Gedichte von Karl Liebknecht Im Kerker Ihr raubt die Erde mir, doch nicht den Himmel, Und ist’s ein schmaler Streif nur, den mein Auge Erreichen kann Durch Gittermaschen, Zwischen Eisenstäben, Gedrückt von schweren Mauern. Es ist genug, Das selige, verklärte Blau zu schauen, Von dem das Licht gedämmert zu mir dringt Und auch zuweilen Verlorenes Vogelzwitschern leicht herniedertanzt. Es ist genug Mir eine muntre Dohle, schwarz und plappernd, O treue Freunde meiner Festungstage, Im freien Flug der Kreatur zu zeigen Und einer Wolke wechselnd Wandelbild. Und ist’s ein schmaler Streif nur - jüngste Nacht Erschien der hellste Stern in dieser Enge. Der hellste Stern des Firmaments erschien Und strahlte aus des Weltenraumes Ferne. Die Welt beherrschend, heller, heißer, Urmächtiger in meiner Zelle Loch, Als je er strahlt euch anderen da draußen. Und eine glühende Schnuppe warf er nieder. Ihr raubt die Erde mir, doch nicht den Himmel, Und ist’s ein schmaler Streif nur, eng, Durch Gittermaschen, zwischen Eisenstäben, Er macht des Leibes Sinne selbst Beschwingt von freier Seele, freier Als je ihr wart, die ihr mich hier im Kerker In Fesseln zu vernichten wähnt. Sturm Sturm, mein Geselle, Du rufst mich! Noch kann ich nicht, Noch bin ich gekettet! Ja, auch ich bin Sturm, Teil von dir; Und der Tag kommt wieder, Da ich Ketten breche, Da ich wiedrum brause, Brause durch die Weiten, Stürme um die Erde, Stürme durch die Länder, Stürme in die Menschen, Menschenhirn und -herzen, Sturmwind, wie du! Heulen des Sturmes ist mir liebliche Melodie, Wenn wild er herabstürzt über die Mauern In das Gedränge enger Gänge. Wenn er mit Gebrüll Sie zu zersprengen sucht, Wenn sein flatternder Mantel Gegen die Steine klatscht, Wenn er in rasender Wut Stäbe und Gitter packt, Sie zu zerbrechen! Wenn sein kalt-heißer Atem Durch Ritzen und Scheiben Die Haut mir streift, Das Blut mir siedet. − Gerne wohl hör’ ich dich, Urbild gewalt’ger Kraft. Lieber doch wüßt’ ich dich, Hört’ ich dich, fühlt’ ich dich, Wärst du ein Bote mir Anderer Kraft, Volkes Kraft. Heulender Sturm der Nacht, Nimmer befreist du mich! Anderer Kraft, Volkes Kraft Harre ich sehnsuchtsvoll, Lausch’ ich voll Ungeduld, Wann wirst du künden sie? Friedens- und Freiheitsschlacht, Kampfgebraus auch für mich! Zuversicht Ob sie uns auch zerbrechen Sie beugen uns doch nicht Und eh’ der Tag vergangen, Stehn wir frisch aufgericht’t. Von tausend Niederlagen Erheben wir uns frei Zu immer kühnerm Schlagen In immer festrer Reih’. Ob sie die Flamm’ ersticken, Der Funke heiß sich regt Und über Nacht zum Himmel Die neue Flamme schlägt. Und ob das Ziel, das hohe, Entwichen scheint und fern, Es kommt der Tag, der frohe, Wir trauen unserm Stern. Die Gegenwart mag trügen, Die Zukunft bleibt uns treu. Ob Hoffnungen verfliegen, Sie wachsen immer neu. Aus Nichts wird alles werden, Eh’ sie es noch gedacht, Trotz ihrer Machtgebärden, Wir spotten ihrer Macht. Bald werden sie zerstieben Wie Gischt am Felsenstrand, Schon winkt aus Nebeltrüben Das heißersehnte Land. Es gibt auf Erdenrunden Nichts, was uns zwingen kann: Kein Gift und keine Wunden, Kein Teufel und kein Bann!
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