Ein gekrönter Bauerngarten

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12 MENSCHEN
FRAUENLAND | Nr. 3/2013
Ein gekrönter
Bauerngarten
N
iemand hat die vielen
Cars und Autos gezählt, die schon auf
den Mistelberg oberhalb von
Wynigen gefahren und den
Bauerngarten der Familie
Schweizer gesucht haben.
Während der Gartensaison
kommen sie in Scharen – aus
der Schweiz, Deutschland
und anderen Ländern. Dann
stehen die Leute auf der Terrasse vor dem Bauernhaus
aus dem 18. Jahrhundert und
schauen auf den sorgfältig
gepflegten Buchsgarten mit
den Gemüsekulturen und
den Blumenbeeten. Ein Garten, der schon zweimal den
ersten Preis gewann, das
letzte Mal beim Wettbewerb
«Der schönste Bauerngarten»
der «BauernZeitung» und
«Frauenland».
Wo sich das Bauernhaus
im Garten wiederspiegelt
Fritz und Vreni Schweizer erklären dann den Besuchern,
dass man nicht so genau
weiss, wie der Garten entstanden ist, dass er wohl von Fritz
Schweizers Grosseltern angelegt wurde. Typisch für viele
Bauerngärten ist das Wegkreuz mit dem Rondell und
der Buchskugel in der Mitte.
Der Kugel zu Füssen wachsen
Begonien in Rot-Tönen, die
aussehen wie ein rotes Kis-
sen. Dieses Zentrum wird betont von vier runden Buchsbeeten, in deren Mitte Tagetes wachsen. Vreni Schweizer
sät sie jeweils selber aus und
mischt manchmal noch Portulakröschen darunter – alles
Blumen, die diese sonnenexponierte Lage gut vertragen.
Im Kanton Bern ist auffallend oft zu sehen, wie die
Hausachse und die Form des
Giebels im Gartengrundriss
wiederholt werden. Der Garten der Schweizers zielt mit
der Hauptachse direkt auf
die Haustüre, die Giebelform
wurde in der Anlage nicht
berücksichtigt. Die Buchsbeete umgeben das Rondell und
schliessen den Garten zu den
Seiten hin als Rechteck ab. In
diesen Carrées pflanzt Vreni
Schweizer Gemüse an. Winterblumenkohl, Zwiebeln,
Tomaten, Kopfsalat, Buschbohnen, Lauch, Sellerie, Kohlrabi.
Die Liste ist lang und auch
wenn Vreni Schweizer (62)
manchmal denkt, dieses Jahr
werde sie das eine oder andere Gemüse nicht mehr anpflanzen, um Arbeit zu reduzieren – dann tut sie es am
Ende doch wieder. «Es ist halt
einfach schön, wenn man im
Garten etwas holen kann»,
sagt sie. Auf keinen Fall verzichten würde sie auf den
Winterblumenkohl, der so
viel einfacher sei zum Kultivieren als der Sommerblumenkohl, der immer voller
Raupen und Würmer sei. Und
die Kürbisse – «die hab ich so
gern!» – würde sie auch nie
aufgeben. Sie mag sie in allen
Grössen und ihr ungestümes,
manchmal alles dominierende Wachstum mitzuerleben,
bringt sie jedes Jahr wieder
zum Staunen. Auf einem Gartenplan hält sie jeweils fest,
was sie wo anpflanzt, um die
Fruchtfolge einzuhalten.
40 Jahre Buchsschnitt gibt
eine sichere Hand
Die Arbeiten im Garten sind
bei Schweizers klar geteilt.
Sie kümmert sich um das
Innenleben, er sich um den
äusseren Rahmen, sprich
den Buchs und die Kieswege.
Und wenn man sich mit Fritz
Schweizer über seinen Buchs
unterhält, dann hört man
nicht viele Klagen, wie sie
sonst wegen Pilzbefall und
dem Buchsbaumzünsler derzeit in vielen Gärten zu hören
sind. Grün und kräftig strahlen die Borduren den Besucher auf dem Mistelberg an.
«Wir sind hier so abgelegen
und haben in nächster Nähe
keine anderen Buchspflanzen
– bis jetzt haben es Schädlinge und Pilze einfach noch
Bilder: zVg
Bauerngarten | Vor 40 Jahren hat das Ehepaar Fritz und Vreni Schweizer Hof
und Bauerngarten in Wynigen BE geerbt. Damals hätten sie nie gedacht, was für
Scharen von Besucher ihr Garten dereinst anziehen wird. Und Preise.
nicht bis hierher geschafft»,
sagt Fritz Schweizer.
So kann sich der Bauer auf
den exakten Schnitt des Buchses konzentrieren. Gar nicht
so einfach! Aber nach bald
40 Jahren hat Fritz Schweizer
viel Übung und eine sichere
Hand. Er schneidet von
Hand, immer Ende Mai, Anfang Juni. Und nur bei bewölktem Wetter, damit die
Sonne die frisch geschnittenen Stellen nicht verbrennt
und der Buchs womöglich
braune Stellen bekommt.
Wie viel Zeit sie mit der
Pflege des Gartens verbringen, können die beiden nicht
genau sagen. Sie haben den
Landwirtschaftsbetrieb be-
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Nr. 3/2013 | FRAUENLAND
Fritz und Vreni Schweizer haben den preisgekrönten Bauerngarten und den Bauernbetrieb vor 40 Jahren geerbt. Seither pflegen sie den Garten
gemeinsam, was eine sichere Hand gibt, um diesem Erbe auf dem Mistelberg gebührend Sorge zu tragen. Und er ist ein Touristenmagnet geworden.
reits an den Sohn übergeben,
helfen aber noch tatkräftig in
Feld und Stall mit und hüten
oft die drei Enkelbuben. Daneben hat Fritz Schweizer
ein weiteres Hobby: Er fertigt
Skulpturen aus Holz an. In
seiner Werkstatt schnitzt, sägt
und kerbt er Holzstücke aus
dem eigenen Wald und lässt
so Kerzen, Pilze, Sterne und
Tiere entstehen. Die eigene
Kreativität ausleben als
kleinen Nebenerwerb – für
Fritz Schweizer eine gute
Alternative im zunehmend
schwierigen Umfeld der
Landwirtschaft.
Da bleibt wenig Zeit für Ferien. Sie reisen selten, aber irgendwann geht es in das Well-
nesshotel in Deutschland –
der Preis, den sie beim Wettbewerb um den schönsten
Bauerngarten der Schweiz
erhalten haben. «Es ist zwar
sehr weit weg, grad an der
Grenze zu Tschechien», sagt
Vreni Schweizer, «aber es wird
sicher schön.» Wenn es sich
ergibt, meint Fritz Schweizer,
würden sie dort dann auch
ein paar Gärten anschauen
gehen. Denn bis jetzt bestaunten sie fremde Gärten
vor allem in Fernsehsendungen, obwohl sie beide davon
träumen, auch einmal noch
andere grüne Werke zu sehen. «Mich würde der Garten
der Sommerresidenz des
Papstes interessieren», verrät
Fritz Schweizer und seine
Frau sagt: «Ich war noch
nie in einem Botanischen
Garten.»
Auf dem Mistelberg wird
dem Erbe Sorge getragen
Aber während der Gartensaison bleibe sowieso keine Zeit
für Ferien. Auch dieses Jahr
haben sich bei Schweizers
wieder viele Besucher angemeldet. Darunter ist auch
eine Gartenreise-Veranstalterin aus Deutschland, die dem
Garten der Schweizers zu soviel Aufmerksamkeit verhalf.
Die Gartenarchitektin war
vor einigen Jahren auf der Suche nach einem schönen Emmentaler Bauerngarten, den
sie in ihr Programm integrieren könnte. Sie rief auf der
Gemeinde Wynigen an, wo
man ihr mitteilte, auf dem
Mistelberg sei ein solcher
Garten zu finden. Nach der
ersten Gruppe kam bald die
zweite und heute bieten
Schweizers für die Gruppen
auch Verpflegung und Apéros
an. Und im Stöckli haben sie
in einem Raum ein kleines
Bauernmuseum mit alten
Werkzeugen eingerichtet; Gegenstände, die sie gesammelt
oder von ihren Eltern geerbt
haben. Seien es Gerätschaften oder ein Garten – einem
Erbe wird auf dem Mistelberg
Sorge getragen.
| Sarah Fasolin