verfahren.
Ansonsten schaltet der Bezirksapostel den Vorsitzenden des Prüf- und Beratergremiums
ein. Dieser versucht mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen und die erforderlichen Gespräche zu führen. Der Vorsitzende des Prüf- und Beratergremiums kann Mitglieder des
Gremiums oder andere qualifizierte Personen nach Zustimmung durch den Gesprächspartner zu den Gesprächen hinzuziehen oder diesen die Führung der Gespräche übertragen. Diese sind zu protokollieren.
Ziel des jeweiligen Gesprächs ist die Aufklärung des Sachverhalts. Solange der Verdacht
nicht erwiesen ist, sollen sich alle darüber Informierten gegenüber dem mutmaßlichen Opfer und dem Tatverdächtigen neutral verhalten.
Bei Anschuldigung und Verdacht gegenüber Funktionsträgern muss zusätzlich geprüft
werden, ob eine Beurlaubung notwendig ist. Der Bezirksapostel entscheidet darüber auf
Vorschlag des Vorsitzenden des Gremiums.
8.1
Verdacht ist unbegründet
Erweist sich der Verdacht als unbegründet, soll sich die Kirche für die Rehabilitation der
verdächtigten Person einsetzen.
8.2
Verdacht wird bestätigt
Bestätigt sich der Verdacht, unterrichtet der Vorsitzende den Bezirksapostel. Im Fall des
Funktionsträgers kann der Täter sein Amt bzw. seinen Auftrag zurückgeben, andernfalls
wird er durch den Bezirksapostel dessen enthoben.
8.3
Verdacht zweifelhaft
Wird der Anschuldigung widersprochen, bzw. sind die Äußerungen des Opfers zweifelhaft,
macht der Vorsitzende dem Bezirksapostel einen Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise,
abhängig von der Beurteilung durch das Prüf- und Beratergremium.
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9.
Einbeziehung von Hilfsorganisationen
Die Neuapostolische Kirche hat Gespräche mit der Hilfsorganisation Internet Notruf e.V.
geführt. Diese Hilfsorganisation bietet seit vielen Jahren über das Medium Internet
(www.internet-notruf.de) Hilfesuchenden jeglichen Alters kostenlose und anonyme Beratungen an 365 Tagen im Jahr, ausschließlich durch ausgebildete Fachkräfte, an. Über diese Hilfsorganisation finden Mitglieder in Deutschland, Österreich und in der Schweiz Zugang zur nächstliegenden Beratungsstelle. Mitglieder, die keinen Internetanschluss haben,
oder in andern Ländern leben, können sich über entsprechende Beratungsstellen in kommunalen Informationsblättern oder beim Gemeindevorsteher oder dessen Vorangängern
informieren. Weitere Internetadressen und Notrufnummern finden sich in der Anlage II.
Das Opfer bzw. die gesetzlichen Vertreter müssen entscheiden, ob Anzeige erstattet wird.
Hierbei kann die Hilfsorganisation qualifizierte und kompetente Ratschläge auch im Interesse des Opfers geben.
10.
Anlage I
Verteiler
Die Ausarbeitung soll europaweit wie folgt verteilt werden:
 Bezirksapostel und Bezirksapostelhelfer
 Apostel
 Bischöfe
In der westlichen Welt zusätzlich an:
 Bezirksämter
 Funktionsträger
 Pro Gemeinde zwei Exemplare (Vorsteher / Zirkulation)
Die weitere Verteilung in den Missionsländern regeln die Bezirksapostel.
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11.
Anlage II Anlage Internetadressen/Notrufnummern
Deutschland:
Datenbank der Beratungsstellen unter
www.hinsehen-handeln-helfen.de
(Informationen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend)
Frankreich:
Kinder: www.allo119.gouv.fr
Erwachsene: www.sosfemmes.com
Kostenlose Notrufnummer: 119
Niederlande:
www.adhd.nl/help/korrelat.html
Kostenlose Notrufnummer: 0900-1450
Österreich:
www.intemet-notruf.de
http://www.yap.at/yap/service/organisationen.asp?expand=9 Kostenlose Notrufnummer: 02622-66661
Caritas SOS-Stelle „Hilfe in Not“, Tel. Vorarlberg 05522 200-4000
IFS-Interventionsstelle in Feldkirch, Tel.: 0552 282440
Schweiz:
www.internet-notruf.de
www.triangle-for-kids.ch
www.147.ch
Kostenlose Notrufnummer: 147
Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren und Sozialdirektorinnen:
Opferhilfe-Beratungsstelle
www.sodk.ch/fachbereiche/familie-undgenerationen/Opferhilfe/