VK2-15/15

2. Vergabekammer des Bundes
VK 2 - 15/15
Beschluss
In dem Nachprüfungsverfahren
[…],
- Antragstellerin Verfahrensbevollmächtigte:
[…],
gegen
[…],
- Antragsgegnerin Verfahrensbevollmächtigte:
[…],
[…],
- Beigeladene Verfahrensbevollmächtigte:
[…],
wegen der Vergabe „Küchentechnik für die Baumaßnahme […]“, hat die 2. Vergabekammer des
Bundes durch die Vorsitzende Direktorin beim Bundeskartellamt Dr. Herlemann, den hauptamtlichen Beisitzer Regierungsdirektor Zeise und den ehrenamtlichen Beisitzer Reinders auf die
mündliche Verhandlung vom 10. März 2015 am 25. März 2015 beschlossen:
1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
-2-
2.
Die
Antragstellerin
trägt
Nachprüfungsverfahrens
die
Kosten
einschließlich
(Gebühren
und
der
zweckentsprechenden
zur
Auslagen)
des
Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der
Beigeladenen.
3.
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die
Antragsgegnerin und die Beigeladene wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin (Ag) forderte die Antragstellerin (ASt) mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 im
Rahmen eines Verhandlungsverfahrens wegen der beabsichtigten Vergabe von „Küchentechnik für
die Baumaßnahme […]“ zur Angebotsabgabe auf. Die Ag hatte ursprünglich ein offenes Verfahren
bezüglich der streitgegenständlichen Leistungen durchgeführt (Bekanntmachung im Amtsblatt der
EU vom […]), dieses jedoch aufgehoben und alle am offenen Verfahren beteiligten Bieter zur
Angebotsabgabe im Verhandlungsverfahren aufgefordert. Die Verfahrensbeteiligten streiten
insbesondere über den Ausschluss des Angebots der ASt wegen von der Ag festgestellten
Abweichungen von den Vorgaben der Vergabeunterlagen und die Produktspezifität der
Ausschreibung.
1.
In Ziffer II.2.1) der ursprünglichen Bekanntmachung vom […] hat die Ag das Vorhaben in
Bezug auf den Einsatz einer Wärmepumpe u.a. wie folgt beschrieben:
„Im Rahmen der Auslegung der raumlufttechnischen Anlagen wurden maximale
Luftmengen für die Einhaltung der Arbeitsstättenrichtlinie ermittelt. Diese
Auslegung ist aufgrund der Integration in den Bestand begrenzt und führt zu dem
Ergebnis, dass zusätzliche thermische Belastungen, die über die Wärmeabgabe
des Geschirrgutes hinausgeht, nicht abgeführt werden können. Aus dieser
Betrachtung heraus wurde der Einsatz einer Spültechnik mit Wärmepumpe
gewählt. Eine zusätzliche Belastung des Raumes mit Ablufttemperaturen größer
22°C ist nicht möglich.“
Zuschlagskriterium
ist
gemäß
Ziffer
5.3
der
Angebotsaufforderung
für
das
Verhandlungsverfahren vom 13. Oktober 2014 der niedrigste Preis, Nebenangebote waren
gemäß Ziffer 5.2 nicht zugelassen.
-3-
Das neue Leistungsverzeichnis des Verhandlungsverfahrens wiederholt in Ziffer 4 die bereits
zitierte technische Begründung der ursprünglichen Bekanntmachung für den Einsatz „zur
Systemfindung Wärmepumpe“.
In der Leistungsposition 1.4.11 der Leistungsbeschreibung werden (u.a.) folgende technische
Anforderungen an die Spültechnik der Bandspülmaschine aufgestellt:
„Ablufttemperatur (bei bestehender Zulaufwassertemperatur von 18°C) 18°-22°C
(…)
Die Maschinenkonstruktion ist so auszulegen, dass auf einen Abluftanschluss an
die Raumlufttechnische Anlage (RLT) verzichtet werden kann. Die
Ablufttemperatur der Maschine darf max. 22°C betragen. Die Maschinenabluft ist
dazu über eine Wärmepumpe zu führen.
(…)
Abluftwärmerückgewinnung
Durch die Ausstattung der Maschine mit einem Wärmerückgewinnungssystem ist
die Abluft abzukühlen und zu entfeuchten. Gleichzeitig wird das Kaltwasser mit
Zulauftemperatur von 18°C für die Frischwasserklarspülung vorerwärmt. Der
Kondensator der Wärmerückgewinnung ist zur Reinigung frei zugänglich.
Einsparung durch Wärme-Rückgewinnung ca. 8 kWh.
Wärmepumpe
In Ergänzung zu dem System der Abluftwärmerückgewinnung dient die
Wärmepumpe zur zusätzlichen Rückgewinnung von Energie und zur Abgabe von
gekühlter und entfeuchteter Abluft an den Raum. Die zurückgewonnene Energie
verringert Anschlusswert und Verbrauch der Maschine. Ein direkter Anschluss an
die bauseitige Abluftanlage ist bei Einhaltung der VDI2052 nicht notwendig.
Heizleistung der Wärmepumpe ca. 17,5 kWh.“
Analoge Vorgaben werden in Ziffer 1.4.12 des Leistungsverzeichnisses für die anzubietende
Tablettspülmaschine aufgestellt. Die Einsparung durch die Wärme-Rückgewinnung sollte bei
der Wärmepumpe der Tablettspülmaschine ca. 7,7 kWh, die Heizleistung ihrer Wärmepumpe
ca. 23 kWh betragen.
Die ASt gab zunächst fristgerecht am 7. November 2014 ein Angebot ab; eine Rüge der
Vorgaben durch sie erfolgte vor Angebotsabgabe nicht. Die Ag forderte die ASt mit Schreiben
vom 27. November 2014 auf, einzelne Nachweise und Erklärungen bis zum 3. Dezember
2014
nachzureichen,
um
die
Erfüllung
der
technischen
Anforderungen
des
Leistungsverzeichnisses durch das von der ASt abgegebene Angebot zu überprüfen. Unter
-4-
anderem forderte die Ag Angaben zur Spülmaschinentechnik, insbesondere dazu, welche
Bauteile Standard- und welche Sonderausführungen darstellen (Fragen 15 und 16). Die ASt
reichte (u.a.) am 3. Dezember 2014 ein technisches Datenblatt für die von ihr angebotene
Bandspülmaschine […] ein. Darin wird eine Heizenergie von 41,10 kW, ein Verbrauch von
29,9 kW, eine Abluft von 170 m³/h bei einer Temperatur von 22°C und einer Abluftfeuchtigkeit
von 90 % ausgewiesen. Zusätzlich befindet sich auf dem Datenblatt in der Fußnote **)
folgender Hinweis.
„Die Ablufttemperatur steht in Abhängigkeit zur Frischwasserlauftemperatur. Die
angegebenen
Abluftkonditionen
beziehen
sich
auf
eine
Frischwasserzulauftemperatur von max. 12 °C. Unter diesen Bedingungen und der
Berücksichtigung der VDI 2052 ist ein Abluftanschluss für die Maschine nicht
erforderlich.“
In Beantwortung der Frage 15 gibt die ASt an, dass es sich bei der Bandspülmaschine […]
um keine Sonderanfertigung handele und verweist auf das beigefügte Datenblatt;
inhaltsgleich ist die Antwort 16 der ASt in Bezug auf die von ihr angebotene
Tablettspülmaschine.
Am 7. Januar 2015 fand zwischen der Ag und der ASt das Verhandlungsgespräch statt. Im
Vorfeld der Verhandlungsrunde war den Bietern kurzfristig ein umfangreicher Fragebogen
von der Ag übersandt worden, der u.a. Fragen zur Spültechnik, etwa der Zusammensetzung
eines Sonderbaus und den Heizwerten der Wärmepumpe beinhaltete. Im Laufe des
Gesprächs mit der ASt kündigte diese u.a. ausführliche Informationen hinsichtlich einer
„Spültechnik handwerkliche Sonderkonstruktion“ an. U.a. hierfür wurde der ASt eine
verlängerte Frist bis zum 20. Januar 2015 gewährt. Die von der ASt fristgerecht eingereichte
Beantwortung des Fragebogens ergibt hinsichtlich der geforderten Wärmepumpe, dass diese
vor der Wärmerückgewinnung positioniert ist, im Wasserkreislauf integriert wird und ihre
Heizleistung
8kW
beträgt
(Antworten
auf
Fragen
35ff.).
Die
Frage
nach
der
Zusammensetzung des Sonderbaus (Nr. 35) beantwortete die ASt mit: „Bezeichnung gemäß
Leistungsverzeichnis“. Im Übrigen bejahte die ASt die Nachfrage der Ag nach der Erfüllung
der Forderungen des Leistungsverzeichnisses (Antwort auf Frage 53) und führte aus, dass
bereits 2000 […] Bandspülmaschinen im Einsatz seien.
In der Email vom 20. Januar 2015 teilte die ASt der Ag zudem mit, dass sie kein preislich
verändertes Angebot abgebe und es daher beim Angebot vom 7. November 2014 verbleibe.
-5-
Mit nicht datiertem Schreiben, dessen Versand nach den Angaben der Ag am 6. Februar
2015 erfolgt sein soll, ergänzt durch ein weiteres Schreiben vom 9. Februar 2015, informierte
die Ag die ASt darüber, dass deren Angebot von der Wertung ausgeschlossen worden sei,
weil es unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen enthalte und das Angebot somit
nicht alle in den Vergabeunterlagen gestellten Bedingungen erfülle. Die Maschinenabluft
werde nicht – wie gefordert – über eine Wärmepumpe geführt; mit der Wärmepumpe würden
vielmehr die Tanks oder das Klarspülwasser erwärmt; das angebotene System setze zudem
eine abweichende Frischwasserzulauftemperatur voraus. Darüber hinaus weiche das
Angebot von den vorgegebenen Heizleistungen der Wärmepumpe ab. Es sei beabsichtigt,
den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen (Bg) zu erteilen.
Hiergegen wandten sich die Verfahrensbevollmächtigten der ASt mit Rügeschreiben vom 10.
und 17. Februar 2015. Die ASt trug vor, dass keine unzulässige Änderung vorliege und ihr
Angebot vielmehr die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses erfülle. Die Ag lehnte es mit
Schreiben vom 18. Februar 2015 ab, der Rüge zu entsprechen. Die ASt vertiefte mit
Schreiben vom 19. Februar 2015 gegenüber der Ag ihre Rüge. Hierauf erfolgte keine weitere
Reaktion der Ag.
2.
Mit einem per Fax am 20. Februar 2015 bei der Vergabekammer des Bundes eingegangenen
Schriftsatz beantragte die ASt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
a) Die ASt trägt vor, dass der Ausschluss ihres Angebotes rechtswidrig sei. Das von ihr
angebotene System erfülle die Anforderungen der Ag; jedenfalls sei die Ausschreibung
der Ag nicht produktneutral ausgestaltet, so dass ein Ausschluss des Angebotes der ASt
unter keinem Gesichtspunkt in Betracht komme. Im Einzelnen:
Es liege schon keine Abweichung von technischen Spezifikationen der Ag vor, da das
Angebot
der
ASt
Spülmaschinen
die
im
Leistungsverzeichnis
angegebenen
Baulängen
und
unter
„Technische
Bandbreiten,
Daten“
der
Tankvolumina,
Frischwasserverbrauch etc. einhalte. Die nachfolgenden konstruktiven Ausführungen der
Maschine seien jedoch nur Angaben zu baulichen Umsetzung. Bei der Art und Weise, wie
der Bieter die geforderten technischen Spezifikationen erreiche, sei der Bieter jedoch frei.
Daher habe die ASt eine andere Ausführungsart als die von der Ag vorgegebene
anbieten dürfen.
-6-
Eine Abweichung von den Vorgaben der Frischwasserzulauftemperatur von 18°C liege im
Ergebnis nicht vor. Zwar werde in dem von der ASt eingereichten Datenblatt bei den
Standardangaben darauf hingewiesen, dass üblicherweise eine Kaltwassertemperatur
von 12°C zugeführt werden müsse. Werde dies eingehalten, könne auch das
beschriebene Standardmodell verwendet werden. Die ASt biete hier jedoch nicht nur das
Standardmodell an, sondern eine um das System […] modifizierte und erweiterte Anlage
der Firma […]. Diese technische Lösung sei der Ag auch im Rahmen des technischen
Aufklärungsgespräches präsentiert worden. Die entgegenstehende Äußerung in der
Email vom 3. Dezember 2015 sei dadurch irrelevant geworden. Ebenso habe die ASt
diese Lösung im vorangegangenen (aufgehobenen) Vergabeverfahren verfolgt. Das
zugeführte Frischwasser mit einer Temperatur von 18°C werde daher zunächst durch
Wärmepumpen auf die erforderlichen 12°C heruntergekühlt und dann durch die Abluft der
Spülmaschinen wieder erwärmt. Es handele sich somit ebenfalls um ein – wie von der Ag
gefordert – zweistufiges Verfahren zur Abkühlung der Maschinenabluft, nur dass diese
eben nicht über die Wärmepumpe direkt, sondern das abgekühlte Wasser geführt werde.
Die zugeführte Wassertemperatur sei daher unmaßgeblich; es könnte ausweislich des als
Anlage 24 vorgelegten Schaubildes auch Wasserzulauftemperaturen von bis zu 25 °C
durch das […] abgedeckt werden.
Ebenso liege kein Ausschlussgrund in Bezug auf die abweichende Heizleistung der
Wärmepumpen vor. Denn die Ag verkenne, dass sich eine isolierte Betrachtung der
Heizleistung der Wärmepumpen verbiete. Allein entscheidend seien die energetischen
Verbrauchswerte der jeweiligen Spülmaschinen, d.h. insbesondere der Anschlusswert
(kW) und der Verbrauchswert (kW/h). Hierbei schnitten die von der ASt angebotenen
Spülmaschinen deutlich besser ab als in den Vorgaben der Ag gefordert. Darüber hinaus
habe die Ag nur ca.-Angaben gemacht; die ASt halte den von der Rechtsprechung
insoweit geprägten Toleranzbereich von +/- 10 % nahezu überall ein. Ohne weitere
Nachweise lasse sich hieraus die technische Gleichwertigkeit der Spülmaschinen
ableiten. Die vorliegenden Abweichungen seien konstruktionsbedingte Details; dennoch
würden alle die relevanten Vorgaben des Leistungsverzeichnisses erfüllt. Unstreitig werde
die Maschinenabluft nicht direkt über eine Wärmepumpe geführt, daher sei deren
Heizleistung für das System der ASt völlig unerheblich. Die kleinen Wärmepumpen im […]
System hätten naturgemäß eine geringere Leistung als bei dem von der Ag präferierten
System.
-7-
Die Forderung nach einer unmittelbaren Führung der Maschinenabluft über eine
Wärmepumpe verstoße – auch unter Berücksichtigung des der Ag zustehenden
Beurteilungsspielraums – gegen das Gebot der Produktneutralität, da diese Vorgabe auf
ein bestimmtes Produkt, das Fabrikat […], hinauslaufe. Auch im vorangegangenen
Verfahren habe die Ag bereits versucht, das […] System durchzusetzen. Begründet
worden sei es damals damit, dass das Personal auf das System geschult und deren
Arbeitsläufe demzufolge darauf ausgerichtet seien. Und dies, obwohl die Ag mehrheitlich
[…] Systeme in ihren Kantinen einsetze. Auf Rüge der Firma […] hin habe die Ag die
Begründung folgerichtig korrigieren müssen. Die ASt werde jedoch weiterhin mit ihrem
System ausgeschlossen, wodurch der Wettbewerb eingeengt werde. Das von der ASt
angebotene System könne die entscheidende Kernforderung der Ag, eine maximale
Ablufttemperatur von 22°C, ohne Weiteres ebenfalls gewährleisten. Die ASt könne in
einer vergleichbaren Liegenschaft in Berlin die Einhaltung der geforderten Abluftwerte
belegen. Dass es beim […] Probleme mit einem […] System gegeben habe, was zum
nachträglichen Einbau von Klimaanlagen in die Küche geführt habe, sei planerischen
Fehlern geschuldet und habe nicht an den […]-Spülmaschinen gelegen.
Diese technische Lösung der ASt habe die Ag jedoch überhaupt nicht in Betracht
gezogen, sondern ihre Ausschreibung von vornherein auf das Fabrikat […] ausgerichtet.
Jedenfalls durch die zusätzliche Anforderung in Pos. 1.9 des Leistungsverzeichnisses,
dass die Nassmüllentsorgungsanlage vom gleichen Hersteller wie die Spültechnik
stammen solle, laufe alles auf das […] System hinaus. Andere in Betracht kommende
Hersteller würden diese Nassmüllentsorgungsanlagen nicht im Programm haben.
Die Ag blende bei ihrer Vorfestlegung auch aus, dass der maximale Feuchtigkeitseintrag
eine entscheidende Größe sei. Da das von der ASt angebotene System nur 170 m³/h
Abluft erzeuge, sei die in den Raum entweichende Feuchtigkeitsmenge im Vergleich zum
[…] System mit 500 m³/h deutlich besser.
Im Übrigen sei das Verhandlungsverfahren das falsche Vergabeverfahren, da der
Vorrang
des
offenen
Verfahrens
missachtet
werde.
Im
vorausgegangenen
(aufgehobenen) Verfahren habe die Ag noch das offene Verfahren gewählt und habe nur
wegen der mangelnden Produktneutralität der Ausschreibung aufheben müssen. Dies
berechtige sie nicht zum Übergang ins Verhandlungsverfahren.
-8-
Eine Vergabe allein nach dem niedrigsten Preis sei ebenfalls unzulässig, denn gemäß
§ 97 Abs. 5 GWB sei der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot hin zu erteilen.
Letztlich weise die Dokumentation des Vergabeverfahrens durch die Ag Mängel auf. So
enthalte sie etwa Dokumente mit der Nummer des aufgehobenen Verfahrens, Angaben
zu einem Submissionstermin, der nicht stattgefunden habe, sowie eine Prüfung des
„wirtschaftlichsten Angebots“, obwohl nur der Preis maßgeblich gewesen sein solle.
Mit ihrem Vorbringen sei die ASt auch nicht präkludiert. Bei Erstellung des Angebotes sei
sie davon ausgegangen, dass man die Vorgaben der Ag auch auf diesem Weg einhalten
könne, so dass erst die Ausschlussentscheidung der Ag der ASt die eigentliche
Zielrichtung der Vorgaben haben erkennen lassen.
Die ASt beantragt:
1.
Der Ag wird aufgegeben, den Ausschluss des Angebotes der ASt
zurückzunehmen und die Angebotswertung unter
Einbeziehung
des
Angebotes der ASt zu wiederholen und dabei die Rechtsauffassung der
Vergabekammer zu berücksichtigen.
2.
Hilfsweise:
Der
Ag
wird
untersagt,
das
Vergabeverfahren
durch
Zuschlagserteilung abzuschließen.
3.
Die
Ag
trägt
die
Kosten
des
Verfahrens
einschließlich
der
zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen.
4.
Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der ASt
notwendig war.
5.
Darüber hinaus wird beantragt, der ASt Einsicht in die Vergabeakte zu
gewähren.
b) Die Ag beantragt,
1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
2.
der ASt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
3.
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Ag für notwendig zu
erklären.
-9-
Die Ag trägt vor, dass die ASt mangels rechtzeitiger Rüge mit ihrem Vorbringen
präkludiert sei. Die ASt habe mindestens seit Erhalt der Angebotsaufforderung im
Oktober 2014, faktisch aufgrund ihrer Beteiligung am vorangegangenen offenen
Verfahren deutlich länger, Kenntnis von den Vorgaben. Dass eine mögliche fehlende
Produktneutralität zu beanstanden wäre, habe die ASt daher auch laienhaft gewusst
oder sich jedenfalls dieser Erkenntnis mutwillig verschlossen. Jedenfalls sei der
angebliche Fehler aber erkennbar – die ASt selbst behaupte, es gebe nur ein Produkt,
welches die Anforderungen erfülle – und dennoch von der ASt nicht bis zur
Angebotsabgabe gerügt worden.
Der Antrag sei auch unbegründet, weil die ASt kein wertungsfähiges Angebot
abgegeben habe. Ihr Angebot sei wegen Abweichens von den Vorgaben der
Vergabeunterlagen auszuschließen.
Die ASt führe nicht – wie zulässigerweise von der Ag gefordert – die Maschinenabluft
direkt über die Wärmepumpe und weiche daher von den Vorgaben ab. Die warme,
feuchte Luft werde nur über das Wärmerückgewinnungssystem geführt. Die
angebotene Leistung sei auch nicht gleichwertig i.S.d. § 13 EG Abs. 2 VOB/A.
Unabhängig davon, dass die ASt die Gleichwertigkeit nicht mit Angebotsabgabe
nachgewiesen habe, führe die Notwendigkeit eines zusätzlichen Kühlregisters […] mit
einem Anschlusswert von ca. 10 kW zu zusätzlichem Energieverbrauch und damit auch
zu höheren Kosten während des Betriebs. Insgesamt werde die Hygieneproblematik
durch das System der ASt nicht gleichwertig gelöst.
Die Heizleistung der Wärmepumpe weiche über 50 % bei der Bandspülmaschine bzw.
über 65 % bei der Tablettspülmaschine von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses
ab.
Dies
sei
außerhalb
jeglichen
von
der
Rechtsprechung
anerkannten
Toleranzbereiches und werde daher nicht mehr von der ca.-Vorgabe gedeckt. Der Ag
sei es im Übrigen gerade nicht primär auf den Stromverbrauch der Spülmaschine selbst
angekommen, weil vorrangiges Ziel die Abkühlung der Luft über die Wärmepumpen
und entscheidend damit deren Leistung sei. Durch eine zu geringe Heizleistung der
Wärmepumpe werde der Maschinenabluft jedoch zu wenig Wärme und Feuchtigkeit
entzogen, wodurch die Gefahr von Keim- und Schimmelbelastung steige.
- 10 -
Keine der technischen Abweichungen von den aufgestellten Anforderungen habe die
ASt als solche in ihrem Angebot benannt und auch keinen Nachweis erbracht, weshalb
die gewählte Lösung trotz der offenkundigen Abweichungen dennoch als gleichwertig
zu betrachten sei.
Die von der ASt angebotene Variante sei auch nicht realisierbar. Ausweislich des von
ihr
vorgelegten
Datenblattes
verlange
das
[…]
System
eine
Frischwasserzulauftemperatur von 12°C. Die Berliner Wasserbetriebe stellten das
Wasser bei der Einspeisung jedoch schon mit 13-15°C zur Verfügung. Durch den Lauf
durch das Gebäude, die Enthärtung und die Umkehrosmose steige die Temperatur des
Wassers auf 18°C. Von dieser auch im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Temperatur
weiche das Angebot der ASt ab. Bei dem von ihr angebotenen Standardmodell bestehe
das Risiko, dass die Anlage mit der bestehende Zulauftemperatur die Ablufttemperatur
von maximal 22°C nicht werde einhalten können. Erst mit Schreiben vom 19. Februar
2015 habe die ASt vorgetragen, dass sie die Bandspülmaschine technisch modifiziere.
Dies könne und dürfe die Ag jedoch nach Ablauf der Angebotsabgabefrist nicht mehr
berücksichtigen. Denn zuvor habe sie in der Aufklärung eindeutig bestätigt, dass das
[…]-Standardmodell angeboten und gerade kein Sonderbau zum Einsatz kommen
werde. Die späteren Antworten auf die Bieterfragen vom 20. Januar 2015 hätten keine
zweifelsfreie Angebotslage ergeben. Bezuschlage die Ag das Angebot der ASt, könne
diese sich auf das von ihr im Angebot ausgewiesene Standardmodell zurückziehen und
die Ag sähe sich Nachtragsforderungen für den zu erwartenden erforderlichen Umbau
der Anlage ausgesetzt. Darauf müsse sich die Ag nicht einlassen.
Die Ag habe dennoch die ihr bekannte Technik der ASt zum Anlass genommen, das
Angebot auf seine Realisierbarkeit hin fachtechnisch überprüfen zu lassen. Die
vorgelegten Datenblätter seien unstimmig und könnten nicht den Beweis für die
physikalische Erreichbarkeit der Anforderungen durch das angebotene System
erbringen. So sei etwa die angegebene Abluftmenge von 170 m³/h nicht mit den kWAngaben der Spülmaschine in Einklang zu bringen. Die Abluftmenge lasse offenbar die
über die Außenfläche der Maschine entweichende Wärme unberücksichtigt. Die Daten
seien insgesamt nicht prüfbar, so dass die Ag nicht mit Gewissheit davon ausgehen
könne, dass die notwendige und geforderte Abkühlung der Abluft auf 22°C auch
tatsächlich erreicht werde. So belege auch die von der ASt vorgelegte Anlage ASt 24,
dass Ablufttemperaturen bis zu 25°C möglich seien.
- 11 -
Die Ag habe ihren Beschaffungsbedarf in der vorliegenden Art und Weise insbesondere
wegen der baulichen Gegebenheiten vor Ort so wählen müssen und dürfen. Die
Vorgabe einer Wärmepumpe sei auch keine produktspezifische Zuschneidung auf das
[…] System. Denn daneben böten zumindest auch […] und […] Spülmaschinen mit
Wärmepumpen an. Zudem habe die Ag durch die Umwandlung fixer Vorgaben in ca.Angaben die Ausschreibung weiter geöffnet. Im Übrigen bewege sie sich im Rahmen
der ihr zustehenden Bestimmungsfreiheit. Denn die Lösung über die Wärmepumpe sei
zuverlässiger und für die Ziele der Ag angesichts der gegebenen Randbedingungen
technisch vorteilhafter als das von der ASt angebotene System:
Die Kapazität des Kasinos werde von 1.000 auf 1.500 Essensteilnehmer erhöht. Die
Küche, einschließlich der Produktion und der Reinigung, werde auf einer Etage
zusammengefasst, die Aufteilung auf zwei Geschosse somit aufgehoben. Durch diese
beiden Entwicklungen herrsche zukünftig relativer Platzmangel. Ein Anschluss an die
Lüftungstechnik
sei
ebenfalls
nicht
möglich,
da
keine
hierfür
geeignete
raumlufttechnische Anlage vorhanden sei. Die vorhandenen Schächte ließen keinen
derartigen Luftmengenaustausch zu. Aus hygienischen Gründen müsse jedoch
sichergestellt werden, dass aufgrund der im gleichen Raum erfolgenden Lagerung, das
gereinigte und gespülte Geschirr innerhalb von zwei Stunden trocken sei. Anderenfalls
könnten sich Keime auf den feuchten Oberflächen exponentiell vermehren. Die Abluft
dürfe daher nur 22°C betragen, weil eine (noch) wärmere Luft eine zu hohe Luftfeuchte
aufweise, die eine Trocknung innerhalb von zwei Stunden verhindere. Die Fachplaner
hätten festgestellt, dass die Spülmaschinen bei diesen Vorgaben mit jeweils einem
Wärmerückgewinnungssystem und einer aktiven Wärmepumpe ausgestattet sein
müssten. Die ASt biete demgegenüber nur ein (passives) Wärmetauschsystem an und
setze ihre Wärmepumpen nur für eine Abkühlung des Frischwasserzulaufs an, um
hierüber wiederum die Maschinenabluft abzukühlen und das durchlaufende Wasser
(passiv) wieder zu erwärmen. Diese Vorgehensweise sei jedoch nicht mit einem aktiven
Wärmepumpemsystem, welches direkt die erzeugte Maschinenabluft herunterkühle,
vergleichbar. Die Ag müsse jedoch gewährleisten, dass sich nicht zunächst die
feuchtwarme Luft im Raum verteile, bevor sie wieder (passiv) abgekühlt werde.
Es habe sich gezeigt, dass bei schwierigen baulichen Gegebenheiten das […] System
unzureichend sei. So hätten die fünf am […] zum Einsatz kommenden Spülmaschinen
- 12 -
die raumlufttechnische Anlage überfordert, so dass nachträglich Klimaanlage hätten
eingebaut werden müssen. Nachträgliche Eingriffe in den laufenden Kantinenbetrieb
seien jedoch bei der hiesigen Situation gar nicht möglich. Bauseitig nicht, da hierfür
schon keine Raum- und Abluftkapazitäten vorhanden seien; versorgungstechnisch
nicht, da die Kantine für einen (hypothetischen) Umbau geschlossen werde müsste und
damit 1.500 Mitarbeiter ohne Essen blieben. Daher habe die Ag gerade nicht funktional
ausgeschrieben, etwa durch die Vorgabe einer einzuhaltenden Ablufttemperatur, und
somit auch nicht den Bieter den Weg zur Erreichung des Ziels überlassen. Die Ag habe
sich vielmehr im Vorfeld für die sicherere Variante der aktiven Entfeuchtung über eine
Wärmepumpe entschieden. Denn diese könne gegenüber der von der ASt
angebotenen passiven Variante einer zweiten Wärmerückgewinnung eine höhere
Menge an Abluft kühlen. Die Ag brauche die Gewähr dafür, dass auch an heißen Tagen
die Abluft auf das vorgegebene Maß abgekühlt werde.
Das Verhandlungsverfahren habe die Ag zulässigerweise wählen dürfen, weil sie alle
Bieter vom (offenen) Vergabeverfahren habe ausschließen müssen und daher kein
wertungsfähiges Angebot mehr vorgelegen habe. Die Ag habe das Verfahren daher
nicht – wie die ASt vermute – wegen eigener Verstöße gegen das Gebot der
Produktneutralität aufgehoben. Die Vorgaben seien bis auf ein winziges Detail
unverändert geblieben.
Der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium sei zulässig. § 97 Abs. 5 GWB sei
richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass – sofern andere Kriterien aus Sicht
des öffentlichen Auftraggebers nicht geeignet erscheinen – allein der günstigste Preis
die Wirtschaftlichkeit des Angebotes bestimmen könne. Da vorliegend keine Konzepte
oder Planungen zu erstellen gewesen wären und bei Einhaltung der Vorgaben alle
Angebote die gleiche Qualität (auch in Bezug auf den Energieverbrauch) aufweisen
würden, seien zusätzliche qualitative Kriterien nicht erforderlich und zudem auch nicht
sachgerecht.
c)
Mit Beschluss vom 24. Februar 2015 wurde die Bg zum Vergabenachprüfungsverfahren
hinzugezogen.
Die Bg beantragt:
- 13 -
1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
2.
Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Bg.
3.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Beigeladene wird für
notwendig erklärt.
Die Bg trägt vor, dass die ASt mit ihrem Angebot eindeutige Vorgaben des
Leistungsverzeichnisses
missachte.
Dies
betreffe
zunächst
die
vorgegebene
Frischwasserzulauftemperatur von 18°C. Die Ag habe gerade keine Maschine verlangt,
die zunächst das vorhandene 18°C warme Wasser für die weitere Verwendung als
Kühlmedium für die Maschinenabluft auf 12°C abkühle, um es dann wieder für die
Klarspülung zu erwärmen. Vielmehr habe die Ag Energie sparen wollen, indem das
vorhandene Wasser unter Einsatz von Primärenergie nur minimal erwärmt werden
müsse. Das System der ASt stelle sich daher energetisch als zu aufwändig und
ineffizient dar.
Ebenso sei der Ausschluss des Angebotes der ASt wegen Abweichens von der
vorgegebenen Heizleistung der Wärmepumpe gerechtfertigt. Dass die Maschine in den
Verbrauchswerten günstiger sei, werde von der Bg bestritten, sei jedoch auch
irrelevant. Denn die ASt belege selbst mit ihrem Vortrag, dass sie die ca.Abweichungsmöglichkeiten von 10 % jedenfalls bei der Forderung nach einem
Verbrauchswert von ca. 37 kW/h mit einem höheren Verbrauchswert von 42,8 kW/h
nicht einhalte.
Die Ausschreibung sei auch nicht auf das Produkt […] zugeschnitten. Die Firmen […],
[…] und […] könnten ebenfalls Spülmaschinen anbieten, die eine Abluft von maximal
22°C mithilfe einer Wärmepumpe bewerkstelligten, daneben auch einige italienische
Hersteller.
Auch
durch
die
Verknüpfung
mit
der
Anforderung,
dass
die
Nassmüllentsorgungsanlage aus steuerungstechnischen Gründen von demselben
Hersteller (demjenigen der Spültechnik) stammen müsse, werde die Ausschreibung
nicht produktspezifisch. Alle Spülmaschinenhersteller – also auch […] – würden für die
Nassmüllentsorgung zukaufen müssen, da sie nicht originäre Hersteller dieser
Komponenten seien. Bei einem Auftrag dieser Größenordnung wäre der Zukauf von
Nassmüllkomponenten für die Hersteller auch durchaus interessant.
- 14 -
Im Übrigen sei die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers zu beachten.
Wenn dieser eine Wärmepumpe haben möchte, könne ihm nicht von einem Bieter ein
anderes System angeboten werden. Ebenso wenig könnte die ASt einen Dieselmotor
anbieten, wenn ein Elektromotor für ein Dienstfahrzeug gefordert sei, auch wenn die
Fahrzeuge beide im Ergebnis selbstverständlich führen.
Jedenfalls habe die ASt den vermeintlichen Verstoß gegen das Gebot der
Produktneutralität nicht gerügt. Die ASt könne nicht ein Produkt anbieten, das von den
Vorgaben abweiche, ohne eine Bieterfrage zu stellen, auf die Abweichung im Angebot
hinzuweisen oder die Produktspezifität zu rügen, und dann dem Ausschluss des
Angebotes mit vermeintlich unzulässigen Vorgaben zu begegnen. Nach den
Ausführungen der ASt habe jedem Fachmann sofort ins Auge fallen müssen, dass die
Ausschreibung nicht produktneutral sei. Bei dieser (unzutreffenden) Vorstellung hätte
die ASt jedoch vor Angebotsabgabe rügen müssen.
In Bezug auf die Wahl des Verhandlungsverfahrens und der Vorgabe des Preises als
einziges Zuschlagskriterium schließt sich die Bg den Ausführungen der Ag an.
3.
Der ASt und der Bg wurden in Abstimmung mit der Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt.
In der mündlichen Verhandlung am 10. März 2015 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre
Standpunkte darzulegen. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der
Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen
haben, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der zulässige Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a)
Die Zuständigkeit der Vergabekammer des Bundes ist eröffnet, da sich der
Nachprüfungsantrag auf einen Auftrag bezieht, der dem Bund zuzurechnen ist und
dessen Auftragswert angesichts des Volumens der Gesamtbaumaßnahme oberhalb
des einschlägigen Schwellenwerts liegt.
- 15 -
b)
Die ASt ist auch antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB. Durch die behaupteten
Rechtsverletzungen in Bezug auf den Ausschluss ihres Angebots droht der ASt ein
Schaden in Form einer möglichen Beeinträchtigung ihrer Zuschlagschancen zu
entstehen. Ebenso ist eine mögliche Verletzung des Gebotes der produktneutralen
Ausschreibung geeignet, einen potentiellen Schaden darzustellen. Denn die Bejahung
des Verstoßes würde zur Zurückversetzung des Vergabeverfahrens und damit in der
Chance der ASt münden, erneut ein – diesmal beanstandungsfreies – Angebot
abgeben zu können.
c)
Fraglich erscheint indes, ob die ASt ihre Rügeobliegenheit erfüllt hat. Nach ihrem
Vortrag soll für jeden Fachmann ersichtlich gewesen sein, dass die Ausschreibung der
Ag auf das Fabrikat […] hinauslaufe. Dennoch hat sie diese von ihr jedenfalls in
tatsächlicher Hinsicht wohl erkannte Begebenheit nicht gegenüber der Ag gerügt.
Ebenso wenig hat sie die unstreitig bestehenden technischen Abweichungen des von
ihr intendierten Lösungswegs gegenüber den Vorgaben der Ag zum Anlass genommen,
zumindest eine Bieterfrage im Vorfeld zur Abklärung der Vorgehensweise zustellen und
bei (unterstellter) negativer Reaktion der Ag diese zum Gegenstand einer Rüge zu
machen. Der ASt ist jedoch zugute zu halten, dass es erklärtes Ziel der Ag war, eine
möglichst produktoffene Ausschreibung durchzuführen und hierzu etwa die technischen
Anforderungen mit ca.-Angaben versehen hatte. Dadurch konnte bei den Bietern der
Eindruck entstehen, dass Abweichungen möglich sind, so dass die Frage nach einer
Kenntnis/Erkennbarkeit eines Verstoßes auch im Rechtssinne offen erscheint. Im
Ergebnis kann jedoch dahinstehen, ob die ASt ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 107
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2, 3 GWB ordnungsgemäß nachgekommen ist, da der Antrag
insoweit jedenfalls unbegründet ist (dazu sub. 2a) und b)).
d)
Die ASt hat den Nachprüfungsantrag auch innerhalb der Frist von 15 Kalendertagen
nach Eingang der Mitteilung der Ag über die Nichtabhilfe eingereicht (vgl. § 107 Abs. 3
Satz 1 Nr. 4 GWB).
2.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die ASt ist wegen Abweichens von den
Vorgaben der Vergabeunterlagen auszuschließen (dazu sub a)). Das Vergabeverfahren ist
auch
nicht
wegen
eines
Verstoßes
gegen
das
Gebot
der
Produktneutralität
zurückzuversetzen, so dass die ASt auch keine Chance auf Abgabe eines erneuten Angebots
- 16 -
unter veränderten Randbedingungen erhält (dazu sub b)). Auch die übrigen von ihr
vorgebrachten Vergaberechtsverstöße liegen nicht vor (dazu sub c)).
a)
Das Angebot der ASt entspricht in mehrfacher Hinsicht nicht den Vorgaben der Ag und
ist daher gemäß § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 lit. a) VOB/A i.V.m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 S. 1
VOB/A auszuschließen.
aa)
Nach den Vorgaben der Ag ist ein zweistufiges System zum Abkühlen der
Maschinenabluft anzubieten (vgl. Seite 143 des Leistungsverzeichnisses für die
Bandspülmaschine,
Seite
151
für
die
Tablettspülmaschine):
Ein
Wärmerückgewinnungssystem soll die Abluft zunächst abkühlen und entfeuchten; dabei
soll das Kaltwasser mit einer Temperatur von 18°C für die Klarspülung des Geschirrs
vorerwärmt werden. In Ergänzung zu diesem System soll eine Wärmepumpe direkt für
eine zusätzliche Rückgewinnung von Energie und damit zur Abkühlung und
Entfeuchtung der Luft beitragen, indem die Maschinenabluft über die Wärmepumpe
geführt wird.
Die ASt bietet indes ein passives Wärmerückgewinnungssystem an, bei dem über
Wärmepumpen zunächst ein Kühlmedium generiert wird, indem das eingehende
Frischwasser durch ein technisch vorgeschaltetes Kühlregister von 18°C auf 12°C
heruntergekühlt wird und anschließend dieses Kaltwasser durch die warme
Maschinenabluft wieder erwärmt wird.
Unabhängig davon, ob man das angebotene System der ASt semantisch als ein- oder
zweistufig begreift, verfügt es jedenfalls nicht über eine aktive Wärmepumpe, über die
unmittelbar die Maschinenabluft geführt wird. Vielmehr handelt es sich faktisch um
(zwei) Wärmetausch- und damit passive Wärmerückgewinnungssysteme, wobei ein
Modul […] mit Hilfe von Wärmepumpen das Kühlmittel (das abgekühlte Klarspülwasser)
generiert.
Diese Abweichung ist zwischen den Verfahrensbeteiligten insoweit auch unstreitig; zu
der Frage, inwieweit die Ag durch die Vorgabe, eine Wärmepumpe anzubieten, dem
Gebot der Produktneutralität entsprochen hat, siehe sub. b).
- 17 -
bb)
Die
ASt
weicht
darüber
Frischwasserzulauftemperatur
von
hinaus
18°C
von
der
Vorgabe
auszugehen
und
ab,
mit
von
einer
dieser
eine
Ablufttemperatur von maximal 22°C zu gewährleisten. Darüber hinaus soll das 18°C
warme Wasser nach den Vorgaben für die Klarspülung nach den Vorgaben der Ag
erwärmt und nicht, wie bei der ASt vorgesehen, gekühlt werden.
Das von ihr im Rahmen der Aufklärung vorgelegte Datenblatt für die Bandspülmaschine
[…] weist zwar eine Ablufttemperatur von 22°C aus, führt jedoch in der Fußnote **)
weiter
aus,
dass
die
angegebene
Ablufttemperatur
in
Abhängigkeit
zur
Frischwasserlauftemperatur stehe, die max. 12 °C betragen dürfe. (Nur) unter diesen
Bedingungen solle ein zusätzlicher Abluftanschluss für die Maschine nicht erforderlich
sein. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei höheren Temperaturen ein – hier nicht
möglicher – Anschluss an eine Abluftanlage erforderlich werden kann.
Das ursprüngliche Angebot der ASt beinhaltete kein […] Modul zur Abkühlung auf
12°C. Durch Bezugnahme auf das von ihr vorgelegte Datenblatt im Rahmen der
Aufklärung hat die ASt nur das Standardmodell angeboten und die sie hat die Frage
nach
einem
eventuell
erforderlichen
Sonderbau
sogar
ausdrücklich
in
den
Bieterantworten 15 und 16 vom 3. Dezember 2014 verneint. Damit hatte sie sich in
Bezug
auf
die
Standard-Spülmaschine
zunächst
gebunden.
Denn
bei
der
Konkretisierung des Angebotes durch Vorlage von Datenblättern/Ausführungen auf
Fragen des Auftraggebers handelt es sich auch nicht um bloße unverbindliche
Darstellungen seitens der ASt, sondern um eine verbindliche Festlegung des in diesen
Punkten offenen Angebotes. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Aufklärung,
die der Ermittlung des konkreten Angebotsinhalts und nicht einer beispielhaften
Darstellung
einer
abstrakt
denkbaren
Leistungserbringung
dient.
Gerade
im
Verhandlungsverfahren muss der öffentliche Auftraggeber die Aussagen der Bieter
ernst nehmen, zumal der Leistungsinhalt – anders als im offenen Verfahren –
modifizierbar ist.
Die ASt kann sich daher nicht darauf zurückziehen, sie habe schon mit Unterschrift
unter das Leistungsverzeichnis ein bindendes Leistungsversprechen abgegeben, ihre
späteren Ausführungen wären quasi irrelevant. Jegliche Aufklärung/Verhandlungsrunde
wäre sinnlos, wenn der Bieter nachträglich erklären könnte, er wolle das von ihm im
Rahmen der Aufklärung/Verhandlung benannte Serienprodukt doch nicht liefern,
- 18 -
sondern – etwa wie im vorliegenden Fall – einen Sonderbau. Bei einer produktneutralen
Ausschreibung wird zwar grundsätzlich die Lieferung eines Gerätes mittlerer Art und
Güte gemäß § 243 BGB geschuldet wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April
2012 - Verg 61/11), doch trifft dies nicht mehr zu, wenn der Bieter im Rahmen der
Aufklärung den Leistungsgegenstand konkretisiert hat (OLG München, Beschluss vom
25. November 2013 - Verg 13/13 und Beschluss vom 10. April 2014 – Verg 1/14; vgl.
auch Beschluss vom 17. September 2007 – Verg 10/07, in dem der Senat den Bieter
wegen fehlender Eignung ausgeschlossen wissen will, da dieser durch die
abweichenden Angaben in der Aufklärung zu erkennen gegeben habe, dass er von
Anfang an nicht die geforderte Uhrenanlage habe liefern wollen).
Allerdings hat die ASt im Verhandlungsgespräch vom 7. Januar 2015 jedenfalls
„ausführliche Informationen“ zu einer „handwerklichen Sonderkonstruktion“ in Bezug auf
die Spültechnik angekündigt. Die am 20. Januar 2015 von der ASt eingereichten
Antworten auf den Fragekatalog der Ag (insbesondere lfd.-Nr.: 35ff. und 53) lassen
zwar erkennen, dass eine Wärmepumpe einlaufseitig vor der Wärmerückgewinnung,
integriert in den Wasserkreislauf zum Einsatz kommen solle. Allerdings beantwortet die
ASt die ausdrückliche Frage nach der Zusammensetzung des Sonderbaus nur mit
„Bezeichnung gemäß Leistungsverzeichnis“ und legt damit auch hier nicht dar, dass
und inwieweit sie ein anderes technisches Modell anbieten möchte. Weitere Angaben,
etwa Datenblätter, eigene Berechnungen der ASt, die die bereits vorgelegten Daten
relativierten, o.ä. hat die ASt ebenfalls nicht vorgelegt.
Die Ag hat diese Angaben – ausweislich der Vergabeakte ausdrücklich unter
Berücksichtigung ihrer „erworbenen Marktkenntnis“ – dennoch als Angebot des […]Systems gedeutet. Es kann dahinstehen, ob diese Deutung zulässig war und die
Antworten der ASt in der Verhandlungsrunde zweifelsfrei das Angebot des „[…]Systems“ belegen.
Denn selbst wenn man von der unzweideutigen Einbeziehung dieses Moduls ausginge,
ist zum einen nicht sichergestellt und von der ASt belegt, dass die geforderte
Ablufttemperatur von 22°C trotz des vorgelegten Datenblattes eingehalten werden
kann. So weist die von ihr im Nachprüfungsverfahren vorgelegte Anlage ASt 24 auch
bei Verwendung des […]-Systems bei „Frischwasserzulauftemperaturen für die
Klarspülung: bis 25°C“ eine Ablufttemperatur „bis ca. 25°C“ aus. Dass mit Hilfe des […]-
- 19 -
Systems die Ablufttemperatur in jedem Fall auf 22°C abgekühlt wird, steht folglich nicht
mit Gewissheit fest: Es wird keine Grenze ausgewiesen, ab welcher Wassertemperatur
eine Ablufttemperatur von 22°C gewährleistet ist.
Zum anderen weicht der Einsatz des […]-Systems von der Vorgabe ab, das zugeführte
Frischwasser für die Klarspülung von 18°C zu erwärmen. Demgegenüber kühlt die ASt
dieses Wasser unter Energieeinsatz zunächst ab, um es als Kühlmedium für den
Wärmetauschprozess einzusetzen. Auch dies stellt eine Abweichung von den Vorgaben
des Leistungsverzeichnisses, hier in Bezug auf die Energieeffizienz, dar (zur Frage der
Vereinbarkeit u.a. dieser Anforderung mit dem Gebot der Produktneutralität, siehe
unten sub b)).
cc)
Ob das Angebot der ASt zusätzlich wegen des (systembedingten) Abweichens
der Heizleistung ihrer Wärmepumpen auszuschließen wäre, kann aufgrund der
durchgreifenden Ausschlussgründe letztlich dahinstehen.
dd)
Ebenso kann dahinstehen, inwieweit die von der ASt vorgelegten Datenblätter im
Übrigen technisch plausibel sind und im Rahmen der Aufklärung eine Realisierbarkeit
belegt haben, und somit – wie von der Ag vorgetragen – eine Abwärmeleistung von 2,9
kW überhaupt mit der Abluftmenge von 170 m³/h bei der geforderten Ablufttemperatur
22°C in Einklang zu bringen ist.
b)
Das
Vergabeverfahren
Vergabeunterlagen
ist
auch
nicht
zurückzuversetzen.
in
Ein
den
Stand
Verstoß
vor
gegen
Versendung
der
das
der
Gebot
Produktneutralität (§ 7 EG Abs. 8 VOB/A) durch die Vorgabe, eine (aktive)
Wärmepumpe zur unmittelbaren Wärmerückgewinnung einzusetzen, kann nicht
festgestellt
werden.
Die
Vorgaben
der
Ag
sind
von
der
ihr
zustehenden
Bestimmungsfreiheit gedeckt.
Es ist dabei im Ausgangspunkt schon fraglich, ob durch das Verlangen nach einer
„Abluftwärmerückgewinnung mit einem Wärmerückgewinnungssystem“ plus einer
„Wärmepumpe zur zusätzlichen Rückgewinnung von Energie zur Abgabe von gekühlter
und entfeuchteter Abluft an den Raum“ (S. 143 und 151 des Leistungsverzeichnisses)
auf ein besonderes Verfahren oder eine bestimmte Produktion i.S.d. § 7 EG Abs. 8 S. 1
VOB/A verwiesen wird, das bestimmte Unternehmen begünstigt und andere
- 20 -
ausschließt. Gemäß Erwägungsgrund 74 der Richtlinie 2014/24/EU kann zwar eine
Begünstigung
eines
Wirtschaftsteilnehmers
durch
die
Abfassung
technischer
Anforderungen auch in der Art erfolgen, dass auf wesentliche Merkmale der von ihm
gewöhnlich angebotenen Bauleistungen abgestellt wird. Allerdings werden die
streitgegenständlichen Anforderungen gerade nicht nur von dem von der Bg
angebotenen und von der ASt als Ausschreibungsziel vermutetem […] System erfüllt.
Nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Ag sind allein vier Unternehmen in
Deutschland grundsätzlich in der Lage, Spülmaschinen zu liefern, die mit Hilfe einer
aktiven Wärmepumpe der Maschinenabluft Wärmeenergie entziehen können, daneben
eine Reihe italienischer Hersteller. Eine mittelbare oder indirekte Bevorzugung eines
bestimmten Unternehmens bzw. einer Benachteiligung eines anderen kann somit im
Ausgangspunkt nicht festgestellt werden.
Ebenso ist zu bedenken, dass […] und […] nur als Nachunternehmer fungieren, deren
Leistungen der Bieter mithin „einkauft“. Grundsätzlich steht es daher den Bietern frei,
sich entsprechende Nachunternehmerleistungen am Markt zu beschaffen.
Ob
durch
die
Kombination
mit
der
Forderung,
dass
auch
die
Nassmüllentsorgungsanlage aus Gründen der Steuerungstechnik von demselben
Hersteller stammen müsse (Seite 209 des Leistungsverzeichnisses), die Ausschreibung
– so die ASt – tatsächlich nur auf Angebote unter Zugrundelegung des […]-Systems
hinauslaufe (was von den übrigen Verfahrensbeteiligten bestritten wird), kann letztlich
dahinstehen. Denn selbst wenn man das tatbestandliche Eingreifen des § 7 EG Abs. 8
S. 1 VOB/A im vorliegenden Fall dem Grunde nach annähme, wäre die Vorgabe mit der
Bestimmungsfreiheit
der
Ag
hinsichtlich
des
von
ihr
zu
definierenden
Beschaffungsbedarfs gedeckt. Dazu im Einzelnen:
Bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt oder ein spezielles
Verfahren ist der öffentliche Auftraggeber im Ausgangspunkt ungebunden. Die
Ausübung der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers ist dem Vergabeverfahren
vorgelagert und bewirkt erst die Nachfrage, d.h. ihre Ausübung determiniert, was
beschafft werden soll. Das Vergaberecht regelt jedoch nicht, was der öffentliche
Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung (OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2010 - VII-Verg 42/09, ISM-Funk, Beschluss
vom 3. März 2010 - VII-Verg 46/09, Klein-Lysimeter; Beschluss vom 27. Juni 2012 - VII-
- 21 -
Verg 7/12, Fertigspritzen; Beschluss vom 22. Mai 2013 – VII-Verg 16/12 Hochschulsoftware).
Im Vergabenachprüfungsverfahren überprüfen die Nachprüfungsinstanzen folglich nur,
ob die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen
Auftraggebers eingehalten sind. Dies ist dann der Fall, sofern die Bestimmung durch
den
Auftragsgegenstand
sachlich
gerechtfertigt
ist,
vom
Auftraggeber
dafür
nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und
die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe somit auch
tatsächlich
vorhanden
Wirtschaftsteilnehmer
sind.
nicht
Dann
werden
diskriminiert
und
durch
es
die
gilt
Bestimmung
der
andere
Grundsatz
der
Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 1. August 2012 - VII - Verg 10/12, SatWaS/MoWaS, Beschluss vom 27.
Juni 2012 - VII-Verg 7/12, Fertigspritzen).
An den vorstehenden Überlegungen gemessen ist die Vorgabe einer zusätzlichen
(aktiven) Wärmepumpe zum (passiven) Wärmerückgewinnungssystem durch die Ag
nicht zu beanstanden. Die Ag hat sich im Kern darauf berufen, dass sie zur Wahrung
der arbeitsstättenrechtlichen Vorgaben auf „Nummer sicher“ gehen möchte und ihr
Planer hierfür ein zweistufiges System mit einer aktiven Wärmepumpe, über die
unmittelbar
die
Abluft
geführt
wird,
und
einem
passiven
Wärmetauscher
herausgearbeitet hat. Dass die Ag angesichts der baulichen Gegebenheiten der
Liegenschaft
(fehlende
raumlufttechnische
Anlage,
keine
sonstige
Entlüftungsmöglichkeit der Küchenabluft) und der notwendigen Versorgung der
Essensteilnehmer nachträgliche Veränderungen, die den Betrieb der Küche zum
Erliegen bringen würden, von vornherein ausschließen möchte und daher schon jetzt
eine aus ihrer Sicht sicherere Variante wählt, ist als sachlicher Grund gut
nachvollziehbar und anzuerkennen. Auch dass sie in jedem Fall und zu jeder Jahreszeit
die hygienischen Bedingungen bezüglich der Keimfreiheit des Geschirrs und der
Tabletts gewährleistet wissen will, ist auftragsbezogen und nicht willkürlich.
Aufgrund
der
Zusammenlegung
der
bisherigen
Verteilung
der
Essensproduktion/Spültechnik/Lagerung des Geschirrs von bisher zwei auf zukünftig
ein Stockwerk und der Erhöhung der Essensteilnehmerzahl um 50 % auf 1.500 ist es
nach dem Vortrag der Ag zudem erforderlich, in dem Stockwerk möglichst platzsparend
- 22 -
zu agieren. Da bei den anderen Küchengeräten - wie etwa den Herden - kein
diesbezügliches Einsparpotential besteht, ist es jedenfalls nachvollziehbar, dass die Ag
kein zusätzliches Kühlregister (wie etwa das „[…]“-System der ASt) verwendet wissen
wollte.
Dass die Planer der Ag die unmittelbare Abkühlung und Entfeuchtung durch eine
Pumpe und nicht erst die mittelbare Abkühlung durch das Kühlmittel „Frischwasser“ in
der Ausführungsvariante der ASt als technische Lösung zur Reduktion der Wärme
präferierten, ist ebenfalls nicht als sachwidrig oder gar willkürlich zu qualifizieren. Es ist
jedenfalls nachvollziehbar, dass sich die Ag hiervon eine bessere Reduktion des
Feuchtigkeitseintrags in den Raum erhofft als bei einem passiven System. Dies betrifft
letztlich auch die zusätzlichen Kosten für die zur Kühlung des Kaltwasserzulaufs von
18°C auf 12°C aufzuwendende Energie, die bei der Wärmepumpe nicht erforderlich ist,
da diese von 18°C aus operieren kann. Die Energieeffizienz hat einen unmittelbaren
Auftragsbezug und kann von der Ag als Gesichtspunkt für die Bestimmung ihres
Beschaffungsbedarfs herangezogen werden. Auch die neueren rechtlichen Vorgaben
lenken das Augenmerk der Auftraggeber auf diesen Gesichtspunkt, vgl. etwa § 4 Abs. 5
ff. VgV, Art. 67 Abs. 3, Art. 68 Abs. 1 lit. a) ii) Richtlinie 2014/24/EU.
In der Gesamtschau ist daher die Vorfestlegung der Ag auf die Wärmepumpe im
Gegensatz zu einem ausschließlich Wärmetauschsystem willkürfrei. Die ASt kann ihr
System nicht zum Maßstab für den Beschaffungsbedarf der Ag machen, um sich
ebenfalls am Vergabeverfahren beteiligen zu können, ohne den Ausschluss ihres
Angebotes befürchten zu müssen. Im Übrigen steht auch der ASt grundsätzlich der
Zugang zu den Systemen der verschiedenen Hersteller frei, deren Produkte die
Vorgaben der Ag erfüllen.
c) Auch die übrigen vorgebrachten Vergaberechtsverstöße liegen nicht vor.
aa)
Das Verhandlungsverfahren durfte von der Ag gewählt werden, da sie im
vorangegangenen offenen Verfahren alle Bieter – aus unterschiedlichen Gründen –
ausgeschlossen hatte und somit kein wertbares Angebot mehr vorlag. Diese
Ausschlüsse sind von den jeweiligen Bietern nicht angegriffen worden, so dass die
Kammer von deren Rechtmäßigkeit auszugehen hat. Damit lagen keine Angebote i.S.d.
§ 3 EG Abs. 5 S. 1 Nr. 1 lit. a) VOB/A vor. Da die Ag alle Bieter des vorangegangen
- 23 -
Verfahrens einbezogen hatte und die Vertragsunterlagen von ihr nicht grundlegend
geändert worden waren, konnte die Ag ins Verhandlungsverfahren übergehen.
bb)
Die Ag hatte in der Angebotsaufforderung für das Verhandlungsverfahren vom 13.
Oktober 2014 gemäß Ziffer 5.3 den niedrigsten Preis als alleiniges Zuschlagskriterium
angegeben und die Wertung entsprechend durchgeführt. Zwar stellt der Wortlaut des
§ 97 Abs. 5 GWB auf das wirtschaftlichste Angebot ab. Jedoch lassen die europäischen
Richtlinien den niedrigsten Preis zur Ermittlung des Zuschlagsempfängers ausdrücklich
zu (vgl. Art. 53 Abs. 1 lit a) und b) Richtlinie 2004/18/EG und Art 67 Abs. 2 UAbs. 1 und
3 Richtlinie 2014/24/EU).
cc)
Letztlich sind Dokumentationsmängel, die zu einer Rechtsverletzung der ASt
geführt haben oder jedenfalls hätten führen können, nicht ersichtlich.
Da
das
Angebot
der
ASt
auszuschließen
und
das
Vergabeverfahren
nicht
zurückzuversetzen ist, ist der Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 4 GWB i.V.m. § 80 Abs.
3 Satz 2 VwVfG.
Als Unterliegende hat die ASt die außergerichtlichen Aufwendungen der Ag zu tragen (§ 128 Abs. 4
S. 1 GWB). Es entspricht der Billigkeit, der ASt auch die Aufwendungen der Bg aufzuerlegen. Die
ASt hat einen Interessengegensatz gegenüber der Bg insoweit begründet, als dass sie sich durch
die geforderte (Wieder-)Einbeziehung ihres Angebotes in die Wertung an die Stelle der Bg setzen
möchte. Bei Feststellung eines Verstoßes gegen das Gebot der Produktneutralität hätte die Bg
aufgrund der dann notwendigen Zurückversetzung des Vergabeverfahrens ebenfalls ihre Position
als Zuschlagsempfänger verloren und hätte sich an einem erneuten Vergabeverfahren beteiligen
müssen.
Die
Bg
hat
sich
auch
durch
schriftlichen
und
mündlichen
Vortrag
am
Vergabenachprüfungsverfahren beteiligt und zudem Anträge gestellt und insoweit auch ein
Kostenrisiko auf sich genommen.
- 24 -
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Ag und die Bg war jeweils
notwendig. In dem Nachprüfungsverfahren stellten sich Rechtsfragen, deren Komplexität und
Schwierigkeiten eine anwaltliche Vertretung notwendig gemacht haben. Die Notwendigkeit der
Hinzuziehung ergibt sich auch aus dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ gegenüber der
ebenfalls anwaltlich vertretenen ASt.
IV.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim
Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat –, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten
und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben,
auf die sich die Beschwerde stützt.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat
die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf
Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.
Dr. Herlemann
Zeise