Stellungnahme

Stellungnahme
des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft e.V. (BVMW) zu dem
Arbeitsentwurf für ein Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und
die hochwertige Verwertung von Verpackungen und sonstigen beim privaten
Endverbraucher anfallenden Erzeugnissen aus Kunststoffen oder Metallen
(Wertstoffgesetz – WertstoffG)
Berlin, 12. November 2015
Stellungnahme
Ein an natürlichen Rohstoffen armes Land wie Deutschland ist auf effiziente Produktion und
Rückgewinnung von Wertstoffen angewiesen. Insofern ist eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft
notwendig. Das geplante Wertstoffgesetz kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Es ist
ausdrücklich zu begrüßen, dass nun nach jahrelanger Ankündigung ein Arbeitsentwurf vorgelegt und
zur Diskussion gestellt wurde. Eine gestärkte Produktverantwortung mit hohen Verwertungsquoten,
fairer Wettbewerb und eine privatwirtschaftliche Organisation der Erfassung, Sammlung und
Verwertung sind die notwendigen Pfeiler einer funktionierenden Kreislauwirtschaft. Vor diesem
Hintergrund ist die geplante stärkere kommunale Einflussnahme auf das bewährte Prinzip der
privatwirtschaftlichen Erfassung der Wertstoffe bedenklich. Die Wiedergewinnung von Rohstoffen bei
geringer Kostenbelastung der Unternehmen und Verbraucher muss dabei im Vordergrund stehen.
Im Einzelnen nimmt der BVMW wie folgt Stellung:
1. Stärkung der Produktverantwortung ist zu begrüßen
Die vorgesehene Stärkung der Produktverantwortung ist zu begrüßen. Laut Arbeitsentwurf soll
das Gesetz neben Verpackungen auch auf stoffgleiche Nichtverpackungen, die überwiegend
aus Kunststoffen oder Metallen bestehen, angewandt werden (§ 2 Abs. 1). Gegenüber der
derzeitigen Regelung wären dies eine Ausweitung der Produktverantwortung und somit eine
Stärkung der Kreislaufwirtschaft.
Wesentlich ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass marktwirtschaftliche Prinzipien
eingehalten werden. Eine Verantwortung für die Sammlung der Wertstoffe durch die Kommune
würde der Produktverantwortung und einer zeitgemäßen Kreislaufwirtschaft nicht gerecht.
Anzumerken ist zudem, dass die Einbeziehung nur solcher Produkte, die nicht mehr als fünf
Kilogramm wiegen und ohne mechanische Vorbehandlung zur Erfassung in der Wertstofftonne
geeignet sind, praxisfern ist. Verbraucher werden ihre Wertstoffe nicht wiegen und diese
dennoch in den Wertstofftonnen zu entsorgen. Aus Perspektive der Rückgewinnung von
Wertstoffen wäre dies sogar zu begrüßen. Daher sollte die im Arbeitsentwurf angedachte
Regelung überarbeitet werden.
2. Anforderungen an Verpackungen konkretisieren
Die gestellten Anforderungen an die Herstellung und den Vertrieb von Verpackungen (§ 4)
müssen konkretisiert werden. Die Anforderungen sollten so klar ausgestaltet sein, dass für
Hersteller und Inverkehrbringer eindeutig ist, was von ihnen verlangt wird. Dies kann auch
untergesetzlich konkretisiert werden.
3. Ambitionierte Quoten mit Augenmaß
Die Quoten für die Verwertung von Kunststoffen müssen mit Augenmaß festgelegt werden. Die
ambitionierteren Recycling- und Verwertungsquoten, die laut Arbeitsentwurf vorgesehen sind
(§ 17 Abs. 2), sind grundsätzlich zu begrüßen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Quoten
realistisch und erreichbar seien müssen. Eine Festlegung zunächst geringerer Quoten ist
insbesondere daher angebracht, da erst Praxiserfahrungen beim Recycling stoffgleicher
Nichtverpackungen gewonnen werden müssen. Bisher ist unklar, in welchem Umfang
stoffgleiche Nichtverpackungen von der Wirtschaft tatsächlich an dualen Systemen beteiligt
werden. Unklar ist auch, inwieweit sich damit die Sammelmenge erhöhen wird. Daher sollten
sich die Quoten auf die tatsächlich gesammelten Wertstoffe (Verpackungen und stoffgleiche
Nichtverpackungen) anstatt auf die lizenzierte Menge beziehen.
Zudem ist die Verdopplung der Quoten für Kunststoffe gegenüber der derzeitigen Regelung
überaus ambitioniert, da zunächst technische Voraussetzungen geschaffen und ein
Abnahmemarkt für die Recyclate entstehen muss. Die Quoten für Kunststoffe sollten zu Beginn
geringer als geplant angesetzt werden und schrittweise erhöht werden. Ratsam sind zudem
Quoten, die nach Art der zu recycelnden Kunststoffe differenzieren.
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4. Bundesweite Lösung für Sicherheitsleistung vorziehen
Anstatt der Erbringung systemindividueller Sicherheitsleistung gegenüber dem jeweiligen
Bundesland, wäre eine gesamthafte bundesweite Lösung bei der Zentralen Stelle vorzuziehen.
Der Arbeitsentwurf sieht vor, dass die für die Feststellung zuständige Landesbehörde eine
Sicherheit für den Fall verlangen kann, dass die Pflichten nicht hinreichend erfüllt werden (§ 19
Abs. 4). Die Erbringung der Sicherheitsleistung in jedem Bundesland ist mit erheblichem
administrativem Aufwand verbunden, da die Länder regelmäßig von den dualen Systemen
selbstschuldnerische Bankbürgschaften verlangen. Darüber hinaus haben weder die
Kommunen noch die mit der Sammlung beauftragten Entsorger die Möglichkeit, auf die
Sicherheitsleistungen zuzugreifen. Daher wäre eine gesamthafte bundesweite Lösung bei der
Zentralen Stelle, die direkt in Anspruch genommen werden kann, der derzeit vorgesehenen
Regelung vorzuziehen.
5. Anzahl zugelassener Wirtschaftsprüfer erhöhen
Die im Arbeitsentwurf vorgesehene Anzahl von Wirtschaftsprüfern, welche die
Lizenzmengenmeldungen der Systeme gegenüber der Zentralen Stelle prüfen, sollte erhöht
werden, um flexibel auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Nach § 20 Abs. 6 des
Arbeitsentwurfes ist vorgesehen, dass die Systeme einen Pool von vier Systemprüfern
benennen, aus welchem sie einen mit der Prüfung der Lizenzmeldungen beauftragen. Eine zu
geringe Zahl von Wirtschaftsprüfern erhöht die Gefahr, dass die benannten Prüfer einem
bestimmten System nahestehen. Daher sollte die Zahl der zur Verfügung stehenden Prüfer
erhöht werden bzw. das Wort „vier“ durch „eine angemessene Zahl“ ersetzt werden.
6. Regelungen zur Festlegung von Mindeststandards nachbessern
Die vorgesehene Festlegung von Mindeststandards für die Bemessung der Recyclingfähigkeit
sollte Aufgabe des Umweltbundesamtes (UBA) sein, nicht der Zentralen Stelle. Nach § 21
Abs. 3 des Arbeitsentwurfes ist vorgesehen, dass die Zentrale Stelle im Einvernehmen mit dem
UBA die Mindeststandards festlegt. Es ist unklar, auf welche Weise und mit welcher Methode
die Zentrale Stelle einen jährlichen Mindeststandard für die Bemessung der Recyclingfähigkeit
von Verpackungen und wertstoffhaltigen Produkten erarbeiten sollte. Mit dieser Aufgabe sollte
allein das UBA betraut sein. Zudem muss geklärt werden, welche Rechtsfolgen diese
Standards hätten.
7. Kommunaler Einfluss zur Wertstoffsammlung ist zu weitreichend
Der im Arbeitsentwurf vorgesehene umfangreiche Einfluss der öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger auf Art, Struktur und Zeitraum der Wertstoffsammlung (§ 22 Abs. 2) ist zu
umfangreich. Die Kosten der Wertstoffsammlung könnten durch kommunale Vorgaben zum
Sammelsystem und zur Sammelhäufigkeit ansteigen, wenn durch das Auseinanderfallen von
Bestellung und Zahlung der Leistung (Verletzung des Konnexitätsprinzips) falsche Anreize
gesetzt würden. Es ist zu befürchten, dass zukünftig nicht mehr die ökonomisch sinnvollen
Systeme in einer Gebietskörperschaft aufgestellt werden, sondern die von einzelnen
Entscheidern bevorzugten Systeme. Der eingeschränkte Gestaltungsspielraum der
Systembetreiber würde zudem die Erfüllung der ambitionierten Recyclingquoten gefährden, da
diese kaum noch Einfluss auf die Ausgestaltung der Sammlung zur Beeinflussung des
Recyclings hätten.
8. Behältergestellung durch Kommunen wäre teuer und bürokratisch
Die im Arbeitsentwurf vorgesehene Behältergestellung der öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger (§ 22 Abs. 4) lehnen wir ab. Die Bereitstellung der Tonnen durch die
Kommune würde einseitig die kommunalen Entsorgungsunternehmen bevorzugen, ohne dass
daraus Vorteile für die Erfassungsqualität oder das Recycling entstünden. Vielmehr bestünde
die Gefahr, dass kommunale Entsorger über die Auswahl des Systems einen direkten
Wettbewerbsvorteil gegenüber der Privatwirtschaft erlangen.
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Die Trennung des Eigentums an den Transportbehältern und der Transportlogistik ist willkürlich
und lässt keinen Nutzen für die Entsorgung erkennen. Vielmehr ist zu befürchten, dass eine
solche Trennung zu höheren Kosten führt, da der Eigentumswechsel an den Behältern mit
hoher, überflüssiger Bürokratie verbunden ist. Letztlich müssten die Kosten durch höhere
Abfallgebühren von den Bürgern getragen werden.
Hinsichtlich des Bestandsschutzes bereits getätigter Investitionen, fehlt in § 22 Abs. 4 die
konkrete Regelung. Angemessen wäre ein dauerhafter Bestandsschutz für die von den
Entsorgungsunternehmen aufgestellten Behälter.
9. Zentrale Stelle ist zu begrüßen
Die Einrichtung einer Zentralen Stelle (§ 24 bis § 31) ist grundsätzlich zu begrüßen. Oberstes
Ziel der Zentralen Stelle muss die Kontrolle eines fairen Wettbewerbs, der sich an der Qualität
der Leistung orientiert, sein. Die Stelle muss so aufgebaut sein, dass sie unabhängig ist, und
unbürokratisch für Transparenz und Kostenbewusstsein im System sorgt. Der nach dem
Arbeitsentwurf vorgesehene starke Einfluss der Kommune ist nicht nachvollziehbar und sollte
überarbeitet werden.
10. Beauftragung Dritter klarstellen
Der Arbeitsentwurf sieht vor, dass die nach dem geplanten Gesetz verpflichteten Dritte mit der
Erfüllung ihrer Pflichten beauftragen können (§ 34). Das Verhältnis dieser Dritten zu den
Bevollmächtigten nach § 3 Abs.19 sollte klargestellt und darüber hinaus kritisch hinterfragt
werden.
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